Die Harnbelastungsinkontinenz wird definiert als ungewollter Harnverlust bei körperlicher Anstrengung, Husten oder Niesen [1]. Dies ist die häufigste Form der Inkontinenz bei Frauen. Studien deuten darauf hin, dass die Hälfte aller inkontinenten Frauen an Belastungsinkontinenz leidet [2]. Hannestad et al. stellten in ihrer norwegischen Umfragestudie eine Gesamtprävalenz der Harninkontinenz in der weiblichen Bevölkerung von 25 % fest, wovon etwa 50 % an Belastungsinkontinenz litten. Die Prävalenz der Harninkontinenz stieg mit zunehmendem Alter [3]. Die Belastungsinkontinenz führt nicht nur zu einer Abnahme der Lebensqualität, sondern stellt auch eine signifikante Belastung für das Gesundheitssystem dar. Aus diesem Grund sind sowohl die Entwicklung neuer – möglichst wenig invasiver Behandlungsoptionen – als auch eine Evaluierung bereits bestehender Methoden von großer Bedeutung. Der erste therapeutische Schritt besteht aus konservativen Methoden wie Gewichtsreduktion, Verhaltensänderungen und Beckenbodentraining. Allerdings erweist sich dies bei vielen Frauen als nicht ausreichend. Deswegen wurden zahlreiche operative Verfahren zur Behandlung der Belastungsinkontinenz entwickelt, wobei der Trend eindeutig in Richtung minimal-invasiver Methoden geht. Seit der Sicherheitswarnung bei der Anwendung transvaginaler Netze zur Behandlung des Descensus genitalis durch die ’Food and Drug Administration’ (FDA) kam es zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten, und viele Produkte wurden vom Markt genommen [4]. Im Zuge dieser Umstände kamen auch die mitturethralen spannungsfreien Bänder in Verruf, und deren Anwendung wurde in manchen Ländern verboten. Dies brachte die Operateure dazu, auf ältere, invasivere Methoden, wie z. B. Burch-Kolposuspension, zurückzugreifen. Studien belegten vergleichbare Komplikations- und Reinterventionsraten zwischen mitturethralen Bändern und Burch-Kolposuspension [5, 6], wobei allerdings signifikant bessere Heilraten für die mitturethralen Bänder und somit eine Überlegenheit gegenüber der Burch Kolposuspension nachgewiesen wurden [7]. Als eine weitere minimal-invasive Therapieoption wird derzeit die intravaginale Lasertherapie im Rahmen von Studien untersucht. Erste Studien deuten auf eine Wirksamkeit bei der milden Belastungsinkontinenz hin [8]. Allerding gibt es derzeit noch nicht ausreichend Evidenz, um diese Methode seriös in der klinischen Praxis außerhalb von Studien anzubieten. Eine weitere Therapieoption stellt die Anwendung von verschiedenen „bulking agents“ dar. Diese gewinnen aufgrund ihrer geringen Invasivität seit einigen Jahren wieder zunehmend an Bedeutung. In einer rezenten Metaanalyse von Pivazyan et al. zeigten sich „bulking agents“ weniger effektiv als invasivere chirurgische Methoden im Sinne einer subjektiven Besserung. Bezüglich der Komplikationen zeigte sich kein signifikanter Unterschied [9]. Demnach sind die invasiveren chirurgischen Methoden als effektiver anzusehen. Anderen Studien zufolge bleiben „bulking agents“ der milden bis mittelgradigen Belastungsinkontinenz und Patientinnen, welche aufgrund ihrer Begleiterkrankungen für einen invasiveren chirurgischen Eingriff nicht in Frage kommen, vorbehalten [10, 11].
Die mitturethralen Bänder stellen den Goldstandard in der chirurgischen Therapie der weiblichen Belastungsinkontinenz dar. Seit der Entwicklung des spannungsfreien Vaginalbandes (’tension-free vaginal tape’, TVT) 1995 [12] wurden zahlreiche modifizierte Bänder entwickelt. Bei SPARC (Suprapubic arc, American Medical Systems, Minnetonka, MN, USA) sowie bei TVT handelt es sich um retropubische mitturethrale Bänder, welche minimal-invasiv spannungsfrei suburethral platziert werden.
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SPARC ist durch den sog. „top-bottom“ Zugang ausgezeichnet, bei welchem die Trokare von suprapubisch nach vaginal geführt werden. Dabei wird eine kurze sagittale Inzision an der vorderen Vaginalwand durchgeführt und beidseits ein kurzstreckiger paraurethraler Kanal präpariert. Es folgen 2 suprapubische Hautinzisionen, 0,5–1 cm lang, etwa 2 Querfinger lateral der Mittellinie direkt hinter dem Symphysenoberrand. Die Nadeln werden von den suprapubischen Inzisionen entlang des Symphysenhinterrandes zur vaginalen Inzision geführt. Nach Sicherstellung der korrekten Nadellage mittels Urethrozystoskopie wird das SPARC-Band an beide Nadelspitzen konnektiert, die Nadeln mit ihm nach suprapubisch hochgezogen und das Proleneband spannungsfrei unter die mittlere Harnröhre positioniert. Die Harnblase wird anschließend mit 250 ml Flüssigkeit aufgefüllt, und durch leichten Druck auf die Blasenregion wird ein Harnabgang ausgelöst. Gelingt dies in geringem Ausmaß, ist die Spannung des Bandes richtig. Anschließend werden die Nadeln abgeschnitten und die Plastikhüllen vom Band abgezogen. Danach wird das Band im Hautniveau abgeschnitten, und die Hautinzisionen sowie die vordere Kolpotomie werden verschlossen [13]. Zahlreiche Studien untersuchten Langzeitergebnisse nach TVT und zeigten zufriedenstellende objektive und subjektive Heilungsraten [14, 15]. Im Gegensatz zu TVT ist die Datenlage zu SPARC spärlich. Eine Studie von Dietz et al. deutet auf vergleichbare Kurzzeitergebnisse nach SPARC und TVT im Sinne von subjektiver Heilung und Zufriedenheit hin, wobei sich bei Anwendung der SPARC-Methode ein Trend zu weniger Blasenentleerungsstörungen zeigte [16]. Deval et al. stellten eine objektive Heilungsrate von 90,4 % und eine subjektive Heilungsrate von 73,4 % nach einem mittleren Follow-up von 11,9 Monaten nach SPARC fest [17]. Auch die Kurzzeitergebnisse an unserer Klinik zeigten vergleichbare objektive (84,4 %) und subjektive (75,0 %) Heilungsraten sowie eine hohe Zufriedenheitsrate [13].
Die SPARC-Methode wurde zwischen 2001 und 2018 erfolgreich an der Universitätsklinik für Urologie in Graz angewendet. Die Produktion von SPARC wurde 2017 von der Firma AMS aus nichtmedizinischen Gründen eingestellt. Es sind vergleichbare Produkte am Markt vorhanden. An unserer Klinik wird derzeit das Unitape VS (Promedon, Córdoba, Argentina) angewendet, bei welchem die Trokare ebenfalls von suprapubisch nach vaginal geführt werden.
Wir analysierten retrospektiv Daten von 139 Patientinnen, bei denen zwischen 2001 und 2014 die Implantation eines mitturethralen Bandes nach der SPARC-Methode zur Behandlung der Belastungsinkontinenz an der Universitätsklinik für Urologie Graz durchgeführt wurde [18]. Daten von 126 Patientinnen waren für ein Follow-up nach 1 Jahr, von 70 Patientinnen nach 6 Jahren (Spannweite 5–6 Jahre) und von 41 Patientinnen nach 9 Jahren (Spannweite 7–10 Jahre) verfügbar. Das mediane Alter zum Zeitpunkt der Operation betrug 62 Jahre (Spannweite 34–91). Der mediane BMI betrug 27,8 kg/m2 (17,8–42,0 kg/m2). Es wurden sowohl Frauen mit reiner Belastungsinkontinenz als auch Frauen mit Mischinkontinenz (13 von 139) in die Studie eingeschlossen. Im Falle einer Mischinkontinenz wurde zuerst die Drangkomponente mit Antimuskarinika behandelt, und erst nach deutlicher Rückbildung der Drangsymptomatik wurde die SPARC-Operation durchgeführt. Eine Rezidivbelastungsinkontinenz bestand bei 43 von 139 Patientinnen (30,9 %). Von 139 Patientinnen hatten 79 (56,8 %) eine Operation im kleinen Becken in der Vorgeschichte. Objektive Heilung wurde definiert als negativer Hustentest, sowie ein Padtest von 0–1 g nach Hahn & Fall, subjektive Heilung als kein Harnverlust während Alltagsaktivitäten und keine Verwendung von Vorlagen. Die objektive Heilungsrate betrug nach 1 Jahr 78,6 %, nach 6 Jahren 71,4 % und nach 9 Jahren 70,7 %. Die subjektive Heilungsrate betrug nach 1 Jahr 72,2 %, nach 6 Jahren 55,7 % und nach 9 Jahren 65,9 %. Bei 4 Patientinnen (2,9 %) kam es intraoperativ zu einer Blasenperforation. Diese wurde intraoperativ zystoskopisch erkannt, und nach Entfernung der Nadel erfolgte etwas lateraler eine Neuanlage. Auch in diesen Fällen wurde der Katheter am Folgetag entfernt, und es zeigten sich keine negativen Folgen. Wir beobachteten keine therapiebedürftigen postoperativen Hämatome. Bei 3 Patientinnen (2,2 %) kam es zu einem Harnverhalt und bei 6 Patientinnen (4,3 %) zu einer Restharnbildung über 200 ml. In diesen Fällen wurde eine Bandlockerung am Folgetag durchgeführt. Bei 3 Patientinnen (2,2 %) kam es zu einem „tape gliding“ (Durchrutschen des Bandes), und sie zeigten die gleiche Inkontinenzsituation wie präoperativ. In diesen Fällen wurde eine Neuanlage des SPARC-Bandes am Folgetag durchgeführt. Bei den Langzeitkomplikationen fiel auf, dass es mit der Zeit zu einer Zunahme der Dranginkontinenz kam (10 % bzw. 9,8 % nach 6 bzw. 9 Jahren). Dies wurde in erster Linie auf das zunehmende Alter der Patientinnen zurückgeführt. In der norwegischen epidemiologischen Studie stieg der Anteil der Dranginkontinenz im Alter an und betrug in der Gruppe der 85- bis 89-Jährigen 23 % [3]. Die Komplikationsraten sind in Tab. 1 dargestellt.
Tab. 1
Überblick über die Komplikationen. (Mod. nach [18])
n | % | |
---|---|---|
Intraoperative Komplikationen | ||
Blasenperforation | 4 | 2,9 |
Frühe postoperative Komplikationen | ||
Harnverhalt | 3 | 2,2 |
Restharn | 6 | 4,3 |
„Tape gliding“ (Durchrutschen des Bandes) | 3 | 2,2 |
Hämatom | 0 | 0 |
Harnwegsinfektionen | 0 | 0 |
Insgesamt | 12 | 8,7 |
Späte postoperative Komplikationen 1 Jahr | ||
De-novo-Dranginkontinenz | 2 | 1,6 |
Rezidivierende Harnwegsinfektionen | 0 | 0 |
Bandarrosion (vaginal) | 0 | 0 |
Insgesamt | 2 | 1,6 |
Späte postoperative Komplikationen 6 Jahre | ||
De-novo-Dranginkontinenz | 7 | 10 |
Rezidivierende Harnwegsinfektionen | 1 | 1,4 |
Bandarrosion (vaginal) | 2 | 2,9 |
Insgesamt | 10 | 14,3 |
Späte postoperative Komplikationen 9 Jahre | ||
De-novo-Dranginkontinenz | 4 | 9,8 |
Rezidivierende Harnwegsinfektionen | 3 | 7,3 |
Bandarrosion (vaginal) | 0 | 0 |
Insgesamt | 7 | 17,1 |
Nach 1 Jahr waren 120 von 126 Patientinnen (95,2 %) mit dem Operationsergebnis sehr zufrieden, 6 von 126 (4,8 %) waren zufrieden. Nach 6 Jahren waren 47 von 70 Patientinnen (67,1 %) sehr zufrieden, 18 von 70 Patientinnen (25,7 %) zufrieden und 5 von 70 (7,1 %) unzufrieden. Nach 9 Jahren waren 31 von 41 Patientinnen (75,6 %) sehr zufrieden und 10 von 41 Patientinnen (24,4 %) zufrieden. Alle Patientinnen berichteten, dass sie die SPARC-Operation einer Freundin weiterempfehlen würden.
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Die SPARC-Operation führte zu einer hochsignifikanten Abnahme des Leidensdruckes (VAS), des Vorlagengewichtes und der Vorlagenanzahl (Tab. 2).
Tab. 2
Darstellung der Ergebnisse: Leidensdruck (VAS), Padtest, Vorlagenverbrauch/Tag als Median (Minimum, Maximum) präoperativ, nach 1 Jahr, nach 6 und nach 9 Jahren. (Mod. nach [18])
Präoperativ | 1 Jahr | 6 Jahre | 9 Jahre | |
---|---|---|---|---|
n = 139 | n = 126 | n = 70 | n = 41 | |
Leidensdruck (VAS) | 8 (2–10) | 0 (0–10) | 1 (0–10) | 0 (0–8) |
p < 0,001 | p < 0,001 | p < 0,001 | ||
Padtest (g) | 16 (0–743) | 0 (0–85) | 0 (0–27) | 0 (0–7) |
p < 0,001 | p < 0,001 | p < 0,001 | ||
Vorlagenanzahl /Tag | 4 (1–20) | 0 (0–10) | 0 (0–5) | 0 (0–5) |
p < 0,001 | p < 0,001 | p < 0,001 |
Des Weiteren beobachteten wir eine zunehmende Reduktion der maximalen Flussrate von median 37,5 ml/s (11–85,6 ml/s) präoperativ auf median 34,7 ml/s (8–70 ml/s) nach 1 Jahr, 25,0 ml/s (3,4–60,9 ml/s) nach 6 Jahren und 20,3 ml/s (2,4–70,1 ml/s) nach 9 Jahren [18]. Die Reduktion der maximalen Flussrate hatte keine Auswirkung auf die Harnblasenentleerung der Patientinnen und deren Lebensqualität. Auch andere Studien unserer Arbeitsgruppe zeigten eine vergleichbare Reduktion der maximalen Harnflussrate [19].
Die SPARC-Operation zeigte sich im Hinblick auf die Langzeitergebnisse (5–10 Jahre) als ein effizientes und deutlich lebensqualitätsförderndes Verfahren. Die objektiven und subjektiven Ergebnisse waren nach 1, nach 6 und nach 9 Jahren vergleichbar. Zu allen Zeitpunkten im Follow-up zeigte sich eine hochsignifikante Abnahme des Leidensdruckes (VAS), des objektiven Harnverlustes im Padtest und des Vorlagenverbrauchs. Die Patientinnen gaben zu allen Untersuchungszeitpunkten eine hohe Zufriedenheit mit dem Operationsergebnis an, unabhängig vom Erreichen einer kompletten Trockenheit.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
S. Jasarevic, G. Primus, S. Jasarevic und G. Primus geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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