Der GI ist eine Maßzahl für die Wirksamkeit verschiedener Lebensmittel auf die Blutglukose. Seine Bestimmung erfolgt, indem die Blutzuckerkurve nach Aufnahme von 50 g Kohlenhydraten aus einem Testlebensmittel über 2 h verfolgt wird. Diese Kurve wird zu jener, die sich aus dem Konsum von 50 g Kohlenhydraten in Form von Weißbrot oder Glukose ergibt, in Beziehung gesetzt. Der GI wird in Prozent in Bezug zum Referenzlebensmittel angegeben. Daher bedeutet ein GI = 70, dass die Blutzuckerwirksamkeit des untersuchten Lebensmittels 70% der von 50 g Weißbrot bzw. Glukose beträgt (die Fläche unter der Blutzuckerkurve ist um 30% kleiner als die von Weißbrot bzw. Glukose). Die Auswirkungen eines Lebensmittels auf den Blutglukose- und Insulinspiegel hängen sowohl von der Menge der verzehrten Kohlenhydrate als auch vom GI ab. Die alleinige Betrachtung des GI hat den Nachteil, dass er sich definitionsgemäß auf 50 g Kohlenhydrate bezieht, was nicht immer die realen Verzehrgewohnheiten wiederspiegelt. So entsprechen 50 g Kohlenhydrate aus Karotten einer Menge von 650 g, so dass der Verzehr einer üblichen Portion zwischen 100–150 g trotz des höheren GI geringe Auswirkungen auf den Blutglukose-Spiegel hat. Die Verzehrgewohnheiten werden im Konzept der GL berücksichtigt. Die GL errechnet sich aus dem Produkt der verwertbaren Kohlenhydratmenge pro Portion und dem GI [
14].
Neben dem Einfluss des GI auf die metabolische Kontrolle wird auch eine generelle Reduktion der Kohlenhydrataufnahme zur Verbesserung der Stoffwechsellage diskutiert. Diese Reduktion wird üblicherweise dann unter dem Terminus „Low Carb Diät“ subsummiert. Der Ausdruck „low carb“ ist eigentlich falsch – es müsste „low carb high fat“ (LCHF) Diät genannt werden [
15]. Nach derzeitigem Wissenstand spricht man von einer LCHF Diät, wenn 50–150 g Kohlenhydrate pro Tag verzehrt werden. Eine ketogene Diät, die Extremform der LCHF Diät, erlaubt einen Kohlenhydratverzehr von 20–50 g pro Tag [
16,
17]. Ziel der LCHF-Ernährung bzw. ihrer Extremform, der ketogenen Ernährung, ist, dass durch die Kohlenhydratreduktion weniger Glukose als Energielieferant zur Verfügung steht, der Insulinspiegel sinkt und der Körper durch Lipolyse Energie gewinnt, dies führt auf längere Sicht zu Exsikkose. Nach dieser Hypothese müsste es einen Wert geben, ab dem diese metabolischen Veränderungen auftreten. Eine Kohlenhydratreduktion auf unter 45% der aufgenommenen Energie kann zu Therapiebeginn mit einer stärkeren Reduktion des HbA1c assoziiert sein. Langfristig ist sie einer Diät mit einem höheren Kohlenhydratanteil nicht überlegen [
13,
18]. Zum jetzigen Zeitpunkt fehlen gute Vergleichsstudien, ob eine LCHF-Ernährung einer „low fat, high carb“-Ernährung bei Patienten mit Diabetes wirklich zu bevorzugen ist. Eine Metanalyse zeigte, dass zumindest über einen kurzen Zeitraum eine LCHF-Diät zu einer Verbesserung der Blutzuckereinstellung und zu einer Gewichtsabnahme bei Patienten mit T2DM führt [
19]. Noch deutlicher sind diese Resultate bei einer ketogenen Diät sichtbar. Allerdings, wie bei allen extremen Ernährungsformen, ist die Therapieadhärenz eingeschränkt. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die meisten PatientInnen eine Kohlenhydratreduktion durch eine höhere Fettaufnahme kompensieren. Bei Nichtbeachtung der Qualität der Kohlenhydrate und Fette könnte das langfristige Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen steigen.
Für alle Patienten mit einem Insulinmangeldiabetes, insbesondere einem Typ 1 Diabetes, ist eine ketogene Diät nicht zu empfehlen, da das Risiko einer Ketoazidose aufgrund einer zu drastischen Insulinreduktion nicht unterschätzt werden darf. Dies kann besonders gefährlich sein, wenn diese Patienten mit SGLT2-Hemmern (bei Typ 1 Diabetes wäre dies allerdings „Off-Label“) behandelt werden.