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Erschienen in:

Open Access 12.04.2019 | leitlinien für die praxis

Gestationsdiabetes (GDM) (Update 2019)

verfasst von: Alexandra Kautzky-Willer, Jürgen Harreiter, Yvonne Winhofer-Stöckl, Dagmar Bancher-Todesca, Angelika Berger, Andreas Repa, Monika Lechleitner, Raimund Weitgasser

Erschienen in: Wiener klinische Wochenschrift | Sonderheft 1/2019

Zusammenfassung

Gestationsdiabetes (GDM) wird als Glukosetoleranzstörung definiert, die erstmals in der Schwangerschaft entdeckt wird. GDM ist mit einer erhöhten fetomaternalen Morbidität sowie Langzeitkomplikationen bei Mutter und Kind assoziiert. Frauen, die die Kriterien eines manifesten Diabetes bereits in der Frühschwangerschaft erfüllen (Nüchternplasmaglukose >126 mg/dl, Spontanglukosemessung über 200 mg/dl oder HbA1c > 6,5 % vor der 20. Schwangerschaftswoche), sollen als Schwangere mit manifestem Diabetes klassifiziert und ebenso behandelt werden. Ein Screening auf unerkannten Typ-2-Diabetes bei der ersten pränatalen Kontrolle wird besonders bei Frauen mit hohem Risiko (Anamnese eines GDM oder Prädiabetes; Fehlbildungen, Totgeburt, wiederholte Aborte oder Geburtsgewicht über 4500 g in früheren Schwangerschaften; Adipositas, metabolisches Syndrom, Alter über 35 Jahre, bei Gefäßerkrankungen, Auftreten von Diabetessymptomen wie Glukosurie, ethnische Zugehörigkeit zu Gruppen mit hohem Risiko [arabisch, S‑ und SO-Asien, Lateinamerika]) empfohlen (Evidenzklasse B). GDM wird durch einen oralen Glukosetoleranztest (OGTT) oder durch Nüchternplasmaglukosekonzentrationen über 92 mg/dl diagnostiziert. Bei hohem Risiko kann ein OGTT (120 min; 75 g Glukose) bereits im ersten Trimenon sinnvoll sein, ist aber in jedem Fall bei allen Schwangeren mit bis dahin unauffälligen Glukosewerten zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche vorgeschrieben (Evidenzklasse B). Auf Basis der „Hyperglycemia and Adverse Pregnancy Outcome (HAPO) study“ und nach den aktuellen WHO-Empfehlungen liegt ein GDM vor, wenn der Nüchternplasmaglukosewert 92 mg/dl, der 1‑Stunden-Wert 180 mg/dl oder der 2‑Stunden-Wert 153 mg/dl überschreiten (OGTT; Internationale Konsensuskriterien). Ein einziger erhöhter Wert ist für die Diagnose ausreichend und bedarf bereits einer strikten Stoffwechselkontrolle. Nach bariatrischer Operation wird aufgrund der Gefahr einer postprandialen Hypoglykämie die Durchführung eines OGTT nicht empfohlen. Alle Frauen mit GDM erhalten eine Ernährungsberatung und müssen ihre Blutzuckerwerte regelmäßig kontrollieren. Ebenso sollte, falls nicht kontraindiziert, die körperliche Aktivität erhöht werden. Falls die Blutzuckerspiegel nicht im Therapiebereich liegen (nüchtern <95 mg/dl und 1 h nach den Mahlzeiten <140 mg/dl) soll als erste Wahl eine Insulintherapie initiiert werden. Neben der mütterlichen Stoffwechselüberwachung ist auch ein fetales Monitoring notwendig, um die mütterliche und fetale/neonatale Morbidität und die perinatale Mortalität möglichst gering zu halten. Alle Frauen mit GDM müssen 4 bis 12 Wochen nach der Entbindung neuerlich einen OGTT (75 g; WHO-Kriterien) durchführen lassen, um ihre Glukosetoleranz neu zu klassifizieren. Bei Normalbefund soll der OGTT alle 2 Jahre wiederholt werden (Evidenzklasse B). Alle Frauen müssen über ihr (7-fach erhöhtes relatives) Risiko informiert werden, im weiteren Verlauf einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln, sowie über mögliche Präventionsmaßnahmen. Dazu gehören Gewichtsreduktion bei Übergewicht, gesunde Ernährung und ausreichend körperliche Aktivität. Auch die Kinder sollen hinsichtlich einer unauffälligen Entwicklung regelmäßig nachuntersucht werden, und die ganze Familie soll über Lebensstilmaßnahmen zur Aufrechterhaltung/Verbesserung der Gesundheit informiert werden. Die regelmäßige Durchführung von geburtshilflichen Kontrollen sowie Ultraschalluntersuchungen wird empfohlen. Im Rahmen der neonatalen Untersuchungen müssen bei Neugeborenen von GDM-Müttern Blutzuckerkontrollen erfolgen und bei Erfordernis geeignete Maßnahmen eingeleitet werden.

Grundsatzstatement

Frauen mit in der Schwangerschaft erstmals aufgetretener oder diagnostizierter Glukosetoleranzstörung haben gegenüber Schwangeren mit normaler Glukosetoleranz ein höheres Risiko an perinataler Morbidität und Mortalität, eine höhere Rate an operativen Entbindungen und ein höheres Risiko, postpartal einen Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM) zu entwickeln [1, 2]. Frauen mit Gestationsdiabetes (GDM) und strikter metabolischer Kontrolle haben bessere Schwangerschaftsergebnisse als Frauen mit GDM, die nicht behandelt werden [3, 4]. Patientinnen, bei denen sich während der Schwangerschaft ein Typ-1-Diabetes mellitus manifestiert, sowie solche mit einem bereits präkonzeptionell oder zu Schwangerschaftsbeginn bestehenden, aber erst in der Gravidität diagnostiziertem anderen Diabetestyp sollen wie Patientinnen mit präkonzeptionell bekanntem Diabetes mellitus behandelt und überwacht werden (s. Leitlinie: Gravidität bei vorbestehendem Diabetes). Ein präkonzeptionell bestehender T2DM kann angenommen werden, wenn bereits vor der 20. Schwangerschaftswoche die Kriterien für einen manifesten Diabetes erfüllt werden (Nüchternblutzuckerwert ≥126 mg/dl oder Spontanmessungen über 200 mg/dl; bzw. 2‑h-Wert im oralen Glukosetoleranztest [OGTT] ≥200 mg/dl) oder ein HbA1c ab 6,5 % gemessen wird. Frauen mit GDM haben postpartal ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines T2DM und sollen deshalb über Präventionsmaßnahmen informiert und lebenslang überwacht werden.

Risikoevaluierung und Diagnose

Bei Erstvorstellung beim Frauenarzt wird die Schwangere bezüglich ihres Risikos für GDM oder Diabetes mellitus eingestuft. Bei Vorliegen eines höheren Risikos soll die Frau möglichst früh hinsichtlich einer Glukosestoffwechselstörung untersucht werden: Dies kann durch eine Nüchternglukosemessung, eine Spontanglukosemessung, eine HbA1c-Bestimmung und/oder Durchführung eines OGTT erfolgen.
Hohes Risiko für GDM bzw. Risiko für vorbestehende, unerkannte Stoffwechselstörung (Prädiabetes oder Diabetes):
  • GDM in einer früheren Schwangerschaft
  • Prädiabetes in der Anamnese (gestörte Glukosetoleranz und/oder Nüchternglukose ≥100 mg/dl)
  • Kongenitale fetale Fehlbildung in einer früheren Schwangerschaft
  • Geburt eines Kindes >4500 g
  • Totgeburt
  • Habitueller Abortus (>3 Fehlgeburten hintereinander)
  • Diabetes-Symptome
  • Adipositas (BMI ≥ 30 kg/m2)
  • Alter über 35 Jahre
  • Metabolisches Syndrom
  • Vaskuläre Erkrankung (koronare Herzkrankheit [KHK], Insult, periphere arterielle Verschlusskrankheit [PAVK])
  • Familienanamnese von T2DM bei erstgradigen Verwandten
  • Ethnizität (arabisch, S- und SO-Asien, Lateinamerika)
Bei Auftreten von diabetesspezifischen Symptomen oder klinischen Auffälligkeiten (vermehrter Durst, Polyurie, Glukosurie; Makrosomie) ist ein Test – auch bei unauffälligem Vorbefund und unabhängig von der Schwangerschaftswoche – unmittelbar durchzuführen (Abb. 1).
In der Austrian Gestational Diabetes Study (AGDS) waren ein GDM in einer früheren Schwangerschaft, das Auftreten einer Glukosurie, Übergewicht (präkonzeptioneller BMI > 27 kg/m2), ein Alter über 30 Jahre und der Verdacht auf Makrosomie im Ultraschall die besten unabhängigen Prädiktoren für einen GDM [5], wobei das Risiko bei vorangegangenem GDM fast 3‑fach, ansonsten ungefähr 2‑fach erhöht war. Eine frühe Manifestation eines GDM ist v. a. durch eine Adipositas-bedingte Insulinresistenz verursacht [6]. Eine multizentrische europäische Studie zeigte, dass fast jede vierte adipöse Frau bereits vor der 20. Schwangerschaftswoche erhöhte Blutzuckerwerte im Sinne eines GDMs nach IADPSG/WHO 2013-Kriterien und Parameter des metabolischen Syndroms aufwies [7].
Alle Schwangeren müssen in der 24. bis 28. Schwangerschaftswoche mittels eines 75 g OGTT auf GDM untersucht werden (Abb. 1). Ausgenommen sind Frauen mit bereits vorher diagnostiziertem GDM oder Diabetes bzw. wenn der unmittelbar gemessene Nüchternwert (venöse Plasmaglukose) 92 mg/dl oder höher ist, da bei diesen Frauen bereits eine Behandlungsbedürftigkeit gegeben ist und auf eine weitere Glukosebelastung verzichtet werden kann. Der OGTT ist im Mutter-Kind-Pass verankert und verpflichtend für den Erhalt des vollen Kinderbetreuungsgelds. Ebenfalls ausgenommen von der Durchführung eines OGTT sollen Frauen nach metabolischer Chirurgie werden, da das Risiko einer postprandialen Hypoglykämie (Dumping-Phänomen) nach der Ingestion der Glukoselösung besonders hoch ist [8]. Nach bariatrischer Operation werden daher regelmäßige Blutzuckerselbstkontrollen zur Diagnose eines GDM herangezogen. Ebenso ist die Verwendung eines Continuous Glucose Monitoring Systems (CGMS) in diesem Fall denkbar [8] (Evidenzklasse C).

Methodik: Diagnostischer 75 g oraler Glukosetoleranztest (OGTT)

Der Test soll bei allen Frauen mit bisher unauffälligen oder unbekannten Blutglukosewerten in der Schwangerschaft zwischen 24. und 28. Schwangerschaftswoche morgens nach mindestens achtstündiger Nahrungskarenz durchgeführt werden. Eine Änderung der Ernährung oder Diäten vor dem Test bzw. eine Reduktion der Kohlenhydrate sollten vermieden werden. Ebenso sollten vor dem Test keine außergewöhnlichen körperlichen Belastungen erbracht werden. Der Testbeginn sollte zwischen 6.00 und 9.00 h erfolgen, da die Glukosetoleranz tageszeitlichen Änderungen unterliegt. Die Schwangere soll die Glukoselösung (75 g Glukose in 300 ml Wasser) innerhalb von 5 min trinken, während des Testes sitzen (liegende Position vermeiden, keine unnötige körperliche Aktivität) und nicht rauchen. Zur GDM-Diagnostik sollen Blutglukosewerte ausschließlich mit einer qualitätsgesicherten Methode in venösem Plasma direkt gemessen werden oder in venösem Vollblut gemessen und mit einem Faktor von 1,11 (+11 %) in venöse Plasmawerte umgerechnet werden.
Um möglichst exakte OGTT-Resultate zu erhalten, ist es erforderlich, gewisse Standards zu berücksichtigen [9]. Diese sind wie folgt (abgeleitet nach [9]):
  • Messungen aus venösem Plasma und nicht aus Kapillarblut.
  • Messung in einem zertifizierten Labor nach zertifizierten Methoden, da eine Einschränkung der Aussagekraft durch präanalytische Fehler sehr wahrscheinlich ist.
  • Am Testtag ist vor dem Test eine Einnahme kontrainsulinärer Medikamente (Thyroxin, Progesteron, Glukokortikoide, Sympathomimetika) vor dem OGTT zu vermeiden.
  • Nach Einleitung der fetalen Lungenreife mittels Glukokortikoiden sollte man bis zur Testdurchführung mindestens 5 Tage zuwarten.
  • Bei Fieber, akuten Erkrankungen oder verordneter Bettruhe ist der Test bis zur vollständigen Genesung zu verschieben.
  • Bei operativen Eingriffen am Magen-Darm-Trakt (z. B. bariatrische Operation) ist die Aussagekraft eines OGTT limitiert. Zudem besteht die Gefahr eines Dumping-Syndroms. In diesem Fall sollte eine Blutzuckerselbstmessung über mehrere Tage erfolgen, und Blutzuckerprofile sollten zur Bewertung herangezogen werden.
  • Bei Hyperemesis gravidarum oder stärkerer Schwangerschaftsübelkeit ist der Test um einige Tage zu verschieben.
Die internationale Klassifikation (Tab. 1; [10, 11]) beruht auf evidenzbasierten (= aus der HAPO-Studie für kindliche Komplikationen abgeleiteten) Blutzuckergrenzwerten [12, 13]. Ab einem pathologischen Wert ist ein GDM diagnostiziert.
Tab. 1
Bewertung: OGTT 75 g (nach WHO- und IADPSG-Empfehlung [10, 48]). OGTT oraler Glukosetoleranztest, WHO „World Health Organization“, IADPSG „International Association of the Diabetes and Pregnancy Study Groups“
Zeitpunkt
Venöses Plasma (mg/dl)
Nüchtern
≥92
1 h
≥180
2 h
≥153
Anhand von Auswertungen der Schwangerschaftsergebnisse an 5 österreichischen Zentren konnten auch ein einfacher Algorithmus und Risikoscore zur Vorhersage des GDM entwickelt werden, der auf der Messung der Nüchternplasmaglukose beruht und im Einzelfall herangezogen werden kann [14].

Prävention

Die Prävention von GDM wurde in zahlreichen Studien untersucht und dabei an verschiedenen Risikogruppen getestet. Bei Frauen mit Adipositas konnte in den bisherigen großen Studien mit Lebensstilintervention weder eine Verbesserung im fetalen Outcome („large for gestational age“, LGA oder Makrosomie) noch eine Verbesserung der mütterlichen Stoffwechselsituation oder GDM-Prävalenz erreicht werden [15]. In der DALI-Studie konnte im Vergleich 3 verschiedener Interventionsgruppen (gesunde Ernährung, körperliche Aktivität, Kombination aus beiden) eine signifikante Gewichtsabnahme in der kombinierten Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrolle gezeigt werden, dies hatte aber keinen Einfluss auf die mütterlichen oder kindlichen Outcomes bei Geburt [15]. Unklare Evidenz liegt bei Interventionen durch körperliche Aktivität vor. Bei adipösen Frauen konnten mit Ernährungsmaßnahmen das GDM-Risiko sowie eine kindliche Makrosomie verringert werden. Dies konnte bei körperlicher Aktivität nicht beobachtet werden. Eine Supplementation mit Probiotika und Myo-Inositol konnte das GDM-Risiko verringern. Bei adipösen schwangeren Frauen konnte unter Gabe von Metformin keine Reduktion des GDM-Risikos und keine Verbesserung des mütterlichen Stoffwechsels oder Geburtsoutcomes erreicht werden [15]. Die bisherigen Studien zeigen, dass der Beginn einer Lebensstilmodifikation nach dem ersten Trimester zu spät ist. Dies wird in einer Übersichtsarbeit bestätigt, die zeigt, dass ein Interventionsbeginn vor der Schwangerschaft effektiver ist als in der frühen Schwangerschaft [15].

Therapie

1) Diabetologische/internistische Betreuung

Erstellung eines individuellen Therapieplans bestehend aus einer Lebensstilmodifikation mit Ernährungsempfehlungen, Bewegung und Blutglukoseselbstmessungen (Abb. 2):
a)
Ernährung: Je nach Körpergewicht und körperlicher Aktivität ausgerichteter Diätplan (bei Normalgewicht ca. 24–30 kcal/kg: 40–50 % Kohlenhydrate, 30–35 % Fett und 20 % Eiweiß). Auf schnell resorbierbare Kohlenhydrate sollte verzichtet werden. Eine ballaststoffreiche Ernährung (ca. 30 g/Tag) ist zu empfehlen. Die ausreichende Versorgung mit Mineralstoffen und Vitaminen ist zu berücksichtigen (Eisen, Folsäure, Vitamin D, Kalzium, Vitamin B, Magnesium, Jod). Hier gelten die nationalen Referenzwertempfehlungen für Nahrungszufuhr in der Schwangerschaft (D-A-CH Referenzwerte, www.​oege.​at) Die täglich empfohlene Proteinzufuhr in der Schwangerschaft entspricht der einer gesunden Schwangerschaft (60–80 g/Tag). Eine Aufteilung der Mahlzeiten auf 3 kleine bis mittlere Hauptmahlzeiten und 2 bis 4 kleine Zwischenmahlzeiten inklusive Abendsnack sollte erfolgen [16]. Die Endocrine Society empfiehlt bei Adipositas eine Kalorienrestriktion um etwa ein Drittel, so keine deutliche Gewichtsreduktion (bis maximal 5 kg) und Katabolismus auftritt. Die minimale Aufnahme liegt zwischen 1600 und 1800 kcal/Tag [16]. Eine Gewichtskontrolle muss bei jedem Kontrollbesuch erfolgen bzw. selbstständig wöchentlich von der Patientin dokumentiert werden.
 
Die Gewichtszunahme in der Schwangerschaft sollte dabei den Empfehlungen des Institute of Medicine folgen (Tab. 2; [17]).
b)
Schulung in Blutglukoseselbstmessung (BGSM). Dokumentation der BG-Profile: mindestens 4 Messungen täglich (nüchtern, 1 h [evtl. auch 2 h] postprandial). Bei Beginn einer Insulintherapie sollte die Patientin über die Symptome und das Risiko von Hypoglykämien sowie über das richtige Verhalten in dieser Situation von geeignetem Fachpersonal geschult werden. Eine schlechte Adhärenz zu regelmäßigen selbstständigen Blutzuckermessungen steht mit einem erhöhten Präeklampsierisiko in Zusammenhang und war in einer Studie mit Zugehörigkeit zu niedriger sozialer Klasse, nichteuropäischer Herkunft und Diabetes in der Familienanamnese assoziiert [18]. Hingegen konnten bei guter Adhärenz mit guter Blutzuckereinstellung keine Unterschiede zwischen täglich 4 Messungen und Messungen jeden zweiten Tag in mütterlichen und kindlichen Outcomes festgestellt werden [19]. Eine Reduktion der Blutzuckermessungen (Messung alle 2 Tage) kann bei guter Blutzuckereinstellung und fortgeschrittener Schwangerschaft überlegt werden.
 
c)
Bewegung: Bei einer unproblematischen Schwangerschaft ist regelmäßige moderate körperliche Aktivität ein weiterer Bestandteil des Therapiekonzepts. Die Aktivitätszeit sollte dabei mindestens 150 min pro Woche betragen und sollte in den Alltag integriert werden. Bei Ausübung von Sport sollten Sportarten gewählt werden, die mit einer Schwangerschaft vereinbar sind (kein Kontaktsport, Kampfsport, Sportarten mit hoher Sturz- oder Verletzungsgefahr) und dem jeweiligen Trainingszustand entsprechen.
 
d)
Therapieziele und pharmakologische Therapie:
Tab. 2
Gewichtszunahme in der Schwangerschaft nach IOM-Empfehlungen [17]
BMI
BMI-Limits (kg/m2) (WHO)
Empfohlene Zunahme während der Schwangerschaft (kg)
Empfohlene Gewichtszunahme/Woche (kg/Woche) (2. + 3. Trimenon)
Untergewicht
<18,5
13–18
0,51
Normalgewicht
18,5–24,9
11–16
0,42
Übergewicht
25,0–29,9
7–11
0,28
Adipositas
≥30,0
5–9
0,22
BMI „Body Mass Index“, WHO „World Health Organization“
Bei unzureichender Einstellung durch Lebensstilmaßnahmen ist unmittelbar eine medikamentöse Therapie einzuleiten. Insulin sollte gegenüber oralen glukosesenkenden Medikamenten aufgrund der deutlich besseren Studienlage und keiner Plazentagängigkeit bevorzugt eingesetzt werden [20].
Werden die Grenzwerte überschritten (Tab. 3), ist eine individuell anzupassende Insulintherapie zu beginnen. Liegen Nüchternglukosewerte über 110 mg/dl ist ein sofortiger Therapiebeginn mit Insulin empfehlenswert [9]. Die mütterlichen BG-Profile müssen auch während der Geburt im Zielbereich liegen (80–130 mg/dl), um neonatale Hypoglykämien und Anpassungsstörungen zu vermindern. Der HbA1c-Wert ist für die Diagnose eines GDM ungeeignet, kann aber zur Verlaufskontrolle der Metabolik herangezogen werden und soll jedenfalls in einem Referenzbereich von HbA1c < 6 % angesiedelt sein.
Tab. 3
Einstellungsziele
Zeitpunkt
Kapilläres Vollblut (mg/dl)
Nüchtern (präprandial)
65–95
1 h postprandial
<140
2 h postprandial
<120
Bei wiederholten Glukosewerten zwischen 90 und 95 mg/dl nüchtern/präprandial und/oder 130 und 140 mg/dl 1 h postprandial soll die fetale Biometrie zur Entscheidung, ob eine medikamentöse Therapie begonnen werden muss, herangezogen werden. Liegt eine fetale asymmetrische Wachstumssteigerung vor und ist die abdominelle Zirkumferenz über der 75. Perzentile des Gestationsalters, ist eine Insulinisierung zu empfehlen bzw. die Insulindosis zu steigern. Bei kindlicher Makrosomie oder Wachstumsretardierung können auch individuell angepasste gering niedrigere oder höhere mütterliche Blutglukosegrenzwerte gewählt werden [9].
Regelmäßige biometrische Kontrollen sollen individuell, den Bedürfnissen der schwangeren Frauen entsprechend, im Abstand von wenigen Tagen bis 3 Wochen erfolgen. Dabei ist anhand der Blutglukoseprofile eine Therapieanpassung (Insulindosis) je nach Erfordernis durchzuführen. Der Blutdruck und die Gewichtszunahme sollten kontrolliert und ein Harnbefund durchgeführt werden.
 

Insulin

Für Insulin ist die derzeit vorliegende Datenlage am besten dokumentiert. Primär wird NPH-Insulin als Basisinsulin verwendet. Auch andere Langzeitinsuline (Glargin, Glargin U300 oder Detemir) können ohne Bedenken in der Schwangerschaft angewendet werden, jedoch zeigt eine rezente Metaanalyse keine signifikanten Differenzen in Bezug auf mehrere maternale oder neonatale Parameter im Vergleich zu NPH-Insulin [21]. Im Vergleich NPH zu Glargin gibt es keine Unterschiede im Geburtsgewicht sowie vergleichbares Risiko für neonatale Komplikationen und Malformationen. Ebenso sind die mütterlichen Outcomes Präeklampsie und Schwangerschaftshypertonie vergleichbar selten. Für Insulin Detemir ist das Risiko für LGA oder neonatale Hypoglykämie ebenso vergleichbar mit NPH-Insulin [21]. Für neuere Langzeitinsuline (z. B. Degludec) gibt es noch keine Evidenz. Randomisiert kontrollierte Studien zu Insulin Degludec werden erwartet, Fallbeschreibungen zeigen derzeit keine maternale oder kindliche Komplikationen in der Schwangerschaft [22].
Schnell wirksame Insuline werden zur Korrektur postprandialer Spitzen angewendet. Vielfach finden Insulin Lispro oder Aspart Anwendung und sollten gegenüber Humaninsulin auch aufgrund der einfacheren Handhabung vorgezogen werden. Zu Glulisin liegen derzeit nur Vigilanzdaten in der Gravidität vor [23], die keine besonderen Auffälligkeiten in der Schwangerschaft zeigen, jedoch sollte es derzeit aufgrund der unzureichenden Datenlage nicht verwendet werden. Die Analoga konnten aber bisher nur teilweise Überlegenheit gegenüber Normalinsulin zeigen [21]. Der Vergleich von Aspart zu Humaninsulin zeigt keine Unterschiede bei Makrosomie oder Häufigkeit von Kaiserschnittgeburten. Lispro verglichen zu Humaninsulin war mit niedrigerer Inzidenz für Ikterus und weniger maternalen Hypoglykämien verbunden, andererseits wurden in der Gruppe mit Lispro höhere Inzidenzen für LGA und höheres Geburtsgewicht berichtet. Das ultraschnell wirksame Insulin Aspart (Fiasp) ist in der Schwangerschaft zugelassen. Fiasp wird rascher resorbiert, ist daher schneller wirksam als bisherige Analoginsuline und wird zur Optimierung postprandialer Hyperglykämien angewendet.

Orale Antidiabetika

Der Sulfonylharnstoff Glibenclamid und das Biguanid Metformin werden in manchen Therapieempfehlungen (z. B. NICE, ADA Guidelines, DDG-Leitlinien) als mögliche Alternativen oder zusätzlich zu Insulin in der Schwangerschaft genannt. Metformin (FDA Kategorie B) und Glibenclamid sind plazentagängig. Randomisierte kontrollierte Untersuchungen über den Einsatz von Glibenclamid und Metformin (beide Evidenzklasse Ib, beide plazentagängig) [24, 25] bei GDM zeigten keine wesentlichen Unterschiede zwischen der oralen Behandlung und einer Insulintherapie. Bei Verwendung eines dieser Präparate in der Schwangerschaft sollten die Patientinnen in die Therapieentscheidung mit einbezogen werden.
Metformin
An die Gabe von Metformin sollte insbesondere bei übergewichtigen insulinresistenten Frauen als Monotherapie oder in Kombination mit Insulin gedacht werden [16]. Unter Gabe von Metformin ab der 20. Schwangerschaftswoche wurde eine niedrigere Rate schwerer neonataler Hypoglykämien, jedoch eine höhere Frühgeburtenrate beobachtet [24]. Eine rezente Metaanalyse zeigt geringere maternale Gewichtszunahme in der Schwangerschaft und häufiger Geburten vor dem Geburtstermin bei Frauen mit Metformintherapie verglichen zu Insulintherapie [26]. Die Mütter in der Metformingruppe konnten bei der Nachuntersuchung postpartal eher ihr Ausgangsgewicht erreichen als die insulinbehandelten Frauen; bezüglich des postpartalen Glukosetoleranzstatus bestanden keine Unterschiede [24]. Ein weiterer Grund für einen zögerlichen Einsatz von Metformin sind fehlende Langzeitdaten zur kindlichen Entwicklung. Die MIG-Studie zeigte, dass Kinder aus der Metformintherapiegruppe in der Schwangerschaft erhöhte subkutane Fettmasse verglichen zur Insulingruppe aufwiesen – die Gesamtkörperfettmasse blieb jedoch vergleichbar [27]. Eine rezente Studie konnte bei Nachkommen von Müttern, die bei PCOS 1700–2000 mg Metformin in der Schwangerschaft erhielten, 4 Jahre nach Entbindung ein deutlich erhöhtes Risiko für Übergewicht und Adipositas im Vergleich zur Placebogruppe feststellen [28].
Sulfonylharnstoff
Bei Ablehnung einer notwendigen Insulintherapie stellt eine Therapie mit Glibenclamid eine mögliche, wenn auch hierzulande äußerst selten genutzte Alternative zur Behandlung eines GDM dar. Eine Insulintherapie sollte aber allenfalls präferiert werden, wenn der GDM bereits vor der 25. Schwangerschaftswoche besteht oder Glukosewerte über 110 mg/dl vorherrschen [16] Vorteile von Metformin gegenüber Glibenclamid konnten in einer Metaanalyse gezeigt werden – unter Glibenclamidtherapie konnten höhere maternale Gewichtszunahme sowie vermehrte Raten von fetaler Makrosomie und neonataler Hypoglykämie festgestellt werden [26]. Auch im Vergleich zu Insulin häufte sich unter Glibenclamid das Risiko für Makrosomien, neonatalen Hypoglykämien und höherem Geburtsgewicht [26]. Neugeborene aus Glibenclamid behandelten GDM-Schwangerschaften weisen zudem höheres Risiko für Geburtskomplikationen (Hypoglykämie, Atemnotsyndrom des Neugeborenen [RDS], Intensivstationsaufenthalte, LGA) auf [29]. In einer rezenten randomisiert kontrollierten Studie konnte ein höheres Risiko an kumulativ perinatalen Komplikationen (Makrosomie, Hypoglykämie, Hyperbilirubinämie) in der Glibenclamidgruppe im Vergleich zu Insulin festgestellt werden [30]. Zwar konnten keine erhöhten Makrosomieraten im Vergleich Glibenclamid zu Insulin beobachtet werden, jedoch waren die Hypoglykämieraten bei geringen Glibenclamiddosen von durchschnittlich 5,4 mg signifikant höher als unter Insulin. Aufgrund dieser Datenlage ist die primäre Verwendung von Insulin zur Behandlung von GDM klar zu favorisieren [31].

2) Geburtshilfliche Überwachung

  • Ein- bis dreiwöchentliche klinische Kontrollen
  • Bei Hyperglykämie in Frühschwangerschaft: frühes Organscreening durch Ultraschall zum Ausschluss von Fehlbildungen (v. a. Herz, Niere)
  • Ultraschall (Biometrie, Fruchtwasser, evtl. Doppler), Wachstumskurven (v. a. Wachstumszunahme des Abdomens = asymmetrische Wachstumszunahme; Polyhydramnion) beachten
  • Achten auf erhöhtes Risiko zur Entwicklung einer Schwangerschaftshypertonie, Präeklampsie, Infektionen
  • Idealen Geburtstermin und Geburtsmodus festlegen
Schwangere mit GDM sollten in einem Krankenhaus mit diabetologischer Erfahrung und angeschlossener Neonatologie entbunden werden. Eine Überschreitung des Geburtstermins sollte bei Schwangeren mit insulinpflichtigem GDM vermieden werden.
Ob zwischen Schwangerschaftswoche 38 + 0 und 40 + 0 eine Geburtseinleitung stattfinden soll, soll individuell entschieden werden. Dabei sollen der Insulinbedarf, die Ultraschallbefunde (Kindsgewicht, Doppler, Fruchtwasser), maternale Erkrankungen wie Präeklampsie und die vorausgegangenen Schwangerschaftsverläufe in die Entscheidung mit einbezogen werden [3234]. Eine Einleitung wegen schlechter Blutzuckereinstellung vor Schwangerschaftswoche 38 + 0 sollte wegen frühgeburtlichkeitsbedingter Morbidität vermieden werden. Vielmehr sollte eine pränatale Optimierung der Blutzuckerwerte erfolgen.
Es ist bekannt, dass das Risiko für eine Schulterdystokie ab einem Geburtsgewicht von 4250 g signifikant ansteigt [35]. Ab einem geschätzten Geburtsgewicht von 4500 g sollte deshalb bei einer Schwangeren mit GDM eine Sectio empfohlen werden. Bei einem Schätzgewicht von 4000–4499 g sollte eine differenzierte Aufklärung der Schwangeren über individuell erhöhtes Schulterdystokierisiko erfolgen, insbesondere bei ausgeprägter Kopf-Abdomen-Differenz.

3) Überwachung und Management des Neugeborenen

Ein Routinemonitoring ist für eine Hochrisikopopulation an Neugeborenen sinnvoll (Abb. 3), zu denen Kinder aus diabetischen Schwangerschaften bzw. solche, die aus einem anderen Grund einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Hypoglykämie ausgesetzt sind, zählen (z. B. dystrophe Neugeborene; LGA-Babys).
Generell zu vermeiden sind prolongierte und rezidivierende Hypoglykämien, da diese mit akuten systemischen und neurologischen Langzeitkomplikationen einhergehen können [36].

Blutglukosebestimmungen nach Geburt

Erste Messung: In Abhängigkeit vom Risikofaktor soll bei zu erwartender Hypoglykämie 30–60 min nach Geburt (bei schlecht eingestellter Gestationsdiabetes), ansonsten innerhalb der ersten 2 Lebensstunden gemessen werden. Der Einfachheit halber kann aber für die gesamte Population der Zeitpunkt 1 h nach Geburt festgelegt werden. Eine Ausnahme ist hier nur die Indikation schlecht eingestellter Schwangerschaftsdiabetes der Mutter – hier sollte die erste Messung eher bereits nach 30 min erfolgen.
Weitere Messungen: Zumindest 2‑mal vor den nächsten beiden Mahlzeiten (ca. nach 3 und 6 h, evtl. auch nach 12 h z. B. bei mütterlichem Diabetes, grenzwertigen Messungen). Ende der Messungen: Es sollen zumindest 2 normale präprandiale Glukosewerte hintereinander dokumentiert sein, um die Messungen beenden zu können.
Messung nach Intervention: Bei enteraler oder intravenöser Intervention aufgrund einer Hypoglykämie erfolgt eine Kontrolle 1 h nach Intervention.
Die Bestimmung der Blutglukose muss unmittelbar nach der Blutabnahme erfolgen. Bei Verwendung von Schnelltests (Glukometer) weisen diese im hypoglykämischen Bereich unter 45 mg/dl Glukose in Abhängigkeit vom Hersteller Ungenauigkeiten auf. Ein mit dieser Messmethode ermittelter hypoglykämischer Wert sollte durch eine laborchemische Bestimmung kontrolliert werden. Dies sollte aber zu keiner Verzögerung der Therapie führen.

Interventionsgrenzen und therapeutische Zielwerte

Aufgrund interindividueller Schwankungen gibt es keine absoluten Grenzwerte für die Behandlung der Hypoglykämie des Neugeborenen. Vorgeschlagen werden pragmatische „Interventionsgrenzen“ bei denen eine Intervention in Erwägung gezogen werden sollte (siehe Intervention: <25 mg% intravenös, 25–35 mg% enteral).
Die „therapeutischen Zielwerte“ beinhalten einen Sicherheitsabstand.

Ernährung des Säuglings nach Geburt

Insbesondere Kinder aus diabetischer Schwangerschaft sollen bereits innerhalb der ersten Lebensstunde angelegt werden. Nahrung aus der Flasche (Anfangsmilch) soll nur angeboten werden, wenn Stillen nicht möglich/erwünscht ist bzw. als Intervention bei zu niedrigem Blutzucker (s. „Intervention“) [37].

Intervention

Enteral: Nur bei asymptomatischer Hypoglykämie 25–35 mg% → Verabreichung von 10–20 ml Säuglingsmilch oder Maltodextrinlösung 15 %. Eine Verabreichung von reiner Glukoselösung wird ausdrücklich nicht empfohlen.
Intravenös: Bei extremer Hypoglykämie <25 mg%, symptomatischen Kindern <45 mg% oder persistierender Hypoglykämie (falls die Kontrolle 1 h nach Intervention <45 mg% ist, oder falls trotz zweimaliger enteraler Intervention weiter korrekturbedürftige präprandiale Blutzuckerwerte gemessen werden) → 2 ml/kg Glukose 10 % als i.v.-Bolus, gefolgt von 6–8 mg/kg/min als kontinuierliche Infusion. Es wird eine schrittweise Reduktion der intravenösen Glukosezufuhr unter Beginn der enteralen Ernährung und präprandialen Blutzuckerkontrolle empfohlen.
Kinder von Frauen mit GDM haben ein höheres Risiko, im späteren Leben übergewichtig zu werden und ein metabolisches Syndrom bis hin zu einem Diabetes zu entwickeln [38]. Deshalb sollte bei allen – und besonders bei makrosomen – Kindern auf eine normale Gewichtsentwicklung geachtet werden (s. „Nachbetreuung der Kinder“).

Nachbetreuung der Mutter

Falls nach der Geburt normale Blutzuckerwerte erhoben werden (nüchtern <100 mg/dl und unabhängig von Mahlzeiteneinnahme <200 mg/dl) ist keine weitere Diättherapie oder Blutzuckerselbstmessung notwendig. Allerdings muss 4 bis 12 Wochen nach der Geburt eine Reklassifizierung der mütterlichen Glukosetoleranz mittels Standard-OGTT (2 h-75 g OGTT) erfolgen. Bei pathologischem Befund müssen Therapieempfehlungen erfolgen (s. allgemeine Lebensstilintervention, Diabetestherapie). Im Fall eines postpartal bestehenden Prädiabetes (gestörte Glukosetoleranz [2-h-Wert 140–199 mg/dl] im OGTT oder erhöhter Nüchternglukose [100–125 mg/dl]) ist eine Diät zu verordnen und vermehrte körperliche Aktivität (Ausdauertraining) anzuraten. Eine Subanalyse des Diabetes Prevention Programs zeigte, dass bei vergleichbarer Ausgangslage bezüglich Glukosetoleranzstatus und Insulinresistenz Frauen mit Anamnese eines GDM ein doppelt so hohes Risiko für die Progression zu einem manifesten Diabetes aufwiesen wie jene Frauen, die eine unauffällige Schwangerschaft hatten und dass diese Gruppe von einer Therapie mit Metformin besonders profitierte [39]. Diese wurde im 10-Jahres-Follow-up erneut bestätigt: Lebensstilmaßnahmen und Metformin konnten das Diabetesrisiko um 35–40 % verglichen zu Placebo verringern [40]. Eine Analyse des Wiener GDM-Programms zeigte dass ein 2‑h-Blutzuckerwert im ersten OGTT post partum über 140 mg/dl, ein HDL unter 50 mg/dl und ein Alter über 35 Jahre die wichtigsten unabhängigen Risikofaktoren für die Entwicklung eines manifesten Diabetes innerhalb von 10 Jahren darstellten [41].
Alle Patientinnen müssen außerdem über ihr erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines T2DM, eines GDM-Rezidivs (20–50 %) bei neuerlicher Schwangerschaft, ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko sowie über Möglichkeiten der Diabetesprävention informiert werden.
Bei unauffälligem Erstbefund sollen die Frauen alle 2 bis 3 Jahre mittels OGTT oder zumindest mittels Messung der Nüchternglukose und des HbA1c nachuntersucht werden (WHO-Kriterien).
Diabetische Schwangere sollen, wenn immer es möglich ist, ihr Kind stillen, da protektive Effekte in Studien gezeigt werden konnten [16]. Bei einer Stilldauer von mehr als 3 Monaten weisen stillende Mütter eine um bis zu 10 Jahre verzögerte Progression von GDM zu T2DM auf als nicht stillende Frauen [42].
Eine bestehende Metformintherapie bei stillenden diabetischen Müttern sollte fortgeführt werden, falls dies erforderlich ist [16].
Frauen nach GDM sollen reine Gestagenpräparate insbesondere in der Stillzeit vermeiden, da sich dadurch das Risiko für die Manifestation eines T2DM erhöhen könnte [43]. Außer auf eine Glukosestoffwechselstörung soll auch auf weitere kardiovaskuläre Risikoparameter wie Dyslipidämie und Hypertonie untersucht werden, da Frauen nach GDM ein höheres kardiovaskuläres Risiko aufweisen [44].

Nachbetreuung der Kinder

Bei Nachkommen von GDM-Schwangerschaften ist ein erhöhtes Risiko für Übergewicht/Adipositas und T2DM bekannt [45]. Ein gesunder Lebensstil und regelmäßige Gewichtskontrollen sind zu empfehlen. Bei Hinweisen auf Hyperglykämie ist eine sofortige Abklärung empfohlen (cave: keine HbA1c-Testung bei Kindern und Jugendlichen zur Diagnosestellung [s. auch Leitlinie Definition, Diagnosescreening]). Ein T2DM-Screening sollte bei asymptomatischen Kindern und Jugendlichen mit Adipositas (BMI > 95. Perzentile, geschlechts- und altersadjustiert) oder mit Übergewicht (BMI > 85. Perzentile) und mütterlichem GDM in der Schwangerschaft des Kindes erfolgen [46].

Evidenzlage

Gesichert ist, dass eine mütterliche Hyperglykämie im 1. Trimenon mit einem höheren Risiko für die Entwicklung einer diabetischen Embryopathie, im 2. und 3. Trimenon für die Entwicklung einer diabetischen Fetopathie mit erhöhter Morbidität und Mortalität assoziiert ist [2]. Die „Hyperglycemia and adverse pregnancy outcome (HAPO)“ Studie zeigte des Weiteren, dass ein kontinuierlicher Zusammenhang zwischen der Höhe der mütterlichen Blutzuckerwerte im OGTT und den kindlichen Komplikationen besteht [12].
Während eine Diättherapie alleine nicht eindeutig zu besseren fetalen Ergebnissen in Metaanalysen führt, ist die Verbesserung der postprandialen Blutglukosewerte unter Insulintherapie mit einer geringeren Morbidität verbunden. Neue Studien konnten belegen, dass eine Behandlung (Diät, Insulin bei Bedarf) des GDM das Risiko für schwere kindliche Komplikationen im Vergleich zu unbehandelten Frauen signifikant reduzieren konnte [3, 4].
Es konnte klar gezeigt worden, dass Frauen nach GDM ein besonders hohes Risiko für die Entwicklung eines T2DM haben [1] und auch ein höheres Risiko für folgende kardiovaskuläre Erkrankungen vorliegt [47]. Lebensstiländerungen im Sinne der Diabetesprävention führen zu einer deutlichen Verringerung der Diabetesmanifestationsrate [39, 40]. In der Schwangerschaft war v. a. in Risikogruppen der Erfolg der bisherigen GDM-Präventionsstudien bescheiden oder nicht vorhanden [15]. Kinder von Frauen mit GDM haben ein höheres Risiko, selbst übergewichtig zu werden und Stoffwechselstörungen zu entwickeln.

Interessenkonflikt

A. Kautzky-Willer hat von folgenden Unternehmen, die teils auch fördernde Mitglieder der ÖDG sind, Forschungsunterstützungen und/oder Honorare erhalten: AstraZeneca, Bristol-Myers Squibb, GlaxoSmithKline Pharma, Eli Lilly, Merck Sharp & Dohme, Novartis, Novo Nordisk, Roche, Sanofi-Aventis. J. Harreiter hat von folgenden Unternehmen, die teils auch fördernde Mitglieder der ÖDG sind, Forschungsunterstützungen und/oder Honorare erhalten: AstraZeneca, Novo Nordisk, Takeda. Y. Winhofer-Stöckl hat von folgenden Unternehmen, die auch fördernde Mitglieder der ÖDG sind, Forschungsunterstützungen/Honorare erhalten: Sanofi Aventis, Eli Lilly, AstraZeneca, Novartis. M. Lechleitner hat von folgenden Unternehmen, die auch fördernde Mitglieder der ÖDG sind, Honorare erhalten: AstraZeneca, Bristol-Myers Squibb, Germania Pharmazeutika, GlaxoSmithKline Pharma, Eli Lilly, Medtronic, Merck Sharp & Dome, Novartis, Novo Nordisk, Pfizer, Sanofi-Aventis, Takeda. R. Weitgasser hat von folgenden Unternehmen, die teils auch fördernde Mitglieder der ÖDG sind, Forschungsunterstützungen und/oder Honorare erhalten: Abbott, Allergan, AstraZeneca, Boehringer-Ingelheim, Eli Lilly, Merck Sharp & Dohme, Novo Nordisk, Roche, Sanofi-Aventis, Servier, Takeda. D. Bancher-Todesca, A. Berger und A. Repa geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.

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Literatur
9.
Zurück zum Zitat Deutsche Diabetes Gesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. S3-Leitlinie Gestationsdiabetes mellitus (GDM), Diagnostik, Therapie und Nachsorge. 2. Aufl. AWMF-Registernummer 057–008. 2018. Deutsche Diabetes Gesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. S3-Leitlinie Gestationsdiabetes mellitus (GDM), Diagnostik, Therapie und Nachsorge. 2. Aufl. AWMF-Registernummer 057–008. 2018.
18.
36.
Zurück zum Zitat Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Deutsche Gesellschaft für Perinatale Medizin, Deutsche Diabetes Gesellschaft, et al.. Betreuung von Neugeborenen diabetischer Mütter. Frauenarzt. 2003;44(4):439–41. Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Deutsche Gesellschaft für Perinatale Medizin, Deutsche Diabetes Gesellschaft, et al.. Betreuung von Neugeborenen diabetischer Mütter. Frauenarzt. 2003;44(4):439–41.
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Zurück zum Zitat Göbl CS, Bozkurt L, Prikoszovich T, et al. Early possible risk factors for overt diabetes after gestational diabetes mellitus. Obstet Gynecol. 2011;118(1):71–8. https://doi.org/10.1097/AOG.0b013e318220e18 f.CrossRef Göbl CS, Bozkurt L, Prikoszovich T, et al. Early possible risk factors for overt diabetes after gestational diabetes mellitus. Obstet Gynecol. 2011;118(1):71–8. https://​doi.​org/​10.​1097/​AOG.​0b013e318220e18 f.CrossRef
Metadaten
Titel
Gestationsdiabetes (GDM) (Update 2019)
verfasst von
Alexandra Kautzky-Willer
Jürgen Harreiter
Yvonne Winhofer-Stöckl
Dagmar Bancher-Todesca
Angelika Berger
Andreas Repa
Monika Lechleitner
Raimund Weitgasser
Publikationsdatum
12.04.2019
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Wiener klinische Wochenschrift / Ausgabe Sonderheft 1/2019
Print ISSN: 0043-5325
Elektronische ISSN: 1613-7671
DOI
https://doi.org/10.1007/s00508-018-1419-8