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Erschienen in: Psychotherapie Forum 3-4/2023

Open Access 15.11.2023 | übersichtsarbeit

Die Verschwiegenheitspflicht im psychotherapeutischen Setting unter besonderer Berücksichtigung von virtuellen Angeboten

Ein Vergleich der gesetzlichen Grundlagen in Österreich und Deutschland

verfasst von: Barbara Friehs

Erschienen in: Psychotherapie Forum | Ausgabe 3-4/2023

Zusammenfassung

Die Verschwiegenheitsverpflichtung – ein grundlegendes Gebot in der Psychotherapie – stellt sicher, dass Informationen vertraulich bleiben, um das Vertrauensverhältnis zwischen Klient:innen und Therapeut:innen zu wahren. Mit dem zunehmenden Einsatz von Online-Psychotherapie steigen die Herausforderungen zur Wahrung der Verschwiegenheitsverpflichtung. Ein Vergleich der gesetzlichen Grundlagen für Therapieangebote im virtuellen Raum zwischen Österreich und Deutschland zeigt, dass in Deutschland 30 % aller Behandlungen per Video erlaubt sind. In Österreich ist dieses Format seit den Bestimmungen im Kontext der COVID-19-Pandemie rechtlich ebenfalls zulässig und soll auch nach den Bestimmungen des neuen Psychotherapiegesetzes möglich sein. Zuvor waren dort lediglich psychotherapeutische Beratungsleistungen im Online-Setting erlaubt, nicht jedoch Therapien. Wissenschaftliche Studien weisen zwar auf Problembereiche von virtuellen Settings hin, erbringen aber auch viele Nachweise für einen erfolgreichen Einsatz von psychotherapeutischen Online-Anboten. Da die elektronische Kommunikation potenziell anfällig für Sicherheitsverletzungen ist, müssen Therapeut:innen jedoch angemessene Maßnahmen ergreifen, um das Gebot der Vertraulichkeit und Verschwiegenheit zu gewährleisten. Standardisierte Richtlinien auf internationaler Ebene wären für Online-Therapien wünschenswert, um erhöhte Rechtssicherheit zu schaffen.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

Einleitung

Die Verschwiegenheitsverpflichtung ist ein grundlegendes Gebot in der Psychotherapie, das sicherstellt, dass Informationen, die während der Therapie ausgetauscht werden, vertraulich bleiben und nicht ohne Zustimmung der Klient:innen an Dritte weitergegeben werden dürfen (APA 2017). Mit dem zunehmenden Einsatz von Online-Psychotherapie oder Telemental Health-Diensten ist die Wahrung der Verschwiegenheitsverpflichtung eine wachsende Herausforderung, da die Übertragung von Informationen über das Internet das Risiko von Verschwiegenheits‑, Sicherheits- und Datenschutzverletzungen erhöht (Dunn 2012).
In Österreich und Deutschland wird die medizinische Heilbehandlung von klaren gesetzlichen und ethischen Grundsätzen geleitet. Für in Gesundheitsprofessionen tätige Personen gilt eine Berufsethik, die sich vor allem auf den „Eid des Hippokrates“ stützt, der als eine der ersten ethischen Leitlinien für medizinisches Handeln angesehen werden kann. Rückgeführt wird dieses Gedankengut auf den griechischen Arzt Hippokrates, der im 4. Jahrhundert v. Chr. in dem nach ihm benannten Eid festlegte, dass therapeutische Maßnahmen dem Wohl und Nutzen von Klient:innen dienen sollen (Lolas Stepke 2017). Aspekte dieser ethischen Grundlage sind bis heute zentrale Bestandteile der Genfer Deklaration des Weltärztebundes, die auch für Ärzt:innen in Österreich und Deutschland Verbindlichkeit besitzt (Österreichische Ärztezeitschrift 2018; Bundesärztekammer 2021a). Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf Beauchamp und Childress (2019), die in ihrem „Washington Mantra“ für medizinisches Handeln die Prinzipien des Respekts vor der Autonomie, Gutes zu tun, nicht zu schaden und Gerechtigkeit walten zu lassen, postulierten. Den Autoren gemäß sind diese Aspekte in jedem einzelnen Fall zu berücksichtigen und gegeneinander auszubalancieren.
All diese berufsethischen Grundsätze lassen sich im Analogieschluss auch auf psychotherapeutisches Agieren umlegen (Fydrich 2021).
Infolge sollen die Herausforderungen in Bezug auf die Verschwiegenheitsverpflichtung in der Online-Psychotherapie erörtert und die gesetzlichen Rahmenbedingungen1 für derartige Angebote in Österreich und Deutschland dargestellt werden.

Berufsrechtliche Bestimmungen zur Verschwiegenheitsverpflichtung

Was unterliegt der Schweigepflicht?

Die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht ist für Psychotherapeut:innen und ihre Hilfspersonen gemäß § 15 PthG (Psychotherapie-Gesetz; BGBl. Nr. 361/1990, Österreich) bzw. § 203 StGB (Strafgesetzbuch), § 8 der (Muster‑)Berufsordnung für die Psychologischen Psychotherapeut:innen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut:innen sowie in den jeweiligen Berufsordnungen der Landespsychotherapeutenkammern (Deutschland) gesetzlich determiniert. Alle Geheimnisse, die besagten Personen im Rahmen ihrer Tätigkeit anvertraut oder bekannt werden, sind selbst über den Tod der Klient:innen hinaus streng vertraulich zu behandeln. Psychotherapeut:innen unterliegen somit einer strengen Schweigepflicht, die nicht erlischt (ebda).
Die Verpflichtung zur Geheimhaltung gilt grundsätzlich auch gegenüber Angehörigen der Klient:innen, Behörden, Polizei, anderen Therapeut:innen sowie Ärzt:innen. Bereits die Tatsache, dass sich ein Klient oder eine Klientin in therapeutischer Behandlung befindet, stellt ein zu schützendes Geheimnis dar. All diese Bestimmungen gelten auch für Online-Therapien.

Wie definieren sich „Geheimnisse“?

Geheimnisse können als wahre oder auch objektiv gesehen unwahre Informationen oder Fakten definiert werden, die nur einer bestimmten Person oder einem eingeschränkten Personenkreis bekannt sind und an denen ein Interesse besteht, dass sie nicht an Außenstehende weitergegeben werden. Zu jenen Bereichen, die Therapeut:innen nicht an Dritte weitergeben dürfen, ohne ihre Schweigeverpflichtung zu verletzen, zählen unter anderem der Name der Klient:innen, Atteste, Informationen zu Erkrankungen oder Suchtmittelkonsum, angewandte Therapien, die Tatsache, dass sich jemand überhaupt in Therapie befindet, Beobachtungen im Rahmen von etwaigen Hausbesuchen sowie Informationen über Meinungen, Empfindungen, familiäre, berufliche und finanzielle Verhältnisse. Zudem sind von der Verschwiegenheitsverpflichtung auch Geheimnisse erfasst, welche zwar nicht die Klient:innen direkt, wohl aber Dritte betreffen und von denen die Therapeut:innen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Kenntnis erlangt haben (Kawelowski 2015, S. 389 ff.; Lewisch in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 121 Rz 6, Stand 17.10.2017, rdb.at).
Bei der Entscheidung, welche Informationen und Fakten im Einzelfall als zu wahrende Geheimnisse betrachtet werden sollten, ist die Sichtweise der betroffenen Person und deren gesetzliches Recht auf Geheimhaltung zu berücksichtigen (BMSGPK 2021).
In jedem Fall fallen Informationen und Tatsachen, die gesundheitliche, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Nachteile für die Betroffenen oder Dritte bedeuten könnten, unter den Schutz der psychotherapeutischen Schweigepflicht. Die genaue Abgrenzung und Definition dieser Tatsachen sind jedoch oft schwierig und erfordert eine gemeinsame Entscheidung zwischen Psychotherapeut:innen und Klient:innen. Es ist daher von großer Bedeutung, dass die Beteiligten gemeinsam die Grenzen der Schweigepflicht festlegen und einhalten, um das Vertrauensverhältnis zu wahren und die Gesundheit und das Wohlbefinden der betroffenen Klient:innen zu schützen (Bossenmayer 2022).
Diese Vertraulichkeit ist von essenzieller Bedeutung für eine erfolgreiche therapeutische Beziehung. Klient:innen vertrauen darauf, dass ihre intimsten Probleme, Ängste und Sorgen bei Therapeut:innen in sicheren Händen sind und nur im Rahmen der Therapie besprochen werden. Selbst der kleinste Verstoß gegen diese Schweigepflicht kann Zweifel und Misstrauen hervorrufen und zu einem vorzeitigen Abbruch der Therapie führen. Daher ist es unerlässlich, dass Therapeut:innen der Schweigepflicht Folge leisten und grundsätzlich alle Geheimnisse, welche ihnen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit anvertraut werden, hüten (Sonnenmoser 2009).

Ausnahmen von der psychotherapeutischen Schweigepflicht

Auch wenn man als Psychotherapeut:in verpflichtet ist, die Schweigepflicht zu wahren, kann es im beruflichen Alltag bisweilen erforderlich sein, diese Verpflichtung zu durchbrechen. Erhalten Therapeut:innen Kenntnis von einer geplanten schweren Straftat, würden sie sich durch Nichtanzeige strafbar machen. In Deutschland ist dieser Straftatbestand durch § 138 StGB geregelt und in Österreich durch § 286 StGB. Dies gilt immer, außer die durch die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht drohenden Folgen hätten schwerer gewogen als die nachteiligen Folgen aus der Unterlassung der Bekanntmachung. Davon ist etwa im Fall von geplanten Kapitalverbrechen oder ähnlich schweren Straftaten meist nicht auszugehen. Wird in Ausübung des Berufes davon Kenntnis erlangt, haben Psychotherapeut:innen dies daher unverzüglich den Ermittlungsbehörden zur Kenntnis zu bringen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die tatsächliche Kenntnis über die Planung oder bevorstehenden Durchführung eines solchen Verbrechens vorliegt. Bloße Verdachtsmomente begründen noch keine Anzeigepflicht (BMSGPK 2021; Bossenmayer 2022).
Eine weitere Ausnahme stellt der „rechtfertigende Notstand“ dar, der zur Anwendung kommt, wenn eine zur Verschwiegenheit verpflichtete Person diese Pflicht bricht, um eine wesentlich schwerwiegendere Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden. Dies erfolgt unter Berücksichtigung des „Prinzips der Güterabwägung“ (§ 34 StGB Deutschland; § 10 StGB Österreich).
In diesem Fall muss ein höherwertiges Rechtsgut konkret gefährdet und das Weitergeben von Informationen, die eigentlich der Verschwiegenheit unterliegen, ein angemessenes Mittel sein, um die Gefahr abzuwenden. Der rechtfertigende Notstand erlaubt es daher, z. B. Angehörige oder behandelnde Ärzt:innen bei Suizidgefahr von Klient:innen zu informieren oder die Polizei zu benachrichtigen, wenn Klient:innen eine andere Person mit Verletzung oder Mord bedrohen. Eine solche Anzeigepflicht gilt nach diesen Bestimmungen auch im Fall einer Wiederholungsgefahr und bei häuslicher Gewalt (Bossenmayer 2022; BMSGPK 2021). Keine Offenbarungspflicht wird hingegen durch die Kenntnis einer bereits begangenen Straftat begründet (Bundesärztekammer 2021).
Auch bei Verdacht auf Misshandlung oder Missbrauch von Kindern sind Therapeut:innen zur Anzeige verpflichtet und haben die Polizei oder das Jugendamt bzw. die Kinder- und Jugendhilfe zu verständigen. Es gibt jedoch Situationen, die nicht eindeutig sind und bei denen ethische und juristische Überlegungen notwendig sind. Liegt ein solcher Fall vor, müssen die behandelnden Therapeut:innen ihre persönliche Verantwortung wahrnehmen und im Einzelfall entscheiden (ebda). In derart heiklen Verschwiegenheitsfragen empfiehlt sich zur Entscheidungsfindung die Inanspruchnahme supervisorischer Unterstützung.
Die Einwilligung zur Aufhebung der Schweigepflicht (Entbindung von der Schweigepflicht) der betroffenen Klient:innen berechtigt Psychotherapeut:innen hingegen grundsätzlich immer, Auskünfte gegenüber Dritten, also auch Ermittlungsbehörden, zu erteilen (Fydrich 2021).

Verletzung der psychotherapeutischen Schweigepflicht

Geben Psychotherapeut:innen unbefugt ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis von Klient:innen preis, kann dies in Deutschland eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr nach sich ziehen, in Österreich ebenfalls eine Geldstrafe bzw. eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten (§ 203 StGB, Deutschland; § 121 StGB, Österreich)2. All dies gilt auch für Assistent:innen, Praxishelfer:innen, Sekretär:innen und andere Mitarbeiter:innen in psychotherapeutischen Praxen (Sonnenmoser 2009).

Gesetzliche Bestimmungen zur Verschwiegenheitsverpflichtung bei psychotherapeutischen Interventionen im virtuellen Setting

Allgemeine gesetzliche Bestimmungen zu internetbasierten Therapieangeboten in Deutschland

Beim 33. Deutschen Psychotherapeutentag am 17. November 2018 kam es zu einer Legalisierung der psychotherapeutischen Videobehandlung3 (BPtK 2023). Während der Corona-Pandemie war es in Deutschland zulässig, Psychotherapien vorübergehend unbegrenzt online durchzuführen, um so die Kontinuität der Behandlungen von Klienten und Klientinnen sicherzustellen.
Seit 1. April 2022 wurde eine gesetzliche Obergrenze für videobasierte Therapien eingeführt, nach der nun 30 % aller Behandlungen per Video stattfinden dürfen. Somit ist es in Deutschland zulässig, fast ein Drittel aller psychotherapeutischen Angebote online durchzuführen (KBV 2023).
Allerdings darf nicht jede psychotherapeutische Leistung in diesem Kontext angeboten werden. Untersagt sind etwa die Durchführung von Psychotherapeutischen Sprechstunden, Diagnostik und Indikationserstellung sowie Probesitzungen per Internet. Der persönliche Kontakt zwischen Klient:innen und Therapeut:innen wird zu Beginn einer Psychotherapie als zwingend erforderlich erachtet, weshalb erst danach videobasierte Angebote zulässig ist. Zudem muss sichergestellt sein, dass aus therapeutischer Sicht in nachfolgenden Therapieeinheiten ein unmittelbarer persönlicher Kontakt tatsächlich nicht geboten ist. Ist eine videobasierte Psychotherapie kontraindiziert, ist diese auch bei ausdrücklichem Wunsch der Klient:innen abzulehnen (BPtK 2023).
Zusammengefasst ist es für Psychotherapeut:innen zulässig, ihre Dienstleistungen via Internet anzubieten, wenn bereits ein persönlicher Erstkontakt stattgefunden hat, um eine Eingangsdiagnostik durchzuführen, eine Indikation zu erstellen und aufzuklären, und sofern aus therapeutischer Sicht kein unmittelbarer persönlicher Kontakt erforderlich ist. Es ist daher absolut unzulässig, eine Online-Therapie mit den Therapeut:innen noch nicht bekannten Klient:innen durchzuführen (KBV 2023).
Videobasierte Angebote können auch für Akutbehandlungen und Gruppentherapien erstellt werden (Zeit online 2022). Während einer Video-Gruppentherapie sind maximal acht Teilnehmende zuzüglich eines Therapeuten oder einer Therapeutin zulässig. Per Video nicht erlaubt sind hingegen Gruppentherapien mit zwei Therapeut:innen (KBV 2023). „Alle sonstigen Regelungen in der MBO, die die Psychotherapie betreffen, gelten auch bei einer Behandlung per Video. Gegen diese Vorschriften darf nicht verstoßen werden. Aus diesem Grund dürfen bei der Schweigepflicht, dem Datenschutz, der Dokumentation und anderen Sorgfalts- und Berufspflichten keine Abstriche gemacht werden“ (BPtK 2022, S. 7). Auch sämtliche berufsrechtliche Bestimmungen müssen bei Internetangeboten eingehalten werden. Dazu zählen etwa die Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuches, welches in § 630e vor jeder Behandlung eine mündliche Aufklärung vorsieht, oder die Bestimmungen der Psychotherapie-Richtlinie oder der Psychotherapie-Vereinbarung (ebda).

Allgemeine gesetzliche Bestimmungen zu internetbasierten Therapieangeboten in Österreich

Ähnlich zur deutschen Gesetzeslage sind Angebot und Durchführung von videobasierten psychotherapeutischen Behandlungen in Österreich seit der COVID-19-Pandemie ebenfalls rechtlich zulässig. Dabei liegt die Art der Abhaltung weitgehend in der Verantwortung der Therapeut:innen und ist an die Bedürfnisse der jeweiligen Klient:innen anzupassen.
Eine videogestützte psychotherapeutische Tätigkeit gilt entgegen diesbezüglicher rechtlicher Bestimmungen aus der Vergangenheit nun auch bei fehlender persönlicher Anwesenheit von Klient:innen als psychotherapeutische Behandlung und nicht mehr wie zuvor nur als psychologische bzw. psychotherapeutische Beratung. Somit dürfen Online-Psychotherapien auch in Österreich angeboten werden, wobei die Krankenkassen dafür entsprechende Kostenzuschüsse zu leisten haben. Eine Übernahme dieser Regelung auch in das neue Psychotherapiegesetz (geplant 2023) wird aus ministerieller Sicht befürwortet. Damit ist auch die Richtlinie des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK 2020) obsolet, in welcher festgehalten war, dass in Österreich „keine Psychotherapie via Internet im Sinne eines wissenschaftlich begründeten und evaluierten Vorgehens“ angeboten werden durfte. Folgerichtig ist davon auszugehen, dass daher nun auch Begriffe wie „Cyber-Therapie“, „Online-Therapie“ oder „virtuelle Couch“ durch Psychotherapeut:innen zum Zwecke der Beschreibung von Leistungsangeboten im Internet sowohl aus fachlicher, berufsethischer als auch berufsrechtlicher Sicht zulässig sind (im Gegensatz dazu ursprünglich BMSGPK 2020, S. 6).

Gesetzlich gebotene technische Voraussetzungen und Datenschutz

Online-Therapien oder Online-Beratungen in einem öffentlich zugänglichen Chatroom oder das Versenden unverschlüsselter E‑Mails durch Psychotherapeut:innen gelten als Verstöße gegen die DSGVO (Datenschutzverordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016) und sind in Folge in Deutschland und Österreich unzulässig. Um sicherzustellen, dass die in Ausübung des Berufes versendeten E‑Mails nicht von unbefugten Dritten gelesen werden können, müssen Psychotherapeut:innen geeignete Sicherheitsvorkehrungen treffen und Klient:innen über die Risiken ungesicherter E‑Mail-Übertragungen informieren. In diesem Zusammenhang wäre ihnen etwa die Verwendung einer elektronischen Signatur nahezulegen (BMSGPK 2020; Thorwart 2018).
Von entscheidender Bedeutung ist auch die Auswahl eines zertifizierten Videodienstanbieters. Dieser hat zu gewährleisten, dass die Therapie während des gesamten Behandlungsprozesses digital verschlüsselt abläuft (KBV 2023). In diesem Zusammenhang wäre etwa die Verwendung einer elektronischen Signatur oder verschlüsselter, webbasierter Kommunikationstools zu empfehlen. Im Bundesmantelvertrag-Ärzte, genauer gesagt in der Anlage 31b, wird klargestellt, dass eine Videobehandlung nur über einen Videodienstanbieter durchgeführt werden darf, der eine Zertifizierung vorweisen kann. Diese Zertifizierung bezieht sich auf Aspekte wie Informationssicherheit, Datenschutz und Inhalte. Zugelassene Anbieter haben durch Sicherheitszertifikate nachzuweisen, dass sie die Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit personenbezogener Daten gewährleisten können (BPtK 2022).
Ein wesentlicher Aspekt ist auch bei der Durchführung von Video-Behandlungen die Wahrung der Vertraulichkeit und Verschwiegenheit während des Gesprächs. Die Psychotherapeut:innen dürfen das Therapiegespräch zwar grundsätzlich aufzeichnen, müssen dafür aber das ausdrückliche Einverständnis der Klient:innen einholen. Zudem haben sie sicherzustellen, dass auch während der virtuellen Behandlung keine Dritten in den Räumlichkeiten der Klient:innen bzw. Psychotherapeut:innen anwesend sind, damit die Vertraulichkeit des Gesprächs gewährleistet bleibt (BPtK 2023).
Zusätzlich zu diesen Sicherheitsvorkehrungen müssen Psychotherapeut:innen auch geeignete Maßnahmen zum Schutz der elektronisch gespeicherten klientenbezogenen Daten ergreifen, etwa die Installation einer Firewall und eines Virenschutzes, um zu verhindern, dass unbefugte Personen auf den Computer oder andere Datenträger der Therapeut:innen zugreifen können. Diese Maßnahmen müssen dem aktuellen technischen Standard entsprechen und sind regelmäßig fachmännisch zu überprüfen (ebda).

Zusammenfassende Schlussbemerkungen und Ausblick

Schon lange belegen Studien, dass die Qualität der therapeutischen Beziehung in der Online-Psychotherapie jener in einem Face-to-Face-Setting ähnlich sein kann (Sucala et al. 2012; Andersson et al. 2019). Die positiven Auswirkungen von internetbasierten psychotherapeutischen Angeboten auf den Behandlungserfolg von Betroffenen wurden in Folge als gleich effektiv eingestuft wie jene der persönlichen Anwesenheit (DUK 2020).
Zu den vielen Vorteilen zählen die verbesserten Möglichkeiten, eingeschränkt mobilen Menschen und solchen in ländlichen oder entlegeneren Gebieten wohnhaften Personen den Zugang zu therapeutischen Dienstleistungen zu erleichtern. Auch Wartezeiten könnten verkürzt werden und Anfahrtswege entfallen. Stoll et al. (2020) erwähnen den Vorteil der Anonymität, der sich daraus ergibt, dass Klient:innen ihre Therapeut:innen nicht physisch aufsuchen müssen und daher auch nicht gesehen und erkannt werden können. Online-Therapien sind somit ein ideales Format für Menschen, die Angst vor Stigmatisierung haben (Andersson 2019). Gleichzeitig wird auch die Niedrigschwelligkeit des Angebots im virtuellen Raum begünstigt (Psychoonlinetherapie 2021).
Die so genannte COVID-Krise war der beste Beweis dafür, dass es Online-Beratungen und -Therapien möglich machten, die Bereitstellung von entsprechenden Angeboten an aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen anzupassen (Finger-Ossinger 2021).
Auch wenn diese nach wie vor anfällig für technische Schwierigkeiten (Simpson und Reid 2014) sein können, nonverbale Signale, die für die Diagnose und Therapie oft sehr wichtig sind, nur in eingeschränktem Maße wahrgenommen werden können und das Fehlen von physischer Präsenz für einige Klient:innen und Therapeut:innen ein Hindernis für den Aufbau einer tragfähigen therapeutischen Beziehung darzustellen vermag (Hilty et al. 2013), ist das Angebot von psychotherapeutischen Online-Einheiten ein Schritt in die richtige Richtung, um eine bestmögliche Versorgung sicherstellen zu können. Die Verschwiegenheitspflicht im psychotherapeutischen Setting jedenfalls kann bei entsprechenden Vorkehrungen auch im virtuellen Raum gewahrt werden. Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung der Psychotherapie und dem grenzüberschreitenden Tätigwerden wären allerdings standardisierte Richtlinien auf internationaler Ebene wünschenswert, um für Therapeut:innen erhöhte Rechtssicherheit zu schaffen.

Interessenkonflikt

Ich gebe hiemit zur Kenntnis, dass kein Interessenskonflikt besteht.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Fußnoten
1
Für Deutschland siehe Psychotherapeutengesetz (PsychThG); Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung 2019; DGP 2020.
Für Österreich siehe PthG 361/1990 (konsolidierte Fassung vom 30.04.2023); Österreichischer Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP 2020); Geplantes neues Psychotherapiegesetz 2023.
 
2
Auf die neben der strafrechtlichen Verschwiegenheitspflicht bestehenden berufsrechtlichen, zivilrechtlichen und vereinsrechtliche Schweigepflichten wie z. B. jene von Berufs und Fachgesellschaften wird hier nicht gesondert eingegangen. Siehe dazu weiterführend Thorwart (2018).
 
3
Dafür wurde § 5 Abs. 5 der Musterberufsordnung (MBO) adaptiert.
 
Literatur
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Metadaten
Titel
Die Verschwiegenheitspflicht im psychotherapeutischen Setting unter besonderer Berücksichtigung von virtuellen Angeboten
Ein Vergleich der gesetzlichen Grundlagen in Österreich und Deutschland
verfasst von
Barbara Friehs
Publikationsdatum
15.11.2023
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Psychotherapie Forum / Ausgabe 3-4/2023
Print ISSN: 0943-1950
Elektronische ISSN: 1613-7604
DOI
https://doi.org/10.1007/s00729-023-00232-0

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