Seit Beginn der Covid-19 Pandemie wurde eine deutliche Zunahme der psychischen Belastung in der Allgemeinbevölkerung, besonders bei Kindern und Jugendlichen verzeichnet. Eine entsprechende Bedarfserhöhung an kinder- und jugendpsychiatrischer (KJP) Versorgung wurde berichtet. Zur Abbildung des gegenwärtigen Versorgungsbedarfs und der Akuität der Versorgungslage wurde erstmals für das Einzugsgebiet der KJPP Hinterbrühl (Industrieviertel und nördliches Burgenland) eine systematische Evaluation aller vorstellig gewordenen Patient:innen durchgeführt.
Methode
Von 1. Oktober 2022 bis 30. April 2023 wurden N = 714 Vorstellungen von tendenziell jugendlichen (Alter; M = 14,54, SD = 2,67) und weiblichen Patient:innen (63,0 %) verzeichnet. Die Einschätzung erfolgte durch Expert:innen mittels eines entwickelten Erhebungsinstruments. Auswertungen erfolgten über χ2-Tests, Korrelationsanalysen, Cohens Kappa, Mann-Whitney-U-Tests und logistische Regressionsanalysen.
Ergebnisse
Durchschnittlich erfolgten monatlich 104 Vorstellungen, davon 60,4 % akut, 66,8 % mit Selbst- oder Fremdgefährdung. 38,0 % aller Patient:innen wurden aufgenommen. Bei 63,5 % spielte Suizidalität eine Rolle. Weibliche Patientinnen wiesen häufiger F3-, F5- und F6-Diagnosen, sowie Selbstgefährdung und Suizidalität auf. Jugendliche waren häufiger selbstgefährdend und akut vorstellig und wurden häufiger aufgenommen. Die Vorstellung mit Einsatzkräften (OR = 2,41) und höhere Suizidalität nach Experteneinschätzung (OR = 3,90) erhöhten die Aufnahmechance signifikant.
Diskussion
In Österreich lässt sich seit der Covid-19 Pandemie eine Zunahme des KJP Versorgungsbedarfs mit einer markanten Verschiebung des Auftrags in den akutpsychiatrischen Bereich beobachten. Korrespondierend und übereinstimmend mit Vergleichsdaten anderer KJPs, zeigte sich an der KJPP Hinterbrühl ein konstant hohes Ausmaß an Vorstellungen, proportionalen Akutvorstellungen und stationären Aufnahmeraten. KJP Abteilungen müssen durch entsprechende Mittel und Personalversorgung befähigt werden, dieser anhaltenden Aus- und Belastung mittel- und langfristig standhalten zu können.
A. Haselgruber und D. Weindl teilen sich die Erstautorenschaft.
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Hintergrund
Durch den Ausbruch der COVID-19 Pandemie erlebten Menschen weltweit wiederholte Einschränkungen in ihrer Lebensführung. Bereits im ersten Pandemiejahr wurde eine deutliche Zunahme der psychischen Belastung in der Allgemeinbevölkerung, im Besonderen bei Kindern und Jugendlichen, verzeichnet (Brooks et al. 2020). Gerade in entwicklungssensitiven Perioden des Kindes- und Jugendalters besteht ein erhöhtes Risiko für weitreichende psychische Folgen derartiger Einschränkungen (Ellis und Zarbatany 2017). Dementsprechend wurden erhöhte Prävalenzraten von Depression, Angst, posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) und Schlafschwierigkeiten (Barendse et al. 2021; Pieh et al. 2021; Ravens-Sieberer et al. 2022) sowie ein Anstieg internalisierender Verhaltensweisen, aggressivem Verhalten, PTBS sowie affektiver und angstbezogener Störungen (Hawke et al. 2021; Wenter et al. 2022) festgestellt.
Korrespondierend mit diesem Anstieg wurde eine Zunahme des kinder- und jugendpsychiatrischen (KJP) Versorgungsbedarfs verzeichnet (Holtmann et al. 2023; Ravens-Sieberer et al. 2022). In Europa und in den Vereinigten Staaten zeigte sich dies am deutlichsten an der Anzahl an Akutvorstellungen an KJPs, im Zuge welcher Patient:innen ohne Wartezeit vorstellig (z. B. aufgrund akuter Gefährdung, krisenhafter Zustände oder heftiger Impulsdurchbrüche) wurden. Über den Verlauf der Pandemie kam es zu einer merklichen Zunahme dieser (Chadi et al. 2021; Leeb 2020; Sevecke et al. 2023; Yard et al. 2021). Leeb (2020) berichteten von gesteigerten Vorstellungen bei Jugendlichen um 31 % und Sevecke et al. (2023) von einem Anstieg von 40,1 % an Akutvorstellungen.
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Bereits vor der Pandemie stellten suizidale Gedanken und Suizidalität den häufigsten Vorstellungsgrund an KJP Abteilungen dar (Eichinger et al. 2021; Sevecke et al. 2023). Insgesamt nahm die akute Suizidalität in den Corona-Jahren 2020/2021 zu (Chadi et al. 2021; Ravens-Sieberer et al. 2022; Sevecke et al. 2023), wobei sich dahingehend ein heterogenes Bild zeigt. Während bei Sevecke et al. (2023) die Anzahl der Aufnahmen aufgrund akuter Suizidalität in den Jahren 2020/2021 im Vergleich zu den Jahren 2018/2019 stabil war, wurde in Studien aus Deutschland und den USA von einem anfänglichen Absinken der Suizidalitätsraten zu Beginn der Pandemie berichtet (Bruns et al. 2022; Yard et al. 2021). Weitere Gründe einer Vorstellung beinhalteten autoaggressive nichtsuizidale Handlungen sowie fremdgefährdende und externalisierende Verhaltensweisen (Eichinger et al. 2021; Sevecke et al. 2023).
Das weibliche Geschlecht wurde als Risikofaktor für Suizidalität (Hawke et al. 2021) und die Entwicklung psychischer Probleme nach Belastung (Fong und Iarocci 2020) identifiziert. In US-amerikanischen Notaufnahmen nahmen Vorstellungen von weiblichen Jugendlichen wegen mutmaßlicher Suizidversuche ab Sommer 2020 kontinuierlich zu und erreichten im März 2021 ihren Höhepunkt. Die Vorstellungen von männlichen Jugendlichen blieb in diesem Zeitraum gleich (Yard et al. 2021). Bruns et al. (2022) berichteten hingegen von einem inversen Effekt. Insgesamt scheint das weibliche Geschlecht einen Prädiktor für die Entwicklung internalisierender Störungen (Chadi et al. 2021; Frisch 2023), das männliche für externalisierende Störungen (Eichinger et al. 2021; Wenter et al. 2022), darzustellen.
Neben Geschlechterdifferenzen existieren auch Unterschiede bei der Differenzierung nach Altersgruppen. Bruns et al. (2022) berichteten, dass weniger als ein Prozent der unter Zwölfjährigen akut vorstellig wurde. Jugendliche (13–17 Jahre) wurden häufiger aufgrund von suizidalen Gedanken oder Handlungen in Notaufnahmen vorstellig (Leeb 2020; Madigan et al. 2023). Frisch (2023) berichtete, dass 80 % aufgenommener Patient:innen zwischen 13 und 18 Jahre alt waren, mit einem Höhepunkt der Aufnahmezahlen um das 16. Lebensjahr.
Die KJP Versorgung des Industrieviertels (ambulant, akut, stationär) sowie des nördlichen Burgendlands (akut, stationär) umfasst ein Einzugsgebiet von 773.264 Personen (Noske o.J.). Sie wird von der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (KJPP) Hinterbrühl und einer dislozierten Ambulanz und Tagesklinik am Standort Wiener Neustadt durch das Landesklinikum Baden-Mödling abgedeckt. Insgesamt stehen 30 stationäre Behandlungsplätze und 20 tagesklinische Plätze für das Einzugsgebiet zur Verfügung. Somit fehlen in diesem Einzugsgebiet laut Strukturplan 28 Betten. Die empfohlene Bettenmessziffer (BMZ) beläuft sich auf 0,1 (0,08–0,12), die jedoch mit 0,06 derzeit nicht erreicht wird.
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Seit Beginn der Pandemie wurde in Österreich und anderen Ländern ein Anstieg des KJP Versorgungs- und Behandlungsbedarfs mit besonderer Verschärfung im akutpsychiatrischen Bereich beobachtet. In der vorliegenden Studie soll dieser Bedarf für das Einzugsgebiet der KJPP Hinterbrühl erstmals systematisch erhoben und abgebildet werden. Es sollen (1) Einblicke in den gegenwärtigen Versorgungsbedarf und die Akuität der KJP Auftragslage ermöglicht, (2) im Zeitraum vorgestellte Patient:innen charakterisiert und (3) praktische Implikationen abgeleitet werden.
Methode
Prozedere
Die vorliegende Studie ist Teil einer Forschungs- und Wissenschaftsinitiative der KJPP Hinterbrühl sowie des Karl Landsteiner Instituts für psychosoziale Medizin, Psychotherapie und Kindheitsforschung. Die analysierten Daten wurden im Rahmen des Regelbetriebs an der KJPP Hinterbrühl sowie der dislozierten Ambulanz und Tagesklinik Wiener Neustadt aller vorstellig gewordenen Patient:innen erhoben.
Kriterien einer Vorstellung waren wie folgt: Vorstellung (a) zum ersten Mal innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten an der KJPP, (b) im Zuge eines Subakuttermins (kurzfristige Brückentermine ohne fixe ambulante Anbindung) (c) oder im Zuge einer Akutvorstellung. Bei jeder Vorstellung wurde ein standardisiertes Formular durch die diensthabende klinische Psycholog:in, Fachärzt:in oder Assistenzärzt:in für Kinder- und Jugendpsychiatrie (nachfolgend als „Expert:in“ bezeichnet) ausgefüllt. Grundlage dafür waren anamnestische Informationen zur Patient:in sowie der klinische Gesamteindruck in der Begutachtungssituation.
Die in dieser Studie analysierten Daten wurden aus der Einschätzung aller Vorstellungen zwischen dem 1. Oktober 2022 und 30. April 2023 generiert. Insgesamt wurden 750 Vorstellungen dokumentiert. Nach Ausschluss nicht zuordenbarer Fälle aufgrund unvollständiger soziodemographischer Informationen (n = 20) sowie mehrfach aufgezeichneter Fälle (n = 16) resultierte die finale Stichprobe in N = 714 Vorstellungen.
Instrument
Das Instrument zur Erhebung wurde an der Abteilung in Zusammenarbeit klinischer Psycholog:innen und Fachärzt:innen für Kinder- und Jugendpsychiatrie erstellt. Ziel war es, rasch auf prägnante und standardisierte Weise zentrale Informationen zur vorgestellten Patient:in erheben zu können.
Es wurden folgende Bereiche anhand offener oder mehrkategorialer, standardisierter Antwortmöglichkeiten erhoben: Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Vorstellungsmodalität, Vorstellungsdatum, Verdachtsdiagnose (F‑Code gemäß ICD-10), Vorstellungsgrund, Art der Gefährdung, Vorstellung mit Einsatzkräften, Begleitpersonen, Bekanntheit der Patient:in, Suizidversuche anamnestisch bekannt, Suizidversuch vor der Vorstellung, Aufnahme auf Station (siehe Anhang A1).
Des Weiteren wurde das Item Nr. 9 des Beck-Depressions-Inventars II (BDI-II) (Beck et al. 1996) (nachfolgend als „Suizidalitätsitem“ bezeichnet) zur Erfassung des Ausmaßes an Suizidgedanken, -ideen oder -plänen vorgegeben. Die isolierte Vorgabe des Items als effiziente und rasche Möglichkeit zur Abschätzung des Suizidrisikos wurde in der psychiatrischen Praxis empfohlen (Green et al. 2015) und im Jugendbereich bestätigt (Lee et al. 2017). Die Selbsteinschätzung der Suizidalität anhand des Items wurde ab elf Jahren und nach Einschätzung der Expert:in vorgegeben. Die Fremdeinschätzung mit entsprechender Formulierungsänderung wurde für alle Patient:innen von der Expert:in ausgefüllt.
Auswertung
Zur Auswertung wurden deskriptive Häufigkeiten analysiert. Die Anzahl fehlender Werte war über die überwiegende Mehrheit der Variablen gering (0,0–5,2 % auf dem Item-Level). Zur Erfassung des Zusammenhangs der Suizidalität zwischen Selbst- und Experteneinschätzung wurde der Korrelationskoeffizient nach Spearman (rS) errechnet. Die Interrater-Reliabilität wurde aufgrund der Ordinalskalierung der Ratingvariable über das gewichtete Cohen’s Kappa (κ) berechnet. Geschlechtsunterschiede wurden mittels χ2-Tests exploriert. Im Falle signifikanter Unterschiede zwischen erwarteter und tatsächlicher Zellenverteilung (p < 0,05), wurden spaltenweise Vergleiche durchgeführt. Um Unterschiede hinsichtlich der Selbst- und Experteneinschätzung der Suizidalität zu evaluieren, wurden Mann-Whitney-U-Tests berechnet.
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Zur Testung der Vorhersage einer stationären Aufnahme wurde eine logistische Regression durchgeführt. Die Vorhersage der dichotomen abhängigen Variable (Aufnahme; 0=nein, 1=ja) erfolgte anhand potenziell einflussreicher Prädiktoren, die als metrisch oder dichotom in das Modell aufgenommen wurden. Eine zu hohe Multikollinearität zwischen den Prädiktoren des Suizidalitätsitems aus Selbst- und Experteneinschätzung konnte ausgeschlossen werden (Toleranz = 0,393; Varianzinflationsfaktor = 2,545).
Die Aufnahme der Prädiktoren erfolgte in drei separaten Blöcken nach der Einschlussmethode. Block 1 (Alter und Geschlecht), Block 2 (Einsatzkräfte involviert, Suizidversuch anamnestisch, Suizidversuch vor der Vorstellung) und Block 3 (Suizidalitätseinschätzung Selbstauskunft, Suizidalitätseinschätzung Expert:in) wurden aufeinanderfolgend dem Modell hinzugefügt. Über den Likelihood-Ratio (LR) Omnibustest wurde jeweils überprüft, ob die Hinzunahme des letzten Blockes zu einem signifikanten Zuwachs erklärter Varianz beitrug.
Ergebnisse
Stichprobenbeschreibung
Es wurden N = 714 Vorstellungen an der KJPP Hinterbrühl erfasst und ausgewertet. Tendenziell wurden weniger männliche (36,7 %) Patienten und deutlich mehr Jugendliche (80,2 %; ab 13 Jahren) vorgestellt. Das Durchschnittsalter betrug M = 14,54 (SD = 2,67) Jahre [3; 21,05]. 59,9 % wurde mit Eltern, 15,7 % mit Betreuer:innen einer Wohngemeinschaft, 15,8 % alleine, 8 % mit sonstigen Personen vorstellig. Die Anzahl an Vorstellungen pro Patient:in im Erhebungszeitraum lag zwischen 1 und 16 Vorstellungen (Md = 1,0 (M = 1,83, SD = 1,84)). Die Mehrheit (65,4 %) wurde einmalig vorstellig, 18,5 % zweimal, 6,7 % dreimal, 9,4 % viermal oder häufiger. In 38,0 % erfolgte eine stationäre Aufnahme. Eine Auflistung der vergebenen Verdachtsdiagnosen befindet sich in Tab. 1.
Tab. 1
Verteilung der bei der Vorstellung vergebenen Verdachtsdiagnosen gemäß ICD-10
Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
2,0
14
F20–F29
Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen
3,5
25
F30–F39
Affektive Störungen
22,1
158
F40–F48
Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen
21,8
156
F50–F59
Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren
3,5
25
F60–F69
Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
8,4
60
F70–F79
Intelligenzstörung
0,0
0
F80–F89
Entwicklungsstörungen
4,2
30
F90–F98
Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend
15,5
111
Fehlend
18,3
131
Vorstellungsmodalität, Gefährdung und Suizidalität
Vorstellungsmodalität
Mehr als die Hälfte aller Vorstellungen (n = 424, 60,4 %) erfolgte im Akutmodus (Abb. 1a). Die zweithäufigste Vorstellungsmodalität waren Planvorstellungen (n = 226, 31,7 %), letzthäufig fanden Vorstellungen als Subakuttermine statt (n = 52, 7,2 %). Von den 424 Akutvorstellungen erfolgten 66,0 % aufgrund von Selbstgefährdung, 15,8 % aufgrund von Fremdgefährdung, 6,1 % von Selbst- und Fremdgefährdung und 10,1 % aufgrund von sonstigen Gründen. 82,6 % der akut vorgestellten Patient:innen wurden als akut gefährdet eingeschätzt. 27,7 % der Vorstellungen erfolgte mit Einsatzkräften.
×
Gefährdungseinschätzung & Suizidalität
In zwei Drittel aller Vorstellungen (66,8 %) lag nach Experteneinschätzung Selbst- und/oder Fremdgefährdung vor (Abb. 1b). Dabei wurden 46,5 % der Patient:innen als akut gefährdet, 26,9 % als chronisch gefährdet und 10,0 % als entwicklungsgefährdet eingeschätzt. Bei rund einem Drittel (28,7 %) waren Suizidversuche anamnestisch explorierbar, in 7,6 % erfolgte ein Suizidversuch direkt vor der Vorstellung. Nur 32,5 % wiesen zum Vorstellungszeitpunkt keine Suizidgedanken auf (Abb. 1c).
Die Experteneinschätzung des Suizidalitätsitems korrelierte stark mit den Angaben der Patient:innen (rs = 0,823, p < 0,001). Im direkten fallweisen Vergleich ergab sich in der Interrater-Übereinstimmung ein guter Effekt der Übereinstimmung mit gewichtetem Cohen’s κ = 0,735 (z = 22,392, p < 0,001) (Tab. 2).
Tab. 2
Häufigkeitsangaben zu vorliegender Gefährdungsart und -akuität, Einsatzkräfteinvolvement sowie Ausmaß an Suizidgedanken, -plänen und -handlungswünschen
Variable
%
n
Gefährdungsart
Selbstgefährdung
50,6
365
Fremdgefährdung
11,9
85
Selbst- und Fremdgefährdung
4,3
31
Sonstiges
29,0
207
Gefährdungsakuitäta
Akut
46,5
332
Chronisch
26,9
192
Entwicklungsgefährdung
10,0
78
Keine
5,0
36
Fehlend
10,6
76
Suizidversuche
Anamnestisch
28,7
205
Vor der Vorstellung
7,6
54
Suizidalität bei Vorstellungb
Keine
32,5
232
Suizidgedanken
41,7
298
Suizidwunsch, Distanzierung
13,7
98
Suizidwunsch, keine Distanzierung
8,1
58
Vorstellung
Mit Polizei/Rettung
27,7
198
aLaut Experteneinschätzung zum Vorstellungszeitpunkt
bLaut Selbst- und Experteneinschätzung. Im Falle einer Diskrepanz zwischen den Einschätzungen wurde das höhere Gefährdungspotenzial als gegeben eingeschätzt
Monatliche Vorstellungen, Aufnahmen und Diagnoseverteilung über die Aufnahmen
Über den Erhebungszeitraum erfolgten durchschnittlich 104 monatliche Vorstellungen [71; 112], 3–4 Vorstellungen pro Tag. Der Anteil an Akutvorstellungen lag insgesamt bei 60,4 % (monatlich zwischen 53,5 und 73,6 %), mit einem entsprechend hohen Anteil an Suizidgedanken, -ideen oder -plänen bei den Patient:innen (51,5–68,9 %). Die Aufnahmerate über alle Vorstellungen hinweg lag bei 38,0 % (29,6–48,4 %), die Aufnahmerate für Akutvorstellungen bei 50,5 %. 74,7 % aller aufgenommenen Patient:innen wurden auf der Akutstation aufgenommen (siehe Abb. 2).
×
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Bezogen auf die Aufnahmeraten pro Verdachtsdiagnose zeigte sich, dass einige Diagnosekategorien überzufällig häufig vorlagen (χ2 (8) = 37,26, p < 0,001). Die häufigste Verdachtsdiagnose bei Aufnahme war aus dem Bereich F3 (31,3 %), gefolgt von F9 (17,8 %) und F4 (16,8 %). Weniger häufig lagen F6 (11,7 %), F2 (8,9 %), F5 (6,5 %), F8 (3,7 %) sowie F1 (2,8 %) vor.
Geschlechts- und Alterseffekte
Weibliche Patientinnen wiesen häufiger Diagnosen aus den Kategorien F3, F5 und F6 auf, männliche aus den Kategorien F8 und F9. Weibliche Patientinnen wurden signifikant häufiger als selbstgefährdend eingeschätzt und wiesen anamnestisch häufiger Suizidversuche auf. Männliche Patienten wurden signifikant häufiger mit Einsatzkräften vorgestellt und als fremdgefährdend eingestuft. Hinsichtlich der Suizidalität nach Selbst- und Experteneinschätzung wiesen sowohl in der Selbsteinschätzung (z = −6,31, p < 0,001) als auch der Experteneinschätzung (z = −8,53, p < 0,001) weibliche Patientinnen signifikant höhere Raten an Suizidgedanken, -ideen und -plänen auf. Bezüglich der Vorstellungsmodalität, Suizidversuchen vor der Vorstellung und Aufnahmeraten konnten keine Geschlechtsunterschiede festgestellt werden (Tab. 3).
Tab. 3
Geschlechterunterschiede über inkludierte Variablen
Variablen
Männlich
(n = 262)a
(in %)
Weiblich
(n = 450)a
(in %)
Teststatistik und Gruppenvergleiche
Verdachtsdiagnosen
χ2 (8) = 140,94, p < 0,001
F00–F09
1,0
0,5
n. z.
F10–F19
1,9
2,7
n. z.
F20–F29
4,8
4,0
n. z.
F30–F39
11,6
35,6
1 < 2
F40–F48
26,6
26,7
n. z.
F50–F59
0,0
6,7
1 < 2
F60–F69
4,3
13,6
1 < 2
F70–F79
0,0
0,0
n. z.
F80–F89
9,7
2,7
1 > 2
F90–F98
40,1
7,5
1 > 2
Vorstellungsmodalität
χ2 (3) = 4,28, p = 0,238
Akut
56,9
62,7
n. z.
Subakut
7,1
7,2
n. z.
Planvorstellung
35,7
30,1
n. z.
Vorstellung mit Einsatzkräften
χ2 (1) = 5,13, p < 0,05
Ja
34,1
26,0
1 > 2
Gefährdungsart
χ2 (4) = 101,14, p < 0,001
Selbstgefährdung
31,9
64,4
1 < 2
Fremdgefährdung
26,0
4,4
1 > 2
Selbst- und Fremdgefährdung
5,5
3,9
n. z.
Sonstiges
36,6
26,4
1 > 2
Suizidversuch anamnestisch
χ2 (1) = 55,58, p < 0,001
Ja
12,8
39,7
1 < 2
Suizidversuch vor Vorstellung
χ2 (1) = 0,01, p = 0,907
Ja
7,8
8,1
n. z.
Aufnahme
χ2 (1) = 3,35, p = 0,067
Ja
33,6
40,5
n. z.
n.z. nicht zutreffend, da kein signifikanter Unterschied zwischen Zellen besteht
aAufgrund fehlender Werte ergeben sich geringfügige Abweichungen bei der Stichprobengröße abhängig von den inkludierten Analysevariablen
Weiters wurden signifikant mehr Akutvorstellungen mit Jugendlichen im Vergleich zu Kindern (86,2 % vs. 13,8 %) durchgeführt (χ2 (3) = 26,82, p < 0,001) und die überwiegende Mehrheit aufgenommener Patient:innen waren Jugendliche (88,5 %) (χ2 (1) = 18,45, p < 0,001). Jugendliche wiesen signifikant häufiger Suizidgedanken, -ideen und -pläne, sowohl in der Selbsteinschätzung (71,4 % vs. 37,7 %) (z = −5,41, p < 0,001) als auch der Experteneinschätzung (73,7 % vs. 31,1 %) (z = −8,54, p < 0,001), auf.
Vorhersage einer stationären Aufnahme
Das logistische Regressionsmodell zur Vorhersage einer stationären Aufnahme mit Block 1 konnte eine Aufnahme nicht vorhersagen (p = 0,224). Unter Hinzunahme von Block 2 konnte ein signifikanter Zuwachs erklärter Varianz (LR-Test χ2 = 32,4, df = 3, p < 0,001) mit Nagelkerkes R2= 0,120 festgestellt werden. Im finalen Modell unter Hinzunahme von Block 3 ergab sich ein erneut signifikanter Zuwachs erklärter Varianz (LR-Test χ2 = 64,7, df = 2, p < 0,001) mit Nagelkerkes R2= 0,314. Unter Berücksichtigung aller Prädiktoren erhöhte sich die Aufnahmechance signifikant durch die Vorstellung mit Einsatzkräften (OR = 2,41, p < 0,05) und die Suizidalitätseinschätzung durch die Expert:in (OR = 3,90, p < 0,05) (Tab. 4).
Tab. 4
Ergebnisse der logistischen Regression zur Vorhersage der Aufnahmechance basierend auf den inkludierten Prädiktoren in 3 Blöcken
Prädiktor
B
SE B
Wald χ2
df
p
OR
95 % KI OR
Geschlecht
−0,48
0,29
2,76
1
0,096
0,62
0,36
1,09
Alter
0,03
0,06
0,16
1
0,691
1,03
0,91
1,16
Einsatzkräfte
0,88
0,28
10,16
1
< 0,05
2,41
1,40
4,13
SV anamnestisch
−0,06
0,29
0,04
1
0,842
0,94
0,54
1,66
SV vor Vorstellung
0,45
0,46
0,94
1
0,333
1,56
0,63
3,84
Suizidalität Selbst
0,19
0,21
0,85
1
0,356
1,21
0,81
1,82
Suizidalität Expert:in
1,36
0,28
23,74
1
< 0,05
3,90
2,26
6,75
Geschlecht (0=männlich, 1=weiblich), Einsatzkräfte (0=ohne Einsatzkräfte, 1=mit Einsatzkräften), SV = Suizidversuch, SV anamnestisch (0=Nein, 1=Ja), SV vor Vorstellung (0=Nein, 1=Ja), B = Beta Koeffizient, SE B = Standardfehler des Beta Koeffizienten, df = Freiheitsgrade, OR = Odd’s Ratio, 95 % KI = 95 %-iges Konfidenzintervall
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Diskussion
Die vorliegende Studie wurde im Rahmen des Regelbetriebs an der KJPP Hinterbrühl zwischen Oktober 2022 und April 2023 durchgeführt. Ziele der Untersuchung waren (1) den gegenwärtigen Versorgungsbedarf und die Akuität der Auftragslage an der Abteilung abzubilden, (2) eine Charakterisierung vorgestellter Patient:innen zu ermöglichen und (3) praktische Implikationen daraus abzuleiten. Folgend werden die zentralen Ergebnisse an diesen Zielsetzungen orientiert diskutiert.
Versorgungsbedarf und Akuität der Auftragslage
Im Erhebungszeitraum wurden 714 Vorstellungen mit durchschnittlich 104 Vorstellungen pro Monat verzeichnet. Die Mehrheit erfolgte akut mit einem hohen Anteil an Selbst- und/oder Fremdgefährdung. Bei über einem Drittel der Vorstellungen kam es zu einer stationären Aufnahme, im Falle akuter Vorstellungen bei über der Hälfte.
Aufgrund fehlender Vergleichsdaten können keine Rückschlüsse auf einen zeitlichen Verlauf zum Vorjahr an der Abteilung gezogen werden. Jedoch ist das Ausmaß des bestehenden Versorgungsbedarfs und die Akuität der Auftragslage alarmierend. Über die Monate des Erhebungszeitraums hinweg blieben die Vorstellungszahlen, die proportionalen Anteile an Akutvorstellungen sowie Aufnahmeraten stabil hoch. In Zusammenschau mit Ergebnissen aus anderen Studien (Sevecke et al. 2023; Yard et al. 2021) kann insgesamt auf eine merkliche Verschiebung des KJP Versorgungsauftrags und -bedarfs in den akutpsychiatrischen Bereich geschlossen werden. Diese Entwicklung geht mit einer hohen Auslastung der Institution und Belastung des Personals einher, da Akutvorstellungen neben dem aufrechten Regelbetrieb stattfinden.
Es kann angenommen werden, dass in Zukunft mit zunehmend kürzeren Aufnahmezeiten zu rechnen ist, um dem erhöhten Patient:innenaufkommen personell und räumlich begegnen zu können (Frisch 2023). Es kam an der KJPP Hinterbrühl im Erhebungszeitraum aufgrund des konstant hohen akutpsychiatrischen Versorgungsbedarfs zu einer Erhöhung von sechs auf elf Akutbetten (zu Lasten von sechs stationären Betten) von welchen im Schnitt sechs Betten längerfristig mit intensivpflichtigen Patient:innen belegt sind. Zusätzlich bleibt anzunehmen, dass sich der Trend steigender Patient:innenzahlen der Vor-Corona-Jahre fortsetzen wird (Fliedl et al. 2020; Frisch 2023). Dadurch kann der Versorgungsdruck, abseits der Akutversorgung, bei derzeitig fehlendem Angebot im niedergelassenen Bereich (nur drei von sieben KJP-Kassenstellen sind derzeit besetzt) zusätzlich steigen. Hinsichtlich des Ist-Standes der österreichischen kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgungslage sei an Fliedl et al. (2020) verwiesen.
Der zentrale Vorstellungsgrund an der KJPP Hinterbrühl war Suizidalität. Diese spielte bei 63,5 % aller Vorstellungen eine Rolle. Dies deckt sich mit Ergebnissen anderer Studien aus KJPs (Eichinger et al. 2021; Sevecke et al. 2023) sowie den insgesamt erhöhten Raten an Suizidalität und suizidaler Ideation unter Kindern und Jugendlichen (Hill et al. 2021; Wenter et al. 2022). Die überwiegende Mehrheit akut vorgestellter Patient:innen in der Abteilung (80,4 %) wurde als akut gefährdet eingeschätzt. 38,0 % der Patient:innen wurden stationär und für mindestens eine Nacht aufgenommen. Der Anteil aufgenommener Patient:innen aus Akutvorstellungen betrug 50,5 %. Damit übereinstimmend berichten Eichinger et al. (2021) bei 51 % akut vorgestellter Kinder und Jugendlicher von einer Aufnahme.
Charakterisierung der Patient:innen
Korrespondierend mit vorangegangenen Studien zeigte sich insgesamt ein hohes Ausmaß an Belastungen unter vorgestellten Kindern und Jugendlichen (Barbieri et al. 2022). Die am häufigsten gestellten Verdachtsdiagnosen waren aus dem Bereich affektiver Störungen (22,1 %), neurotischen- und Belastungsstörungen (21,8 %) und Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend (15,5 %). Eichinger et al. (2021) berichteten bei 21 % von internalisierenden und 25 % von externalisierenden Symptomen als Vorstellungsgrund, mit einem deutlich höheren Anteil neurotischer und Belastungsstörungen (58,0 %) bei Aufnahme. Dies scheint sich mit dem psychischen Belastungsausmaß der Allgemeinbevölkerung der Kinder und Jugendlichen zu decken, wonach erhöhte Raten von Depressionen und Angsterkrankungen (Nearchou et al. 2020) sowie internalisierende Probleme und PTBS Symptome (Wenter et al. 2022) festgestellt wurden.
An der Abteilung wurden deutlich mehr jugendliche Patient:innen (80,2 %) vorstellig. Dies deckt sich mit Vorstellungen an anderen KJPs (Eichinger et al., 2021; Sevecke et al., 2023) und weiteren Studien (Frisch 2023; Schmidt et al. 2021). Dies scheint die Adoleszenz als besonders vulnerables Zeitfenster für die psychische Krankheitsentwicklung anzudeuten (Jaworska und MacQueen 2015), was unter anderem entwicklungspsychologisch und durch die neuronale Entwicklung des Gehirns erklärt werden könnte (Kertz und Woodruff-Borden 2011).
Insgesamt wurden mehr weibliche (63,0 %) Patient:innen vorstellig. Sie wurden vorrangig mit affektiven Symptomen (F3), Essstörungen (F5) und Persönlichkeits-Störungen (F6) aufgenommen und signifikant häufiger als selbstgefährdend eingeschätzt (Selbst- und Fremdeinschätzung). Diese Ergebnisse korrespondieren mit vorangegangen Studien, in denen Mädchen häufiger affektive Störungen aufwiesen (Dalsgaard et al. 2020; Eichinger et al. 2021) und der Anteil weiblicher Patient:innen insgesamt erhöht war (Ravens-Sieberer et al. 2022; Sevecke et al. 2023). Generell scheinen Mädchen deutlich häufiger von psychischen Problemen betroffen zu sein (Van Droogenbroeck et al. 2018). Sie erkranken häufiger an internalisierenden Störungen, Essstörungen und Schizophrenie (Dalsgaard et al. 2020; Frisch 2023). Männliche Patienten zeigten in der vorliegenden, aber auch vorangegangenen Studien, verstärkte externalisierende Symptomatiken und wurden häufiger als fremdgefährdend eingestuft (Eichinger et al. 2021; Sevecke et al. 2023).
Nach Berücksichtigung aller potenziellen Einflussvariablen zeigte sich, dass die Vorstellung mit Einsatzkräften (erhöhte Akuität) und die Suizidalitätseinschätzung durch die Expert:in die Chance einer Aufnahme signifikant erhöhten. In Bezug auf bisher diskutierte soziodemographische Faktoren scheint zentral, dass diese vermeintlich einflussreichen Faktoren nach Inklusion der Experteneinschätzung die Aufnahmechance nicht signifikant erhöhten. Dahingehend ist die hohe Interrater-Übereinstimmung zwischen Selbst- und Experteneinschätzung des Suizidalitätsitems zu beachten, was für eine hohe konvergente Validität der Einschätzung spricht.
Schlussfolgerungen und praktische Implikationen
Zusammengefasst lassen sich mehrere Schlussfolgerungen ziehen und praktische Implikationen ableiten:
1.
Insgesamt lässt sich ein konstant hoher KJP Versorgungsbedarf mit einem hohen Ausmaß an und Notwendigkeit von akutpsychiatrischer Versorgung feststellen. Es ist dringend notwendig, KJP Abteilungen durch entsprechende Mittel und Personalversorgung zu befähigen, dieser anhaltenden Aus- und Belastung auch mittel- und langfristig standhalten zu können (Hähnle et al. 2022).
2.
Das Ausmaß an Vorstellungen, proportionalen Akutvorstellungen und stationären Aufnahmeraten blieb über den gesamten Erhebungszeitraum hoch und stabil. Um einer zunehmend kürzeren Aufenthaltsdauer als Reaktion auf mangelnde personelle und räumliche Ressourcen bei hohen Anfragezahlen entgegenzuwirken, ist ein geplanter und fundierter Auf- und Ausbau der akutpsychiatrischen Versorgungsmöglichkeiten nötig.
3.
Suizidalität (Suizidgedanken, -ideen und -pläne) war der häufigste Vorstellungsgrund, mit einem hohen Ausmaß an Selbst- und/oder Fremdgefährdung. Die entsprechende Schulung des Personals sowie Bereitstellung der notwendigen personellen Besetzung und geeigneten Räumlichkeiten im Umgang damit (bspw. Unterbringungsmöglichkeit im Bedarfsfall) ist unabdingbar.
4.
Zur Einschätzung der Suizidalität eignete sich das bereits validierte Item Nr. 9 des BDI-II. Die hohe Übereinstimmung der Selbsteinschätzung mit der erprobten Experteneinschätzung lässt dahingehend auf eine hohe konvergente Validität schließen und die Verwendung dieses Items aus beiden Perspektiven empfehlen.
5.
Insbesondere bei weiblichen Patientinnen wurde ein hohes Ausmaß psychischer Belastung, internalisierender Symptomatik und Selbstgefährdung festgestellt. Es sollte eine Sensibilisierung für die Exploration internalisierender und selbstgefährdender Symptomatik bestehen, die leichter zu übersehen ist.
6.
Der überproportionale Anteil Jugendlicher scheint einen deutlichen Anstieg der psychiatrischen Symptomatik und des Gefährdungsausmaßes in dieser Entwicklungsperiode aufzuzeigen. Der Ausbau von Jugendstationen und ambulanten Behandlungsmöglichkeiten für diese Altersgruppe, sowie die Etablierung eines strukturierten Transitionsprozesses in die Erwachsenenversorgung erscheint zentral.
Limitationen
Trotz der Stärken der vorliegenden Studie (große klinische Stichprobe, standardisierte Einschätzung durch eine im Feld tätige Expert:in, Daten einer tendenziell schwer zu erreichenden Population psychiatrisch erkrankter Kinder und Jugendlicher), weist diese einige Limitationen auf. Es stehen trotz des langen Erhebungszeitraums keine Vergleichsdaten aus den Vorjahren der KJPP Hinterbrühl zur Verfügung, womit keine direkten Schlüsse über den Verlauf des Versorgungsbedarfs im Jahresschnitt gezogen werden können. Es wurden bis auf das Suizidalitätsitem keine validierten Fragebögen verwendet und der Nachweis der externen Validität der Experteneinschätzung steht aus. Des Weiteren wurden keine detaillierten Informationen zur Wohnsituation, Traumageschichte oder diagnostizierter Störungssymptomatik erhoben, womit eine holistischere Charakterisierung der Patient:innen nicht möglich war. Letztlich erlaubten die vorliegenden Daten keine statistisch komplexeren Modellierungen, die den untersuchten Sachverhalt möglicherweise noch besser hätten abbilden könnten.
Danksagung
Die Autor:innen bedanken sich bei Sophie Cecile für ihre tatkräftige Unterstützung.
Interessenkonflikt
A. Haselgruber, D. Weindl, S. Sandra, M. Rusinek, A. Maletzky, V. Singer, K. Zajec und J. Noske geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Psychisch belastete Jugend? Vorstellungszahlen und Gefährdungsausmaß von Patient:innen an der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Hinterbrühl
verfasst von
Alexander Haselgruber Dina Weindl Schröter Sandra Monika Rusinek Anna Maletzky Verena Singer Karin Zajec Judith Noske