Zahlreiche COPD-Patienten leiden nicht nur unter Atembeschwerden, sondern auch unter psychischen Begleiterscheinungen wie Angst und Depression – oft unbemerkt und unbehandelt. Die pneumologische Rehabilitation als multimodale Intervention im Management der COPD kann dazu beitragen, sowohl die physische als auch psychische Gesundheit zu verbessern.
Chronische Atemwegs- und Lungenerkrankungen zeichnen sich durch eine hohe Symptomlast wie Atemnot, Husten, Auswurf und reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit aus, die bereits in frühen Krankheitsstadien auftreten kann. Bei Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) wird zunehmend erkannt, dass das Vorhandensein anderer chronischer Komorbiditäten einen wesentlichen Beitrag zur Krankheitsschwere leistet. Die Bedeutung psychischer Komorbiditäten – im Vergleich zu Veränderungen des kardiovaskulären Systems, der Muskulatur oder des Knochenskeletts – wird im klinischen Alltag oft noch unterschätzt, obwohl die Prävalenz depressiver und ängstlicher Symptome bei dieser Patientengruppe eindeutig erhöht ist.
Studien zu COPD-Patienten zeigen, dass bis zu 80 Prozent zumindest subklinische Ausprägungen von Angst und Depression aufweisen. Es gibt Hinweise dafür, dass psychische Komorbiditäten bei COPD-Patienten die Mortalitäts-, Hospitalisations-, Exazerbations- und Rehospitalisationsrate erhöhen können. Psychische Komorbiditäten können sich zudem negativ auf das Krankheitsmanagement und die Behandlungstreue auswirken und sind häufig mit reduzierter körperlicher Leistungsfähigkeit und Lebensqualität verbunden. Auch bei Erwachsenen mit chronischem Husten wurden eine unverhältnismäßig hohe Belastung durch depressive Symptome und ein erhöhtes Risiko für wiederkehrende Depressionen festgestellt.
Symptomlast pneumologischer Patienten und deren Effekte
Typische Symptome chronischer Atemwegs- und Lungenerkrankungen wie Husten, Auswurf und Atemnot können zu erheblichen emotionalen Belastungen führen und den Alltag negativ beeinflussen. Miravitlles et al. haben gezeigt, dass die Mehrheit der COPD-Patienten trotz medikamentöser Behandlung typische Symptome der Erkrankung in mindestens einem Tagesabschnitt (frühmorgens, tagsüber oder nachts) erlebt. Patienten, die in allen Tagesabschnitten mindestens ein COPD-Symptom aufwiesen, zeigten im Vergleich zu jenen ohne Symptome signifikant höhere Angst- und Depressionssymptome.
In diesem Zusammenhang erscheinen krankheitsbezogene Ängste besonders relevant. Hierbei handelt es sich um Ängste, die direkt mit der zugrunde liegenden Erkrankung und ihren Folgen verbunden sind. Dazu gehört beispielsweise die Angst vor Atemnot, welche die Betroffenen vor körperlicher Aktivität zurückschrecken lässt, oder die Sorge vor dem Fortschreiten der Krankheit. Diese spezifischen Ängste können das tägliche Leben und das Management der Erkrankung erheblich beeinflussen. Insbesondere wird Atemnot, eine Schlüsselmanifestation von COPD, oft als bedrohliches Hauptsymptom empfunden.
Dyspnoe wird von der American Thoracic Society (ATS) als „ein subjektives Erleben von Atembeschwerden, das aus qualitativ unterschiedlichen Empfindungen besteht, die in ihrer Intensität variieren“, definiert. Atemnot ist somit ein belastendes und einschränkendes Symptom für Patienten mit COPD. Sie kann ein starker Auslöser für Angst sowie Panik sein und eine Wechselwirkung zwischen körperlichen Limitationen und emotionalem Unbehagen fördern. Zudem können aktivitätsbezogene Atemnot und eingeschränkte körperliche Belastbarkeit als wichtige Merkmale der COPD im Sinne einer „Dyspnoespirale“ zu verminderter körperlicher Aktivität führen. Dies kann wiederum erhebliche negative Auswirkungen auf die Lebensqualität einschließlich der Partizipation der Patienten haben.
Durch COPD bedingte Atemnot wird nicht nur als zentrales physisches Symptom erlebt, sondern steht auch in enger Verbindung mit psychischen Begleitsymptomen wie Depressionen und Angstzuständen. Diese psychischen Symptome können durch die direkten Auswirkungen der Krankheit auf die alltägliche Funktionsfähigkeit und soziale Teilhabe verstärkt werden. Insbesondere die Einschränkung bei der Ausführung alltäglicher Aktivitäten und die Schwierigkeit, erwartete soziale Rollen zu erfüllen, können zu einem erhöhten Angstempfinden führen.
Eisener et al. haben in ihrer Studie herausgefunden, dass Atemnot besonders stark mit einem erhöhten Risiko für Angstzustände korreliert. Diese Angstzustände wirkten sich negativ auf verschiedene Aspekte der Patientengesundheit aus, darunter den allgemeinen körperlichen Gesundheitszustand, die krankheitsspezifische gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQL), die submaximale körperliche Leistungsfähigkeit sowie funktionelle Einschränkungen. Weiterhin erhöhte Angst das Risiko für schwere COPD-Exazerbationen, die eine stationäre Behandlung erforderten.
Nach einer COPD-Diagnose haben Patienten zudem ein erhöhtes Risiko, Depressionen zu entwickeln. Dieses Risiko scheint insbesondere bei Betroffenen mit schwererer Atemnot größer zu sein.
Psychische und physische Konsequenzen von Atemnot
Für viele Patienten mit COPD ist die Vorahnung von Atemnot mit erhöhten physiologischen Angstreaktionen verbunden, die angstbezogene Bereiche des Gehirns aktivieren. Die Beteiligung von emotionsbezogenen Bereichen wie der Inselrinde, dem vorderen cingulären Cortex und der Amygdala während der Vorahnung von Atemnot spiegelt höchstwahrscheinlich die erwartete Angst bei den Patienten wider, was ebenfalls zu Vermeidung von körperlichen Aktivitäten führen kann und die Atemnot weiter verstärkt.
Wenn Patienten ein angstvermeidendes Verhalten entwickeln, spricht man von „fear avoidance“. Aus Befürchtung, ihren Körper zu schädigen, kann es bei Betroffenen zu Vermeidung von Belastungssituationen kommen, sodass z. B. Treppensteigen vermieden wird.
Diese Vermeidungshaltung kann bereits vor der Diagnose von COPD beginnen und einen Teufelskreis aus sich verschlechternden Symptomen, körperlicher Dekonditionierung und fortschreitender Krankheit nach sich ziehen, was wiederum die körperliche Aktivität weiter einschränkt. Um diesem Abwärtstrend der „Dyspnoespirale“ entgegenzuwirken, ist es entscheidend, Patienten von Beginn an über die Vorteile körperlicher Aktivität aufzuklären. Zudem sollte frühzeitig eine an die individuellen Bedürfnisse angepasste medizinische Trainingstherapie eingeleitet werden, um der Inaktivität entgegenzuwirken und die Krankheitsprogression zu verlangsamen.
Darüber hinaus kann bei Patienten mit Angstzuständen eine erhöhte Atemfrequenz zu einer vermehrten Überblähung der Lunge führen, was die Atemnot weiter verstärkt. Ein ganzheitlicher Therapieansatz ist daher essenziell, um diesen Zyklus zu durchbrechen. Dies sollte die Implementierung atemphysiotherapeutischer Techniken einschließen (das Erlernen spezieller Atemtechniken und Strategien zur Ökonomisierung von Bewegungsabläufen) sowie die Integration trainingstherapeutischer Elemente in die Behandlung von chronischen Atemwegs- und Lungenpatienten. Ein solcher Ansatz zielt darauf ab, die Symptome zu lindern, die physische Belastbarkeit zu verbessern und die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig zu steigern.
In diesem Zusammenhang nimmt die multimodale und umfassende pneumologische Rehabilitation (PR) einen sehr wichtigen Stellenwert im nicht-medikamentösen Krankheitsmanagement von chronisch Lungenerkrankten ein.
Die PR hat sich als die effektivste therapeutische Strategie zur Verbesserung von Atemnot, des Gesundheitszustands und der körperlichen Belastbarkeit erwiesen, sodass die Vorteile für COPD-Patienten erheblich sind.
Im Report der Global Initiative for COPD (GOLD-Report) werden kognitive Verhaltenstherapie (KVT) und damit verbundene Methoden (z. B. Entspannungsverfahren) als empfohlene nicht-medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten für Angst, Panik und Depression bei COPD hervorgehoben. Zusätzlich findet auch hier die PR Erwähnung, was ihre Bedeutung im umfassenden Behandlungskonzept von COPD – auch im Hinblick auf psychische Komorbiditäten – unterstreicht.
Pneumologische Rehabilitation – Definition
Die PR ist eine umfassende Intervention, die auf detaillierten Patienten-Assessments basiert und individuell angepasste Therapien umfasst. Sie beinhaltet eine Vielzahl von Maßnahmen, darunter körperliches Training, Schulungen und Atemphysiotherapie, mit dem Ziel, den physischen und psychischen Zustand von Personen mit chronischen Lungen- und Atemwegserkrankungen zu verbessern. Darunter fallen eine Minimierung der Symptombelastung, die Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die Förderung der Selbstständigkeit, die Verbesserung der Partizipation täglicher Aktivitäten (inklusive des Berufes) und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität sowie eine langfristige gesundheitsfördernde Verhaltensänderung.
Das multimodale PR-Programm wird von einem interdisziplinären Team aus Ärzten und weiteren Fachkräften des Gesundheitswesens durchgeführt. Hierzu zählen Atem-/Physiotherapeuten, Sportwissenschaftler, Atmungstherapeutinnen, Pflegepersonal, Ernährungsberaterinnen, Ergotherapeuten, Sozialarbeiter und Psychologinnen. Gemeinsam stimmt das Team die umfassenden Interventionen der PR auf die individuellen Bedürfnisse der Rehabilitanden ab. Die personalisierten Therapiepläne basieren auf den Assessments zu Beginn und während der PR. Zudem müssen dabei die Schwere der vorliegenden Grunderkrankung sowie eventuell vorhandene Komorbiditäten berücksichtigt werden.
Pneumologische Rehabilitation bei Angst und Depression
Für Patienten mit COPD wird die PR von nationalen und internationalen Leitlinien empfohlen. Über die spezifischen Effekte von PR auf Angst und Depression ist hingegen weniger bekannt. Bisher vorhandene Evidenz deutet jedoch darauf hin, dass eine PR möglicherweise positive Auswirkungen auf Symptome von Angst und Depression in dieser Patientengruppe haben könnte.
Der Mechanismus zur Erklärung dieses Phänomens ist aktuell noch wenig verstanden. Es wird vermutet, dass durch die PR-erzielten Verbesserungen – z. B. hinsichtlich Atemnot, körperlicher Leistungsfähigkeit und des allgemeinen Gesundheitszustands – die Ausführung täglicher Aktivitäten und sozialer Interaktionen gefördert wird und dies zu einer verbesserten psychologischen Funktion führt.
Eine zuletzt erschienene Übersichtsarbeit bewertete die Wirksamkeit einer PR bei der Linderung von Angst- und Depressionssymptomen bei Patienten mit COPD. In die Analysen konnte das Autorenteam elf Studien mit insgesamt 734 Teilnehmern einbeziehen. Im Vergleich zu „usual care“ ergaben sich für die Angstsymptome eine signifikante, moderate Verbesserung und für Depressionssymptome eine signifikante, große Verbesserung durch die PR. Die Autoren weisen darauf hin, dass Angst- und Depressionssymptome komplex und schwierig zu erheben sind. Ferner ist darauf zu verweisen, dass in den verwendeten Studien der Übersichtsarbeit der Fokus auf den Symptomen liegt anstatt auf dem Vorhandensein oder Fehlen von psychologischen Störungen selbst. Dabei könnte v. a. auch das Erlernen von energiesparenden Maßnahmen und spezieller Atemtechniken während körperlicher Aktivität, einen wichtigen Beitrag i. R. der PR leisten. Prieur et al. konnten zeigen, dass der Einsatz einer energiesparenden Technik während körperlicher Aktivität einen sofortigen positiven Effekt auf die Dyspnoe haben kann. Weitere Studienergebnisse finden Sie im Originalbeitrag.
Fazit für die Praxis
- Ein besseres Verständnis der Wechselwirkungen zwischen biopsychosozialen Faktoren und der Wahrnehmung von Atemnot hat das Potenzial, die Entwicklung von symptomorientierten personalisierten Therapiemaßnahmen zu verbessern.
- Die pneumologische Rehabilitation (PR) kann einen wichtigen Beitrag hierzu leisten und damit indirekt Ängste und depressive Symptome verbessern.
T. Schneeberger, die korrespondierende Autorin, ist an der Pneumologische Rehabilitation – Standort Schönau, Philipps-Universität Marburg, in Deutschland tätig.
Der ungekürzte Originalbeitrag „Lunge? Psyche? Reha! Gemeinsam stark gegen
chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)“ ist erschienen in Z Pneumologie 21, 230–237 (2024). https://doi.org/10.1007/s10405-024-00560-1; © Springer Verlag