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Erschienen in: Urologie in der Praxis 3/2021

02.06.2021 | Originalien

Überaktive Blase (OAB) beim Mann

Was ist zu tun?

verfasst von: PD Dr. med. Livio Mordasini, Hans-Peter Schmid, Hansjörg Danuser, Daniel Seiler, Marko Kozomara, Guido Tenti, Hubert John

Erschienen in: Urologie in der Praxis | Ausgabe 3/2021

Zusammenfassung

Diese Übersichtsarbeit zeigt den derzeitigen Stand der diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten in der Behandlung der überaktiven Blase (OAB) beim Mann. Grundsätzlich muss die idiopathische OAB (OAB im engeren Sinn) abgegrenzt werden zur OAB, welcher eine auslösende Ursache zugrundeliegt (OAB im erweiterten Sinn). Insbesondere beim Mann kommt hier eine Vielzahl von Differenzialdiagnosen in Frage. Grundvoraussetzung einer korrekten Abklärung ist eine gründliche Anamnese, bei welcher wegweisende Informationen gesammelt und erste Differenzialdiagnosen gestellt werden. Nebst der klinischen Untersuchung, einem Basisblutbild (inklusive PSA, Nierenwerte) und einer Urinanalyse soll die Diagnostik durch Spezialuntersuchungen durch den Facharzt für Urologie erweitert werden (Zystoskopie/Video-Urodynamik). Die Therapie richtet sich nach der zugrundeliegenden Erkrankung im Falle einer OAB im erweiterten Sinn und sofern behandelbar. Ansonsten erfolgt eine symptomorientierte Therapie im Falle einer idiopathischen OAB. Konservative Therapieansätze umfassen die Beckenboden-Physiotherapie, nichtinvasive Elektrostimulationstherapien oder Lifestyle-Modifikationen, aber auch Medikamente wie Antimuskarinika oder Beta-Sympathomimetika. Invasivere Therapiemöglichkeiten wie Botox-Injektionen in die Harnblase oder die sakrale Neuromodulation sind je nach Ursache als sekundäre Therapien zu sehen. Operative Ansätze wie die Blasenaugmentation oder Zystektomie sind bei Therapieversagen in Erwägung zu ziehen. Neben diesen Therapieansätzen nimmt die Patientenberatung eine zentrale Bedeutung ein, da ein Therapieerfolg oft erst nach längerer Zeit und nach mehreren frustranen Therapieversuchen verzeichnet werden kann.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Unter der Abkürzung OAB („overactive bladder“, überaktive Blase) wird ein Symptomkomplex subsummiert aus gehäuftem Harndrang („frequency“), plötzlich einsetzendem, verstärktem Harndrang („urgency“) und einer gesteigerten nächtlichen Miktionsfrequenz (Nykturie; [1]), der mit oder ohne Harninkontinenz einhergeht.
Die OAB ist ein häufiges Krankheitsbild und betrifft Frauen wie Männer. Die Prävalenz der OAB liegt in Abhängigkeit der Definition, Studie und des Alters bei bis zu 53 %. Bei Frauen tritt die OAB 1,5- bis 2‑mal häufiger auf als beim Mann [2]. Die Drangsymptomatik kann zu wesentlichen Einschränkungen im Alltag führen und bei konkomitierender Inkontinenz die Lebensqualität zusätzlich stark kompromittieren. In der klinischen Beurteilung betroffener Patienten unterscheidet man denn auch zwischen einer OAB wet und einer OAB dry [3]. Über eine Inkontinenz klagen 25–45 % der Frauen. In ca. 50 % der Fälle liegt eine Belastungsinkontinenz vor. Männer klagen in 3–11 % über eine Inkontinenz, wobei in 40–80 % eine Dranginkontinenz dominiert [4].
Abschließend ist die Ursache für eine idiopathische OAB nicht geklärt, jedoch wird diskutiert, dass neurale Blasenafferenzen durch mechanische, chemische oder osmotische Reize auf normalem Weg einen Miktionsreflex auslösen (urothelbasierte Hypothese). Alternativ werden spontane Muskel(mikro)kontraktionen infolge einer strukturell veränderten Blasenmuskulatur mit konsekutiv veränderter Depolarisationsschwelle der Muskelzellen diskutiert (myogene Hypothese; [5]).
Die OAB im engeren Sinn (idiopathische OAB) muss von der OAB im weiteren Sinn abgegrenzt werden, welcher auslösende Ursachen (Harnwegsinfekte, Carcinoma in situ der Harnblase, Prostatasyndrom im Rahmen einer benignen Prostatavergrößerung, Prostatakarzinom, interstitielle Zystitis etc.) zugrundeliegen. Speziell beim Mann kommen hier verschiedene Differenzialdiagnosen in Betracht, welche zu irritativen Miktionsbeschwerden respektive zu „lower urinary tract symptoms“ (LUTS) führen können (Abb. 1). Eine genaue Abklärung der Ursache hilft zugrundeliegende therapierbare Ursachen der OAB auszuschließen bzw. zu behandeln.

Diagnostik

Anamnese

Grundpfeiler der Diagnostik stellt eine gründliche und umfassende Anamnese dar. Es kommen viele der OAB zugrundeliegende Ursachen in Frage, die systematisch ausgeschlossen resp. nachgewiesen werden müssen. Durch die Anamnese können in vielen Fällen die relevanten Differenzialdiagnosen bereits eingegrenzt werden, und Zusatzabklärungen bestätigen nur noch die Verdachtsdiagnose.
Eine korrekte Anamnese umfasst auch die Erhebung der Risikofaktoren für eine Nykturie. Exemplarisch seien hier nächtliches Essen, Depressionen, Bluthochdruck, einschlägige Medikamente (z. B. Diuretika), Diabetes mellitus, kardiale Probleme wie Herzinsuffizienz und das obstruktive Schlafapnoesyndrom erwähnt.
Eine gleichzeitige Befragung der Darm- und Sexualfunktion ist sinnvoll, da eine zugrundeliegende neurologische Erkrankung wie eine multiple Sklerose, ein Morbus Parkinson oder zerebraler Insult Störungen der Darm- und Sexualfunktion verursachen kann. Abgeschlossen wird die persönliche Anamnese mit dem Erfragen der Vorgeschichte an Operationen am Urogenitalsystem (z. B. TUR‑P, HoLEP, Aquaablation, Rezum, Urolift, i‑TIND, Prostataembolisation, TUR‑B, Schlingenoperationen) oder stattgehabter Radiotherapien.
Die Miktionsanamnese erfragt die Blasenspeichersymptome, Blasensensationen und Blasenentleerungssymptome. Am häufigsten sind Symptome wie erhöhte Miktionsfrequenz (Pollakisurie, in 85 % der Fälle vorliegend), starker Harndrang (imperative Urge, in 54 % der Fälle vorliegend), Urinverlust bei Drang (in 36 % der Fälle vorliegend) und nächtliches Wasserlassen (Nykturie; [7]). Bestehen in der Anamnese atypische Symptome bei OAB (Mikro‑/Makrohämaturie, Algurie, Dysurie oder Blasentenesmen) müssen anderweitige Pathologien bzw. Abklärungen in Betracht gezogen werden.
Für die standardisierte Quantifizierung der OAB haben in letzter Zeit validierte Fragebögen und Patient Reported Outcome Measures (PROMS) an Bedeutung gewonnen. Am gezieltesten auf die OAB ausgerichtet muss hier explizit der Overactive Bladder Symptom Score (OABSS) erwähnt werden [8]. Dieser Fragebogen ist jedoch nur auf Englisch verfügbar und validiert worden.
In einer groß angelegten populationsbasierten Studie aus Südkorea wurden basierend auf dem OABSS bei 94.554 Männern im Alter von 19–107 Jahren Risikofaktoren für eine OAB erhoben. Hier zeigten sich höheres Lebensalter, Untergewicht, nicht verheiratet sein, Arbeitslosigkeit, Schlafstörungen und Stress als statistisch signifikante Risikofaktoren für die Entwicklung einer OAB [9].

Basisuntersuchungen

Die körperliche Untersuchung umfasst die Beurteilung des äußeren Genitales (Ausschluss stenosierender Phimose, Meatus-Enge) und eine digitorektale Untersuchung sowie eine grobkursorische neurologische Untersuchung. Hier finden sich erste Anhaltspunkte für ein Prostatasyndrom und gelegentlich auch suspekte Tastbefunde. Bei einer druckdolenten Prostata muss auch an eine Prostatitis gedacht werden, welche mit einer Drangsymptomatik einhergehen kann. Neben einer konventionellen Urinanalyse empfiehlt sich in diesem Fall auch eine 2‑Gläser-Probe nach Prostatamassage. Als Basis-Blutuntersuchung sollte die PSA- und Kreatinin-Bestimmung vor einer digitorektalen Untersuchung erfolgen.
Zur Quantifizierung der Miktionsstörung ist zudem ein Miktionstagebuch zwingend. Hier wird die Häufigkeit der Miktionen erfasst und Inkontinenzepisoden dokumentiert. Insbesondere für das Monitoring eines Therapieerfolges ist ein Miktionstagebuch vor und nach Therapieeinleitung unabdingbar. Bereits im Blasentagebuch kann z. B. eine nächtliche Polyurie aufgrund einer erhöhten abendlichen Trinkmenge oder einer zugrunde liegenden kardialen Problematik erfasst werden.

Erweiterte Untersuchungen

Die oben erwähnten Basisuntersuchungen können grundsätzlich durch den Hausarzt erfolgen. Bei unklaren Befunden, bei einer Mikrohämaturie und therapierefraktärer Symptomatik ist jedoch eine weiterführende Abklärung durch den Urologen des Vertrauens indiziert.
Sonographisch können intravesikale Fremdkörper/Tumoren und erhöhte Restharnmengen sowie die Prostatagröße erfasst werden. Gegebenenfalls können diese Untersuchungen auch durch den/die Hausarzt/ärztin erfolgen, sofern diese den Fähigkeitsausweis besitzen.
Durch die Uroflowmetrie können pathologische Entleerungsmuster der Blase (obstruktive Miktion, Pressmiktion, Harnröhrenverengung usw.) erkannt bzw. vermutet werden. Zusammen mit der Anamnese kann die Uroflowmetrie besser beurteilt werden.
In der Zystoskopie werden weitere Gründe wie Strikturen der Harnröhre, eine Blasenhalssklerose, Tumoren der Harnblase oder auch Blasensteine ausgeschlossen. Es kann nicht genug betont werden, dass der Ausschluss eines Harnblasenkarzinomes, insbesondere eines Carcinoma in situ (CIS), oberstes Ziel in der Abklärung einer OAB ist und eine Zystoskopie bei konkomitierender Mikrohämaturie (nach Infektausschluss) und bei therapierefraktären Fällen absolut indiziert ist.
Bei erfolglosen initialen Therapien oder auffälliger Anamnese ist eine weiterführende urodynamische Untersuchung indiziert. Hier werden die Blasenspeicher- und Blasenentleerungssphase genauer untersucht. Es können Detrusorüberaktivitäten oder eine kleine Blasenkapazität nachgewiesen werden, welche oft ursächlich für die OAB-Symptome sind. In der erweiterten Video-Urodynamik können ein vesikorenaler Reflux oder eine Ballonierung der proximalen Harnröhre als möglicher Befund einer neurogen bedingten Blasenfunktionsstörung nachgewiesen werden.
Bei unklaren neurologischen und urodynamischen Befunden ist eine neurophysiologische Abklärung zu diskutieren. Ebenso können in gewissen Fällen weiterführende bildgebende Abklärungen mittels Computertomographie (Ausschluss Steine, Karzinome oberer Harntrakt) oder Magnetresonanztomographie (Läsionen des zentralen Nervensystems, Spinalkanalstenose, Diskusprolaps, „tethered cord“ usw.) erfolgen.

Patientenaufklärung

Bei der OAB handelt es sich um einen Symptomkomplex, welcher oft einen langwierigen Verlauf zeigt. Die zahlreichen, oft frustranen Therapien können den Patienten zusetzen. Der persönlichen Patientenberatung kommt eine zentrale Bedeutung zu. Insbesondere ist es wichtig, dem Patienten aufzuzeigen, dass er keine Schuld für seine Beschwerden trägt, da es oft zu Selbstvorwürfen kommen kann.
Wichtig ist, den Patienten aufzuklären, dass die OAB häufig einen protrahierten Verlauf zeigt – aber auch gute Therapieansätze bestehen. Einerseits sollen realistische Erwartungen geschaffen werden und andererseits aufgrund des heterogenen Phänotyps der Erkrankung dem individuellen Verlauf angepasste Therapieansätze verfolgt werden.
So können die Patienten darauf aufmerksam gemacht werden, dass bereits durch leichte Anpassungen im Alltag und Lifestyle-Modifikationen gelegentlich eine deutliche Verbesserung erzielt werden kann. Explizit erwähnt sei hier die Trinkmengenrestriktion oder das Sistieren der Einnahme von Diuretika gegen den Abend bei im Vordergrund stehender Nykturie. Allenfalls kann die Nachtruhe auch durch einen Nachtstuhl oder eine Miktionsflasche neben dem Bett optimiert werden.

Therapie

In den vorliegenden Studien bezüglich der OAB-Therapie wurden häufig Frauen untersucht. Studien, welche die OAB beim Mann untersuchten, sind selten und oft von ungenügender Qualität.
Das Wichtigste bei der Therapiewahl ist, dass man die Patientenzufriedenheit und Lebensqualität der betroffenen Person verbessert. Es bedarf keiner Therapie, wenn der Patient mit der bestehenden Drangsymptomatik und/oder Dranginkontinenz zufrieden ist und keine relevanten Erkrankungen gefunden wurden.

Konservativ

In erster Linie muss bei bekannter auslösender Ursache eine kausale Behandlung derselbigen erfolgen (ggf. infravesikale Desobstruktion, Entfernung von Fremdkörpern, Behandlung einer neurologischen Grunderkrankung). Besteht eine idiopathische OAB, wird eine symptomorientierte Therapie eingeleitet. Neben den oben erwähnten Lifestyle-Modifikationen kann bei vielen Patienten durch eine Beckenbodenrehabilitation ein guter Therapieerfolg verzeichnet werden. Entsprechend geschulte wohnortnahe Fachkräfte sind über www.​pelvisuisse.​ch zu finden. Vermehrt stehen auch speziell geschulte UrotherapeutInnen zur Verfügung, welche den Patienten auch in der Anwendung von Inkontinenzprodukten (Kondomurinal, Einlagen) beraten können [10]. Passager oder bei älteren Patienten kann auch eine Katheterversorgung transurethral oder suprapubisch zu einer wesentlichen Verbesserung der Lebensqualität beitragen.

Medikamentös

Neben konservativer Therapiemaßnahmen werden in erster Linie Antimuskarinika oder Beta-Sympathomimetika zur Blasensedation eingesetzt. Aktuell stehen verschiedene Antimuskarinika zur Verfügung mit ähnlicher Wirksamkeit und vergleichbarem Nebenwirkungsprofil. Zu diesem gehören Mundtrockenheit, Verstopfung, Schlaf- und Gedächtnisstörungen, weshalb bei älteren Patienten die Indikation zur Einnahme zurückhaltend gestellt werden sollte. Wichtig ist, dass die Präparate mindestens über einen Zeitraum von 6–8 Wochen eingesetzt werden. Bei ausgeprägten Nebenwirkungen oder ungenügendem Therapieansprechen soll auch ein Präparatewechsel in Erwägung gezogen werden.
Alternativ zu den Antimuskarinika können Beta-3-Agonisten eingesetzt werden. Im Vergleich zu Placebo zeigte sich der einschlägige Wirkstoff wesentlich effektiver in der Behandlung der OAB [11]. Im Vergleich zu den Antimuskarinika scheint die Wirkung ähnlich zu sein, Nebenwirkungen umfassten Hypertonie, Kopfschmerzen und Nasopharyngitis. Eine Therapie mit Antimuskarinika kann auch mit einer sympathomimetischen Therapie kombiniert werden, wobei hier eine Potenzierung des Therapieansprechens gezeigt werden konnte [12]. Eine Übersicht über die gängigen peroralen Medikamente in der Behandlung der OAB gibt Tab. 1.
Tab. 1
Orale Medikamente zur Behandlung der überaktiven Blase (OAB)
Wirkstoff
Handelsname
Dosierung
Einnahme
Trospium
Spasmex®
20 mg
Max. 2‑mal/Tag
Solifenacin
Vesicare®
5 mg/10 mg
1‑mal/Tag
Fesoterodin
Toviaz®
2 mg/4 mg
1‑mal/Tag
Tolterodin
Detrusitol®
2 mg/4 mg
1‑mal/Tag
Oxybutynin
Kenteral®
3,9 mg/24 h
Alle 3–4 Tage dermal
Mirabegron
Betmiga®
25 mg/50 mg
1‑mal/Tag
Allgemein werden gerne Phytotherapeutika für die Behandlung der OAB oder des Prostatasyndroms genommen. Für die Wirksamkeit von Phytotherapeutika (Sägezahnpalmenfrüchte, Brennesselwurzeln, Kürbissamen etc.) gibt es keine abschließende Evidenzlage, obwohl diese vor allem bei jungen Männern initial gerne eingesetzt werden bei postulierter antiinflammtorischer Wirkung. Grundsätzlich kann eine entsprechende Therapie unterstützt werden, dabei ist eine gute Patientenaufklärung wichtig.
Im Sinne einer Zweitlinientherapie stehen bei nachgewiesener Detrusorüberaktivität die Botox-Injektionen in den Detrusor zur Verfügung. Erstbeschrieben vor gut 20 Jahren, wird diese Behandlung heute mit exzellentem Therapieerfolg eingesetzt [13]. Im Rahmen einer Metaanalyse wurde der Therapieeffekt von Botox mit den peroralen medikamentösen Therapieoptionen untersucht, wobei sich eine deutlich effektivere Wirkung von Botox zeigte [14]. Patienten müssen über das Risiko der Ausbildung relevanter Restharnmengen aufgeklärt werden mit konsekutiv ggf. Notwendigkeit des passageren Selbstkatheterismus und über die nur passagere Wirkung (Monate), die eine Wiederholung der Behandlung nötig macht (zugleich rekompensiert so aber auch eine allfällige Restharnbildung spontan).

Elektrische/operative Therapien

Hinsichtlich der funktionellen Elektrostimulation (FES) steht nebst den nichtinvasiven Neuromodulationsverfahren transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) und perkutane tibiale Nervenstimulation (PTNS) auch die invasive sakrale Neuromodulation (SNM) zur Verfügung.
Bei der TENS und der PTNS kann in 20–50 % resp. 37–70 % von einem Therapieerfolg ausgegangen werden [15, 16]. Bei korrekter Indikationsstellung verbessert sich die OAB nach einer SNM in 50–80 % der Fälle [17].
Weitere operative Therapiemöglichkeiten wie Blasenaugmentationen, Implantation von Schlingen oder kontinente und inkontinente Harnableitungen kommen selten zum Einsatz und sind schweren und therapierefraktären OAB-Verläufen vorbehalten [18, 19]. Entsprechende Situationen sind selten und sollten an einem interdisziplinären Beckenzentrum diskutiert und behandelt werden. Abb. 2 gibt im Rahmen eines Flussdiagramms eine Übersicht über den therapeutischen Workflow bei Patienten mit OAB.

Follow-up

Hinsichtlich der Nachkontrolle der Patienten mit OAB ist die Datenlage schwach und richtet sich dementsprechend eher nach „good clinical practice“ und nicht nach evidenzbasierten Kriterien. Wichtig ist primär, dass eine Nachkontrolle der Patienten erfolgt und der Therapieerfolg aktiv monitorisiert wird. Wie weiter oben bereits erwähnt, können hier Blasentagebücher oder PROMS hilfreich sein. Ebenfalls sollte im Rahmen der Nachkontrollen systematisch nach Nebenwirkungen der Therapien gefragt werden. Man darf nicht vergessen, dass über die Zeit auch neue, behandlungswürdige Pathologien auftreten können, die nicht verpasst werden dürfen.
Letztlich kommt der psychologischen Führung des Patienten eine zentrale Bedeutung zu, und die Einbindung in ein klar definiertes Behandlungs- und Nachkontrollkonzept ist elementar, um dem Patienten Mut zu machen sowie Sicherheit und Kontinuität zur vermitteln. Das Management von Patienten mit OAB ist komplex und eine interdisziplinäre Anbindung des Patienten macht in vielen Fällen Sinn. Ein enger Austausch mit der Hausärztin oder dem Neurologen bilden integrale Bestandteile eines längerfristigen Therapieerfolgs.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

L. Mordasini, H.-P. Schmid, H. Danuser, D. Seiler, M. Kozomara, G. Tenti und H. John geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Literatur
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Zurück zum Zitat Homma Y (2008) Lower urinary tract symptomatology: its definition and confusion. Int J Urol 15:35–43CrossRef Homma Y (2008) Lower urinary tract symptomatology: its definition and confusion. Int J Urol 15:35–43CrossRef
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Zurück zum Zitat Pradeep T (2011) Pathophysiology of the urothelium and detrusor. Can Urol Assoc J 5(5 (Suppl 2)):128–130 Pradeep T (2011) Pathophysiology of the urothelium and detrusor. Can Urol Assoc J 5(5 (Suppl 2)):128–130
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Metadaten
Titel
Überaktive Blase (OAB) beim Mann
Was ist zu tun?
verfasst von
PD Dr. med. Livio Mordasini
Hans-Peter Schmid
Hansjörg Danuser
Daniel Seiler
Marko Kozomara
Guido Tenti
Hubert John
Publikationsdatum
02.06.2021
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Urologie in der Praxis / Ausgabe 3/2021
Print ISSN: 2661-8737
Elektronische ISSN: 2661-8745
DOI
https://doi.org/10.1007/s41973-021-00135-0

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