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Erschienen in: neuropsychiatrie 1/2020

03.07.2019 | originalarbeit

Psychosoziale berufliche Rehabilitation in einer Arbeitswelt 4.0 – Zwischen Anforderungen und Bedürfnissen

verfasst von: Mag. Martin Böhm, Barbara Stiglbauer

Erschienen in: neuropsychiatrie | Ausgabe 1/2020

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Zusammenfassung

Hintergrund

Ziel der hier vorliegenden Studie war es unter Einbezug unterschiedlicher Perspektiven von Teilnehmern (TN), Mitarbeitern (MA) und Führungskräften (FK) eines Anbieters der beruflichen Rehabilitation für Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen in Österreich zukünftige Anforderungen des Arbeitsmarktes und die daran gebundenen Bedürfnisse von Beschäftigten zu untersuchen. Das Angebot der psychosozialen beruflichen Rehabilitation des Sozialunternehmens umfasst zwei Haupttypen von Unterstützungsleistungen: Beratungs- und Begleitungsleistungen und Trainings- und Beschäftigungsleistungen.

Methodik

Die Studie wurde mittels quantitativen und qualitativen Methoden durchgeführt. Insgesamt wurden N = 188 MA und N = 620 TN der Beratungs- und Begleitungs- bzw. Trainings- und Beschäftigungsleistungen des Rehabilitations-Anbieters mittels eines Online-Fragebogens zu den Bedürfnissen an einen Arbeitsplatz und den zukünftigen Anforderungen des Arbeitsmarktes befragt. Die Rücklaufquote betrug bei den TN 40,81 % (n = 253) und bei den MA 54,79 % (n = 103). Mittels eines qualitativen leitfadengestützten Interviews wurden sechs Führungskräfte befragt.

Ergebnisse

Die Ergebnisse verdeutlichen die Bedeutung der Vermittlung von Kompetenzen in Bezug auf neue Technologien (Medien Kompetenz) sowie die Entwicklung und Optimierung von Stressresistenz (Widerstandsfähigkeit) und allgemein der sozialen Kompetenz. Die Vorbereitung auf diese Kompetenzen beurteilen die MA und TN der Beratungs- und Begleitungsleistungen besser als die MA und TN der Trainings- und Beschäftigungsleistungen, welche hingegen die Vorbereitung auf handwerkliche Fertigkeiten besser einstuften.

Fazit für die Praxis

Während die Vermittlung von sozialen Kompetenzen und Widerstandsfähigkeit relativ gut gelingt, sollte die Förderung von Medien Kompetenzen intensiviert werden. Viele Bedürfnisse der TN sind durch den zukünftigen Arbeitsmarkt nur mehr einigermaßen gut erfüllbar. Der Wegfall von Arbeitsplätzen im Produktionsbereich und die Zunahme an Komplexität und technischem Know-How führen zunehmend zu Vermittlungsschwierigkeiten in den 1. Arbeitsmarkt und bedingen einen 2. Arbeitsmarkt.
Fußnoten
1
Unter „Industrie 4.0“ werden die derzeitigen Entwicklungen rund um vernetzte Cyber-Physische Systeme (CPS) diskutiert, die das Produktionsumfeld intelligent und selbst durch ganze Wertschöpfungsketten steuern, ihr Material organisieren, Buchungen vornehmen und die Kunden beliefern [1].
 
2
In 4.0 Technologien investieren vermehrt Betriebe, die eine höhere Belegschaft aufweisen, mehr Umsätze und Gewinne lukrieren und stark exportieren. Vielfach sind sie in Sektoren vertreten, die mit Informations- und Kommunikationstechnologien arbeiten oder wissensintensiv sind [5].
 
3
Hierzu siehe u. a. das von der Arbeitsgruppe Rehabilitation und Arbeit der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW) publizierte Themenheft: Die Rehabilitation 03/2018.
 
4
Bei den Rehabilitanden, die an der Studie teilgenommen haben, liegt eine F‑10 Diagnose vor und/oder es herrscht u. a. aufgrund einer Langzeitarbeitslosigkeit ein erhöhter psycho-sozialer Unterstützungsbedarf.
 
5
Bei der Befragung der TN wurde nach dem zukünftigen Arbeitsmarkt gefragt und dieser mit der Arbeitswelt 4.0 gleichgesetzt.
 
6
Eine Führungskraft leitet zwei Angebote der beruflichen Rehabilitation.
 
7
Die im P21-Framework definierten Skills wurden nicht wortwörtlich übersetzt, sondern vereinfacht, aber möglichst inhaltsgetreu mit zielgruppenorientierten Formulierungen. Die Anforderung „Handwerkliche Fertigkeiten“ wurde ergänzend aufgenommen, da einige TN in handwerklichen Berufen ausgebildet sind.
 
8
Aufgrund technischer Probleme bei der Online-Befragung gibt es keine Daten zur Einschätzung der Befriedigung der existenziellen Sicherheit durch eine Arbeitswelt 4.0 aus der Perspektive der MA.
 
9
Aufgrund der geringen Stichprobengröße von TN und MA in Dienstverhältnissen wurden diese von den Analysen ausgeschlossen.
 
10
IP = interviewte Person, Jahr, Stelle im Transkript.
 
Literatur
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Metadaten
Titel
Psychosoziale berufliche Rehabilitation in einer Arbeitswelt 4.0 – Zwischen Anforderungen und Bedürfnissen
verfasst von
Mag. Martin Böhm
Barbara Stiglbauer
Publikationsdatum
03.07.2019
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
neuropsychiatrie / Ausgabe 1/2020
Print ISSN: 0948-6259
Elektronische ISSN: 2194-1327
DOI
https://doi.org/10.1007/s40211-019-0316-3

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