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Ärzte Woche

19.08.2021

Trend

Halbgott in Jogginghose

verfasst von: Joana Schmidt

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Legere Kleidung wird unter Medizinern zunehmend beliebter. Aber wie wirkt sie auf die Patienten? Offenbar achten diese noch immer auf Äußerlichkeiten – besonders Ärztinnen werden mit Vorurteilen konfrontiert.

Besser der Patient verwechselt den Arzt als umgekehrt. Trotzdem ist es unangenehm, als Ärztin für eine Krankenschwester oder Arzthelferin gehalten zu werden. Bei Frauen passiert das einer neuen Studie zufolge deutlich häufiger als bei Männern. Auch die Kleidung scheint nach wie vor zu beeinflussen, als wie professionell ein Arzt wahrgenommen wird, zeigt die Untersuchung.

Für die Studie befragten Dr. Helen Xun von der Johns Hopkins Universität in Baltimore und ihr Team rund 500 US-Amerikaner. Ihnen wurden Fotos von männlichen und weiblichen Models gezeigt, die als medizinisches Personal vorgestellt wurden. Die abgebildeten Personen trugen unterschiedliche Arbeitskleidung, vom weißen Kittel über OP-Kleidung bis zur legeren Fleecejacke. Die Teilnehmer sollten die genauen Berufe der vermeintlichen medizinischen Mitarbeiter erraten und angeben, wie erfahren, professionell und freundlich sie jeweils wirken.

Alltagskleidung kommt schlecht an


Obwohl die Befragten relativ jung waren, im Schnitt 36 Jahre alt, bevorzugten sie konventionell gekleidete Mediziner. Auf einer Skala von eins bis sechs, wobei eins am wenigsten erfahren bedeutet, bewerteten sie Personen im weißen Kittel mit 4,9 und diejenigen in einer Fleece- oder Softshelljacke mit 3,1. Ähnlich war es bei der Professionalität: Im weißen Kittel gab es dafür 4,9 Punkte, in Fleece- bzw. Softshelljacke nur 3,2 bzw. 3,3 Punkte. Selbst bezüglich der Freundlichkeit schnitt der weiße Kittel noch etwas besser ab als die Alltagskleidung.

Danach gefragt, welches Outfit für welchen Arzt wünschenswert wäre, wollten die Teilnehmer einen Chirurgen am liebsten in weißem Kittel mit OP-Kleidung darunter sehen. Für Hausärzte und Dermatologen bevorzugten sie einen weißen Kittel über Business-Kleidung. Unabhängig von der Oberbekleidung wurden Frauen mit Businesskleidung darunter jedoch als weniger professionell wahrgenommen als männliche Kollegen (56 vs. 66 von 100 Punkten).

Eher als Ärzte erkannt


Beim Zuordnen der Berufe wurde den Probanden jeweils ein Bild eines weiblichen und eines männlichen Models gezeigt. Die meisten Teilnehmer identifizierten beide als Ärzte oder Chirurgen. Frauen wurden jedoch häufiger für Medizintechniker (8% vs. 3%), medizinische Fachangestellte (12% vs. 2%) oder Pflegepersonal (33% vs. 27%) gehalten als Männer.

„Besser zu verstehen, wie die Kleidung von Ärztinnen wahrgenommen wird, kann dazu beitragen, Maßnahmen einzuführen, um der Verwechslung beruflicher Rollen und Karrierenachteilen für Frauen entgegenzuwirken“, lautet das Fazit von Xun und Kollegen.

„Die Studie unterstützt die Ansicht, dass sich Ärzte so kleiden sollten, dass sie das Vertrauen der Patienten wecken und ihre berufliche Leistung unterstreichen“, schreiben Dr. Amalia Cochran und Dr. Gilbert Upchurch von der Universität Florida in einem Begleitkommentar. Zwar strahle ein weißer Kittel für viele Patienten Erfahrung aus, das gelte allerdings auch für ältere, männliche Ärzte. „Vielleicht ist die Botschaft einfach, dass die Bedeutung des weißen Kittels in erster Linie symbolisch ist und dass er für Ärzte und Ärztinnen keine Voraussetzung mehr für eine hochwertige und einfühlsame klinische Versorgung ist“, schließen sie.

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Titel
Trend
Halbgott in Jogginghose
Publikationsdatum
19.08.2021
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 28-33/2021

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