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Ärzte Woche

16.08.2021

Tillman Kaiser: Der mit der Camera obscura malt

verfasst von: Katja Uccusic-Indra

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Der Grazer Tillman Kaiser ist ein gefragter Künstler. Etliche Mäzene haben die Werke des Malers in ihrer Sammlung. Der Ärzte Woche gewährte der Hundertwasser-Schüler Einblick in seine kreative Werkstätte.

Ein heißer Sommertag in der Brigittenau. In einem Hofgebäude in der Dresdner Straße hat der Maler Tillman Kaiser Kartons auf die Dachbalken seines Ateliers gelegt, damit die Sonne nicht so stark durch die Dachfenster eindringt. Dass es dann etwas dunkler im Raum ist, stört den Künstler nicht. „Bei meiner Arbeitsweise ist Tageslicht nicht so wichtig“, sagt Kaiser.

Seine großformatigen Bilder sind eine Mischung aus Malerei, Zeichnung und Fotografie. Der 1972 in Graz geborene Künstler experimentiert mit einer großen, selbst gebauten Camera Obscura, die im Erdgeschoß seines Ateliers steht. Ihre Größe ermöglicht Formate von 100 × 75 cm. Daneben lehnen graue Fotowannen an der Wand. Der Raum dient gleichzeitig auch als Dunkelkammer. Manche Objekte werden 24 Stunden belichtet.

Aufwendige Technik

Zurzeit hat er den Teil einer Skulptur vor der Camera Obscura an die Wand geklebt. Denn Kaiser ist nicht nur Maler, sondern auch Bildhauer. Besonders spannend: Seine Objekte sind als oft kaum erkennbare Fotos – manche positiv, andere negativ – immer wieder Teil seiner Bilder.

Der Künstler verwendet für diese eine aufwendige Technik: Nachdem er die Rahmen mit Leinwand bespannt hat, zieht er Papier auf dieser auf, dann werden die großen Fotografien darüber geklebt und bilden später mit den gemalten Elementen eine Einheit. Auf manchen Werken sind geschriebene Sätze zu entdecken.

Kaiser zeigt ein blaues Bild, an dem er gerade arbeitet, und erklärt: „Hier habe ich Tusche auf eine Glasplatte gegeben, die Blätter mit Chemikalien 20 Minuten in die Sonne gelegt und dann mit Wasser abgewaschen.“ Der Maler experimentiert mit Fotogrammen: Bei diesen braucht man keine Kamera, das Motiv liegt bei der Belichtung direkt auf dem Blatt.

Archaische Objekte

Bei seiner Einzelausstellung „Im Dom“ in der Wiener Secession 2019 waren seine geometrischen Skulpturen Teil der Schau. Die archaischen Objekte aus Karton und Draht sind für Überraschungen gut. Kaiser packt eine der damals gezeigten Plastiken aus: Die dreiteilige Skulptur besteht aus einem feingliedrigen Metallteil und einem weißen Kartonelement, auf dessen Spitze das Modell einer Kathedrale thront. Auf der Unterseite des Bodens ist ein Spiegel angebracht, aus dem einem ein freundlicher, kubistisch aussehender Kopf entgegenblickt, der wiederum im Inneren des Kartonteils liegt.

Die Arbeit steht vor einem französischen Fenster, durch das man in einen kleinen Garten steigen kann. „Ich habe hier einen Maulbeerbaum und eine Feige angepflanzt“, erzählt der Künstler und bietet Maulbeeren zur Verkostung an. Auch im Atelier hat Kaiser ein paar Pflanzen. Am Fenster steht ein kleines Gewächshaus, das zusätzlich beleuchtet wird.

Einen Elefantenfuß hat er aus einer Mülltonne gerettet und vor seine Eingangstür gestellt. Als Student hat er bei Friedensreich Hundertwasser in dessen Meisterschule zwischen exotischen Pflanzen gewerkt. Der Grazer schloss seine Ausbildung an der Wiener Akademie der bildenden Künste dann 1998 bei Hubert Schmalix ab.

Kaiser malt hauptsächlich auf dem Boden, der selbst ein kleines Kunstwerk ist. Auf den OSB-Platten sind zahlreiche für ihn typische weiße Formen zu erkennen. Der kleine Tisch in der Ecke dient vor allem als Ablage. Über diesem hängen Zeichnungen seiner beiden Kinder.

Zurzeit arbeitet Kaiser an mehreren großformatigen Bildern, die im Herbst in seiner Stammgalerie bei Emanuel Layr in der Seilerstätte gezeigt werden. Der Grazer gehört zu den erfolgreichsten Malern seiner Generation. Seine Bilder und Objekte waren schon in London und Los Angeles ausgestellt. Zahlreiche renommierte Mäzene, darunter Charles Saatchi, haben Kaisers in ihrer Sammlung. Das Belvedere kaufte Arbeiten an. Großformatige Werke kosten bis zu 25.000 Euro.

Oben wie unten

Eine lustige Geschichte über die richtige Hängung seiner Bilder hat Kaiser auch auf Lager. Eine eigenwillige Käuferin hängte eines seiner Werke aus Platzgründen quer, was ihn nicht sehr erfreute. „Ich habe ihr gesagt, dass sie es natürlich hängen kann, wie sie will, weil es ihr gehört. Aber richtig ist es deshalb trotzdem nicht. Bei meinen Bildern ist oben oben und unten unten.“

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Metadaten
Titel
Tillman Kaiser: Der mit der Camera obscura malt
Publikationsdatum
16.08.2021
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 28-33/2021

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