Aus dem anfänglich rein pathophysiologischen Konzept der Darm-Leber-Achse haben sich in den letzten Jahren durch präklinische Forschung konkrete therapeutische Ansätze ergeben. Basierend auf den experimentellen Daten und molekularen Mechanismen wurde eine zunehmende Zahl an klinische Studien initiiert, die therapeutisch in die Regelkreise der Darm-Leber-Achse eingreifen.
Mikrobiom in der Diagnostik der NASH
Die frühe Diagnose von NAFLD-Patienten, die eine hohe entzündliche Aktivität und Leberfibrose aufweisen, ist von zentraler Bedeutung für die hepatologische Versorgung und stellt weiterhin eine große Herausforderung dar. In klinischen Studien wurden Assoziationen bestimmter Mikrobiotasignaturen mit dem Krankheitsstadium bei NAFLD-Patienten demonstriert. In einer aktuellen Arbeit konnten Patienten mit NALFD-Zirrhose allein basierend auf der Mikrobiotasignatur detektiert werden [
13].
Insgesamt ist die Studienlage allerdings uneinheitlich und eine studienübergreifende Zirrhose-Mikrobiom-Signatur gibt es bisher nicht, sodass vor dem Einsatz in der klinischen Praxis noch weitere Grundlagenforschung erforderlich ist.
Fäkaler Mikrobiomtransfer
Die intestinale Mikrobiota weist eine erstaunliche Plastizität auf und ist grundsätzlich einer therapeutischen Modulation zugänglich. Bei therapierefraktärer pseudomembranöser Kolitis ist der fäkale Mikrobiomtransfer (FMT) ein extrem wirkungsvolles Therapieverfahren, mit dem studienübergreifend in etwa 90 % der Fälle eine vollständige Krankheitsremission erzielt werden kann [
40]. Die Komposition der intestinalen Mikrobiota bei Empfängern mit gutem Ansprechen zeigte nach FMT eine erhöhte mikrobielle α‑Diversität und ähnelte der Spendermikrobiota. Basierend auf diesen Befunden wurde der FMT bei verschiedenen anderen Erkrankungen mit zum Teil sehr vielversprechenden Ergebnissen erprobt. In den letzten Jahren wurde eine eindeutige Assoziation zwischen Veränderungen der Mikrobiota und NALFD hergestellt. Präklinische Daten deuten zudem darauf hin, dass die Mikrobiota eine kausale Rolle in der Krankheitsentstehung und -progression spielt [
23,
41]. In mehreren klinischen Phase-I- und -II-Studien wird daher der FMT bei NAFLD und NASH erprobt (NCT02469272, NTR4339). Jüngste Daten demonstrieren, dass der FMT bei Zirrhosepatienten mit hepatischer Enzephalopathie (HE) gut vertragen wird und zu einer Verbesserung der HE sowie reduzierter Hospitalisierung führte [
42].
Die Ergebnisse laufender Studien sind abzuwarten, um den Stellenwert der FMT in der Behandlung von NASH-Patienten zu bewerten. Auch gibt es weiterhin einige offene Fragen vor der Anwendung in der klinischen Routine. Es gibt zwar eine klare Assoziation zwischen Mikrobiotaveränderungen und NAFLD, allerdings ist bisher keine eindeutige studienübergreifende Mikrobiotasignatur gefunden worden. Es ist daher unklar, bei welchen Patienten die Indikation zur FMT gestellt werden sollte: Welche Patienten profitieren von dem Verfahren und kann dies basierend auf der Mikrobiotasignatur vorhergesagt werden? Wer ist der richtige Spender und gibt es eine „optimale“ Mikrobiota?
Die Mikrobiota spielt eine fundamentale Rolle in einer Vielzahl physiologischer Prozesse und interagiert mit verschiedenen Organsystemen. Dieses komplexe Wechselspiel ist bisher nur bruchstückhaft verstanden. Der Transfer einer ungünstigen Mikrobiota könnte langfristige Nebenwirkungen haben und Folgeerkrankungen hervorrufen, die bisher nicht absehbar sind. Eine gründliche Diskussion über die Indikationsstellung, eine wohl überlegte Spenderauswahl und eine gute Patientenaufklärung sind daher von entscheidender Bedeutung.
Prä‑, Pro- und Synbiotika
Während der FMT auf den Austausch des gesamten mikrobiellen Ökosystems abzielt, ist auch eine direkte und möglicherweise gezieltere Einflussnahme auf die Mikrobiota durch Supplementation bestimmter Nahrungsbestandteile (Präbiotika), einzelner bakterieller Spezies (Probiotika) oder einer Kombination mehrerer Mikroorganismen (z. B. Laktobazillen, E.-coli-Stämme, Bifidobakterien oder auch Hefepilze) möglich. Als Synbiotika werden Kombinationspräparate aus Prä- und Probiotika bezeichnet. All diese Ansätze zielen darauf ab, die Mikrobiota auf eine günstige Art zu beeinflussen, um so die intestinale Barrierefunktion zu verbessern, die Freisetzung antiinflammatorischer Metaboliten, wie SCFA durch die Mikrobiota zu fördern oder andere Stoffwechselwege (z. B. Gallensäuremetabolismus) zu beeinflussen.
Die Nahrungssupplementation mit Prä‑, Pro- und Synbiotika ist in den letzten Jahren sehr populär geworden und immer wieder werden diesen Nahrungsergänzungsmitteln von der Allgemeinbevölkerung auch bei Gesunden verschiedene gesundheitsförderliche Effekte zugeschrieben. Große, gut durchgeführte klinische Studien gibt es aber nur wenige, die methodisch uneinheitlich sind und keine harten Endpunkte enthalten. Innovative Technologien der Mikrobiologie ermöglichen neue Einblicke, inwiefern Präbiotika oder Probiotika die Darmkolonisierung modulieren, die Stoffwechselaktivität der Mikrobiota beeinflussen und mit dem endogenen Mikrobiom interagieren. Nur durch sorgfältig durchgeführte Grundlagen- und klinische Forschung könnten so in den nächsten Jahren das tatsächliche therapeutische Potenzial und mögliche medizinische Indikationen, aber auch Kontraindikationen dieser Ansätze herausgearbeitet werden. Auch bestehen aktuell noch viele grundlegende Fragen, die vor dem zielgerichteten Einsatz im klinischen Kontext dringend geklärt werden müssen. So ist z. B. bis heute unklar, ob eine Kolonisierung mit probiotischen Bakterien für die gewünschte Wirkung erfolgen muss oder die Wirkung rein über bakterielle Bestandteile wie MAMP vermittelt wird. Auch ist nicht bekannt, welche Voraussetzungen durch den Wirt erfüllt werden müssen, damit es zu einer Kolonisierung kommen kann. Die molekularen Wirkmechanismen sind bisher für die meisten Probiotika nur unvollständig verstanden. Grundsätzlich kann die Wirkung über eine Veränderung des mikrobiellen Stoffwechsels und damit freigesetzter mikrobieller Metaboliten vermittelt sein, aber auch eine rein immunologische Interaktion über PRR des Wirts mit bakteriellen Zellbestandteilen ist denkbar.
Erste präklinische und klinische Studien sind durchaus vielversprechend. So führte bei übergewichtigen Patienten die Supplementation mit
Akkermansia muciniphila in einer aktuellen Studie zu einer Verbesserung metabolischer Parameter. Hier zeigte sich bei pasteurisierten und damit nichtreplikativen Bakterien eine ebenso große therapeutische Wirkung wie bei lebenden Bakterien [
39]. Basierend auf diesen sowie präklinischen Daten könnte eine probiotische Therapie mit
Akkermansia muciniphila auch bei NASH-Patienten wirkungsvoll sein. Metaanalysen weisen auf einen positiven Effekt von Probiotika auf Surrogatparameter der NASH hin. Die Studienlage ist allerdings sehr heterogen bezüglich der verwendeten Einschlusskriterien, Probiotikaformulierungen, Behandlungsdauer und Endpunkte.
Präbiotika bestehen meist aus unverdaulichen Kohlenhydraten, zu denen verschiedene selektiv fermentierte Inhaltsstoffe, darunter Fruktane und Galaktane vom Inulintyp, zählen. Diese induzieren eine Veränderung der Komposition und Aktivität der Mikrobiota [
43]. Präbiotika fördern die bakterielle Bildung von SCFA, begünstigen das Wachstum endogener Bifidobakterien und Laktobazillen, verbessern die intestinale Barrierefunktion, senken den luminalen pH-Wert und hemmen dadurch das Wachstum von Krankheitserregern [
44,
45]. In einer aktuellen Metaanalyse wurde insgesamt ein günstiger Effekt auf Surrogatparameter der NAFLD festgestellt. Die untersuchten Studien unterschieden sich methodisch jedoch erheblich und enthielten keine harten Endpunkte, sodass basierend auf diesen Daten eine abschließende Bewertung kaum möglich ist [
46]. Aktuelle präklinische Daten rufen zudem zu Vorsicht vor starker Anreicherung der Diät mit fermentierbaren Ballaststoffen wie Inulin auf.
Die mikrobiotavermittelte Fermentierung des supplementierten löslichen Ballaststoffes Inulin führte in einem Mausmodell mit gestörter Mikrobiota zur Cholestase und zur Entstehung von hepatozellulären Karzinomen [
47]. Diese überraschenden Daten demonstrieren, dass die Wirkung und Nebenwirkungen löslicher Ballaststoffe hochgradig kontextabhängig sind. Da Prä- und Probiotika als Nahrungsergänzungsmittel frei verkäuflich sind und gesundheitsfördernde Wirkungen als „Lifestyleprodukte“ stark beworben werden, erfolgt die Einnahme oft leichtfertig außerhalb von klinischen Studien und ohne Wissen über molekulare Wirkmechanismen und mögliche Nebenwirkungen.
Die zielgerichtete Modulation der Mikrobiota bei NAFLD birgt große Chancen, die durch sorgfältig durchgeführte Studien dank neuer Techniken der Mikrobiomforschung eröffnet werden können. Für die ungezielte Einnahme von Prä‑, Pro- oder Synbiotika außerhalb von klinischen Studien gibt es bei NAFLD aufgrund eines fehlenden klaren Wirkungsnachweises und unzureichenden Verständnisses der molekularen Mechanismen bisher keine wissenschaftliche Evidenz.
FXR-/FGF19-Achse und gallensäureabhängige Signalwege
Patienten mit NAFLD zeigen erhöhte Gallensäurespiegel im Lebergewebe, Serum und auch Urin. Insbesondere zeigte sich ein erhöhtes Verhältnis eher hydrophober und zellschädigender Gallensäuren [
28]. Durch ihren mikrobiellen Stoffwechsel trägt die intestinale Mikrobiota entscheidend zur Zusammensetzung des Gallensäurepools bei. Durch eine gezielte Modulation der Mikrobiota wäre es damit theoretisch möglich, den Gallensäurepool so zu verändern, dass weniger zytotoxische Gallensäuren vorliegen oder eine stärkere intestinale Aktivierung des FXR-Rezeptors erreicht wird. Ähnliche Ansätze befinden sich allerdings noch in der experimentellen präklinischen Entwicklung.
Neben einer Modulation der Mikrobiota bieten sich allerdings verschiedene direkte Angriffsmöglichkeiten in der FXR-/FGF19-Achse. So befinden sich aktuell verschiedene Agonisten des FXR-Rezeptors in der klinischen Erprobung in Phase-II- und -III-Studien. Es wurden kürzlich erste Ergebnisse von REGENERATE, einer Phase-III-Studie zu dem FXR-Agonisten Obeticholsäure bei NASH, vorgestellt. Hier wurde der primäre Endpunkt einer Abnahme der Leberfibrose um ≥1 Stufe erreicht [
48]. Es zeigte sich zudem eine Verbesserung serologischer Parameter. Der therapeutische Effekt von FXR-Agonisten könnte auch über die Aktivierung intestinaler FXR-Rezeptoren und damit einer Verbesserung der Darmbarriere vermittelt werden [
38]. Hier sind weitere translationale Forschungsarbeiten notwendig. Auch FGF19 ist eine attraktive Zielstruktur. Zwar zeigten frühere Studien eine Hepatokarzinogenität von FGF19 im Mausmodell, es wurde mittlerweile aber mit NGM282 eine nichttumorigene Variante von FGF19 entwickelt [
49]. Dieser Wirkstoff befindet sich aktuell in der klinischen Erprobung. Erste Ergebnisse einer placebokontrollierten Phase-II-Studie bei 82 NASH-Patienten bezüglich der Wirkung auf die Steatose waren vielversprechend [
50].