Die Nierenerkrankung bei Patienten mit Diabetes mellitus 1 (DM1)
Die Nierenerkrankung bei Patienten mit Diabetes mellitus 2 (DM2)
Spektrum der diabetischen Nierenerkrankung
Bestimmung der Nierenfunktion
Glomeruläre Filtrationsrate berechnet (eGFR) – MDRD4-Formel |
GFR (ml/min)/1,73 m² KÖF = 186 × (sCr)–1,154 × Alter–0.203 × (0,724 bei Frauen) |
Glomeruläre Filtrationsrate berechnet (eGFR) – CKD-EPI-Formel |
GFR = 141 × min (scr/κ, 1) α × max (scr/κ, 1)–1,209 × 0,993 Alter × 1,018(Frauen) × 1,159(Schwarze) |
Diagnostik der diabetischen Nierenerkrankung
Screening auf Albuminurie
Albuminurie | Stadium | mg Albumin/g Kreatinin |
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Normal (<10) bzw. minimal erhöht | A1 | <30 |
Mäßig erhöht | A2 | 30–300 |
Stark erhöht | A3 | >300 |
Differenzialdiagnosen bei Patienten mit diabetischer Nierenerkrankung
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Diabetesdauer unter 5 Jahren bei Typ-1-Diabetes,
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fehlende (insbesondere proliferative) diabetische Retinopathie als Ausdruck einer generalisierten diabetischen Mikroangiopathie,
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pathologisches Harnsediment mit Mikrohämaturie (insbesondere Akanthozytennachweis und Erythrozytenzylinder),
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sehr rasche Zunahme der Albuminurie, definiert als Klassenwechsel der Albuminurie (A1 auf A2 oder A2 auf A3 innerhalb eines Jahres),
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rascher Kreatininanstieg,
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Auffälligkeiten in der Nierensonographie (z. B. Seitendifferenz der Organgröße), welche an eine andere Nierenpathologie denken lassen.
Therapeutische Gesichtspunkte bei Patienten mit diabetischer Nierenerkrankung
Ernährung
Kardiovaskuläres Risiko
Lipidstoffwechsel
Betreuung der Patienten mit diabetischer Nierenerkrankung
Diabeteseinstellung
Spezielle Aspekte einiger blutzuckersenkender Medikamente
Therapiebesonderheiten bei nachlassender Nierenfunktion
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Metformin galt nach früheren Befunden aufgrund seiner Plasmaeliminationshalbwertszeit von 4,0–8,7 h [66], kompletter renaler Elimination und einer möglichen Gefahr einer Laktatazidose bei eingeschränkter Nierenfunktion als kontraindiziert bei mittel- bis höhergradiger Nierenfunktionseinschränkung. Dies wurde in den letzten Jahren jedoch kontrovers diskutiert, da die Evidenz aus der klinischen Praxis fehlt [67, 68]. Die FDA und EMA haben 2016 die Empfehlungen für die Verwendung von Metformin daher geändert. Metformin ist demnach bei einer eGFR <30 ml/min/1,73 m2 kontraindiziert, unter einer eGFR von 45 ml/min/1,73 m2 sollte Metformin nicht neu begonnen werden, die Dosis bei bestehender Therapie auf 1000 mg am Tag beschränkt und der Patient wie seine eGFR engmaschiger überwacht werden. Rezente Studien zur Verwendung von Metformin bei eingeschränkter Nierenfunktion unterstützen diese Vorgangsweise [69] und empfehlen im Stadium 3b die Aufteilung der 1000-mg-Tagesmaximaldosis auf 2‑mal täglich 500 mg [70].Sulfonylharnstoffe (SH) stellen aufgrund des Hypoglykämierisikos nicht das optimale orale Antidiabetikum bei Patienten mit CKD dar. Zwischen den einzelnen Substanzen gibt es erhebliche Unterschiede. Es sollte auf die Gabe des vorwiegend renal eliminierten Glibenclamid verzichtet werden (heutzutage kaum mehr verwendet) wegen der Kumulationsgefahr mit Neigung zu schwerer und protrahierter Hypoglykämie. Gliclazid sollte bei CKD in niedriger Dosierung begonnen und alle 4 Wochen dosistitriert werden. Glimepirid kann im Stadium CKD G1–3 in normaler Dosis, im Stadium G4 reduziert (1 mg/Tag) verabreicht werden und sollte im Stadium G5 vermieden werden [71]. Das Hypoglykämierisiko erscheint am niedrigsten bei Gliclazid [72], gefolgt von Glipizid und Glimepirid [73]. Dennoch ist insgesamt das Hypoglykämierisiko unter SH 10-fach so hoch wie unter Metformin und 4‑ bis 5‑fach höher als unter Pioglitazon [74‐77].
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Bei Verwendung von Repaglinid kann bis Stadium G4 ohne Dosisreduktion vorgegangen werden. Für Repaglinid gibt es im Stadium G5 keine Erfahrung.
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Pioglitazon als einzig verbleibender Vertreter der Thiazolidindione muss nicht dosisreduziert werden [71]. Pioglitazon kann entsprechend der Fachinformation bei einer Kreatinin-Clearance >4 ml/min eingesetzt werden. Der Verdacht auf eine gering höhere Rate an Blasenkarzinomen wird noch immer kontroversiell diskutiert [78, 79]. Die Substanz Rosiglitazon wurde aufgrund kardiovaskulärer Sicherheitsbedenken in Europa vom Markt genommen [80, 81]. In einer Metaanalyse wurde auch noch gezeigt, dass die Behandlung mit Glitazonen bei Frauen zu einer höheren Frakturrate führen kann, sowohl bei Pioglitazon als auch bei Rosiglitazon [82]. Dieser Effekt war aber nach Absetzen der Substanzen wiederum abgeschwächt [83]. Für Pioglitazon werden auch mögliche nephroprotektive Mechanismen (insbesondere antialbuminurische) diskutiert [74, 76, 77]. Die Datenlage ist aber insgesamt schwach [56].
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Der Glukosidasehemmer Acarbose kann grundsätzlich in allen Stadien der CKD gegeben werden, ab Stadium G4 jedoch nur in seiner niedrigsten Dosis (<50 mg) [71].
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Für GLP-1-Analoga gilt: Exenatid 1‑mal wöchentlich sollte nach aktueller Datenlage bei Patienten mit einer eGFR <50 ml/min/1,73 m2 nicht eingesetzt werden. Liraglutid kann bis zu einer eGFR >15 ml/min/1,73 m2 ohne Dosisanpassung angewendet werden [84], für Dulaglutide und Lixisenatide ist bis zu einer eGFR von 30 ml/min/1,73 m2 ebenfalls keine Dosisanpassung notwendig (aktuelle Fachinformationen).
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Für DPP-4-Hemmer gilt: Linagliptin kann in allen Stadien ohne Dosisanpassung gegeben werden, da es primär hepatobiliär ausgeschieden wird. Bei anderen DPP-4-Hemmern wie Sitagliptin, Vildagliptin, Saxagliptin und Alogliptin sind ab Stadium G3 Dosisanpassungen erforderlich [71]. Es werden auch mögliche nephroprotektive Mechanismen dieser Substanzgruppe diskutiert [77, 85‐87]. Zu beachten bleiben auch die Kontraindikationen bei zunehmender Zahl an Kombinationspräparaten mit Metformin.
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SGLT-2-Hemmer: Empagliflozin, Canagliflozin und Dapagliflozin sollten nach derzeitigem Wissensstand unterhalb einer eGFR von 60 ml/min nicht begonnen werden und spätestens ab einer eGFR von 45 ml/min abgesetzt werden [71]. Die positiven kardiovaskulären Effekte wurden bereits oben angeführt [61, 88, 89].
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Bei Insulinen ist auf eine mögliche Dosisreduktion in Abhängigkeit von der Nierenfunktionseinschränkung zu achten.
Blutdruckeinstellung
Zusammenfassung
Zielwerte und Maßnahmen bei diabetischer Nierenerkrankung
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RR <140/90 mm Hg
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RR <130/80 mm Hg bei Albuminurie (Stadium A2 und A3)
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HbA1c-„Zielkorridor“ meistens 6,5–7,5 % (48–58 mmol/mol) (bei fortgeschrittener CKD)
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HbA1c-„Zielkorridor“ bei Dialyse/Peritonealdialysepatienten 7–8,0 % (53–64 mmol/mol)
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LDL-Cholesterol-Ziel:
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Zumindest <100 mg/dl für die meisten Patienten (für Details s. Lipide: Diagnostik und Therapie bei Diabetes mellitus)
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Bei CKD G3 und G4 <70 mg/dl
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Hämoglobin 9–11 g/dl (eGFR Stadium CKDG 4–5)
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Elektrolyte im Normbereich
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Normalisierung der Eiweißzufuhr auf täglich 0,8 g/kg bis 1,3 g/kg Körpergewicht
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Thrombozytenaggregationshemmer (Abwägung des potentiellen kardiovaskulären Benefits gegenüber dem Blutungsrisiko)
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Verzicht auf Rauchen
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Exakte Nutzen-Risiko-Abwägung vor Einsatz potenziell nephrotoxischer Medikamente (z. B. nichtsteroidale Antirheumatika, bestimmte Antibiotika)
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Protektive Maßnahmen bei Röntgenkontrastmittelgabe wegen der erhöhten Gefahr eines akuten Nierenversagens (CT mit KM: bei eGFR <30 ml; bei arteriellen Angiographien eGFR <45 ml): auf ausreichende Hydrierung achten (http://www.esur-cm.org/index.php/en/)
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Multifaktorielles Risikofaktorenmanagement
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Beachten der möglichen Kumulation von Begleitmedikamenten
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Beachten des erhöhten kardiovaskulären Risikos mit Screening für Angiopathie
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Beachten von Harnwegsinfekten (Restharn?) und adäquate Antibiotikatherapie
Kontrollen bei Patienten mit diabetischer Nierenerkrankung
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Je nach CKD-Stadium und Progression mindestens 2‑ bis 4‑mal jährliche Kontrollen
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HbA1c, Lipide
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Bestimmung der Albuminurie bzw. Albumin-Kreatinin-Ratio
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Bestimmung der Retentionsparameter und Serumelektrolyte (Kreatinin, Harnstoff oder BUN, Kalium)
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Bestimmung der eGFR, bei Unklarheiten Kreatinin-Clearance
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Blutdruckselbstmessung mit Protokollierung, empfohlen ambulante 24-h-Blutdruckmessung
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Blutbild
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Eisenstatus mit Ferritin, Transferrin, Transferrinsättigung, Serumeisen
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Serumphosphat, Serumkalzium
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Parathormon, 25-OH Vitamin D
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Bestimmung der venösen Blutgase insbesondere bei eGFR <30 ml/min
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Cave: Hyperkaliämie beim Einsatz von RAAS-blockierenden Antihypertensiva wie ACE-Hemmern, ARB sowie auch Aldosteronantagonisten
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Interdisziplinäre diabetologisch-nephrologische Betreuung ab eGFR <60 ml/min (Stadium G3)
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Therapieführung durch den Nephrologen – Vorbereitung auf Nierenersatztherapie oder Transplantation ab einer eGFR <30 ml/min (Stadium G4)
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Hepatitis-B-Virus-Impfschutz
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Bei Auftreten einer akuten Niereninsuffizienz bzw. Verdacht auf das Vorliegen einer nichtdiabetischen Nierenerkrankung ist eine umgehende nephrologische Begutachtung des Patienten zu veranlassen