Epidemiologie des Typ 2 Diabetes mellitus
Die weltweite Prävalenz von Typ 2 Diabetes mellitus (T2DM) bei Erwachsenen wurde im Jahr 2000 auf 151 Mio. geschätzt, wobei eine Zunahme um 46 % auf 221 Mio. bis 2010 und 300 Mio. bis zum Jahr 2025 angenommen wurde [
1,
2]. Im Jahr 2013 wurden diese Zahlen nach oben revidiert: 2013 waren 382 Mio. an Diabetes erkrankt, und die Schätzung für 2035 beläuft sich auf 592 Mio. Diabetiker weltweit. Die größte Zunahme wird in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommensniveau erwartet [
3].
In Österreich wird gemäß einer Erhebung der Statistik Austria die Diabetesprävalenz auf etwa 6 % geschätzt (Statistik Austria, Gesundheitsbefragung 2006/2007). Ausgehend von epidemiologischen Studien sind jedoch etwa die Hälfte der Typ 2 Diabetiker noch nicht als solche diagnostiziert [
4], haben aber bereits ein erhöhtes Risiko für Schlaganfall, Herzinfarkt und periphere arterielle Verschlusskrankheit [
5,
6]. Angesichts der Diabetes-Pandemie mit deren gesundheitlichen und sozioökonomischen Konsequenzen sind effiziente Strategien zu Prävention und Früherkennung des T2DM erforderlich.
Risikofaktoren für T2DM
Ursachen des T2DM sind hauptsächlich auf Lebensstil-bedingte Faktoren, wie
Bewegungsmangel und
hyperkalorische, fettreiche Ernährung sowie auf eine
genetische Disposition zurückzuführen. Das Risiko, einen T2DM zu entwickeln, steigt mit
Lebensalter, Übergewicht und Bewegungsarmut an. Nachkommen oder Geschwister von Typ 2 Diabetikern sowie Frauen nach Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes) weisen ebenfalls ein erhöhtes T2DM-Risiko auf, ebenso Personen asiatischer, afrikanischer oder lateinamerikanischer Herkunft [
7].
Patienten mit metabolischem Syndrom (Insulinresistenzsyndrom) mit den Teilkomponenten Glukosestoffwechselstörung (IGT), Adipositas, Dyslipidämie und/oder arterielle Hypertonie stellen die Hauptrisikogruppe für die Entwicklung eines Typ 2 Diabetes dar, und sind deshalb auch die primäre Zielgruppe für Screening und Diabetesprävention.
T2DM-Screening und Prävention – aktuelle Empfehlungen
Systematisches Screening auf T2DM
Personen mit erhöhtem Diabetesrisiko sollten identifiziert und systematisch auf das Vorliegen von T2DM oder Prädiabetes (gestörte Glukosetoleranz; IGT und/oder gestörte Nüchternglukose; IFG) gescreent werden (Empfehlungsgrad B).
Die
Nüchternplasmaglukose, alternativ HbA1c oder oraler Glukosetoleranztest, sollte
ab dem Lebensalter von 45 Jahren in 3-jährigem Abstand kontrolliert werden (E). Wenn zusätzlich einer der in Tab.
1 aufgelisteten weiteren Risikofaktoren vorliegt, soll häufiger und auch bei jüngeren Personen gescreent werden [
7] (Tab.
2). Bei einem Nüchternblutzucker > 100 mg/dl sollte ein oraler Glukosetoleranztest durchgeführt werden [
7] (Empfehlungsgrad B).
Tab. 1
Kriterien für Diabetesscreening bei asymptomatischen Erwachsenen. (Adaptiert nach [
1])
Bei Alter ≥ 45 Jahre
|
Unabhängig vom Alter bei Übergewicht (BMI ≥ 25 kg/m²) und einem oder mehreren zusätzlichen Risikofaktoren |
Physische Inaktivität |
Verwandte ersten Grades mit Diabetes |
Arterielle Hypertonie (≥ 140/90 mmHg oder antihypertensive Therapie) |
HDL Cholesterin Männer < 35 mg/dl und/oder Triglyceride > 250 mg/dl |
Polyzystisches Ovarialsyndrom, Geburt eines Kindes mit > 4,5 kg Körpergewicht, oder vorangegangenem Schwangerschaftsdiabetes |
IFG oder IGT zu einem früheren Zeitpunkt, HbA1c ≥ 5,7 |
Kardio- oder zerebrovaskuläre Erkrankung |
Hochrisikopopulation (asiatische, afrikanische, lateinamerikanische Herkunft) |
Acanthosis nigricans |
Tab. 2
Kriterien für Typ-2-Diabetesscreening bei Kindern und Jugendlichen. (Adaptiert nach [
8])
Ab dem 10. Lebensjahr bei Übergewicht (BMI > 90. Perzentile)
und
Vorliegen von
mindestens zwei
der folgenden Risikofaktoren
|
Typ 2 Diabetes bei Verwandten 1. bis 2. Grades |
Extreme Adipositas (BMI > 99,5. Perzentile) |
Zeichen der Insulinresistenz oder mit ihr assoziierte Veränderungen (arterieller Hyertonus, Dyslipidämie, erhöhte Transaminasen, polyzystisches Ovarialsyndrom, Acanthosis nigricans) |
Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit erhöhtem Risiko (z. B. Ostasiaten, Afroamerikaner, Hispanier) |
Lebensstilmodifikation
Lebensstilmodifikation mit gesunder Ernährung, Gewichtsreduktion und körperlicher Aktivität kann nicht nur Entstehen von T2DM verhindern oder verzögern, sondern wirkt sich insgesamt günstig auf das kardiovaskuläres Risiko und die Lebensqualität aus. Die Diabetes Prevention-Study (DPS) [
9] und das Diabetes Prevention Program (DPP) [
10] dokumentieren bei Patienten mit IGT eine 58-prozentige relative Risikoreduktion für das Auftreten von T2DM durch Lebensstilmodifikation. In den Nachbeobachtungen beider Studien blieb das Risiko an T2DM zu erkranken, in den Interventionsgruppen anhaltend niedriger (34‒36 % relative Risikoreduktion) [
11,
12] und die Lebensstil-Interventionen erwiesen sich, obwohl aufwendig, als kosteneffektiv aus gesundheitsökonomischer Sicht [
13].
Daher ist es wichtig, bei Personen mit erhöhtem T2DM-Risiko ‒ selbst, wenn noch keine manifeste Glukosestoffwechselstörung vorliegt ‒ Bewusstsein für die Bedeutung von Gewichtsreduktion und regelmäßiger körperlicher Aktivität zu schaffen. Zusätzliche kardiovaskuläre Risikofaktoren (z. B. Rauchen, Hypertonie und Dyslipidämie) sollen rechtzeitig erkannt und behandelt werden.
Wird beim Screening Prädiabetes festgestellt, sollte eine Lebensstil-Intervention in Form von strukturierter Beratung zu Ernährung und Bewegung und regelmäßigen Follow-ups vorgenommen werden, um eine Körpergewichtsabnahme von ca. 7 % und 150 min/Woche körperliche Aktivität zu erzielen (Empfehlungsgrad B).
Ernährung
Grundsätzlich sollte die Ernährung auf Basis einer gesunden Mischkost erfolgen, die fettarm, kohlenhydrat- und ballaststoffreich ist. Weniger als 30 % des Tagensenergiebedarfs soll durch Fett, weniger als 10 % durch gesättigte Fettsäuren gedeckt werden. Übergewichtige sollen Gewichtsreduktion von ca. 5‒10 % des Körpergewichtes durch kalorienreduzierte Diät und körperliche Aktivität erreichen. Bei arterieller Hypertonie sollte die Nahrung kochsalzarm, bei Hyperlipidämie cholesterin- und fettarm und bei Hyperurikämie purinarm sein [
1].
Körperliche Aktivität
Gemäß den Empfehlungen der Amerikanischen Diabetesgesellschaft (ADA), sollten Personen mit erhöhtem Diabetesrisiko, ebenso wie Patienten mit Prädiabetes oder manifestem T2DM, zu regelmäßiger moderater körperliche Aktivität (30 min/Tag, bzw. 150 min/Woche) motiviert werden [
7].
Medikamentöse Diabetesprävention
Als Medikamente mit Potenzial für die Diabetesprävention haben sich Metformin, alpha-Glukosidasehemmer, Orlistat und Glitazone herauskristallisiert. Keine der medikamentösen Interventionen war jedoch so effektiv wie die Lebensstilintervention. Metformin ist die Substanz mit der besten Evidenzlage hinsichtlich Effektivität, Langzeitsicherheit und Kosteneffizienz [
13,
14].
Bei besonders hohem Diabetesrisiko (IFG, IGT, oder einem HbA1c > 5,7 %, insbesondere jene mit Adipositas > 35 kg/m2, Alter < 60 Jahren oder mit vorangegangenem Gestationsdiabetes) kann daher auch die Gabe von Metformin erwägt werden [
7], (Empfehlungsgrad A).
Abschließend sei die enorme Bedeutung von Screening und Prävention bei T2DM, einer Erkrankung mit rapid steigender Inzidenz, hervorgehoben. Lebensstilmodifikation mit Diät und körperlicher Aktivität ist die effektivste Maßnahme zur Prävention des T2DM.
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