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Ärzte Woche

20.06.2018 | Tekal

Wozu in die Ferne schweifen

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist

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Gerade am Mittelmeer ist die Mittelmeerdiät gar nicht mehr so populär.

Es ist bemerkenswert wie uns die Globalisierung die alteingesessenen Klischees zunichte macht. Man bekommt mittlerweile in den industrialisierten Nationen alles, und zwar überall, allerdings auch überall dasselbe Alles. Vor Jahrhunderten brachten abgekämpfte Weltenreisende exotische Früchte in die Heimat mit. Diese Kostbarkeiten waren zwar aufgrund des monatelangen Transportes genauso verfault wie der Weltenreisende, jedoch gerade deshalb so exotisch. Der wohlhabende einheimische Adel konnte nun nie gekannte zauberhafte Gerichte, wie Bananen-Split oder Toast Hawaii, verkosten. Heute bekommt man das Exotische im gut sortierten Supermarkt ums Eck. Zur Not muss man einen exotischen Supermarkt aufsuchen und zwei Ecken weiter gehen. Das ist ebenso praktisch wie traurig. Ich habe an dieser Stelle bereits die Ver-Starbucks-isierung der Welt beklagt, den Umstand, dass man selbst in den unbekanntesten Gebieten der Welt die weltbekanntesten Marken erhält. Es ist schier unmöglich, seinen Lieben zu Hause ein kulinarisches Souvenir mitzubringen, das es nicht hierzulande auch in der Großpackung gibt.

Gleiches gilt für die Medizin. Die Hoffnung so mancher Patienten, in einem anderen Land würde auch eine andere Therapie angeboten, wird rasch enttäuscht. Die Medikamente haben vielleicht andere Namen, allerdings weitgehend idente Wirkstoffe, wenn man von den Zusätzen wie Zement oder Insektenvernichtungsmitteln absieht. Selbst die Menschen sind global weitgehend gleichgeschaltet. Seit man in vielen Regionen der Erde mittlerweile dieselben Nahrungsmittel mit denselben Konservierungsstoffen zu sich nimmt, nivellieren sich die landestypischen gesundheitlichen Vorteile nach unten. Hinzu kommt, dass die ansässige Bevölkerung immer weniger mit den ansässigen Gepflogenheiten am Hut hat. So kommt etwa die klassische Mittelmeerdiät, also viel Fisch, reichlich Gemüse und täglich drei mal drei Liter kalt gepresstes Olivenöl, bei den jungen Mittelmeerbewohnern gar nicht mehr so gut an. Laut WHO haben gerade Jugendliche aus Zypern, Griechenland, Italien und Spanien mit Übergewicht zu kämpfen. Schließlich gibt es auch eine attraktivere alternative Mittelmeerkost aus viel Nudeln, reichlich Pizza und täglich drei mal drei Litern kaltgestellten Sangria.

Je weiter weg vom Meer eine Bevölkerung lebt, desto eher wird die klassische mediterrane Kost auch angenommen. Die Sehnsucht nach der Ferne lässt das anderswo Alltägliche exotisch werden. Dem Vernehmen nach gibt es in Österreich weitaus mehr Personen, die an TCM interessiert sind, als traditionelle Chinesen. Das fernöstliche Kraut der Unsterblichkeit oder ein Glückskeks sind oft nur fern vom Osten ein Renner.

Dabei liegt das Gute so nah und ein Blick in den heimischen Garten könnte mitunter heilsamer sein, als ein Click in den exotischen Online-Shop.

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Metadaten
Titel
Wozu in die Ferne schweifen
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
20.06.2018
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 25/2018

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