Open Access 09.09.2022 | Schon gewusst…?
Schon gewusst …?
Erschienen in: Journal für Gynäkologische Endokrinologie/Schweiz | Ausgabe 3/2022
Originalpublikation
Sriprasert I et al (2021) Use of oral estradiol plus vaginal progesterone in healthy postmenopausal women. Maturitas 154:13–19. https://doi.org/10.1016/j.maturitas.2021.09.002.
Hintergrund.
Wird zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden eine Hormonersatztherapie (HRT) eingesetzt, dann sollen Frauen mit Uterus zum Endometriumschutz eine kombinierte Östrogen-Gestagen-HRT erhalten [1]. Mikronisiertes Progesteron ist in dieser Indikation nur in der oralen Form zugelassen. Dennoch wird mikronisiertes Progesteron im „off label use“ auch häufig vaginal eingesetzt. Die Frage ist, inwiefern durch die vaginale Anwendung weiterhin der Endometriumschutz gewährleistet ist. Bisherige kleine Studien haben heterogene Ergebnisse geliefert [2]. Der Early versus Late Intervention Trial with Estradiol (ELITE) ist die bisher grösste und längste randomisiert-kontrollierte Studie (RCT) mit vaginalem mikronisiertem Progesteron.
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Zusammenfassung.
ELITE ist eine doppelblinde, placebokontrollierte RCT, in der 643 postmenopausale gesunde Frauen über einen medianen Zeitraum von 4,8 Jahren entweder niedrig-dosiertes orales Estradiol (1 mg/Tag) oder Placebo erhielten. Für den Endometriumschutz wurde vaginales mikronisiertes Progesteron (4 % Gel = 45 mg/Tag) an jeweils 10 Tagen pro Zyklus appliziert. Endometriumbiopsien wurden bei entsprechender Indikation durchgeführt, d. h. bei einer sonographischen Endometriumdicke > 5 mm oder bei postmenopausalen Blutungen. In der vorliegenden Post-hoc-Analyse wurden u. a. die jährlich durchgeführten Sonographien der Endometriumdicke und die Pathologie der Endometriumbiopsie bei Frauen mit HRT (n = 262) bzw. Placebo (n = 264) analysiert. Das mittlere Alter der Frauen (ca. 60 Jahre) und die mittlere Zeit seit der Menopause (ca. 9,5 Jahre) waren in beiden Gruppen vergleichbar. Die mediane sonographische Endometriumdicke betrug bei Baseline 1,7 mm (HRT) bzw. 1,5 mm (Placebo). Während des Follow-ups nahm die sonographische Endometriumdicke in der HRT-Gruppe zu und war in der Intention-to-treat(ITT)-Analyse 1,86 mm (95 %-KI 1,72–2,05) höher als in der Placebogruppe (Per-protocol[PP]-Analyse: 1,97 mm [95 %-KI 1,80–2,18]), wobei die Therapiedauer keinen signifikanten Einfluss hatte. In der HRT-Gruppe (44,9 %) hatten signifikant mehr Frauen als in der Placebogruppe (14,7 %) mindestens einmal eine sonographische Endometriumdicke > 5 mm. Bei 37,6 % der Studienteilnehmerinnen wurde mindestens einmal während der Studie eine Endometriumbiopsie durchgeführt, wobei Frauen in der HRT-Gruppe signifikant häufiger als in der Placebogruppe betroffen waren. In der HRT-Gruppe hatten 12,7 % ein malignes oder hyperplastisches Endometrium, in der Placebogruppe 3,1 %. Die allgemeine Malignominzidenz zeigte keinen signifikanten Gruppenunterschied. In der Placebogruppe wurden zwei und in der HRT-Gruppe ein Endometriumkarzinom diagnostiziert. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine 10-tägige vaginale Gabe von mikronisiertem Progesteron à 45 mg/Tag nicht ausreicht, um die Wirkung von oralem E2 1 mg/Tag auf das Endometrium vollständig zu neutralisieren.
Die ELITE-Studie zeigt klar, dass die 10-tägige sequenzielle vaginale Gabe von mikronisiertem Progesteron à 45 mg/Tag im Rahmen einer kombinierten HRT keinen ausreichenden Endometriumschutz bietet. Das aktuelle Positionspapier der British Menopause Society empfiehlt daher, bei einer kombinierten HRT die vaginale Dosis von mikronisiertem Progesteron der oralen anzupassen [3]. Je nach gewählter Östrogendosis variiert die empfohlene Dosis von mikronisiertem Progesteron: sequenziell (12–14 Tage/Monat) 200–300 mg/Tag bzw. kontinuierlich 100–200 mg/Tag [4].
Originalpublikation
García-Vigara A et al (2022) Non-use of information and communication technology as a predictor of frailty in postmenopausal midlife and older women. Maturitas 156:60–64. https://doi.org/10.1016/j.maturitas.2021.05.010.
Hintergrund.
Gebrechlichkeit ist ein klinisch erkennbarer Zustand, bei dem eine verringerte physiologische Reserve und Funktion zu einer verminderten Fähigkeit führt, mit Stressfaktoren umzugehen. Folgen dieses Zustands sind ein erhöhtes Risiko für Hospitalisationen, Stürze, Behinderung, Heimeinweisung und Sterblichkeit. Das Älterwerden ist eine der Hauptdeterminanten für Gebrechlichkeit, aber auch für die Menopause wurde ein Zusammenhang gezeigt. Die rasche Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) bietet Möglichkeiten, Endnutzer/-innen im Hinblick auf Gesunderhaltung zu befähigen. Parallel dazu gibt es Bestrebungen von Institutionen, Kliniken und Regierungsstellen, das Gesundheitswesen digital zu transformieren. Eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung dieses Ziels ist die Bereitschaft des/der Endnutzers/-in, IKT zu nutzen, zu verstehen und umzusetzen (Stichwort: [digitale] Gesundheitskompetenz, „[digital] health literacy“). Diese Kompetenz hängt u. a. vom Alter und Geschlecht ab, wobei es kaum Studien zu älteren Frauen gibt. Ziel der Querschnittsstudie war es zu ermitteln, ob der Gebrechlichkeitsstatus mit der IKT-Nutzung bei postmenopausalen Frauen im mittleren und höheren Lebensalter zusammenhängt.
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Zusammenfassung.
Alle in einer Gemeinde lebenden Frauen, die sich zur Vorsorgeuntersuchung in einem Gesundheitszentrum vorstellten, wurden zur Teilnahme an der Studie eingeladen. Der postmenopausale Status war das einzige Einschlusskriterium. Ausgeschlossen wurden Frauen, die nach Einschätzung des Arztes/der Ärztin aufgrund einer sensorischen Vorerkrankung (z. B. Erblindung, Hörminderung) keine IKT einsetzen können.
Zur Beurteilung der Gebrechlichkeit wurde der Fried-Phänotyp herangezogen. Dieser Index setzt sich aus fünf Kriterien zusammen: 1) ungewollter Gewichtsverlust (≥ 4,5 kg im letzten Jahr), 2) subjektive Erschöpfung, 3) Schwäche (reduzierte Handkraft), 4) langsame Gehgeschwindigkeit beim Gehen einer definierten Strecke, 5) geringe körperliche Aktivität (Kurzversion des Minnesota Leisure Time Physical Activity Questionnaire). Eine Teilnehmerin galt als „robust“, wenn sie keines der fünf Kriterien erfüllte. „Prägebrechlichkeit“ war definiert als das Vorhandensein von einem oder zwei Kriterien und „Gebrechlichkeit“ als das Vorhandensein von mindestens drei Kriterien. Es wurden vier Arten der IKT-Nutzung untersucht: das Internet für E‑Mails, das Internet für andere Funktionen und soziale Medien (WhatsApp, Facebook). Es wurden 409 Frauen im mittleren Alter von 67,5 Jahren in die Studie eingeschlossen. Von denen waren 33 % gebrechlich, 39 % prägebrechlich und 28 % robust. Das durchschnittliche Bildungsniveau war niedrig bis mittel. Der wirtschaftliche Hintergrund war eher gemischt, wobei 45,7 % der Frauen ihre finanzielle Situation als gut bezeichneten. 40 % erfüllten die Kriterien für Multimorbidität, was im Bereich des altersbezogenen Bevölkerungsstandards lag. 63 % der Frauen nutzten IKT, 54,5 % soziale Medien. Von den Internetnutzerinnen nutzten 43 % dieses für Recherchen und 32 % für E‑Mail. Im Falle der sozialen Medien waren 99 Frauen WhatsApp-Nutzerinnen, 34 nutzten Facebook und 90 nutzten beides. Gebrechliche Frauen (27 %) nutzten signifikant seltener irgendeine IKT-Kategorie als prägebrechliche (77 %) oder robuste (85 %) Frauen (p < 0,001). Besonders auffallend war der Unterschied bei der Anwendung von WhatsApp (robuste Frauen 85 %, prägebrechliche Frauen 45 %, gebrechliche Frauen 15 %). Die multivariate logistische Regression zeigte, dass die Nichtnutzung von IKT ein Prädiktor für Gebrechlichkeit war, während IKT-Nutzerinnen eher robust (OR 10,62, 95 %-KI 5,34–21,10) oder prägebrechlich (OR 9,03, 95 %-KI 5,18–15,74) waren.
Die Studie zeigt, dass die IKT-Nutzung umgekehrt mit dem Gebrechlichkeitsstatus in einer Kohorte postmenopausaler Frauen mittleren/älteren Alters assoziiert war. Für die angestrebte digitale Transformation im Gesundheitswesen ist das eine wichtige Information. IKT könnte also z. B. zur Vorbeugung von Gebrechlichkeit bei postmenopausalen Frauen genutzt werden. Darüber hinaus könnte eine Gebrechlichkeit ggf. durch Veränderung des IKT-Nutzungsverhaltens frühzeitig erkannt und dann aktiv durch z. B. Förderung der Teilnahme an Gesundheitsförderungsprogrammen entgegengewirkt werden. Die Herausforderung wird in der Erreichbarkeit der weniger oder gar nicht IKT-affinen (gebrechlichen) postmenopausalen Frauen liegen. Spannend wäre es zu wissen, inwiefern eine Hormonersatztherapie (HRT) Einfluss auf die IKT-Nutzung hat und ob sich im Rahmen eines digitalen Trackings eine HRT vorteilhaft auf die Entwicklung einer Gebrechlichkeit auswirkt.
P. Stute gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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