Eine Analyse der oben genannten Bevölkerungsbefragung ergab, dass die Impfbereitschaft mit einem COVID-19-Vakzin mit dem Alter steigt, eine erhöhte und unrealistische Wahrnehmung schwerwiegender Nebenwirkungen von Impfungen mit sinkender Impfbereitschaft einhergeht, bei der individuellen Risikoeinschätzung einer Erkrankung mit COVID-19 Unsicherheiten bestehen, da über die Hälfte der Befragten die langfristigen Konsequenzen einer COVID-19-Erkrankung nur schwer einschätzen kann, und Personen mit hohen Zustimmungswerten zu (impf‑)verschwörungstheoretischen Aussagen eine niedrige Impfbereitschaft zeigen. Ein Viertel der Impfablehnenden sagt, dass sie nicht glauben, dass das Coronavirus gefährlich für sie sei [
9]. Am häufigsten nennen sie, ebenso wie Befragte anderer Studien [
16], die Sorge vor Nebenwirkungen.
Impfbereitschaft der Eltern
Die Impfbereitschaft der Befragten mit und ohne Kinder zeigt einen signifikanten Unterschied (53,9 % vs. 71,1 % ja sicher/eher ja). Die Impfbereitschaft der Eltern ist auch nach einer multiplen logistischen Regressionsanalyse signifikant niedriger als die der Befragten ohne Kinder (Kovariaten: Alter, Geschlecht, Schulabschluss, Risikogruppenzugehörigkeit, wahrgenommenes Risiko, Konsequenzen einer Erkrankung, eigene COVID-19-Infektion, Infektion einer Person im sozialen Umfeld, wahrgenommene Wahrscheinlichkeit ernster Nebenwirkungen bei Grippeimpfungen, Vertrauen in das Robert Koch-Institut [RKI], Impfbereitschaft sozialer Bezugsgruppen).
In der Subpopulation der Eltern ist – wie in der Gesamtstichprobe – ein signifikanter Geschlechtsunterschied zu beobachten. Die Hälfte der Frauen und 58,4 % der Männer sind sicher oder eher impfbereit. Hierbei sind Frauen zu einem geringeren Teil sicher zur Impfung bereit (20,5 %) als Männer (33,0 %). Das Alter von Eltern hängt nicht mit ihrer Impfbereitschaft zusammen. Die Impfbereitschaft der Eltern steigt mit dem Schulabschluss mit Ausnahme der Fachhochschulreife (Impfbereitschaft bei Abitur: 61,6 %, bei Fachhochschulreife: 41,8 %, bei mittlerer Reife: 49,4 %, bei Hauptschulabschluss: 45,9 %). Die Impfbereitschaft ist bei Befragten mit Hochschulabschluss (70,9 %) signifikant höher als bei Befragten ohne Hochschulabschluss (48,5 %).
Impfablehnende Eltern, die sich eher oder sicher nicht impfen lassen wollen (n = 204), nennen am häufigsten die Angst vor Nebenwirkungen (34,6 %) und den Glauben an die Ungefährlichkeit des Coronavirus für sie (12,8 %). Männer (37,9 %) halten das Coronavirus häufiger für ungefährlich als Frauen (22,2 %). Frauen (88,0 %) nennen signifikant häufiger als Männer Nebenwirkungen als Grund (64,4 %). Dennoch würden sich 23,6 % impfen lassen, wenn das Nebenwirkungsrisiko nicht größer als bei einer Grippeschutzimpfung wäre, und 19,7 %, wenn die Impfung zuverlässig vor einer Coronainfektion schützt. Die Impfschutzzuverlässigkeit ist für Frauen (51,5 %) signifikant bedeutsamer als für Männer (26,6 %).
Impfung der Kinder mit einem COVID-19-Vakzin
Die eigene Impfbereitschaft steht in einem positiven Zusammenhang mit der Bereitschaft, die Kinder impfen zu lassen: 52,3 % würden ihre Kinder sicher oder eher mit einem COVID-19-Vakzin impfen lassen, 29,3 % eher nicht und 18,3 % sicher nicht. Hierbei zeigt sich ein signifikanter Geschlechtseffekt: 39,4 % der Männer mit Kindern würden ihre Kinder sicher impfen lassen (eher ja 18,8 %). Bei Frauen sind insgesamt 47,6 % impfbereit (ja sicher 21 %, eher ja 26,6 %). Ihre Kinder würden 22,3 % der Frauen sicher nicht impfen lassen (30,1 % eher nicht). Dies gilt nur für 13,4 % der Männer (28,4 % eher nicht).
Einschätzung von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen
Zum Zeitpunkt der Befragung war noch kein COVID-19-Vakzin in der EU zugelassen. Es wurde nach der Einschätzung der Häufigkeit ernster Nebenwirkungen bei Grippeimpfungen gefragt, da hierzu Erfahrungen in der Bevölkerung vorliegen [
4,
17]. In der Gesamtstichprobe zeigt sich eine vollkommen überschätzte Wahrnehmung der Wahrscheinlichkeit ernster Nebenwirkungen (Median 20 %; [
9]) (vgl. auch [
12] – ohne signifikante Geschlechtsunterschiede sowie zwischen Eltern und anderen Befragten. Jedoch tritt bei Eltern ein signifikanter Geschlechtsunterschied auf: Mütter vermuten ernsthafte Nebenwirkungen durchschnittlich bei 30,9 % der Fälle (
SD = 24,6), Väter bei 24,4 % (
SD = 24,7). Es liegt ein Interaktionseffekt zwischen Geschlecht und Hochschulabschluss vor (Mütter mit Hochschulabschluss: 29,8 %; Väter mit Hochschulabschluss: 8,5 %). Auch höher gebildete Frauen sind somit signifikant schlechter informiert als höher gebildete Männer.
In der Gesamtstichprobe korreliert die Zustimmung zur Vaccine Conspiracy Beliefs Scale (VCBS; [
23]) und die Überschätzung der Wahrscheinlichkeit von Impfnebenwirkung. Eltern und insbesondere Mütter stimmen den Items der VCBS häufig zu (Tab.
1).
Tab. 1
Zustimmung zu Items der Vaccine Conspiracy Beliefs Scale von Eltern in Prozent
Pharmaunternehmen spielen die Gefahren von Impfstoffen herunter (n = 421) | 11,6 | 31,4 | 34,4 | 22,6 | 100,0 |
Nebenwirkungen von Impfungen werden häufig verschwiegen (n = 441) | 20,6 | 27,9 | 25,6 | 25,9 | 100,0 |
Die Wirksamkeit von Impfstoffen wird häufig übertrieben (n = 450)*; Zustimmung Frauen > Männer | 21,3 | 43,8 | 21,2 | 13,7 | 100,0 |
Es wird versucht, einen Zusammenhang zwischen Impfstoffen und Autismus zu vertuschen (n = 322)*; Zustimmung Frauen > Männer | 45,8 | 34,7 | 11,4 | 8,1 | 100,0 |
Besuche bei Allgemein- und Facharzt sowie Haltung zu Homöopathie
In der Gesamtstichprobe erhöht sich mit steigender Häufigkeit von Arztbesuchen die Wahrscheinlichkeit zur Gruppe der Impfbereiten zu gehören. Die befragten Mütter suchten in den letzten 12 Monaten im Durchschnitt 4,7-mal (SD = 6,9) und somit signifikant häufiger einen Allgemein- oder Facharzt auf als Väter (M = 3,2, SD = 3,7). Jedoch erhöhen häufige Arztbesuche in der Subgruppe der Eltern deren Impfbereitschaft sowie die Bereitschaft zur Kinderimpfung nicht signifikant.
In der Gesamtstichprobe ist mit Ablehnung „alternativer Heilmethoden“ eine signifikant höhere Impfbereitschaft verbunden. Ebenfalls besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Haltung zur Homöopathie und der eigenen Impfbereitschaft: Wird Homöopathie befürwortet, ist die Impfbereitschaft geringer. Auch in der Teilstichprobe der Eltern zeigt sich dieser Zusammenhang zwischen der Haltung zu Homöopathie und Impfbereitschaft (Tab.
2). Unter Eltern sind es wiederum Frauen, die signifikant häufiger eine positive Haltung zur Homöopathie haben als Männer, die häufiger gar nichts davon halten.
Tab. 2
Einstellung zur Homöopathie und Impfbereitschaft von Eltern in Prozent
Sicher nicht | 40,9 | 15,0 | 10,0 |
Eher nein | 21,5 | 29,6 | 26,0 |
Eher ja | 17,2 | 40,8 | 20,0 |
Ja sicher | 20,4 | 14,6 | 44,0 |
Impfbereitschaft (ja sicher, eher ja) | 37,6 | 55,4 | 64,0 |
Impfablehnung (eher nicht, sicher nicht) | 62,4 | 44,6 | 36,0 |
Gesamt | 100,0 | 100,0 | 100,0 |