Die Behandlung mit Östrogen (MzF) bzw. Testosteron (FzM) erfolgte bisher üblicherweise ab einem Alter von 16 Jahren unter Beibehaltung der GnRH-Therapie bzw. der Gestagen- oder antiandrogenen Therapie, nachdem vom betreuenden Gender-Team die Indikation gestellt und von somatischer Seite eine Kontraindikation ausgeschlossen wurde. Je nach Pubertätsstadium bei Behandlungsbeginn wird eine schrittweise Dosisadaptierung in sechsmonatlichen Intervallen, einem klassischen Pubertätsinduktionsschema entsprechend, über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren vorgenommen [
9]. Bei Jugendlichen in einem fortgeschrittenen Pubertätsstadium liegt die Anfangsdosis höher und erfolgt die Aufdosierung entsprechend rascher. Testosteron (z. B. Testosteronenantat) wird mittels vierwöchentlicher intramuskulärer Injektion oder täglich transdermal verabreicht, Östrogen als Tablette, z. B. 17-beta-Estradiol, Estradiolvalerat, oder ebenfalls transdermal, insbesondere, wenn eine Thrombophilieneigung besteht. Nach Erreichen der Volldosierung ist bei FzM üblicherweise Testosteron alleine ausreichend, um die Menstruation zu unterdrücken, und kann das GnRH-Analogon abgesetzt werden. Dagegen ist bei MzF weiterhin eine GnRH-Analoga- bzw. antiandrogene Therapie erforderlich, da eine komplette Suppression der endogenen Testosteronwirkungen mit Estradiol allein meist nicht gelingt [
9,
19]. Die spezifischen Wirkungen, Zeitpunkt des Einsetzens und Dauer bis zum Erreichen des maximalen Effekts sind in Tab.
1 angeführt, Nebenwirkungen in Tab.
2. Abhängig vom Alter, den klinischen Wirkungen und den Östrogen‑/Testosteronwerten wird die Therapie bezüglich Dosis bzw. Verabreichungsintervall (Testosteroninjektionen) adaptiert. Langzeitmorbidität und -mortalität wurden an Erwachsenenkollektiven untersucht und zeigten eine erhöhte Rate an thromboembolischen Ereignissen (0–5 %) bei MzF unter Östrogentherapie. Inwieweit die testosteronassoziierte Senkung des HDL-Cholesterins bei FzM das kardiovaskuläre Risiko im Langzeitverlauf erhöht, ist bisher unklar [
28]. Die bei MzF um 51 % erhöhte Mortalität gegenüber der Allgemeinbevölkerung war überwiegend nicht direkt therapieassoziiert (Substanzmissbrauch, Infektionen, Suizid). Testosteron bei FzM in üblicher Hormonersatzdosis war mit keiner erhöhten Mortalität verbunden [
29]. Psychologische Follow-up-Studien an hormonbehandelten Erwachsenen zeigten – wobei nicht ganz einheitlich und signifikant nur bei MzF – eine verbesserte Lebensqualität (Übersicht in [
30]). Bezüglich mittelfristiger Effekte bei Transgender-Jugendlichen existiert bisher eine Outcome-Studie an 55 holländischen Patient_innen (MzF: 22; FzM: 33), die vor Beginn der Pubertätsarretierung (13,6 Jahre), vor Beginn der gegengeschlechtlichen Therapie (16,7 Jahre) sowie ein Jahr nach geschlechtsangleichender Operation (20,7 Jahre) untersucht wurden. Subjektives Wohlbefinden und Lebensqualität hatten sich im Therapieverlauf bis zur Abschlussuntersuchung signifikant verbessert und waren gleich oder besser, verglichen mit einem nicht-transidenten, altersgematchten Vergleichskollektiv [
23].
Tab. 1Spezifische Wirkungen, Zeitpunkt des Einsetzens und Dauer bis zum Erreichen des maximalen Effekts der geschlechtsangleichenden Hormontherapie mit Östrogen bzw. Testosteron. Adaptiert nach [
9]
Östrogen |
Weniger fette, weichere Haut | 3–6 Monate | Unbekannt |
Verminderte Körperbehaarung | 6–12 Monate | > 3 Jahre |
Verminderte Libido, Spontanerektionen | 1–3 Monate | 3–6 Monate |
Verminderte Muskelmasse/-stärke | 3–6 Monate | 1–2 Jahre |
Fettrückverteilung | 3–6 Monate | 2–3 Jahre |
Brustwachstum | 3–6 Monate | 2–3 Jahre |
Vermindertes Hodenvolumen | 3–6 Monate | 2–3 Jahre |
Verminderte Spermiogenese | Unbekannt | > 3 Jahre |
Stimmveränderung | Keine | – |
Testosteron |
Fettige Haut/Akne | 1–6 Monate | 1–2 Jahre |
Vermehrte Körperbehaarung | 6–12 Monate | 4–5 Jahre |
Haarausfall Skalp | 6–12 Monate | – |
Vermehrte Muskelmasse/-stärke | 6–12 Monate | 2–5 Jahre |
Fettrückverteilung | 1–6 Monate | 2–5 Jahre |
Menstruationsunterdrückung | 1–6 Monate | – |
Klitorisvergrößerung | 1–6 Monate | 1–2 Jahre |
Vaginale Atrophie | 1–6 Monate | 1–2 Jahre |
Stimmvertiefung | 6–12 Monate | 1–2 Jahre |
Tab. 2Nebenwirkungen der geschlechtsangleichenden Hormontherapie. Adaptiert nach [
9]
Hohes Risiko | Hohes Risiko |
Thromboembolie | Erythrozytose (Hämatokrit > 50 %) |
Mäßiges Risiko | Mäßiges Risiko |
Hyperprolaktinämie | Schwere Leberfunktionsstörung |
Koronare Herzkrankheit | Koronare Herzkrankheit |
Zerebrovaskuläre Erkrankung | Zerebrovaskuläre Erkrankung |
Cholelitiasis | Hypertonie |
Hypertriglyceridämie | Brust‑/Gebärmutterkrebs |
Brustkrebs |