Das Spermiogramm wird standardisiert nach den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durchgeführt und umfasst eine gründliche makroskopische (Volumen, Farbe, Konsistenz, pH-Wert) sowie mikroskopische Untersuchung (Motilität, Vitalität, MAR-Test [„Mixed-Antiglobulin-Reaction-Test“], Leukozytenzählung, Konzentration und Morphologie). Ergänzend können biochemische Markeranalysen des Seminalplasmas und Probeaufbereitungen vorgenommen werden. Ein pathologisches Spermiogramm kann zwar eine ernsthafte Herausforderung für die männliche Fruchtbarkeit darstellen, es gibt jedoch in vielen Fällen Möglichkeiten zur Verbesserung. Glücklicherweise stehen heute verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Diese können von medikamentösen Therapien zur Behandlung von zugrunde liegenden Ursachen bis hin zu assistierten Reproduktionstechniken (ART) wie In-vitro-Fertilisation (IVF) reichen. Die Wahl der richtigen Behandlung hängt von der spezifischen Diagnose und den individuellen Umständen ab.
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Einleitung
Infertilität wird als die Unfähigkeit eines Paares definiert, innerhalb von 12 Monaten regelmäßigen, ungeschützten Geschlechtsverkehrs ein Kind zu empfangen. Die weltweite Prävalenz männlicher Unfruchtbarkeit liegt zwischen 2,5 und 12 %, wobei höhere Raten in Mittel‑/Osteuropa und Australien festgestellt wurden [1, 2]. Insgesamt sind 48 Mio. Paare weltweit von Infertilität betroffen [1]. Ursachen für Infertilität finden sich in etwa 30 % der Fälle beim Mann, in etwa 30 % bei der Frau und in 25–40 % bei beiden Partnern [3]. Etwa 50 % der Männer suchen aufgrund von Unfruchtbarkeit ärztliche Hilfe [4].
Männliche Unfruchtbarkeit kann durch verschiedene Faktoren verursacht werden, darunter Erkrankungen der Hoden und der Hypothalamus-Hypophysen-Achse (z. B. Kryptorchismus, Orchitis, Genitaltraktinfektionen wie Chlamydien und Gonokokken, Varikozele, Obstruktionen des männlichen Genitaltrakts und Hypogonadismus). Auch genetische Störungen (z. B. Klinefelter-Syndrom, Y‑Chromosom-Mikrodeletionen und Kallmann-Syndrom) und systemische Erkrankungen sowie medizinische Therapien können ursächlich sein. Eine Exposition gegenüber gonadotoxischen Substanzen, etwa durch Strahlen- oder Chemotherapie, beeinträchtigt ebenfalls die Spermienqualität [5]. Lebensstilfaktoren (oxidativer Stress) wie Rauchen, Alkoholkonsum, Drogenmissbrauch, Ernährung, Adipositas und psychischer Stress wirken sich zusätzlich in 30–80 % negativ auf die männliche Fruchtbarkeit aus ([1, 6], Tab. 1).
Tab. 1
Ursachen männlicher Infertilität
Nichtobstruktiv
– Hormonell (z. B. Hypogonadismus, Hyperprolaktinämie)
– Genetisch (z. B. Klinefelter-Syndrom, Mikrodeletionen)
– Gonadotoxisch (z. B. Strahlen‑, Chemotherapie)
– Medikamentös (z. B. Antihistaminika, Antidepressiva, H2-Rezeptor-Antagonisten)
– Kongenital (z. B. Maldescensus testis)
– Vaskulär (z. B. Varikozelen, Torsion)
– Infektiös (z. B. Orchitiden, Mumps)
– Testikuläres Trauma
– Neoplastisch (z. B. Keimzelltumoren)
– Autoimmun (z. B. Spermienautoantikörper)
Obstruktiv
– Genetisch (z. B. Fehlen des Vas deferens, zystische Fibrose)
– Infektiös (z. B. Chlamydien, Gonokokken)
– Zustand nach Vasektomie
– Iatrogen (z. B. nach Vasographie)
– Zystische Veränderungen (z. B. Utrikulus, Prostata)
Koital
– Erektionsstörungen
– Ejakulationsstörungen
– Penisdeformitäten (z. B. Hypospadien, Kurvaturen)
Idiopathisch
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Das Spermiogramm ist der wichtigste Schritt zur Beurteilung der männlichen Fruchtbarkeit. Die Ejakulatdiagnostik spiegelt die Funktion der Hoden, die Durchgängigkeit des Gangsystems und die sekretorische Aktivität der akzessorischen Drüsen wider [7]. Die Durchführung orientiert sich am WHO-Labor-Manual zur Untersuchung des Ejakulats, das zuletzt 2021 überarbeitet wurde ([8]; Tab. 2). Die Referenzwerte basieren auf Studiendaten fertiler Männer weltweit. Ziel der Ejakulatdiagnostik ist es, das Fertilitätspotenzial in Ergänzung zur klinischen und endokrinen Diagnostik zu bewerten, und sie liefert wichtige Informationen über den männlichen Faktor bei unfruchtbaren Paaren [9]. Zusätzlich ist die Ejakulatdiagnostik essenziell für den Erfolg der In-vitro-Fertilisation sowie das Management von Paaren, die eine assistierte Reproduktionstechnik (ART) wünschen [9]. Das Spermiogramm hilft auch, reversible medizinische Ursachen zu identifizieren, die die Fruchtbarkeit beeinträchtigen können [1].
Je nach Diagnose können eine weitergehende Diagnostik erfolgen und der Behandlungsplan angepasst werden. Bei der Wahl der assistierten Reproduktionstechnologien (ART) wie intrauteriner Insemination (IUI), In-vitro-Fertilisation (IVF) und intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) wird die Spermaanalyse berücksichtigt, um die besten Spermien für die Behandlung auszuwählen und den Erfolg zu maximieren.
Eine standardisierte Gewinnung und Analyse des Ejakulats ist entscheidend für die Beurteilung männlicher Fertilitätsstörungen. Schwankungen in der Qualität des Ejakulats können sowohl biologische als auch analytische Ursachen haben, daher sind standardisierte Rahmenbedingungen wichtig.
Basisdiagnostik zur Beurteilung der Fertilität in der Praxis
Die Diagnostik bei unerfülltem Kinderwunsch wird empfohlen, wenn dieser mindestens 12 Monate besteht. Eine frühere Diagnostik ist sinnvoll bei bekannten, die Fertilität beeinträchtigenden Erkrankungen oder Alter der Partnerin über 35 Jahren [9]. Die Diagnostik beginnt mit einer umfassenden Anamnese zur Ermittlung der Risikofaktoren. Essenziell sind klinische Untersuchungen zur Beurteilung der Hodengröße, des Ductus deferens, des äusseren Genitales sowie der Körperbehaarung und Brust. Sonographisch liegt der Fokus auf der Hodengröße und dem Hodenparenchym, und laborseitig wird eine Hormondiagnostik durchgeführt. Das Spermiogramm sollte 2‑mal im Abstand von 6–12 Wochen nach WHO-Standard durchgeführt werden. Die Ergebnisse dieser Diagnostik können zu weiteren differenzialdiagnostischen Untersuchungen oder Therapieentscheidungen führen.
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Spermiogramm nach Weltgesundheitsorganisation
Die Referenzwerte der WHO wurden in der 6. Auflage 2021 aktualisiert, um die demografische Unterrepräsentation einiger geografischer Regionen zu beheben [8]. Diese Auflage basiert auf Daten von 3589 fruchtbaren Männern aus der Zeit zwischen 2010 und 2020, einschließlich neuer Daten aus Südeuropa, Asien und Afrika. Trotz dieser Erweiterungen bleiben einige Regionen wie Südamerika und Subsahara-Afrika weiterhin unterrepräsentiert [10].
Das Ejakulat besteht zu etwa 5 % aus Spermien, die hauptsächlich aus dem Hoden stammen, und zu etwa 95 % aus Seminalplasma, das aus den Flüssigkeiten der Nebenhoden und akzessorischen Geschlechtsdrüsen (20–30 % Prostata und 50–65 % Samenblasen) besteht ([9]; Abb. 1).
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Das Standardspermiogramm untersucht nach WHO die Spermienzahl, -motilität und -morphologie. Zusätzlich werden Karenzzeit, Ejakulatvolumen, pH-Wert, Spermienvitalität, Rundzellen, Leukozyten und Spermienautoantikörper erfasst. Fakultativ kann die Analyse von Seminalplasmamarkern wie Alpha-Glukosidase, Fruktose und Zink ergänzt werden.
Die WHO empfiehlt vor der Probenentnahme eine sexuelle Abstinenz von 2–7 Tagen. Kürzere Abstinenz kann die Spermienmotilität, Morphologie und DNA-Integrität verbessern, während die längere Abstinenz das Spermavolumen und die Spermienzahl erhöht.
Volumen
Das Spermavolumen, das die Funktionalität der akzessorischen Drüsen widerspiegelt, sollte mindestens 1,4 ml betragen. Geringes Volumen kann auf unvollständige Entnahme, Samenleiterobstruktion oder Hypogonadismus hinweisen, während ein hohes Volumen auf eine Entzündung der akzessorischen Drüsen hindeuten kann. Die Volumenbestimmung ist entscheidend für die Berechnung der Gesamtzahl der Spermien, was für Therapieentscheidungen relevant ist.
Verflüssigung und Homogenität
Die Beurteilung des Ejakulats erfolgt nach der Verflüssigung, die innerhalb von 15 min bei Raumtemperatur beginnen sollte und bis zu 60 min dauern kann. Sanftes Mischen der Probe sorgt für eine homogene Konsistenz.
Farbe
Normales Sperma ist homogen und grau-opaleszent. Erhöhte Transparenz deutet auf eine geringere Spermienkonzentration hin, während rotbraune Verfärbungen auf Erythrozyten hinweisen können.
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Viskosität
Sperma gerinnt bei der Ejakulation und verflüssigt sich innerhalb von 15 min. Die Viskosität wird durch Pipettieren und Beobachten des Tropfverhaltens bestimmt. Hohe Viskosität, die sich durch Fadenbildung von mehr als 2 cm zeigt, beeinträchtigt die Bewertung der Spermienmotilität und -konzentration.
Spermienagglutination
Das Zusammenkleben von Spermien deutet auf immunologische Infertilität hin. Diese Agglutination wird nach Art und Ausmaß der Bindung beurteilt (Kopf-an-Kopf, Schwanz-an-Schwanz). Der MAR-(„Mixed Antiglobulin Reaction“)- oder Immunobead-Test kann Autoantikörper gegen Spermien nachweisen und wird klinisch relevant, wenn mehr als 50 % der Spermien betroffen sind.
pH-Wert
Der pH-Wert des Ejakulats sollte mindestens 7,2 betragen. Ein saurer pH-Wert kann auf eine Obstruktion hinweisen, während ein alkalischer pH-Wert oft auf eine verzögerte Analyse zurückzuführen ist.
Spermienkonzentration
Die Anzahl der Spermatozoen pro Volumeneinheit sollte mindestens 16 Mio./ml betragen, mit einer Gesamtzahl von mindestens 39 Mio. Spermien pro Ejakulat. Die Konzentration spiegelt die testikuläre Spermienproduktion, die Durchgängigkeit der Samenwege und die Spermienreserven des Nebenhodens wider.
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Spermienmotilität
Die Beweglichkeit der Spermien sollte unmittelbar nach der Verflüssigung bei einer Vergrößerung von 200- oder 400fach bei Raumtemperatur oder vorzugsweise bei 37 °C untersucht werden. Die Bewegungsqualität wird nach WHO-Richtlinien (2021) in Kategorien eingeteilt: schnell progressiv (A), langsam progressiv (B), nichtprogressiv (C) und immotil (D). Die Gesamtmotilität sollte mindestens 42 % betragen.
In der aktuellen Ausgabe der WHO (2021; [8]) werden die Begriffe Normozoospermie, Asthenozoospermie und Teratozoospermie nicht mehr berücksichtigt. Diese Terminologie wurde entfernt, da die alleinige Betrachtung von Referenzschwellenwerten unzureichend und eine umfassende Analyse mehrerer Kriterien erforderlich ist, um die Diagnose der männlichen Unfruchtbarkeit präzise zu stellen. Obwohl diese Entscheidung inhaltlich korrekt ist, bleibt die Verwendung dieser Begriffe in der Praxis weiterhin bestehen. Ejakulate mit Werten inner- oder ausserhalb dieser Referenzgrenzen können durch die Nomenklatur aus Tab. 3 beschrieben werden.
Tab. 3
Terminologie der Ejakulatwerte
Spermienkonzentration
Progressive Motilität
Morphologie
Normozoospermie
>16 Mio./ml
>30 %
>4 % Normalformen
Azoospermie
0
–
–
Oligozoospermie
<16 Mio./ml
Norm
Norm
Asthenozoospermie
Norm
<30 %
Norm
Teratozoospermie
Norm
Norm
<4 %
OAT: Oligoasthenoteratozoospermie
<16 Mio./ml
<30 %
<4 %
Spermienmorphologie
Ein normales Spermium besteht aus Kopf, Mittelstück und Schwanz. Atypische Morphologien, die auf abnorme Spermatogenese oder genetische Anomalien hinweisen, können durch strenge Kriterien beurteilt werden, wobei ein unterer Referenzwert von 4 % normalen Spermien als Standard gilt.
Rundzellen
Neben Spermien enthält das Ejakulat auch Epithelzellen und Rundzellen (Spermatogenesezellen und Leukozyten). Eine erhöhte Leukozytenzahl (≥ 1 Mio. Leukozyten/ml, Peroxidase positiv) weist auf eine Infektion der Samenwege hin, was eine mikrobiologische Untersuchung erforderlich macht.
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Zink
Ein Bestandteil mit ≥2,4 μmol/Ejakulat des Prostatasekrets.
Fruktose
Ein Bestandteil mit ≥13 μmol/Ejakulat des Samenblasensekrets, welches am Energiestoffwechsel und der Motilität der Spermien beteiligt ist.
α-Glukosidase
Ein Bestandteil mit ≥20 mU/Ejakulat des Nebenhodensekrets und einer der wichtigsten Marker für die epididymale Funktionalität.
DNA-Fragmentierung
Spermien-DNA-Schäden umfassen jegliche chemische Veränderung der normalen DNA-Struktur. Eine der häufigsten Störungen ist die Fragmentierung der Spermien-DNA, die zu Einzel- oder Doppelstrangbrüchen des genetischen Materials führt. Diese Fragmentierung kann durch verschiedene Prozesse ausgelöst werden, wie z. B. fehlerhafte DNA-Verpackung während der Spermatogenese sowie Zelltod und oxidativen Stress. Es existieren mehrere Methoden, um die DNA-Fragmentierung im Spermachromatin zu testen [8].
Fazit für die Praxis
Bei einer generell hohen Prävalenz von Unfruchtbarkeit sind für den Mann spezifische Faktoren in bis zu 50 % der Fälle dafür verantwortlich; die weltweite Prävalenz männlicher Unfruchtbarkeit liegt zwischen 2,5 und 12 %.
Ursachen für die männliche Unfruchtbarkeit sind vielfältig.
Das Spermiogramm ist ein wesentlicher Bestandteil der Untersuchung bei unerfülltem Kinderwunsch und dient als Grundlage für die Auswahl der optimalen Therapieoption.
Eine standardisierte Gewinnung und Analyse des Ejakulats sind entscheidend für die Beurteilung männlicher Fertilitätsstörungen. Dies umfasst sowohl makroskopische (Volumen, Farbe, pH-Wert) als auch mikroskopische Untersuchungen (Motilität, Vitalität, Konzentration).
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
M. Hunziker, N. Lautenbach und D. Eberli geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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