Open Access 06.08.2019 | Fallbericht
Behandlung einer familiären Hypercholesterinämie in einer pädiatrischen Praxis – Case Report
Erschienen in: Pädiatrie & Pädologie | Ausgabe 4/2019
Zusammenfassung
Im Lauf einer klinischen Untersuchung fand man bei einer 13-jährigen weiblichen Patientin zufällig eine Gesamt-Cholesterol-Konzentration von 314 mg/dl und eine Low-density-Lipoprotein-Cholesterol(LDL-C)-Konzentration von 250 mg/dl. Da der Vater ebenso erhöhte Cholesterolwerte (~280 mg/dl) aufwies, wurde die Diagnose der Familiären Hypercholesterinämie gestellt. Mithilfe einer Ernährungsumstellung und einer kombinierten Medikamentengabe wurde die LDL-C-Konzentration auf einen Normalwert reduziert.
Eine 13 Jahre alte Patientin fällt im Rahmen einer Abklärung einer vermuteten endokrinen Störung mit massiv erhöhter Low-density-Lipoprotein-Cholesterol(LDL-C)-Konzentration (>250 mg/dl) auf. Durch eine positive Familienanamnese (Vater Cholesterinkonzentration 280 mg/dl) wird entsprechend der internationalen Kriterien die Diagnose familiäre Hypercholesterinämie (FH) gestellt und die Patientin in eine spezifische Behandlung für FH-Patienten und -Patientinnen eingeschleust. Durch diabetische und medizinische Therapie gelingt eine Normalisierung der LDL-Werte.
Die familiäre Hypercholesterinämie (FH) ist eine genetische Erkrankung des Lipoproteinstoffwechsels, die aufgrund einer Abbaustörung in der Leber mit einer schon bei Kindern erhöhten LDL-C Konzentration einhergeht. Die Prävalenz beträgt etwa 1:200 bei heterozygotem und 1:160.000–300.000 bei homozygotem Genotyp und ist eine der häufigsten angeborenen Stoffwechselstörungen. Bei schweren Formen kann es schon in jungen Jahren zu Atherosklerose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen – sowie selten Xanthelasmen – kommen. Der Anstieg von LDL-C ist in 95 % der Fälle auf einen Defekt in den LDL-Rezeptor-Allelen und nur in geringem Anteil auf eine Mutation in Apolipoprotein B oder Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9 (PCSK9) zurückzuführen. Eine möglichst frühe Diagnose sowie ein rascher Therapiebeginn ermöglichen es, den Beginn einer Atherosklerose zu verzögern und damit Herz-Kreislauf-Erkrankungen im frühen Alter zu verhindern oder überhaupt zu vermeiden.
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In einer pädiatrischen Praxis ist die Diagnose einer familiären Hypercholesterinämie über einen klinischen Phänotyp (erhöhte LDL-C Werte bei positiver Familienanamnese auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen und/oder Hypercholesterinämie) oder über eine genetische Diagnose zu stellen. Der Zeitraum des Kinder- und Jugendalters wird auch als ideal zur Differenzierung zwischen familiärer und nichtfamiliärerer Hypercholesterinämie angesehen.
Bei der 13-jährigen Patientin wird im Oktober 2016, durch den klinischen Verdacht auf eine Hypothyreose, eine LDL-C-Konzentration von 252 mg/dl sowie eine Gesamtcholesterinkonzentration von 314 mg/dl festgestellt. Nach einem Anamnesegespräch wird die Diagnose familiäre Hypercholesterinämie gestellt, da der Vater der Patientin einen LDL-C-Wert von 172 mg/dl sowie einen Gesamtcholesterinwert von 280 mg/dl angibt und der Bruder der Patientin ebenfalls erhöhte Cholesterinwerte aufweist. Eine bei der Patientin durchgeführte Messung der Intima-Media-Dicke (IMT) im März 2017 ergibt noch keine Verdickung, die typisch für FH wäre. Eine genetische Untersuchung der Patientin im Januar 2018 ergibt keine Mutation im LDL-Rezeptor-Gen.
Der Therapieverlauf wird in Abb. 1 dargestellt.
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Im September 2017 wird eine diätologische Schulung mit Ernährungsprotokoll und Ernährungsumstellung begonnen. Dadurch kann der LDL-C-Wert von 261 auf 237 mg/dl gesenkt werden. Eine regelmäßige Ernährungsschulung wird während der gesamten weiteren Therapie fortgesetzt.
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Im Januar 2018 wird zusätzlich eine medikamentöse Therapie mit 5 mg Rosuvastatin/Tag gestartet, wodurch der LDL-C-Wert auf 213 mg/dl sinkt. Eine Erhöhung auf 10 mg Rosuvastatin/Tag im März 2018 bei völliger Nebenwirkungsfreiheit führt zu einem LDL-C-Wert von 187 mg/dl. Trotz einer Erhöhung von Rosuvastatin auf 15 mg/Tag kommt es im September 2018 wieder zu einem LDL-C-Wert von 200 mg/dl und im November 2018 bei einer Steigerung von Rosuvastatin 20 mg/Tag zu einem LDL-C Wert von 204 mg/dl.
Im Februar 2019 wird deshalb zusätzlich zu Rosuvastatin 20 mg/Tag eine kombinierte Behandlung mit einer Tablette Ezitimib begonnen, wodurch ein LDL-C-Spiegel von 118 mg/dl erreicht werden konnte. Der Patientin wird eine Blutkontrolle alle 3 Monate empfohlen.
Die Fallbeschreibung zeigt klar auf, dass die Entdeckung und Therapie von Patienten und Patientinnen mit FH in einer pädiatrischen Praxis leicht möglich ist und der Pädiater oder die Pädiaterin bei der Diagnose der Erkrankung eine Schlüsselrolle spielen kann. Die Diagnose erfolgte aufgrund von eindeutig erhöhten LDL-C-Werten bei der Patientin und der Familienanamnese (Vater und Bruder hatten Hypercholesterinämie). Die Nachfrage nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Familie blieb erfolglos, wobei festgehalten werden muss, dass der Kontakt zu früheren Vorfahren bzw. Verwandten 2. Grades sehr schwach war. Die Diagnose konnte durch eine DNA-Untersuchung des LDL-Rezeptor-Gens nicht verifiziert werden.
Der Therapieverlauf (Abb. 1) zeigt, dass eine Ernährungsmodifikation zwar effektiv ist, aber – wie erwartet – eine Senkung des LDL-C-Werts um etwa 10 % herbeiführen kann. Die medikamentöse Therapie (zuletzt Medikation von Rosuvastatin + Ezetrol [MSD, Haar, Deutschland]) hat zu einer Normalisierung der LDL-C-Werte geführt. Dadurch kann mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Progression der Atherosklerose aufgehalten werden kann.
Es soll mit der Falldarstellung gezeigt werden, dass das Management von Patienten und Patientinnen mit FH in einer pädiatrischen Praxis fachgerecht möglich ist. Aufgrund der Prävalenz von bis zu 1:200 müssen sich Pädiater und Pädiaterinnen mit dem Thema eingehend beschäftigen.
L. Lang, M. Schrittwieser, D. Zaknun, R. Sunder-Plassmann, H. Esterbauer und K. Widhalm geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patienten zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern eine schriftliche Einwilligung vor.
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