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Erschienen in: Journal für Gastroenterologische und Hepatologische Erkrankungen 4/2023

Open Access 24.11.2023 | Originalien

Weiterentwicklung der Lebertransplantation durch Maschinenperfusion

verfasst von: Dr. Felix J. Krendl, Dr.in Silvia Gasteiger, Assoz.-Prof. PD Dr. Rupert Oberhuber, PhD, FEBS (transplant), PD Dr. Benno Cardini, FEBS (transplant), Prof. Dr. Stefan Schneeberger, MBA (HSG), FEBS (transplant)

Erschienen in: Journal für Gastroenterologische und Hepatologische Erkrankungen | Ausgabe 4/2023

Zusammenfassung

Der Mangel an geeigneten Spenderlebern hat das Interesse an der Maschinenperfusion verstärkt. Während die SCS (Static-Cold-Storage)-Präservation für optimale Spenderorgane ausreichend ist, sind marginale Organe empfindlicher gegenüber Ischämie-Reperfusionsschäden. Es gibt verschiedene Maschinenperfusionstechniken die aktuell zur klinischen Anwendung kommen: Die hypotherme oxygenierte Maschinenperfusion (HOPE) fokussiert auf mitochondriale Regeneration und reduziert Reperfusionsschäden und Gallengangkomplikationen; die normotherme Maschinenperfusion (NMP) verlängert die Präservationszeit und ermöglicht eine Prüfung der Organfunktionsfähigkeit. Mit Hilfe der NMP lässt sich die Präservationszeit erheblich verlängern, wodurch Lebertransplantationen besser planbar werden. Dies ist besonders bei chirurgisch komplexen Fällen sehr hilfreich. Auch während der COVID-19-Pandemie zeigten sich die Vorteile der NMP in Bezug auf Zeit und Logistik. Eine Kombination von HOPE und NMP scheint am vielversprechendsten zu sein, um das Potenzial der Maschinenperfusion voll auszunutzen.
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Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

Hintergrund

Die Lebertransplantation (LT) hat sich seit der ersten von Tom Starzl erfolgreich durchgeführten LT 1967 in Denver [1] von einem experimentellen Ansatz zur klinischen Routine entwickelt. Sowohl medizinische Fortschritte in der präoperativen Abklärung und Optimierung der Patient:innen als auch die Standardisierung des perioperativen Managements sowie der chirurgisch-technische Fortschritt und die verbesserte Patient:innen-orientierte Nachsorge haben dazu geführt, dass die LT heutzutage die Therapie der Wahl für Patient:innen mit Leberversagen im Endstadium („end stage liver disease“, ESLD) darstellt [2, 3].
Diese positiven Entwicklungen hatten eine breitere Indikationsstellung zur Folge, sodass die LT heutzutage nicht mehr nur für Patient:innen mit ESLD, sondern auch für Patient:innen mit onkologischen Erkrankungen ein wertvolles Therapieverfahren darstellt [4]. Leider reicht die Zahl der verfügbaren Organe für die Versorgung der Patient:innen nicht aus. So erhalten in den USA nur 49 % der für eine LT gelisteten Patient:innen im ersten Jahr auch tatsächlich ein passendes Spenderorgan. Drei Jahre nach Listung sind lediglich 56 % der Patient:innen erfolgreich transplantiert worden, während 11 % der initial gelisteten Patient:innen zwischenzeitlich verstorben sind und 23 % von der Warteliste genommen werden mussten – in den meisten Fällen, weil sich der Zustand der Patient:innen so verschlechtert hat, dass eine LT für sie nicht mehr in Frage kommt [5]. In den letzten Jahrzehnten wurden unterschiedliche Maßnahmen ergriffen, um die Diskrepanz zwischen der konstant hohen Anzahl an Patient:innen, die auf eine lebensrettende LT warten, und der im Verhältnis geringen Verfügbarkeit an passenden Spenderorganen auszugleichen. Hierzu gehören zum einen der Aufbau von Leberlebendspende-Programmen in spezialisierten Zentren, die Post-mortem-Splitlebertransplantation sowie die erhöhte Akzeptanz von marginalen Spenderorganen [69].
Unter marginalen Spenderorganen versteht man jene Organe, welche von sogenannten „extended criteria donors“ (ECD) stammen (Tab. 1; [10]). Diese ECD-Organe sind gegenüber dem sog. Ischämie-Reperfusionsschaden, der im Rahmen der Organentnahme beziehungsweise des Organtransports bisher unvermeidbar war, sehr empfindlich und nehmen hier zusätzlich Schaden.
Tab. 1
ET-ECD-Kriterien
Spenderalter
> 65 Jahre
ICU-Aufenthalt mit Beatmung
> 7 Tage
BMI
> 30 kg/m2
Makrovesikuläre Steatose
> 40 %
Serum-Natrium
> 165 mmol/l
Serum-ALT (GPT)
> 105 U/l
Serum-AST (GOT)
> 90 U/l
Serum-Bilirubin
> 3 mg/dl
Spendertyp
DCD
BMI Body Mass Index; DCD „donation after cardiocirculatory death“; ECD „extended criteria donor“; ET Eurotransplant; ICU „intensive care unit“

Ischämie-Reperfusionsschaden

Der Ischämie-Reperfusionsschaden („ischemia reperfusion injury“, IRI) beeinflusst sowohl das Kurzzeit- als auch Langzeitoutcome nach Organtransplantation [11]. Der Sauerstoffmangel in der ischämischen Phase sowie die Reoxygenierung im Rahmen der Reperfusion induzieren im Organ eine Kaskade pathologischer Ereignisse. In Mitochondrien führt der Sauerstoffmangel zu einer Unterbrechung des Elektronenflusses durch die mitochondriale Elektronentransportkette. Die Folge sind ein konstanter und schneller Verlust von ATP sowie eine Akkumulierung von Succinat. In den ersten Sekunden der Reperfusion versuchen die Mitochondrien, den Elektronenfluss wiederherzustellen, das akkumulierte Succinat zu metabolisieren und die ATP-Speicher wieder aufzufüllen. Dies bedingt eine kurzfristige akute mitochondriale „Überlastung“ mit einem reversen Elektronenfluss Richtung Komplex I der Atmungskette, wo es letztlich zu einer exzessiven Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies („reactive oxygen species“, ROS) kommt [12]. ROS schädigen zelluläre Proteine, Lipide und Ribonukleinsäuren, was zu Zellnekrosen führt. In weiterer Folge kommt es zur Freisetzung von „damage-associated molecular patterns“ (DAMP), welche über die Interaktion mit „pattern recognition receptors“ (PRR) zu einer Aktivierung des angeborenen Immunsystems führen. Das Endresultat ist eine sterile Entzündungsreaktion mit Expression von proinflammatorischen Zytokinen und Adhäsionsmolekülen sowie eine überschießender Endothelzellaktivierung, welche schlussendlich zu einer endothelialen Dysfunktion und Mikrozirkulationsstörung führt [13, 14]. Die Folgen sind eine erhöhte Gefäßpermeabilität, Ödembildung, Thrombosen und Zellnekrosen mit dem klinischen Endergebnis einer Transplantatdysfunktion, welche im schlimmsten Fall sogar zum Organverlust führen kann [15, 16]. Oftmals ist dabei jedoch nicht der Schaden, der am Hepatozyten entsteht problematisch, sondern jener, der das sensiblere Gallengangsystem betrifft. Das Auftreten von so genannten Post-Transplant-Cholangiopathien bedeutet häufig den Organverlust. Diese Komplikation stellt bis heute die Achillesferse der LT dar [17, 18].
Sowohl modifizierbare als auch nichtmodifizierbare Faktoren beeinflussen das Ausmaß des IRI. Zu den nichtmodifizierbaren Faktoren gehören vor allem Spenderfaktoren wie zum Beispiel Spenderalter, Komorbiditäten des Spenders, sowie Spendertyp (Hirn- vs. Herztod). Organe von Spender:innen nach einem Herztod („donation after circulatory death“, DCD) sind im Gegensatz zu Organen von hirntoten Spender:innen („donation after brain death“, DBD) im Rahmen der Organentnahme einer zusätzlichen warmen Ischämiezeit („warm ischemia time“, WIT) ausgesetzt. Diese zusätzliche WIT führt zu einer höheren Rate an Post-Transplant-Cholangiopathien und wirkt sich somit negativ auf das Transplantat- und Patientenüberleben aus [19, 20] Der wichtigste „modifizierbare Faktor“ ist die Dauer der Präservation beziehungsweise das Präservationsverfahren an sich.

Präservationsverfahren

Seit den 1960er-Jahren stellt die Lagerung eines Organs auf Eis in 4 °C kalter Perfusionslösung („static cold storage“, SCS) das Standardverfahren der Organkonservierung bis zum Zeitpunkt der Transplantation dar [21]. Es handelt sich hierbei um ein logistisch einfaches, günstiges und ubiquitär verfügbares Verfahren. Der Nachteil dieser Methode ist, dass es trotz der durch die Kühlung reduzierten Stoffwechsellage aufgrund eines Mangels an Sauerstoff und Substraten zu einer fortschreitenden Degradation des Organs kommt, sodass die Präservationsdauer zeitlich limitiert ist [22].
Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts beschäftigte sich der Franzose Alexis Carell mit der Konservierung von Geweben und Organen außerhalb des Körpers [23]. Gemeinsam mit dem Piloten und Ingenieur Charles Lindbergh entwickelte er schließlich 1935 den ersten Prototyp einer Perfusionsmaschine mit dem in Folge mehr als 900 erfolgreiche Ex-situ-Perfusionsexperimente unter normothermen Bedingungen durchgeführt wurden [24]. Zunächst auf die Perfusion kleinerer Organe beschränkt, wurde der Prototyp 1964 von Lindbergh weiterentwickelt, um auch Platz für die Perfusion größerer Organe zu bieten [23]. Ebenfalls in den 1960er-Jahren entwickelte Belzer eine portable Perfusionsmaschine für die hypotherme Perfusion von Nieren, die erstmal auch klinische Anwendung fand [2527]. Starzl war schließlich der Erste, der Ende der 1960er-Jahre die hypotherme Maschinenperfusion (HMP) klinisch im Rahmen der LT einsetzte [1, 28]. Mit der Entwicklung von neuen, besseren Präservationslösungen – zunächst „Collins solution“, später „University of Wisconsin (UW) solution“ [29] – ist der anfängliche Enthusiasmus für die Maschinenperfusion abgeebbt, und der klinische Fokus hat sich zunehmend auf die SCS verlagert [30]. Die Präservation mittels SCS war deutlich weniger aufwendig, und Studien aus den 1980er-Jahren konnten keine wesentlichen Vorteile für die Maschinenperfusion im Vergleich zur SCS zeigen [31]. Es sollten letztlich mehr als 30 Jahre vergehen, bis die HMP bei der LT wieder klinisch zur Anwendung kam [32]. Parallel zur HMP wurde die Entwicklung der normothermen Maschinenperfusion (NMP) durch Peter Friend und sein Team in Oxford vorangebracht [33]. Im Jahr 2013 wurde die erste humane Leber nach NMP erfolgreich transplantiert [34].

Maschinenperfusion

Für die Maschinenperfusion stehen prinzipiell unterschiedliche Modelle, was Zeitpunkt und Temperatur betrifft, zur Verfügung. Bei dem „Back-to-Base-Modell“ wird das Organ auf Eis gekühlt (SCS) vom Spender- zum Empfängerzentrum transportiert und im Empfängerzentrum an die Maschinenperfusion angeschlossen [35]. Bei diesem Ansatz ist der logistische Aufwand deutlich geringer als bei der Maschinenperfusion, direkt nach der Organentnahme, da der Transport von Perfusionsgeräten sowie zusätzlichem Personal zum Spenderkrankenhaus entfällt. Auch was die Temperatur betrifft, stehen unterschiedliche Methoden zur Verfügung. So kann, wie bereits erwähnt, die Maschinenperfusion unter hypo- oder normothermen Bedingungen erfolgen [36]. Auch eine Kombination von hypo- und normothermer Perfusion mit kontrolliertem Erwärmen („controlled rewarming“, COR) als Übergang ist eine mögliche Form der Maschinenperfusion, die klinisch Anwendung findet [37].

Normotherme Maschinenperfusion

Bei der NMP wird die Spenderleber bei 37 °C mit Blut oder einem blutbasierten Sauerstoffträger unter annähernd physiologischen Bedingungen über die Arteria hepatica und die Pfortader perfundiert [36].
Die erste humane normotherme Maschinenperfusionsstudie wurde 2016 publiziert und hat 20 NMP-Lebern mit 40 SCS-Lebern verglichen, wobei keine Unterschiede im Outcome hinsichtlich „early allograft dysfunction“ (EAD), „primary non-function“ (PNF) und 30-Tage-Transplantatüberleben festzustellen waren [34]. Nasralla et al. haben 2018 in Nature die Ergebnisse des COPE-Trials, der ersten randomisierten kontrollierten Studie, publiziert [38]. Dabei wurden 334 Spenderorgane bei Organakzeptanz entweder in eine NMP- (n = 170) oder in eine SCS-Gruppe (n = 164) randomisiert. Schlussendlich wurden 220 Lebern transplantiert (NMP n = 121 vs. SCS n = 101). Der primäre Endpunkt der Studie war definiert als der Unterschied zwischen dem Peak-Serum-AST-Wert in beiden Gruppen innerhalb von sieben Tagen nach der Transplantation. Im NMP-Arm der Studie war der Serum-AST-Peak signifikant geringer als in der SCS-Gruppe (488 U/l vs. 964 U/l, p < 0,0001), ebenso die Inzidenz der EAD (10 % vs. 30 %, p = 0,0002). Hinsichtlich Transplantat- und Patientenüberleben war kein Unterschied zwischen beiden Gruppen festzustellen, wobei die gesamte Präservationszeit (714 min vs. 465 min, p < 0,0001) sowie die Utilisierungsrate (88 % vs. 76 %, p = 0,008) in der NMP-Gruppe deutlich länger beziehungsweise höher waren als in der SCS-Gruppe [38]. Mergental et al. und Watson et al. konnten ebenfalls eine höhere Organverwendung durch den Einsatz der NMP zeigen [39, 40]. Bei beiden Studien wurden Lebern, die im gesamten UK für eine LT abgelehnt worden waren, normotherm maschinenperfundiert. Letztendlich erreichten 71 % und 47 % der initial als nicht transplantabel eingestuften Lebern prädefinierte Viabilitätskriterien und wurden daraufhin transplantiert.
In einer randomisierten kontrollierten Studie aus den USA, bei der ebenfalls NMP (n = 151) mit SCS (n = 142) verglichen wurde, berichten Markmann et al. von einer höheren DCD-Utilisierungsrate in der NMP-Gruppe. In der NMP-Gruppe wurden 28 von 55 (51 %) der DCD-Lebern transplantiert während in der SCS-Gruppe nur 13 von 51 (26 %) der DCD-Lebern transplantiert wurden (p = 0,007). Im Einklang mit den Ergebnissen der Studie von Nasralla et al. war die EAD-Rate in der NMP-Gruppe signifikant geringer (18 % vs. 31 %, p = 0,01). Bemerkenswerterweise traten in der NMP-Gruppe weniger Post-Transplant-Cholangiopathien auf (3 % vs. 10 %; p = 0,02), obwohl die DCD-Rate in der NMP-Gruppe höher war (19 % vs. 8 %). Eine Erklärung dafür könnte die signifikant kürzere CIT (kalte Ischämiezeit) Dauer in der NMP-Gruppe sein (175 min vs. 339 min, p < 0,001), die sich dadurch ergibt, dass die NMP im Rahmen der Studie unmittelbar nach Organentnahme im Spenderkrankenhaus begonnen wurde.
Neben den logistischen Vorteilen scheint das größte Potenzial der NMP die Möglichkeit der Viabilitätstestung von marginalen Organen vor der Transplantation und der daraus resultierenden höheren Utilisierungsrate zu sein. Wie eingangs erwähnt, ist die großzügigere Akzeptanz von marginalen Organen eine Möglichkeit, dem Organmangel entgegenzuwirken. Die SCS erlaubt im Gegensatz zur NMP kein dynamisches Assessment der Organviabilität, was möglicherweise zu einer unnötig hohen Ablehnungsrate dieser marginalen Spenderlebern führt [41]. Ein „unmet need“ der normothermen Maschinenperfusion bleibt allerdings die Definition von validen und verlässlichen Viabilitätskriterien – vor allem was das biliäre Kompartiment betrifft – und damit eine möglichst akkurate Vorhersage, welche der marginalen Spenderlebern mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Post-Transplant-Cholangiopathie entwickeln wird. Beispielhaft dafür ist die schon zitierte VITTAL-Studie von Mergental et al. bei der, nach einer medianen NMP-Zeit von 587 min, 22 von 31 (71 %) initial als nicht transplantabel eingestuften Lebern prädefinierte Viabilitätskriterien erfüllten und in der Folge transplantiert wurden. Zwar war die Viabilitätsmessung beziehungsweise Vorhersage, was die hepatozelluläre Funktion betrifft, zuverlässig – keine Patient:in entwickelte eine PNF –, allerdings entwickelten die Empfänger:innen in vier Fällen (18 %) eine Post-Transplant-Cholangiopathie [42]. Auch in der Studie von Watson et al. konnte eine Post-Transplant-Cholangiopathie-Inzidenz von 18 % beobachtet werden [40]. Im Gegensatz zur NMP wurden im Rahmen der hypothermen oxygenierten Maschinenperfusion (HOPE) von marginalen Spenderlebern, insbesondere jenen von DCD-Spender:innen, geringere Raten an Post-Transplant-Cholangiopathien berichtet [43].
Ein weiterer Ansatz wurde 2018 von He et al. beschrieben: Mit Hilfe der NMP wird eine ischämiefreie LT („ischemia-free liver transplantation“, IFLT) möglich [58]. Diese Gruppe hat rezent auch die Ergebnisse der ersten, randomisierten kontrollierten Studie, bei der die IFLT mit SCS verglichen wurde, publiziert [59]. Die Ergebnisse erscheinen vielversprechend. Ob eine Anwendung der sehr anspruchsvollen Methode auf breiter Basis möglich sein wird, bleibt abzuwarten [60].

Hypotherme Maschinenperfusion

Bei der hypothermen Maschinenperfusion wird die Spenderleber bei 8 –12 °C, in den meisten Fällen unter Zugabe von Sauerstoff (hypotherme oxygenierte Maschinenperfusion, HOPE), mit einer azellulären Lösung perfundiert [44]. Im Gegensatz zur NMP kann die Perfusion nur über die Pfortader oder über Arterie und Pfortader (D-HOPE) erfolgen. Bereits ein kurzer Zeitraum von 1–2 h endischämischer HOPE kann die Mitochondrien von einem energiedepletierten auf ein vollständig regeneriertes Energieniveau bringen und schützt dadurch die Spenderlebern vor dem IRI [45]. Der Mechanismus, der diesem Effekt zugrunde liegt, beruht auf einer mitochondrialen Reprogrammierung unter hypothermen, aeroben Bedingungen. Genauer gesagt, ermöglich die hypotherme Oxygenierung eine langsame, kontrollierte Metabolisierung von akkumuliertem Succinat unter gleichzeitiger Auffüllung der ATP-Speicher, was eine geringere oxidative Schädigung der Mitochondrien bei der Reperfusion zur Folge hat [12]. So gelingt es, mit Hilfe der HOPE das Risiko einer Post-Transplant-Cholangiopathie zu minimieren [46]. Des Weiteren kommt es durch den weniger stark ausgeprägten IRI zu einer geringeren Rate an Reperfusionssyndromen und EAD. Ebenso scheint durch die geringere „Downstream-Aktivierung“ des angeborenen Immunsystems das Risiko einer Abstoßungsreaktionen abzunehmen [46].
Nach den ersten klinischen Studien von Guarrera et al. [32] und Dutkowski et al. [47], bei denen Sicherheit und Machbarkeit der HMP beziehungsweise HOPE demonstriert werden konnte, wurden 2021 die Ergebnisse der ersten randomisierten kontrollierten Multizenterstudien publiziert [46, 48].
In der Arbeit von van Rijn et al. [46] wurden 156 Patienten, die eine DCD-Leber erhalten sollten, in eine Interventionsgruppe (SCS und endischämischer D‑HOPE, n = 78) und in eine Kontrollgruppe (nur SCS, n = 78) randomisiert. Der primäre Endpunkte der Studie war die Inzidenz von Nicht-Anastomosen-Stenosen (NAS) beziehungsweise Post-Transplant-Cholangiopathien 6 Monate nach LT. Dieser Endpunkt wurde erreicht: In der D‑HOPE-Gruppe betrug die Inzidenz 6 % vs. 18 % in der SCS-Gruppe (p = 0,03). Auch die Inzidenz von EAD (26 % vs. 40 %) und Reperfusionssyndromen (28 % vs. 46 %) war in der Interventionsgruppe signifikant geringer. Allerdings war kein Unterschied hinsichtlich Transplantat- und Patientenüberleben zwischen den beiden Gruppen festzustellen. Ebenfalls in einer randomisierten kontrollierten Studie untersuchten Czigany et al. [48] den Einfluss der HOPE auf marginale Spenderorgane (ECD) von DBD-Spender:innen. Patient:innen in der HOPE-Gruppe hatten in den ersten 90 Tage nach LT weniger schwere Komplikationen als Patient:innen in der SCS-Gruppe (44 % vs. 74 %, p = 0,036), allerdings war die Inzidenz von Gallengangkomplikationen in der HOPE-Gruppe nicht signifikant geringer als in der SCS-Gruppe (17 % vs. 26 %, p = 0,722). Auch in dieser Studie war der Unterschied im Transplantat- und Patientenüberleben nach einem Jahr nicht signifikant (91 % vs. 78 %, p = 0,253 bzw. 91 % vs. 83 %, p = 0,442).
Schlegel et al. [49] haben ebenfalls die Rolle der HOPE im Rahmen der LT von ECD-DBD-Organen in einer randomisierten kontrollierten Studie untersucht. Die Studie hat weder ihren primären Endpunkt noch ihre sekundäre Endpunkte erreicht. HOPE hatte keinen Einfluss auf das Outcome nach LT in diesem Kontext. Von allen bisher publizierten randomisierten kontrollierten Studien war das Spenderrisiko, quantifiziert durch den so genannten Donor Risk Index (DRI), in dieser Studie am geringsten [50, 51]. Es stellt sich daher in diesem Zusammenhang die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer „mitochondrialen Reprogrammierung“ mit dem Ziel, den IRI möglichst gering zu halten, wenn die Organqualität per se gut ist.
Vorteile der HOPE sind die relativ einfache Handhabung sowie die Sicherheit dieser Präservationsmethode. Eine technische Fehlfunktion, die zu einem Ausfall oder zu einer unzureichenden Perfusion der Leber führt, ist nicht unmittelbar schädlich für das Organ, da es weiterhin in gekühlter Perfusionslösung gelagert wird. Hingegen ist bei der NMP ein Geräte- oder Anwenderfehler, der zu einem Perfusionsausfall führt, ein Ereignis, welches den Organverlust zur Folge haben kann.
Die Nachteile der HOPE liegen vor allem in der – aufgrund des bei den subphysiologischen Temperaturen reduzierten Zellstoffwechsels – eingeschränkten Möglichkeit der Viabilitätstestung [52]. Neuere Ansätze wie D‑HOPE gefolgt von kontrolliertem Erwärmen und normothermer Maschinenperfusion (DHOPE-COR-NMP) kombinieren die Vorteile der beiden derzeit klinisch zur Anwendung kommenden Perfusionsstrategien [53].

DHOPE-COR-NMP

Nach ersten präklinischen Studien an „discarded livers“, bei denen die Kombination von HOPE, COR und NMP zu einer deutlich verbesserten Viabilität geführt hat [54], hat die Groningen-Gruppe um Robert Porte die ersten prospektiven klinischen Studien initiiert. In Arbeiten von de Vries et al. [55] sowie van Leeuwen et al. [53] konnten schließlich vielversprechende Ergebnisse erzielt werden. So konnten 5 von 7 beziehungsweise 11 von 16 von allen Transplantationszentren in den Niederlanden für eine LT abgelehnten Lebern nach DHOPE-COR-NMP und Viabilitätstestung erfolgreich transplantiert werden. Das Transplantatüberleben nach 3 beziehungsweise 6 Monaten lag bei 100 % [53, 55]. Lediglich ein Patient von elf (9 %) entwickelte eine Post-Transplant-Cholangiopathie [53]. Dies steht im Kontrast zu der VITTAL-Studie, bei der kein biliäres Viabilitätsassessment durchgeführt wurde und wo letztlich 18 % der Patient:innen aufgrund einer Post-Transplant-Cholangiopathie retransplantiert werden mussten [42].
Van Leeuwen et al. waren es schließlich auch, die im Kontext der DHOPE-COR-NMP Viabilitätskriterien sowohl für das hepatozelluläre als auch für das cholangiozelluläre Kompartiment definiert und publiziert haben (Tab. 2; [37]). Interessanterweise erfüllten in der Studie von van Leeuwen et al. alle 16 perfundierten Lebern die hepatozellulären Viabilitätskriterien. Fünf Lebern erreichten jedoch nicht die biliären Viabilitätskriterien und wurden aus diesem Grund nicht transplantiert. Einen Schluss, den die Groningen-Gruppe aus ihren Arbeiten gezogen hat, ist die Tatsache, dass nicht absolute Werte, sondern der Unterschied (∆) zwischen Perfusat- und Galleparameter entscheidend für das Viabilitätsassessment ist (Tab. 2; [53]).
Tab. 2
Viabilitätskriterien
 
Parameter
Viabilität
Hepatozelluläres Kompartiment
Galleproduktion (ml)
≥ 10
Perfusatlaktat (mmol/l)
< 1,7 mmol/l
Perfusat-pH
7,35–7,45
Cholangiozelluläres Kompartiment
Galle-pH
> 7,45
∆ pH
> 0,10
∆ HCO3- (mmol/l)
> 5,0
∆ Glukose (mmol/l)
< −5,0
Modifiziert nach van Leeuwen et al. [37]. Während der ersten 2,5 h der NMP mussten die hepatobiliären Viabilitätskriterien erfüllt werden, damit die Lebern sich für eine LT qualifizierten
LT Lebertransplantation; NMP normotherme Maschinenperfusion

Resümee und Ausblick

Der anhaltende Mangel an passenden Spenderlebern und die Kompensation dieses Mangels durch die vermehrte Utilisierung von marginalen Spendern hat das Feld der Maschinenperfusion neu aufleben lassen. Während die SCS für optimale Spenderorgane eine ausreichend gute Präservationsmethode für kurze Zeiträume darstellt, ist dies für marginale Organe nicht der Fall, da sie sensibler gegenüber dem IRI sind. Unterschiedliche Formen der Maschinenperfusion stehen mittlerweile für die klinische Anwendung zur Verfügung. Alle Verfahren haben ihre Vor- und Nachteile. Bei der HOPE steht die mitochondriale Regeneration und der damit reduzierte Reperfusionsschaden sowie die verringerte Rate an Gallengangkomplikationen im Vordergrund. Bei der NMP ist die Verlängerung der Konservierungszeit sowie eine Viabilitätstestung möglich. Eine frühere Reperfusion reduziert die Dauer der kalten Ischämie. Ein klarer Vorteil der NMP ist die Möglichkeit, die gesamte Präservationszeit deutlich (bis zu 68 h) [56] zu verlängern. War die LT bisher de facto eine Akutoperation, um die CIT möglichst kurz zu halten, so ist sie mit Hilfe der NMP zu einer planbaren Operation geworden, die im Tagesprogramm unter optimalen Bedingungen stattfinden kann. Insbesondere bei komplexen Empfängern oder Leberretransplantationen, bei denen die Hepatektomie technisch-chirurgisch anspruchsvoll sein kann, spielt dieser Aspekt eine wichtige Rolle. Auch während der COVID-19-Pandemie sind die zeitlich-logistischen Vorteile der NMP ersichtlich geworden [57].
Will man das optimale Potenzial der Maschinenperfusion voll ausnutzen, so scheint bisher eine Kombination der beiden derzeit klinisch zur Anwendung kommenden Technologien im Sinne von DHOPE-COR-NMP der vielversprechendste Ansatz zu sein. Durch die Anwendung der HOPE vor der NMP sollen mehr marginale Organe prädefinierte Viabilitätskriterien erfüllen, was wiederum zu einer höheren Utilisierungsrate führt, ohne dadurch ein schlechteres Ergebnis in Kauf nehmen zu müssen. Abschließend bleibt zu erwähnen, dass der größte Nutzen der Maschinenperfusion bei marginalen Organen, insbesondere jenen von DCD-Spender:innen, besteht. Bei optimalen Lebern von DBD-Spender:innen ohne zusätzliche Risikofaktoren ist der Nutzen der Maschinenperfusion derzeit vor allem durch die verbesserte Planung der Operation bedingt.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

F.J. Krendl, S. Gasteiger, R. Oberhuber, B. Cardini und S. Schneeberger geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Literatur
29.
Zurück zum Zitat D’Alessandro AM, Southard JH, Love RB, Belzer FO (1994) Organ preservation. Surg Clin North Am 74(5):1083–1095CrossRefPubMed D’Alessandro AM, Southard JH, Love RB, Belzer FO (1994) Organ preservation. Surg Clin North Am 74(5):1083–1095CrossRefPubMed
48.
Zurück zum Zitat Czigany Z, Pratschke J, Froněk J et al (2021) Hypothermic oxygenated machine perfusion reduces early allograft injury and improves post-transplant outcomes in extended criteria donation liver transplantation from donation after brain death: results from a multicenter randomized controlled trial (HOPE ECD-DBD). Ann Surg 274(5):705–712. https://doi.org/10.1097/sla.0000000000005110CrossRefPubMed Czigany Z, Pratschke J, Froněk J et al (2021) Hypothermic oxygenated machine perfusion reduces early allograft injury and improves post-transplant outcomes in extended criteria donation liver transplantation from donation after brain death: results from a multicenter randomized controlled trial (HOPE ECD-DBD). Ann Surg 274(5):705–712. https://​doi.​org/​10.​1097/​sla.​0000000000005110​CrossRefPubMed
Metadaten
Titel
Weiterentwicklung der Lebertransplantation durch Maschinenperfusion
verfasst von
Dr. Felix J. Krendl
Dr.in Silvia Gasteiger
Assoz.-Prof. PD Dr. Rupert Oberhuber, PhD, FEBS (transplant)
PD Dr. Benno Cardini, FEBS (transplant)
Prof. Dr. Stefan Schneeberger, MBA (HSG), FEBS (transplant)
Publikationsdatum
24.11.2023
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Journal für Gastroenterologische und Hepatologische Erkrankungen / Ausgabe 4/2023
Print ISSN: 1728-6263
Elektronische ISSN: 1728-6271
DOI
https://doi.org/10.1007/s41971-023-00179-8

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