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Erschienen in: Urologie in der Praxis 4/2023

Open Access 10.11.2023 | Originalien

Urologische Notfälle: akuter Harnverhalt

verfasst von: Kathrin Bausch, Antje Feicke, Hans Helge Seifert

Erschienen in: Urologie in der Praxis | Ausgabe 4/2023

Zusammenfassung

Der akute Harnverhalt ist ein häufiger urologischer Notfall und äussert sich als plötzliche Unfähigkeit, spontan zu urinieren, typischerweise assoziiert mit Schmerzen im unteren Bauchbereich. Obwohl die häufigste Ursache eine durch eine benigne Prostatavergrösserung („benign prostate enlargement“ [BPE]) verursachte mechanische Blasenauslassobstruktion („benign prostate obstruction“ [BPO]) ist, kann die Ätiologie vielfältig und multifaktoriell sein. Die Behandlung aller Arten von Harnverhalt zielt darauf ab, die Blase zu entlasten und die zugrunde liegende Ursache des Harnverhalts zu mildern. Dies kann in der Regel in der Notaufnahme ohne sofortige urologische Konsultation durch eine Katheterisierung der Blase erreicht werden; jedoch können bestimmte klinische Merkmale und die langfristige Therapie der Ursache eine fachurologische Abklärung erfordern. Dieser Artikel bietet einen Überblick über die häufigsten Ursachen des akuten Harnverhaltes sowie die Diagnostik und Therapie von Harnverhalten bei Männern und Frauen in der Notaufnahme.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

Definition und Präsentation

Die European Association of Urology und die International Continence Society definieren den akuten Harnverhalt als eine schmerzhafte, tastbare oder perkutierbare Blase, wenn der Patient nicht in der Lage ist, spontan Urin abzugeben [1, 2]. Obwohl solche Symptome charakteristisch sind, liegen sie nicht bei allen Patienten in dieser Ausprägung vor: Patienten mit chronischer Harnretention, akuter Rückenmarkkompression oder solche mit zugrunde liegender Neuropathie können weniger empfindlich gegenüber Schmerzen durch Überdehnung der Blase sein [3]. Ein mögliches weiteres Symptom bei diesen Patienten kann die sog. Überlaufinkontinenz sein: Die Blase entleert sich unwillentlich um wenige Milliliter bis zu einem Druckausgleich zwischen Blasenfüllung und subvesikaler Obstruktion. Dabei persistiert Restharn in der Blase. Dieses Symptom kann mit fortgesetztem spontanem Wasserlassen verwechselt werden.
Eine Vorgeschichte von Harnverhalt oder anderen Symptomen des unteren Harntrakts („lower urinary tract symptoms“ [LUTS]) wie Pressen, terminalem Nachtröpfeln oder Nykturie kann hilfreich bei der Identifikation eines Risikos für einen Harnverhalt sein.
Die körperliche Untersuchung kann eine suprapubische Dehnung und Dumpfheit bei der Perkussion ergeben. In der urologischen Literatur werden Blasenvolumina von mehr als 300 ml als Mindestwert angegeben, um eine gedehnte Blase bei der Untersuchung des nichtadipösen Patienten durch Perkussion identifizieren zu können [4]. In der Konsenserklärung der American Urologic Association zum chronischen Harnverhalt ist 300 ml das zur Diagnose notwendige Mindestrestharnvolumen [5]. Die Erklärung betont auch die weitgehend historischen Grundlagen dieser Schwelle und empfiehlt einen symptomorientierten Ansatz für sowohl akuten als auch chronischen Harnverhalt. Ultraschall am Krankenbett und automatisierte Blasenvolumengeräte können schnell zwischen Harnverhalt und anderen Ursachen der Beschwerden unterscheiden, was im Abschnitt zur weiteren Untersuchung näher erläutert wird.

Hintergrund und Prävalenz

Die Prävalenz des akuten Harnverhalts wird auf 3,0–6,8 Fälle pro 1000 Personenjahre in der allgemeinen männlichen Bevölkerung geschätzt [6]. Die meisten Fälle treten bei Männern auf. Darüber hinaus gibt es einen klaren Anstieg mit dem Alter, einhergehend mit der im zunehmenden Alter zunehmenden gutartigen Prostatavergrösserung („benign prostate enlargement“ [BPO]). Bis zum 8. Lebensjahrzehnt steigt die Inzidenz der Harnverhalte bei Männern um das 5‑ bis 10Fache im Vergleich zum mittleren Alter [7]. Die erhöhte Inzidenz im Alter ist nicht auf Männer mit BPE und konsekutiver Obstruktion („benign prostate obstruction“ [BPO]) beschränkt; diabetesbedingte Nervenschäden und Harnverhalt aufgrund von Medikamentenwirkungen nehmen ebenfalls mit dem Alter zu. Harnverhalte bei Frauen oder jüngeren Männern sind oft infektionsbedingt, iatrogen oder eine Folge von Medikamentenwirkungen [8, 9].

Ätiologie

Obstruktion

Ein obstruktiver Harnverhalt wird durch jeden Prozess verursacht, der zu einer Verengung oder Kompression des Harntrakts am oder distal des Blasenhalses führt. Diese Obstruktion kann in intrinsische Ursachen unterteilt werden, bei denen die Obstruktion aus dem Harntrakt selbst stammt, und extrinsische Ursachen, bei denen die Obstruktion durch Kompression durch eine externe Struktur entsteht. Unter den intrinsischen Ursachen ist die BPE bei weitem die häufigste Ursache [9, 10]. Andere intrinsische Prozesse sind u. a. maligne Tumoren des unteren Harntrakts, Blutkoagel, welche potenziell auch durch maligne Prozesse verursacht sein können, Harnröhrenstrikturen und Blasensteine. Externe Ursachen sind abdominale und pelvine Tumoren, Phimose und Paraphimose bei Männern sowie Beckenorganprolaps bei Frauen [10].
Bei jedem Patienten mit vermutetem oder bestätigtem Harnverhalt sollten eine detaillierte Anamnese und körperliche Untersuchung durchgeführt werden. Dies sollte eine gründliche Untersuchung der äusseren Genitalien bei Männern und eine gynäkologische Untersuchung bei Frauen beinhalten.

Infektion

Eine Entzündung des Harntrakts, wie beispielsweise eine Prostatitis, kann eine transiente Schwellung der Prostata und damit einen obstruktiven Harnverhalt verursachen. Patienten mit zugrunde liegender Pathologie, insbesondere BPE, sind anfälliger für solche Infektionen [11]. Wiederkehrende Harnwegsinfektionen sind daher ein Risikofaktor für zukünftige Harnverhalte und eine Folge von unzureichend behandelten Grunderkrankungen. Damit sind stets eine weitere Diagnostik und Therapie der zugrunde liegenden Pathologie indiziert. Der häufigste verursachende Organismus ist Escherichia coli [12, 13]. Aufgrund der hohen regionalen Variabilität der Antibiotikaresistenzen sollten Therapien gemäss Resistenztestung erfolgen [14]. Sexuell übertragbare Infektionen können ebenfalls zu Harnverhalten führen; einerseits durch direkte Entzündung des Harntrakts, andererseits durch Schmerzen, die zu sympathischer Überaktivität führen, oder Strikturbildung, die durch chronische oder häufige Infektionen verursacht wird [10].

Neurogen

Akute Ursachen für eine neurogene Blase sind die Kompression des Rückenmarks oder der Nervenwurzeln der Cauda equina. Tatsächlich gilt der Harnverhalt als das früheste und empfindlichste Untersuchungsergebnis bei Patienten mit akutem Cauda-equina-Syndrom [15, 16]. Patienten mit akuten zentralnervösen Notfällen, insbesondere Schlaganfällen, sind ebenfalls anfällig für die Entwicklung eines Harnverhalts [17]. Auch chronische Schädigungen können zu einer Dysfunktion der die Miktion regulierenden Bahnen führen wie beispielsweise die diabetische Neuropathie. Fast die Hälfte der Diabetespatienten wird irgendwann LUTS erleiden, und Harnverhalte treten häufiger auf [18, 19].

Iatrogen/pharmakologisch

Iatrogene Ursachen können in pharmakologisch und nichtpharmakologisch vermittelte Prozesse unterteilt werden. Alle Patienten, die mit Harnverhalt vorstellig werden, sollten eine gründliche Medikamentenanamnese durchlaufen, da die komplexe Innervation des Harntrakts den Harnverhalt zu einer häufigen Nebenwirkung vieler häufig verschriebener Medikamente macht. Besondere Aufmerksamkeit sollte Medikamenten mit anticholinergen Eigenschaften gewidmet werden, sowohl solchen, die speziell für diese Eigenschaften verwendet werden, als auch der Vielzahl von Medikamenten mit anticholinergen Wirkungen. Auch Antidepressiva oder Schmerzmittel wie Opiate können das Risiko für einen Harnverhalt erhöhen (Tab. 1; [10]).
Tab. 1
Medikamentenklassen und Beispiele für Substanzen, welche einen Harnverhalt induzieren können
Klasse
Substanzbeispiele (alphabetisch)
Anticholinergika
Atropin, Cyclopentolat, Ipratropium, Skopolamin, Tropicamid
Antihistaminika
Cetirizin, Diphenhydramin, Fexofenadin, Hydroxamin, Loratadin
Analgetika
Opioide (klassenübergreifende Wirkung)
Benzodiazepine
Klassenübergreifende Wirkung
Kalziumkanalantagonisten
Klassenübergreifende Wirkung
Antidepressiva
Fluoxetin, trizyklische Antidepressiva
Antipsychotika, Antiparkinsonmittel
Amantadin, Chlorpromazin, Clozapin, Haloperidol, Risperidon
Sympathomimetika (alpha-, betaadrenerg)
Epinephrin, Phenylephrin, Terbutalin
Muskelrelaxanzien
Baclofen
Operationen, nicht nur solche am Harntrakt, welche in Allgemeinanästhesie (hochdosierte Opioide, Epinephrin) oder in hochdosierter lokaler Anästhesie wie der Spinalanästhesie durchgeführt werden, die Verabreichung grosser Flüssigkeitsmengen oder eine intraoperative Katheterisierung beinhalten, gelten ebenfalls als Risikofaktoren für einen postoperativen Harnverhalt [20].
Auch eine Vorgeschichte von Operationen am unteren Harntrakt oder frühere Katheterisierungen sollten beachtet werden, da dies die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer Harnröhrenstriktur erhöht. Iatrogene Ursachen sind die führende Ätiologie von Harnröhrenstriktur, sie machen 32–45 % aller Fälle aus [21].

Diagnostik

Labor

Laboruntersuchungen sind grundsätzlich nicht erforderlich, um einen Harnverhalt zu diagnostizieren, können jedoch nützlich sein, um assoziierte Komplikationen zu identifizieren. Bei Bedenken hinsichtlich einer signifikanten oder lang anhaltenden Obstruktion, die eine Hydroureteronephrose verursachen könnte, ist ein Chemiepanel angebracht, um auf eine postrenale akute Nierenschädigung hin zu untersuchen. In diesem Rahmen sollte eine Polyurieüberwachung initiiert werden, Urinanalyse und Urinkultur sollten durchgeführt werden, um auf Harnwegsinfektionen zu prüfen. Mikro- und Makrohämaturie nach Dekompression sind in der Regel harmlos und selbstlimitierend [22].

Bildgebung

Bildgebende Untersuchungen können hilfreich sein, um das Vorhandensein, die Ursache oder das Ausmass des Harnverhalts zu identifizieren. Es gibt mehrere kommerzielle Produkte, die schnell das Blasenvolumen abschätzen können (z. B. BladderScan und Verathon). Point-of-Care-Ultraschall (POCUS) ist in der Notaufnahme häufig verfügbar und kann schnell die Blasenfüllung identifizieren und quantifizieren. Darüber hinaus kann POCUS Blutgerinnsel, BPE, Blasensteine und Hydronephrosen identifizieren [23].
Die Computertomographie (CT) kann besonders hilfreich sein, um abdominale oder pelvine Raumforderungen zu bewerten, ist jedoch weniger empfindlich als die Magnetresonanztomografie (MRT), wenn der Verdacht auf eine Kompression des Rückenmarks oder ein Cauda-equina-Syndrom besteht [24]. Sie zählt jedoch nicht zur Basisdiagnostik des Harnverhaltes.
Bei nichttraumatischen Harnverhalten sollten Laboruntersuchungen und Bildgebung die sofortige Linderung der Obstruktion nicht verzögern [25].

Therapie

Eine sofortige Blasenentlastung ist die Hauptbehandlung für nahezu alle Ätiologien. Dies kann durch eine transurethrale oder suprapubische Katheterisierung erreicht werden. Beide Wege haben Vor- und Nachteile sowie Kontraindikationen. Wenn bildgebende Untersuchungen nicht verfügbar oder nicht aussagekräftig hinsichtlich des Ausmasses der Retention sind, kann die Katheterisierung diagnostisch und therapeutisch sein.

Transurethrale Katheterisierung

Diese Harnröhrenkatheterisierung ist die häufigste Art der Katheterisierung. Bei erwachsenen Patienten sollten zunächst sterile Versuche mit einem Standardspitzen-Foley-Katheter (16 Charrière) unternommen werden, aber das klinische Szenario kann andere Grössen oder Arten von Kathetern erfordern. Obwohl das Vorschieben des Katheters mit minimaler Kraft erfolgen sollte, können Bedingungen, wie eine Striktur oder BPE, die Platzierung erschweren. Wenn der erste Versuch bei Vorgeschichte einer Harnröhrenstriktur erfolglos ist, ist es sinnvoll, zu versuchen, einen kleineren Katheter einzuführen. Im Rahmen einer BPE kann die erhöhte Steifigkeit eines grösseren Katheters (18- oder 20-Charrière) mit gebogener Spitze (Tiemann-Katheter) eine erfolgreiche Platzierung unterstützen [26]. Bei Patienten mit Makrohämaturie oder Koageln ermöglicht ein 3‑Wege-Katheter eine kontinuierliche Blasenspülung [27]. Eine urologische Konsultation ist empfehlenswert, wenn das Einführen eines Katheters fehlschlägt. Übermässige Versuche bei Widerstand oder vom Patienten gemeldetem Unbehagen sind zu unterlassen, da sie die zugrunde liegende Harnwegspathologie oder Entzündung verschlimmern oder zu einer Via falsa führen können. Eine zystoskopische Katheterisierung in Seldinger-Technik kann notwendig sein.

Suprapubische Katheterisierung

Im Notfall wird die suprapubische Kathetereinlage meist für Situationen reserviert, in denen die Platzierung eines Harnröhrenkatheters entweder kontraindiziert ist oder trotz angemessener Versuche erfolglos bleibt. Um einen suprapubischen Katheter zu platzieren, muss die Blase klar identifiziert werden, idealerweise durch simultane Sonografie. Es gibt mehrere Techniken zur Platzierung des Katheters; die beiden Hauptansätze sind eine perkutane Seldinger-Technik mit Einführung eines Führungsdrahts in die Blase, Dilatation und Überdrahtkathetereinführung; und das Einführen eines Trokars, durch den anschliessend ein Katheter platziert wird [28]. Mögliche Risiken des suprapubischen Ansatzes können Komplikationen wie Blutungen oder eine Darmverletzung sein [29].

Pharmakotherapie

Medikamente lösen einen Harnverhalt in der Regel nicht von selbst, werden aber häufig in der unmittelbaren Behandlungsphase eingeleitet und zur Prävention fortgesetzt, insbesondere wenn eine Prostataobstruktion die vermutete Ätiologie ist. Die beiden Hauptklassen von Medikamenten, die bei Harnverhalt aufgrund einer vergrösserten Prostata begonnen werden, sind Alphablocker, welche die Kontraktur des Blasenhalses reduzieren, und 5‑Alpha-Reduktase-Inhibitoren. Diese sollten jedoch in der akuten Phase ebenfalls mit einem Alphablocker kombiniert werden [30, 31].

Chirurgische Behandlung

Es gibt mehrere chirurgische Optionen für das Management von Patienten mit wiederkehrenden Harnverhalten oder Symptomen, gescheitertem Versuch ohne Katheter oder zugrunde liegender Harnwegspathologie, die sich wahrscheinlich nicht mit konservativem Management verbessern wird. Chirurgische oder prozedurale Eingriffe werden am häufigsten bei obstruktivem Harnverhalt eingesetzt. Bei zugrunder liegender Prostatavergrösserung ist die transurethrale Resektion der Prostata eine traditionell erfolgreiche Operation. In den letzten Jahrzehnten wurden mehrere minimal-invasive und roboterassistierte Verfahren entwickelt [2]. Eine Harnröhrendilatation oder -schlitzung kann bereits zur Kathetereinlage notwendig sein, wenn eine Harnröhrenstriktur die vermutete Ätiologie ist. Frauen mit Retention aufgrund von atrophischer Vaginitis oder Beckenorganprolaps sollten nach der Behandlung der akuten Retention an einen Urogynäkologen überwiesen werden.

Management nach Dekompression und Komplikationen

Die häufigsten akuten Komplikationen der Blasenentlastung sind Hämaturie, Infektion und postobstruktive Polyurie. Eine nach der Katheterisierung erhaltene Urinanalyse zeigt in der Regel zumindest einen gewissen Grad an Mikrohämaturie, wobei die Inzidenz von Faktoren wie der Zeit seit der Katheterisierung, der zugrunde liegenden Pathologie, der technischen Schwierigkeit oder der Anzahl der Versuche abhängt. Eine Makrohämaturie ist ein weniger häufiger Befund, kann aber auch auf eine zugrunde liegende Harnwegspathologie hinweisen, ist jedoch in der Regel selbstlimitierend [22].
Hinsichtlich katheterassoziierter Harnwegsinfekte konnte kein Unterschied zwischen transurethraler oder suprapubischer Katheterisierung gefunden werden [32]. Im Vergleich zur suprapubischen ist die transurethrale Katheterisierung jedoch mit erhöhten nichtinfektiösen Komplikationen verbunden, insbesondere mit Unbehagen des Patienten [33].
Die postobstruktive Polyurie ist ein Zustand, bei dem der erhöhte Druck im Harntrakt die Fähigkeit der Nieren, den Urin zu konzentrieren, beeinträchtigt, was zu einer Diurese führt, wenn der Druck normalisiert ist. Sie wird definiert als eine Harnproduktion von mehr als 200 ml für mindestens 2 h nach der Dekompression oder mehr als 3 l in 24 h [34]. Es wurde über hämodynamische Instabilität berichtet, die sekundär zu Volumenverlusten auftritt. Die Patienten sollten oral oder i.v. rehydriert werden. Es gibt keine Beweise dafür, dass eine allmähliche oder intermittierende Dekompression das Risiko von Hämaturie, hämodynamischer Instabilität, Hydronephrose oder postobstruktiver Diurese im Vergleich zur sofortigen Dekompression verringert [35].
Die Patienten sollten über die Katheterpflege, den Wechsel des Auffangbeutels und den Zeitpunkt der Nachsorge aufgeklärt werden. Die meisten entlassenen Patienten sollten einen Urologen zum Katheterauslassversuch aufsuchen. Alpha-1-Blocker verringern die Raten der Katheterwiedereinführung und sollten gestartet werden, wenn keine Kontraindikationen bestehen [31]. Der optimale Zeitpunkt für die Entfernung des Katheters bleibt ein umstrittenes Thema. Eine Beobachtungsstudie mit über 2600 Männern mit BPE zeigte, dass Patienten, deren Katheter in weniger als 3 Tagen entfernt wurden, eher spontan urinieren konnten als solche mit längeren Katheterisierungszeiten [36]. Frühere randomisierte Studien zeigten, dass Patienten eher während eines Versuchs ohne Katheter urinieren konnten, wenn dieser für 1 Woche in situ belassen wurde [10].

Fazit für die Praxis

  • Ein Harnverhalt muss in der Praxis nicht zwingend mit Schmerzen einhergehen.
  • Die benigne Prostatavergrösserung (BPE) ist nicht die einzige mögliche Ursache; eine ausführliche klinische Anamnese inklusive der Medikamente wie auch eine klinische Untersuchung beispielsweise hinsichtlich eines Infektes sollten in Betracht gezogen werden.
  • Die Kathetereinlage ist die erste therapeutische Massnahme der Wahl.
  • Eine Polyurieüberwachung sollte nach Kathetereinlage erfolgen – insbesondere bei postrenaler Niereninsuffizienz und/oder Hydroureteronephrose.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

K. Bausch, A. Feicke und H.H. Seifert geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Metadaten
Titel
Urologische Notfälle: akuter Harnverhalt
verfasst von
Kathrin Bausch
Antje Feicke
Hans Helge Seifert
Publikationsdatum
10.11.2023
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Urologie in der Praxis / Ausgabe 4/2023
Print ISSN: 2661-8737
Elektronische ISSN: 2661-8745
DOI
https://doi.org/10.1007/s41973-023-00232-2

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