Open Access 18.09.2020 | Urologie | Originalien
Die Harnröhrenstriktur des Mannes
Teil 2: Die offene Harnröhrenrekonstruktion
Erschienen in: Urologie in der Praxis | Ausgabe 4/2020
Zusammenfassung
Die Harnröhrenstriktur des Mannes ist eine komplexe Erkrankung und geht mit einer signifikant eingeschränkten Lebensqualität sowie oftmals wiederkehrenden Behandlungen durch den Urologen einher. Abhängig vom Schweregrad und der Dauer seit der ersten Symptommanifestation kann sich das Krankheitsbild u. U. auch negativ auf den gesamten Harntrakt auswirken. Je nach anatomischer Lokalisation der Harnröhrenstriktur stehen zudem unterschiedliche Therapieoptionen zur Wahl. Daher ist es entscheidend, dass der Wahl des Therapiepfades eine saubere Diagnostik und eine ganzheitliche Aufklärung mit gemeinsamer Entscheidungsfindung zwischen Patient und Arzt vorausgehen. Nur so können, unter Berücksichtigung der individuellen Präferenzen, die richtige Behandlung gewählt und ein befriedigendes Resultat herbeigeführt werden. In diesem zweiteiligen Review wird die Harnröhrenstriktur des Mannes von der Ätiologie über die Diagnostik bis hin zur, teils komplexen, operativen Behandlung ausgeleuchtet.
Die Harnröhrenstriktur des Mannes stellt eine Herausforderung im Alltag des Urologen dar und geht mit einer veritablen Einschränkung der Lebensqualität betroffener Patienten einher [47]. Harnröhrenstrikturen können durch eine funktionelle Obstruktion eine kontinuierliche Schädigung des gesamten Harntrakts verursachen, und die Erkrankung kann bei chronischem Verlauf bis zur Einschränkung der Nierenfunktion fortschreiten [49]. Die Entität wird oftmals stiefmütterlich behandelt – die Tatsache, dass es von der europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU) keine Leitlinien zu dieser Thematik gibt, verleiht diesem Umstand Gewicht. Zuletzt wurden internationale Richtlinien vom amerikanischen Pendant – der „American Urology Association“ (AUA) – im Jahre 2017 publiziert [48]. Die Prävalenz in der Gesamtbevölkerung liegt bei knapp 1 %, wobei der Ursprung bei etwa der Hälfte aller Fälle entweder iatrogen oder idiopathisch ist [25]. Die Inzidenz der Harnöhrenstrikturen nimmt mit zunehmendem Alter exponentiell zu und beginnt bei Patienten mit über 65 Jahren deutlich anzusteigen auf über 100 Fälle pro 100.000 Einwohner [33]. Anatomisch wird die Harnröhre in einen anterioren und einen posterioren Anteil eingeteilt [25]. Die prostatische und die membranöse Harnröhre zählen zum posterioren Abschnitt. Engstellen der bulbären, penilen und glandulären Harnröhre sowie des Meatus urethrae externus werden als anteriore Harnröhrenstrikturen bezeichnet und sind weitaus häufiger. Nach entsprechender Diagnostik lässt sich die Einteilung in kurzstreckige (≤1 cm) oder langstreckige (>1 cm) Strikturen vornehmen. Die bulbäre Harnröhre ist unter den anterioren Harnröhrenstrikturen am häufigsten betroffen (etwa 50 % aller Fälle) und hat prinzipiell die günstigste Prognose vorzuweisen [14]. Der Grund hierfür liegt in der guten Durchblutung des Gewebes durch das kräftig ausgebildete und umliegende Corpus spongiosum penis [36].
Das potenzielle therapeutische Spektrum in der Behandlung einer Harnröhrenstriktur ist, ungeachtet der Lokalisation, breit: Bougierung, Stenteinlage, innere Urethrotomie (Harnröhrenschlitzung) oder eine offene Rekonstruktion stehen zur Auswahl [1]. Insbesondere Patienten mit einem Strikturrezidiv sind schwierig zu behandeln. Die richtige therapeutische Massnahme muss stets individuell und in Absprache mit dem Patienten getroffen werden. Eine vorangehende, detaillierte Diagnostik ist entscheidend, um den richtigen Therapiepfad einzuschlagen. Auch in der Diagnostik steht uns ein mannigfaltiges Angebot an Untersuchungen zur Verfügung: Vom Uroflow und der sonographischen Restharnmessung über die retrograde Urethrographie, die Miktionszystourethrographie und die Urethrozystoskopie bis hin zur eher selten indizierten Urodynamik.
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Nach dem ersten Teil mit Fokus auf Ätiologie, Diagnostik und minimal-invasive Therapie (erschienen in der letzten Ausgabe), richten wir das Augenmerk im nun zweiten Teil auf die offene, operative Rekonstruktion der Harnröhre. Die Möglichkeiten der offenen Harnröhrenrekonstruktion, mittels unterschiedlicher und operativ teils anspruchsvoller Plastiken, sind vielseitig und werden in diesem Artikel in folgende anatomische Abschnitte unterteilt:
1.
Meatusstenose und glanduläre Harnröhrenstriktur
2.
Bulbäre Harnröhrenstriktur
3.
Penile und panurethrale Harnröhrenstriktur
4.
Vesikourethrale Anastomosenstriktur nach radikaler Prostatektomie
Auf Harnröhrenstrikturen nach vorangegangener Hypospadieoperation wird in diesem Artikel aufgrund der Komplexität der Behandlung nicht eingegangen.
Bei distalen Harnröhrenstrikturen stehen uns unterschiedliche Verfahren zur offenen Rekonstruktion als Option zur Verfügung. In der Entscheidungsfindung müssen dabei insbesondere das Alter des Patienten, allfällige Komorbiditäten und die Compliance, aber auch das Ausmass und die genaue Lokalisation der Striktur berücksichtigt werden. Bei Strikturen, welche über die eigentliche Meatusstenose hinausgehen, sind offene Rekonstruktionen nach wie vor als Goldstandard zu werten [12]. Dabei werden 2 verschiedene Arten von Rekonstruktionen eingesetzt:
a)
die lokalen Lappenplastiken oder
b)
die Substitutionstransplantationstechniken.
Ist bei der Meatusstenose ein Anteil der glandulären Harnröhre mitbetroffen, kann eine erweiterte Meatotomie eingesetzt werden. Hierbei werden das ventrale Urethralblatt inzidiert und eine Bougierung der Harnröhre bis Charrière 22 vorgenommen. Bei Vorliegen von fibrotischem Gewebe sollte dieses bis zur Darstellung von gesundem Gewebe exzidiert werden. Bei dieser Art von Eingriff kann gemäss Literatur auf eine Erfolgsquote von bis zu 88 % bei rezidivfreier, mittlerer Nachsorgezeit von über 3 Jahren verwiesen werden [35]. Ähnliche Resultate wurden auch von anderen Zentren in Europa postuliert. Die plastische Meatotomie wurde durch Peter Malone erstmals beschrieben [30], wobei es hierbei in zusätzlichem Masse, neben funktionellen Gesichtspunkten, auch um die Berücksichtigung kosmetischer Aspekte geht. Nach einer ventralen Inzision wird mittels Sondierung der Harnröhre eine längerstreckige Striktur ausgeschlossen. Anschliessend werden eine dorsale Meatotomie bis ins gesunde Gewebe und zusätzlich eine invertierte V‑Inzision oberhalb des Meatusschnittes durchgeführt. Die Wundränder werden anschliessend scharf mobilisiert und spannungsfrei readaptiert [45]. Genau wie bei der herkömmlichen, einfachen Meatotomie sind auch hier hohe Erfolgsraten von bis zu 3/4 aller Fälle zu erwarten [34].
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Für die Rekonstruktion der penilen Harnröhre durch Urethralappenplastiken werden entweder lokale oder gestielte Lappen aus Präputialhaut, peniler Haut oder Tunica vaginalis verwendet. Horton et al. [18] haben mit dem „triangulären, glandulären Hautflap“ eine der frühsten Formen der Meatusplastik beschrieben. Eine der ältesten Rekonstruktionen der Fossa navicularis, welche bis heute noch durchgeführt wird, ist die Variante nach Jordan und wurde im Jahre 1987 erstmals publiziert [21]. Diese Technik wurde wenige Jahre später von de Sy weiterentwickelt [11]. Prinzipiell wird dabei ein distal und ventral gelegener Präputiallappen mobilisiert, wobei auf eine gute Vaskularisierung über die darunterliegende Tunica dartos geachtet werden muss. Nach Invertierung wird dieser Präputiallappen in sog. Onlay-Technik mit der dorsalen Urethralplatte vernäht. Die Wundränder der Glans werden mit dem Lappen adaptiert und bilden so den Neomeatus. Auch noch zu späteren Zeitpunkten präsentierten verschiedene Arbeiten Fallserien mit der ursprünglichen Operationsform (oder auch leicht abgeänderten Techniken), welche Erfolgsraten von über 95 % und hohe subjektive Zufriedenheitsraten nach mehrjährigem Follow-up zeigten [2]. Zu einer deutlich höheren Rezidivrate (bis zu 50 %) kommt es bei gleichzeitigem Vorliegen eines Lichen sclerosus et atrophicus [17]. In solchen Fällen wird die offene Harnröhrenrekonstruktion mittels Mundschleimhaut als operativer Goldstandard klar favorisiert, muss jedoch teilweise in zweizeitigen Verfahren angegangen werden [17].
Bei der Verwendung von autologem Gewebe zur Transplantation bei der Rekonstruktion von langstreckigen Harnröhrenstrikturen konnten sich v. a. Mundschleimhaut und Oberschenkelspalthaut etablieren [46]. Es wird zwischen Inlay- oder Onlay-Technik unterschieden. Vorzugsweise wird die Sanierung von Harnröhrenstrikturen durch Verwendung von autologem Gewebe in einzeitigen Verfahren durchgeführt. Bei ausgeprägter Länge, zunehmender Komplexität oder vorangehenden Operationen können zwei- bis mehrzeitige operative Eingriffe notwendig werden, wobei in den ersten Schritten die Rekonstruktion der Urethralplatte und in den weiteren die Tubularisierung der Harnröhre erfolgen [36]. Dazwischen sind für das adäquate Einwachsen des Transplantats, je nach Expertenmeinung, zwischen 3 und 6 Monate abzuwarten. Zur eigentlichen Rekonstruktion stehen verschiedene Techniken zur Verfügung, unabhängig von der Wahl des Transplantats. Das Outcome wird aber auch massgeblich vom Vorhandensein gewisser Komorbiditäten, insbesondere einem Lichen sclerosus oder vorangegangenen Hypospadiekorrekturen, mitbestimmt [44]. Zudem sollte, gerade bei der Mundschleimhaut, ein genügend grosses Transplantat entnommen werden, damit die anschliessende Tubularisierung spannungsfrei und mit genügend vaskularisierter Dartosschicht erfolgen kann. Des Weiteren führt ein operativer Eingriff an einem spezialisierten Zentrum zu nachweislich besseren Resultaten.
Bereits im ersten Teil unseres Reviews haben wir erwähnt, dass bei langstreckigen (>1 cm), bulbär gelegenen Strikturen oder bei Rezidivstrukturen in diesem Bereich eine Urethroplastik zur Therapie der Wahl gehört. Von einem langfristigen Erfolg kann, je nach Literatur, in 80–95 % der Fälle ausgegangen werden [3, 5]. Dies ist jedoch auch abhängig von der Vorgeschichte, der verwendeten chirurgischen Technik und der Länge der Striktur. Gründe, welche zu einem Scheitern bzw. schlechten operativen Resultat beitragen können, sind kardiovaskuläre Nebenerkrankungen, Übergewicht und infektiöse Urethritiden als Ursache der Striktur [10]. Folgende Techniken und Herangehensweisen werden bei der operativen Behandlung der bulbären Harnröhrenstriktur unterschieden:
Bei vorliegendem Rezidiv nach Bougierung oder Urethrotomia interna ist die End-zu-End-Anastomose erwiesenermassen die effizienteste und kosteneffektivste Variante mit den höchsten Heilungschancen bei bulbärer Harnröhrenstriktur [40]. Die Methode gehört zu den technisch einfachsten Lösungen und ist v. a. bei Engstellen von bis zu 2 cm optimal geeignet. Die Rate der Langzeiterfolge liegt bei fast 90 % [3]. Bei dieser Methode wird zuerst der fibrotisch verengte Anteil der Harnröhre eröffnet und exzidiert, wobei anschliessend nach vorangehender Spatulierung die Anastomose in Einzelknopfnaht erfolgt. Alternativ kann die Engstelle mittels longitudinaler Strikturotomie inzidiert und anschliessend transversal wieder verschlossen werden, analog des Heineke-Mikulicz-Prinzips [28]. Durch die Dissektion des Corpus spongiosum penis können als langfristige Komplikationen eine Empfindungsstörung an der Glans penis mit verminderter Schwellung bei Erektion entstehen. Zudem kann es auch zu einer Verkürzung des Glieds mitsamt ventraler Deviation kommen [22]. Um dies zu umgehen, wurden alternative Techniken entwickelt (sog. „non-transecting bulbar urethroplasty“ mit Erhalt des Corpus spongiosum penis), wobei nach wie vor unklar ist, ob ein nachweislich unterschiedliches Resultat im Nebenwirkungsprofil auszumachen ist ([9]; Abb. 1).
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Bei deutlich über 2 cm messenden Harnröhrenstrikturen sollte eine Strikturotomie in Kombination mit einer Patchapplikation (v. a. Mundschleimhauttransplantat) angewendet werden [27]. Die Literatur ist sich jedoch uneins, welche Art von Mundschleimhaut gewählt werden soll und ob eine ventrale, dorsale oder doch laterale Patchanlage die besseren Langzeitresultate mit sich bringt [7]. Nach Eröffnung der Urethra über der gesamten Strikturlänge wird der Umfang mit dem Graft der Wahl erweitert. Die Erfolgsrate liegt auch bei diesem Eingriff relativ hoch: Etwa 80–85 % der Patienten bleiben ohne namhaftes Rezidiv [3, 5, 6]. Im Gegensatz dazu ist die Anwendung eines gestielten Flaps wesentlich schwieriger [19]. Im Vergleich zu den „freien Transplantaten“ führen sie zwar zu ähnlichen funktionellen Ergebnissen, sind jedoch komplexer in der technischen Ausführung, weswegen eine längere Operationszeit notwendig wird und auch deutlich mehr Komplikationen entstehen. Insbesondere die Fistelbildung stellt eine gefürchtete Komplikation dar (Abb. 2). Im Langzeitverlauf kann es auch zur Ausbildung eines Pseudodivertikels kommen, welches zu lästigem Nachträufeln führt.
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Die perineale Urethrostomie nach Boutonière ist die letzte Therapiewahl bei Ausnahmesituationen in Patienten mit einer komplett destruierten Harnröhre und langer Vor- sowie auch Leidensgeschichte. Als chirurgisch relativ einfach durchzuführendes Prozedere wird auch bei komplexen Ausgangslagen eine zuverlässige Harnableitung erreicht und zeichnet sich zudem – erstaunlicherweise – durch eine hohe Patientenzufriedenheit aus [4]. Dahingegen fällt die Reinterventionsrate bei rund 1/3 der Patienten relativ hoch aus.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die bulbäre Harnröhrenstriktur die insgesamt wohl am einfachsten zu behandelnde Striktur mit den besten langfristigen Resultaten ist. Jedoch ist der anhaltende Erfolg entscheidend von der Anzahl vorangehender Eingriffe und vom Behandlungsort (vorteilhafterweise in einem Zentrum mit entsprechender Erfahrung) abhängig.
Penile und panurethrale Strikturen stellen ein komplexes und herausforderndes Krankheitsbild dar, wobei zur erfolgreichen Therapie oftmals mehrere Eingriffe notwendig werden. Dennoch sollte ein einzeitiges Verfahren mit Verwendung von Mundschleimhaut als Graft, wenn immer möglich, den ein- bis mehrzeitigen Operationen mit Einsatz von Lappen vorgezogen werden. Erschwerend kommt jedoch hinzu, dass neben der Komplexität der Behandlung keine ausgeprägte Evidenz für die Operation von längerstreckigen, penilen oder panurethralen Strikturen vorliegt. Die meisten panurethralen Urethraverengungen sind iatrogen durch traumatische Katheterisierung und transurethrale Eingriffe versursacht oder sogar idiopathischer Natur. Die Begleiterkrankung des Lichen sclerosus und die postentzündliche Veränderungen der Harnröhre folgen als weitere Ursachen [29]. Urethritiden erlebten durch die präventiven Massnahmen vor sexuell übertragbaren Erkrankungen bereits Ende des 20. Jahrhunderts einen dramatischen Rückgang (Abb. 3). Die penile Harnröhrenstriktur findet ihren Ursprung in fast 30 % der Fälle als Komplikation einer früheren Hypospadieoperation [29]. Die folgenden Methoden können zur Behandlung eingesetzt werden:
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Die klassische Operationsmethode nach Bengt Johanson ist ein zweizeitiges Verfahren und wurde erstmals in den 1950er Jahren beschrieben [20]. Die Verwendung von perinealer und skrotaler Haut hatte jedoch ihre Limitationen (Haut mit Haarwachstum) und brachte verschiedene Komplikationen (rezidivierende Harnwegsinfektionen, Abszesse, Fisteln, Harnröhrendivertikel, Steinbildung usw.) mit sich. Schreiter u. Noll entwickelten die Methode in den 1980ern weiter und verwendeten anstelle der perinealen oder skrotalen Haut einen „mesh graft“ eines haarlosen Hautareals [41]. Dieser Eingriff wird ebenfalls in 2 Schritten durchgeführt und findet seine beste Indikation in der Behandlung von komplexen, langstreckigen Strikturen, welche nicht mit der Technik nach Orandi rekonstruiert werden können (Abb. 4). Bei der Orandi-Technik wird eine Rekonstruktion der anterioren oder posterioren Harnröhre durch einen Schwenklappen (sog. Inversionsgraft) aus peniler Haut gewährleistet [38]. Sie hat heute noch ihren berechtigten Stellenwert in der offenen Harnröhrenchirurgie.
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Obwohl es verschiedene, plastische Möglichkeiten für die Rekonstruktion einer langstreckig strikturierten Harnröhre gibt, sind nur wenige Methoden von anhaltendem Erfolg geprägt [31]. Zudem setzen komplexe Lappenoperationen oftmals ein plastisch-chirurgisches Wissen und speziell trainierte Fähigkeiten voraus, welche nicht an allen Zentren gewährleistet werden können und meist in Zusammenarbeit mit plastisch-rekonstruktiv tätigen Chirurgen erfolgen müssen [13]. Unter den Lappenplastiken werden v. a. die Methoden nach McAninch [32], Quartey [39] und Gil-Vernet et al. [15] genannt. Da die mehrzeitigen Verfahren jedoch mit viel Unannehmlichkeiten und erhöhter Morbidität für die Patienten einhergehen, entwickelten Kulkarni et al. und Barbagli et al. mit der Anwendung von einzeitigen Eingriffen eine vielversprechende, alternative Methode [8, 24]. Dabei handelt es sich um eine Augmentationsplastik unter Verwendung von Mundschleimhaut über einen perinealen Zugang. Der Patient wird nasal intubiert, damit zuerst die orale Entnahme der Mundschleimhaut erfolgen kann, welche später über eine mittige, perineale Inzision und penile Invagination sowie nach einseitiger Dissektion der penilen Urethra in dorsaler Onlay-Technik angebracht wird. Mittlerweile werden die oralen Mukosagrafts, wegen der guten und persistierenden funktionellen Aspekte, als Standard für das Substitutionsmaterial in der Harnröhrenchirurgie angesehen – sie präsentieren im Vergleich zu den Lappenoperationen eine höhere Erfolgsrate und gehen sowohl mit weniger Morbidität und Komplikationen als auch besserem kosmetischem Endresultat einher.
Bei Patienten nach radikaler Prostatektomie ist die Striktur der vesikourethralen Anastomose eine glücklicherweise seltene, jedoch schwerwiegende Komplikation. Es bestehen keine klaren Richtlinien für das therapeutische Vorgehen. Falls mehrmalige endourologische Eingriffe zu keiner Rezidivfreiheit führen, sollte über ein offenes oder laparoskopisch-chirurgisches Verfahren nachgedacht werden. Die Evidenzlage ist relativ schmal angelegt und zeichnet sich durch lediglich eine eingeschränkte Anzahl an retrospektiven, monozentrischen Studien oder limitierten Fallserien aus. Die Wahl der Therapie muss also umso mehr in Absprache mit dem Patienten und unter Berücksichtigung individueller Präferenzen erfolgen.
Ein erstes Therapieschema zur Behandlung der Anastomosenstrikturen wurde von Giudice et al. [16] vorgeschlagen. Noch knapp passierbare Strikturen wurden, im Gegensatz zu komplett obliterierten, zuerst einer Form der endourologischen Therapie zugeführt, wobei erst nach einem allfälligen, zweiten Rezidiv eine offene Operation erfolgte. Bei den offenen Eingriffen muss man sich der Konsequenzen des Zugangs bewusst sein. In Analogie zu den Harnröhrenrekonstruktionen nach Beckentrauma mit Abriss der Urethra erfolgt der Zugang perineal – wie bei der Anlage einer bulboprostatischen Anastomose. Das narbige Areal muss dabei komplett reseziert und anschliessend eine Reanastomosierung der Harnröhre an den Blasenhals erfolgen. Hierbei muss über den Beckenboden zugegangen werden, und eine Läsion des Sphincter urethrae externus mit konsekutiver, drittgradiger Belastungsinkontinenz ist meist unumgänglich. Obwohl die langfristige Offenheitsrate bei über 90 % liegt, ist die Implantation eine artifiziellen Sphinktersystems die im Verlauf logische und notwendige Konsequenz [42]. Ein artifizieller Sphinkter ermöglicht, nach zwischenzeitlich langer Leidensgeschichte aufgrund der rezidivierenden Strikturen, jedoch die Wiederherstellung eines durchgängigen unteren Harntraktes mit ungestörter und „willkürlich“ gesteuerter Miktion via naturalis. Es sind jedoch auch die Möglichkeit offener abdominaler Zugänge oder laparoskopisch-roboterassistierter Verfahren (intra- und extraperitoneal) beschrieben [23, 26, 37]. Sogar die Verwendung von Mundschleimhaut zur Beseitigung der verengten vesikourethralen Anastomose wurde kürzlich als potenziell neuartiges Verfahren präsentiert [43]. Vor allem die abdominalen, roboterassistierten Verfahren scheinen bezüglich der Inkontinenz ein deutlich besseres Outcome zu erzielen. Diese funktionellen Resultate müssen sich in grösseren Kohorten und prospektiv angelegten Studien aber zuerst noch bewahrheiten. Als letzte Möglichkeit kann den Patienten, quasi als Ultima Ratio, eine der alternativen Formen der Harnableitung angeboten werden (suprapubischer Katheter, Ileumconduit oder katheterisierbarer Nabelpouch).
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F. Schmid, M. Mack und T. Sulser geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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