Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Einleitung
Typ-1-Diabetes (T1D) mellitus ist eine der häufigsten chronischen Stoffwechselerkrankungen im Kindes- und Jugendalter und hat in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. In den verschiedenen Altersgruppen sind wir Pädiater mit unterschiedlichen Herausforderungen in der Betreuung konfrontiert.
Bei der Betreuung von Jugendlichen sind dies vor allem: Verschlechterung der Stoffwechselkontrolle im Rahmen der Pubertät, Essstörungen, Risikoverhalten, Eigenverantwortung übernehmen und sowohl die Loslösung von den Eltern als auch die Transition zu den Erwachsenenmedizinern.
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Die emotionalen Bedürfnisse der Jugendlichen sind anders als die von Kindern, und deshalb ist es in dieser Phase wichtig, auf die speziellen Bedürfnisse von Jugendlichen einzugehen.
Stoffwechselkontrolle
Eine möglichst normoglykämische Stoffwechselkontrolle unter Vermeidung von schweren Hypoglykämien ist das Ziel in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit T1D. In der Pubertät ist es noch wichtiger und schwieriger, dieses Ziel zu erreichen, und das Risiko für die Entwicklung von Spätkomplikationen ist in der Pubertät erhöht. Durch die physiologische Insulinresistenz in der Pubertät kommt es zu einem erhöhten Insulinbedarf, und die Stoffwechselkontrolle ist durch die Insulinresistenz und durch hormonelle Einflüsse oft trotz großer Bemühungen schlecht, was zu Frustration und schlechter Compliance führen kann.
Zusätzlich kann aber die Compliance der Jugendlichen auch durch die physische und psychische Entwicklung generell schlecht sein, besonders bei Jugendlichen, die in der Pubertät an T1D erkranken, da sie die Erkrankung sehr oft nicht akzeptieren können.
Zahlreiche Studien konnten diese Verschlechterung der Stoffwechselkontrolle während der Pubertät zeigen, die bei Mädchen stärker ausgeprägt ist als bei Buben.
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In einem rezenten internationalen Benchmarking wurden der HbA1c-Unterschied und HbA1c-Verlauf von 66.071 Kindern und Jugendlichen mit T1D < 18 Jahren von acht „high-income“-Ländern analysiert. In dieser Studie konnten wir zeigen, dass es trotz großer Unterschiede im Durchschnitts-HbA1c zwischen den Ländern in allen Ländern während der Adoleszenz zu einer deutlichen Verschlechterung der Stoffwechselkontrolle kommt (Abb. 1).
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Eigenverantwortung
Die Adoleszenz ist auch die Zeit, in der die Jugendlichen nach einer oft engen Führung durch die Eltern und die betreuenden Pädiater in der Kindheit und Jugend zunehmend Verantwortung für die eigene Erkrankung übernehmen sollen.
In dieser Zeit ist es besonders wichtig, dass Jugendliche adäquat und altersgerecht geschult werden, um das Selbstmanagement übernehmen zu können.
Verschiedene Studien berichten, dass sich bei Jugendlichen mit T1D die Unterstützung der Eltern im Management der Diabetestherapie positiv auf das Outcome auswirkt. Eine übermäßige Involviertheit der Eltern wirkt sich allerdings negativ auf Stoffwechselkontrolle und das Selbstmanagement aus. Somit ist es für Eltern wichtig, eine Balance zwischen Behüten und Loslassen und zwischen Vertrauen und Kontrolle zu finden.
Die gewonnene Freiheit verleitet oft zu einer erhöhten Risikobereitschaft. In dieser schwierigen Phase können auch psychische Begleiterkrankungen wie Depression oder Essstörungen auftreten und eine fehlende Akzeptanz der Erkrankung zu Noncompliance führen.
Es ist jedoch nicht immer leicht zu entscheiden, wie viel bzw. wenig Eigenverantwortung man dem Einzelnen überlassen kann und darf, und das sollte individuell für jeden Patienten entschieden werden.
Transition
Die Transition ist die Überleitung der Behandlung chronisch kranker Kinder von der Pädiatrie in die Erwachsenenmedizin. Es ist der Übergang von der behüteten Führung in der Pädiatrie zum (weitgehend) eigenverantwortlichen Umgang mit der Erkrankung in der Erwachsenenmedizin. Die Transition ist ein mehrjähriger Prozess und meint nicht nur den bloßen Wechsel (= Transfer) von einem medizinischen Betreuungssystem in ein anderes.
Im Alter von 18–19 (20) Jahren sollten die Patienten an den Erwachsenenmediziner übergeben werden. Die Transition der jungen Erwachsenen findet in einer hochsensiblen Lebensphase statt, die durch viele Veränderungen und Umbrüche geprägt ist. Die Phase der Transition fällt nicht selten mit der Abnabelung von den Eltern und der Berufswahl zusammen. Damit ist häufig einerseits ein Wohnortwechsel verbunden und andererseits eine ganz neue Prioritätensetzung, was dazu führen kann, dass in dieser Phase viele Patienten für einen mehr oder weniger langen Zeitraum aus der Betreuung fallen und ärztliche Hilfe erst in Anspruch nehmen, wenn gesundheitliche Probleme auftreten.
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Diese Loslösung nach vielen Jahren der Betreuung ist für beide Seiten nicht immer leicht, und man sollte diese Transition flexibel, je nach „Reife“ des Jugendlichen, gestalten. Zum Thema Transition gibt es auch eine Empfehlung unserer internationalen Gesellschaft, der International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes (ISPAD).
Die ISPAD-Guidelines betonen, dass es wichtig ist, dass man eine gute, geplante, geordnete Übergabe macht und dass keine „Lücke“ in der Betreuung entsteht. Transitionskliniken sollen eingerichtet werden, und die jungen Erwachsenen sollen an internistische Kliniken, die auf die Bedürfnisse der Jugendlichen eingehen können, überwiesen werden. Eine Verbindung zwischen pädiatrischem und internistischem Zentrum soll bestehen, und das internistische Zentrum soll das „long-term follow-up“ übernehmen (Tab. 1).
Tab. 1
Leitlinienempfehlungen zur Transition von Patienten mit Typ-1-Diabetes (mod. nach [2])
Empfehlung der ISPAD (International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes)
Transitionszeitpunkt besprechen: frühzeitig Gespräche mit den Jugendlichen und deren Eltern über den bestmöglichen Zeitpunkt führen, psychosoziale Reife des Jugendlichen und familiäre Umstände berücksichtigen
Planung dokumentieren: Entwicklung klarer Pläne zum Transitionsprozess, Bereitstellung einer klinischen Zusammenfassung und einer Anamnese inklusive der Stoffwechselparameter sowie einer Übersicht über Komplikationen und Komorbiditäten, die das Management beeinflussen
Gute Kommunikation etablieren: Bereitstellung von schriftlichen Informationen zum Betreuungsplan und Betreuungsprotokoll, Einbeziehung von pädiatrischen und internistischen Diabetologen
Betreuungslücken vermeiden: Es besteht die Gefahr, dass junge Menschen Termine versäumen oder nicht vereinbaren, sich an der neuen Betreuungseinrichtung nicht wohlfühlen und die Verbindung zu einer medizinischen Bezugsperson verlieren
Junge Patienten identifizieren, die Termine nicht wahrnehmen: Mechanismen inklusive Datenbanken etablieren, die Jugendliche, die Kontrolltermine versäumen, identifizieren und finden; jemanden speziell mit dieser Aufgabe betreuen
Langzeit-Follow-up sicherstellen: Erwachseneneinrichtungen sollten aufgrund des hohen Risikos von Personen, die bereits in der Kindheit Diabetes entwickelten, unbedingt eine Langzeitbetreuung und eine Evaluierung des Outcomes gewährleisten
Spezielle Transitionskliniken und internistische Kliniken, die auf die Bedürfnisse der Jugendlichen eingehen und bei denen eine Verbindung zwischen pädiatrischem und internistischem Zentrum besteht, haben sich sehr bewährt.
An der Universitätsklinik Graz wird die Transition der Jugendlichen mit T1D seit acht Jahren im Rahmen einer Transitionsklinik gestaltet, bei der die Patienten in einer gemeinsamen ambulanten Visite von Pädiater und Internist direkt an die Diabetesambulanz der Universitätsklinik für Innere Medizin übergeben werden.
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Im Rahmen einer Diplomarbeit wurden die ersten Ergebnisse der Transitionsklinik analysiert.
In dieser retrospektiven Datenanalyse wurde der Transitionsprozess von Jugendlichen, die im Rahmen ihrer T1D-Erkrankung an der Diabetesambulanz der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde Graz behandelt wurden, von den Jahren 2007–2017 analysiert.
162 Patienten (49 % weiblich, 51 % männlich) wurden in diesem Zeitraum ausgeschleust. Das durchschnittliche Alter bei Transition war 18,8 ± 1,8 Jahre.
In unserer Analyse fanden wir, dass 1/3 der Patienten verloren gegangen ist. Diese Patienten hatten den höchsten Anteil an Akutkomplikationen und hatten die schlechteste Stoffwechselkontrolle vor der Transition (HbA1c 9,2 % vs. 8,3 %). Patienten, die im Rahmen der Transitionsklinik übergeben wurden, hatten eine signifikant kürzere Zeitspanne zwischen letzter Kontrolle an der Kinderklinik und erster Kontrolle an der Inneren Medizin (4,1 versus 8,9 Monate). Eine strukturierte Übergabe im Rahmen einer Transitionsklinik kann somit Probleme verringern.
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Insgesamt gibt es aber auf dem Gebiet der Transition noch viel zu tun, denn nur allzu oft sind die Jugendlichen leider noch immer „Lost in Transition“.
Interessenkonflikt
E. Fröhlich-Reiterer gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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