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Ärzte Woche

19.06.2023 | Tekal

Wortalarm!

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist , Dr. Ronny Tekal, Medizin-Kabarettist, Markus Hechenberger

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Der schwierige Spagat zwischen Aufklärung und Panikmache.

Vergangene Woche wurde an dieser Stelle das Gewicht unserer Worte auf der Goldwaage gemessen. Tatsächlich können bestimmte Wörter in bestimmten Situationen zur Beruhigung oder aber auch zur Panik beitragen. Der Satz nach der Narkose: „Wir konnten Ihr Bein gerade noch retten“ ist eine großartige Nachricht nach einem schweren Unfall, nicht jedoch nach einer Hämorrhoiden-Operation. Klug gewählte Worte lassen sich anhand eines beliebten weißen Altherrenwitzes zeigen. Sie: „Zieh mich mit deinen Worten aus!“. Er: „Da ist eine Spinne in deinem BH!“ Ein schönes Beispiel für die Wirkmacht des Gesagten.

Und wir wissen, wie rasch eine unbedachte, flapsige Aussage in der Ordination rasch mal zu einem Nocebo werden kann. Hier können wir wieder einmal von der Flugbranche lernen, wo es nicht nur eine gute Fehler-, sondern auch eine gute Sprachkultur gibt. Damit ist nicht gemeint, dass Piloten unverständliche … Sätze nuscheln und … Pausen an … Stellen machen, wo … an sich … gar … keine Pausen hingehören. Nein, es geht um den … Inhalt! Bei einer Panne ist die Durchsage „Wir haben ein Triebwerk verloren. Ich melde mich, wenn wir Näheres wissen“ nicht geeignet, Panik zu vermeiden. Stattdessen wird den Passagieren vermittelt, dass der Flieger auch nur mit einem Antrieb landen kann. Die Meldung „um die CO 2 -Bilanz zu verbessern, fliegen wir nun klimaschonend mit nur einem Motor“ kann man sich aber sparen. Manchmal lässt sich auch durch pointierte Durchsagen etwas erreichen. So sagte etwa ein Co-Pilot nach dem Flug von Leipzig nach Köln: „Da unsere Piloten deutlich besser fliegen als fahren, bitten wir Sie, solange angeschnallt zu bleiben, bis die Maschine die endgültige Parkposition erreicht hat.“ Das ist auch für Menschen mit Flugangst eine akzeptable Art, eine Botschaft zu vermitteln.

Als wir vor Jahren in Costa Rica durch den Regenwald spazierten, hat mich meine Frau mit den Worten „Nicht bewegen. Da sitzt ein Skorpion auf deinem Rücken“ gleichermaßen sachlich informiert und in Panik versetzt. Hätte sie nur den ersten Satz gesagt, wäre ich der Empfehlung vermutlich auch nachgekommen. Mit der näheren Erläuterung im zweiten Satz nicht. Dass ich überlebt habe, war vermutlich der Tatsache geschuldet, dass der Skorpion durch mein Rumgehüpfe so amüsiert war, dass er aufs Stechen vergessen hat.

Auch in der Pandemie hat man seitens der offiziellen Stellen immer wieder versucht, Panik zu vermeiden, gleichsam aber auch die Panik am Köcheln zu halten, damit sich ja keine Unpanik ausbreitet. So schwankte man in der Kommunikation zwischen „Alles wird gut“ und „Wir werden alle sterben!“ Oder wie es der damalige designierte Ex-Bundeskanzler formuliert hat: „Bald wird jeder von uns jemanden kennen, der jemanden kennt, dessen Schwager jemanden kennt, der an Corona verstorben ist“.

Und pünktlich zur Urlaubszeit tauchen wieder die Schlagzeilen über die weißen Haie vor Bibione auf. Viel Spaß beim Schwimmen. Ich melde mich, wenn ich Näheres weiß.

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Metadaten
Titel
Wortalarm!
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
19.06.2023
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 26/2023

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