Skip to main content
Ärzte Woche

25.06.2023

Sie benannten Piranha und Jaguar

verfasst von: Martin Krenek-Burger

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Die archaischen Sprachen der Tupí-Guaraní-Familie sind weit verbreitet und mehr als 1.000 Jahre älter als die ersten deutschen Schriftzeugnisse.

Die deutsche Sprache entfaltete sich im Frühmittelalter, im 7. und 8. Jahrhundert n. Chr. Die indigene Tupí-Guaraní-Sprachfamilie Südamerikas reicht weiter zurück. Sie wurzelt tief in der Geschichte. Einer Studie zufolge entstand sie im sechsten vorchristlichen Jahrhundert im Becken des Rio Tapajós und des Rio Xingu, zwei Nebenflüssen des Amazonas in Brasilien.

Tupí-Guaraní zählt rund 40 heute gesprochene Sprachen sowie mindestens weitere neun, die ausgestorben sind. Die Zahl der Sprecherinnen und Sprecher reicht von unter 100, wie bei Amondawa und Juma, bis zu sechs Millionen wie beim paraguayischen Guaraní. Den Tupí-Guaraní-Sprachen verdanken wir Wörter wie „Jaguar“ und „Piranha“. Es gibt nur wenige schriftliche Nachweise. „Die ausgestorbenen Sprachen kennen wir aus vergangenen Jahrhunderten über Lautschriften, die frühere Forscher notiert haben“, berichtet Studienautor Dr. Fabrício Ferraz Gerardi.

Wie gelang die zeitliche Datierung?

Das Forscherteam verglich Grundvokabel. Sind etwa die Wörter für „Bein“, „singen“ oder „Fledermaus“ in den untersuchten Sprachen gleich oder zumindest ähnlich? Oder teilen sie keinen gemeinsamen Wortstamm? „In der molekularbiologischen Verwandtschaftsanalyse zum Beispiel von verschiedenen Tier- oder Pflanzenarten werden die jeweiligen Gensequenzen herangezogen. Es wird erhoben, welche Bereiche gleich oder ähnlich sind. Über die allgemeine zufällige Rate von Genveränderungen, die sogenannten Mutationen, lässt sich auch abschätzen, vor wie langer Zeit sich zwei verwandte Arten von einem gemeinsamen Vorfahren abgespalten haben“, erklärt der Computerlinguist Gerardi. Den Mutationen in den Genen bei biologischen Arten entsprechen Lautverschiebungen oder Ersetzungen bei verwandten Sprachen.“

In den diversen Sprachen gibt es Wörter für die Beschreibung spezieller Eigenschaften der im Verbreitungsgebiet entdeckten Keramiken. „Dadurch lässt sich ein zeitlicher und räumlicher Zusammenhang zwischen der Sprache und den archäologischen Funden herstellen. Die Keramiken konnten über die Radiokarbonmethode datiert werden – so haben wir indirekt eine zeitliche Kalibrierung der Sprachenentwicklung“, erklärt Gerardi.

print
DRUCKEN
Metadaten
Titel
Sie benannten Piranha und Jaguar
Publikationsdatum
25.06.2023
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 26/2023

Weitere Artikel der Ausgabe 26/2023