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Ärzte Woche

16.08.2023 | Tekal

Neue Generation, alte Diktion

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist

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Die Jungen wollen gebeten werden, nicht befohlen

Man wird alt, wenn der Jüngste, gerade erst dem Kindergartenalter entwachsen, einen Stellungsbefehl bekommt. Der Schrieb der Ergänzungsabteilung des Bundesheeres ist in ähnlich freundlichen Worten verfasst wie jener, den man mir selbst in den späten 1980er-Jahren zugesandt hat. Sprachlich ausgefeilt dürfte das Lektorat akribisch genau über den Text gegangen sein, um jede Floskel aufkeimender Höflichkeit rauszustreichen. Da braucht man nicht erst anfangen, nach einem Gendersternchen auf der Uniform zu suchen, wenn es darum geht, wo man (und nicht frau) sich gefälligst (und nicht freundlich) zur Musterung (und nicht zum Schnuppertag) einzufinden hat. Nachvollziehbar, denn ein Befehl ist schließlich ein Befehl und keine Diskussionsgrundlage.

Aber ist das noch eine zeitgemäße Art, die Jungen zu motivieren? Wenn man schon der Meinung ist, dass die Welt zu einem besseren Ort wird, wenn man sich die Flinte gegenseitig ins Gesicht hält, statt sie ins Korn zu werfen, dann sollte man diese Begeisterung auch vermitteln und nicht, nach dem Motto: „Das Leben ist kein Pony-, sondern ein Kasernenhof“, die Verbitterung über die Generationen weiterreichen. Immerhin hat man sich in der Erziehung der letzten Jahrzehnte bemüht, den Kindern zu vermitteln, dass Gewalt keine Lösung sei, damit man ihnen später schriftlich von offizieller Stelle mitteilt, dass das gar nicht stimmt.

Doch scheinbar ist man nur wenig daran interessiert, die designierten Wehrmänner zu motivieren. Zu sehr hängt man noch im alten Bild, wo man nicht gefragt wurde, ob man mitmachen möchte – und das auch gar nicht nötig war, denn Wehrdienst war Ehrensache und Zivildienst eine psychische Krankheit.

So finden sich in jenen Institutionen, die die Nase traditionell immer schon besonders hochgetragen haben, bald schon kompanielose Heere, priesterlose Kirchen und arztlose Krankenhäuser. Man ist zu gewohnt, dass Scharen williger Jungmediziner in ihrem Überbrückungsjob als Kellner oder Taxilenker alles liegen und stehen lassen, um endlich den heiß ersehnten Platz in den heiligen Hallen der Medizin einnehmen zu dürfen. Noch lassen sich die jungen Rekruten im Gladiatorenkampf um einen Studienplatz formidabel einschüchtern, so wie früher. Doch im laufenden Gesundheitsbetrieb, wo die Nachfrage das Angebot überschreitet, sieht das schon anders aus. Und war meine Generation X noch gewohnt, vom Dienstgeber streng patriarchalisch behandelt zu werden und den ausbildenden Drill-Sergeants dankbar für jede Schelte, so ziehen Millenials, und vor allem die Generation Z, an andere Orte, wo es weniger ruppig zugeht. Das wird ihnen zwar mancherorts als mangelnde Solidarität angekreidet, aber von der Unlust, sich ausbeuten zu lassen, könnten sich die Älteren eine schöne Scheibe abschneiden.

Langsam packt man also die krankmachende Peitsche für Pflege und Ärzteschaft in den Schrank und holt das Zuckerbrot hervor. Davon bekommt man langfristig auch Diabetes, aber es macht mehr Freude.

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Metadaten
Titel
Neue Generation, alte Diktion
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
16.08.2023
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 34/2023

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