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Erschienen in: ProCare 5/2023

01.06.2023 | ONKOLOGIEPFLEGE

Schwerpunkt AHOP-Frühjahrstagung

verfasst von: Claudia Kasamas, MSc, Prof. Dr.phil. Andrea Kobleder, Svetlana Geyrhofer, BA, DGKP, LfGuK

Erschienen in: ProCare | Ausgabe 5/2023

Pflegen durch Cremen

Haut- und Nagelpflege einfach und effektiv anwenden

Eine antitumorale Behandlung mittels Monoklonalen Antikörpern, zum Beispiel dem EGFR Inhibitor Cetuximab, kann unter anderem Haut- und Nagelveränderungen verursachen. Diese werden von Patientinnen und Patienten als sehr belastend wahrgenommen. Bedingt durch die Haut- und Nagelveränderungen kommt es zu einer Körperbildveränderung, ebenso können Einschränkungen im Alltag damit einhergehen. Das Auftreten der Haut- und Nagelveränderungen verläuft phasengerecht, wobei es jedoch Phasen gibt, in denen die Patientinnen und Patienten frei von Symptomen sind oder Veränderungen schubhaft wieder auftreten können.
Der Leitspruch der AHOP-Frühjahrstagung 2023 lautete „Neue Wege suchen“ und kann auf die Tätigkeit als Cancer Nurse übertragen werden. Als Pflegeperson mit vertieftem Fachwissen in der onkologischen Pflege, sowie langjähriger Berufserfahrung gehe und suche ich mit meinen Patientinnen und Patienten stets neue Wege. Oft begleite, informiere, schule und berate ich sie durch ihren gesamten Behandlungsweg und auch im palliativen Setting. Prävention durch Edukation ist hierbei ein essenzielles Thema und das tägliche Werkzeug.
Die Patientinnen und Patienten trifft die Cancer Nurse in unterschiedlichen Phasen der Behandlung mit dem EGFR Inhibitor Cetuximab an. Die klinische Beurteilung des Hautzustandes vor Therapiebeginn und eine anschließende Informationsweitergabe geeigneter Pflegeprodukte der Haut und Nägel ist bedeutsam. Das Wissen des Zeitraums, in dem Haut- und Nagelveränderungen auftreten können und wie sich diese darstellen, hilft Überforderung zu vermeiden. Patientinnen und Patienten sind vorbereitet, wissen wie sie selbst agieren und wann sie sich professionelle Unterstützung holen sollen. Sie fühlen sich nicht ausgeliefert, sind bestens informiert und vorbereitet. Weiters trägt präventive Patientenedukation durch Erläuterung der Ursache für das Auftreten von Haut- und Nagelveränderungen, zu einem besseren Verständnis und zur Therapieadhärenz bei. Therapieabbrüche und stationäre Aufnahmen können vermieden bzw. reduziert werden. Das Thema Körperbildveränderung wird frühzeitig thematisiert und durch geeignete Haut- und Nagelpflegeprodukte kann die Lebensqualität verbessert werden, z.B. wenn nachts kein Juckreiz mehr besteht und der Patient erholsam schlafen kann.

Unerwünschte Hautreaktionen

Zu den unerwünschten Hautreaktionen zählen
  • _ das akneiforme Exanthem — „Rash“
  • _ Juckreiz
  • _ Hauttrockenheit
  • _ Fissuren/akrale Rhagaden
  • _ sowie Photosensitivität und
  • _ Hyperpigmentierung.
Etwa zwei Wochen nach Therapiebeginn kann es zum Auftreten eines akneiformen Exanthems kommen. Hierbei unterscheiden sich zwei Arten — papulopustulöses oder makulopapulöses Exanthem. Bei einem papulopustulösen Exanthem kommt es zu einem Ausbruch von Papeln und Pusteln im Gesicht, auf der Kopfhaut, am Hals, hinter den Ohren, am Dekolleté und am Rücken, d.h. überall dort, wo Talgdrüsen vorkommen und an Sonnenlicht exponierten Hautbereichen. Das makulopapulöse Exanthem stellt sich durch Flecken und Papeln vor allem am Oberkörper dar und kann mit Juckreiz verbunden sein. Bildlich betrachtet, entspricht es einem masernartigen Ausschlag. Diese Hautveränderung ist reversibel und es kann zu einem Rückgang unter der laufenden Therapie kommen. Nach Therapiebeendigung, nach vier bis sechs Wochen, kommt es zu einem vollständigen Abklingen ohne Narben.
Im Rahmen der Patientenedukation werden den Patientinnen und Patienten pH-neutrale, feuchtigkeitsspendende Pflegeprodukte ohne Duftstoffe, aber mit Urea empfohlen. Ein vorsichtiges Abtrocknen im Sinne von Abtupfen nach dem Duschen mit lauwarmem Wasser ist empfehlenswert, sowie ein regelmäßiger Handtuchwechsel. Das Tragen von luftdurchlässiger, locker sitzender Kleidung aus Baumwollfaser und/oder Seide reduziert das Schwitzen und verhindert übermäßigen Wärmestau. Patienten wird vorsichtiges Rasieren empfohlen und der Hinweis gegeben, kein Aftershave zu verwenden, da dieses die Haut zusätzlich reizen könnte. Eine Sonnenlichtexposition sollte möglichst vermieden werden, auf jeden Fall sollte eine Sonnenschutzcreme mit hohem Lichtschutzfaktor aufgetragen werden.
Pruritus (Juckreiz) kann jederzeit unter der Behandlung mit monoklonalen Antikörpern auftreten und mit Hauttrockenheit einhergehen. Im Anschluss an die Hautreinigung empfiehlt sich das Auftragen von rückfettenden, ph-neutralen Lotionen ohne Duftstoffe und Alkohol. Das Lagern der Pflegeprodukte im Kühlschrank und Auftragen der dadurch kühlen Lotionen ist eine weitere Maßnahme, Juckreiz zu lindern. Kühle, feuchte Umschläge und Coolpacks haben sich ebenso bewährt. Die Haare sollten lauwarm beziehungsweise kalt geföhnt werden, um eine zusätzliche Hautreizung zu vermeiden. Bei Haarverlust sollten Betroffene an das Auftragen von rückfettenden Lotionen auf die kahle Kopfhaut denken. Ein Aussetzen der UV-Strahlung sollte möglichst vermieden werden, wenn dies nicht möglich ist, sind entsprechende Produkte mit hohem Lichtschutzfaktor anzuwenden.
Hauttrockenheit (Xerodermie) kann einige Wochen nach Therapiebeginn auftreten und klingt innerhalb von vier Wochen nach Therapiebeendigung ab. Xerodermie stellt sich als aufgerautes, schuppendes, sprödes Hautbild dar. Der betroffenen Haut fehlt es an Elastizität und die Hauttextur ist dünn und pergamentartig. Davon betroffen sind vor allem die Extremitäten und die Hände. Es kann eventuell zu einem chronischen Austrocknungsekzem führen. Die Hauttrockenheit ist oft kombiniert mit Fissuren, Entzündungen und Juckreiz. Ergänzend zu den oben genannten Pflegemaßnahmen, ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr von 1,5 bis 2,0 Liter pro Tag empfehlenswert, um der Hauttrockenheit entgegenzuwirken.
Fissuren/akrale Rhagaden sind schmale, spaltförmige Einrisse durch alle Hautschichten, eventuell bis in die Subkutis reichend. Diese Hautveränderung entwickelt sich etwa zehn bis zwölf Wochen nach Therapiebeginn und klingt innerhalb von vier Wochen nach Therapiebeendigung ab. Häufig treten Fissuren an den Fingerkuppen, aber auch an den Fersen auf. Dies geht oft mit einer Einschränkung im Alltag einher, da jeder Handgriff und jeder Schritt schmerzen kann. Linderung können die Verwendung von Sprühpflastern und Hydrokolloid-Verbänden bringen. Letztere dürfen nur angewendet werden, wenn keine Infektion besteht, und können mehrere Tage belassen werden. Dickes, großzügiges Auftragen von rückfettenden Pflegecremen oder Wund- und Heilsalben abends auf die betroffenen Stellen und das Anziehen von Baumwollhandschuhen beziehungsweise -Socken erweist sich als effektiv. Ein zuvor durchgeführtes lauwarmes Hand- und/oder Fußbad ermöglicht durch die Hautaufweichung ein besseres Einziehen der Pflegeprodukte. Vom Tragen enger Schuhe ist abzuraten, hingegen ist das Tragen von Schutzhandschuhen bei Haushaltstätigkeiten beziehungsweise Gartenarbeit empfehlenswert.
„Patientenedukation ist für die gesamte Therapiedauer essenziell und es bedarf einer ständigen Evaluation der gesetzten Maßnahmen.“
Photosensitivität und Hyperpigmentierung setzt etwa drei bis acht Wochen nach Therapiebeginn ein, oft ist ein spontanes Verblassen möglich. Mit einem Abklingen ist erst Monate oder Jahre nach Therapiebeendigung zu rechnen. Bei der Hyperpigmentierung handelt es sich um eine Störung, die durch übermäßige Pigmentablagerung gekennzeichnet ist und sich in einer Verdunklung der Haut manifestiert. Diese kann sich lokalisiert oder generalisiert darstellen und sowohl an der Haut, den Schleimhäuten und den Nägeln auftreten. Diese Pigmentveränderungen sind oft harmlos und benötigen keiner Therapie. Eine Sonnenlichtexposition kann die Hyperpigmentierung verstärken und sollte gemieden werden. Ist dies nicht möglich, so ist es ratsam, eine Sonnenschutzcreme mit hohem Lichtschutzfaktor anzuwenden. Das Tragen einer Kopfbedeckung und dicht gewebter Kleidung ist empfehlenswert, um vor übermäßiger Sonnenstrahlung zu schützen.
Ergänzend zu den erwähnten Hautreaktionen können ebenso Nagelveränderungen auftreten. Hierbei kann es zu einer Nagelwallentzündung (Paronychie), brüchigen Nägeln (Onychoklasie) und/oder zu einer Ablösung der Nagelplatte vom Nagelblatt (Onycholyse) kommen. Es ist bedeutsam, Patientinnen und Patienten darauf hinzuweisen, dass diese Nagelveränderungen reversibel sind und die Nägel nach Therapieende wieder wachsen und stabiler werden.
Eine Nagelwallentzündung ist primär nicht infektiös und ähnelt einem eingewachsenen Nagel. Sie stellt sich zuerst als schmerzhafte Rötung des Nagelfalzes dar und im weiteren Verlauf können sich Granulome bilden, häufig betroffen ist der Großzehennagel. Superinfektionen mit Eiterbildung sind möglich und bedürfen einer ärztlichen Behandlung. Diese Nagelveränderung tritt etwa acht Wochen nach Therapiebeginn auf und es kommt zu einer vollständigen Abheilung nach Therapieabschluss. Im Rahmen der Patientenedukation werden Patientinnen und Patienten u.a. informiert, einengende Schuhe und Socken zu meiden, sowie das Barfußgehen, um die Verletzungsgefahr zu reduzieren.
Die Nägel sollten gerade geschnitten beziehungsweise gefeilt werden, dabei gilt es, die Ecken nicht abzurunden. Die Verwendung einer Glasfeile oder hölzernen Einweg-Nagelfeile ist einer Metallfeile vorzuziehen, da diese weniger rau sind und die empfindlichen Nägel weniger reizen. Als wirkungsvoll erweist sich vor dem Feilen ein etwa fünfminütiges lauwarmes Hand- und/oder Fußbad, um die Nägel aufzuweichen und das Feilen sanfter zu gestalten. Die Nägel sollten dabei von unten nach oben gefeilt, sowie stets immer in die gleiche Richtung gearbeitet werden, ein Hin- und Herfeilen begünstigt das Reißen der Nägel. Die Nagelhaut sollte nicht allzu sehr zurückgeschoben und nicht abgerissen werden. Die Nägel und der Nagelfalz sollen täglich gesäubert und gecremt werden. Eine podologische Maniküre beziehungsweise Pediküre kann in Erwägung gezogen werden und vorbestehende Nagelerkrankungen, wie Nagelpilz, sollten fachgerecht saniert werden.
Eine Störung des Wachstums an der Nagelwurzel führt zu brüchigen Nägel. Diese Veränderung tritt erst einige Monate nach Therapiebeginn auf und klingt einige Monate nach Therapiebeendigung ab. Für Patientinnen und Patienten stellt dies oft ein belastendes, kosmetisches Problem dar und kann zu Einschränkungen beziehungsweise Behinderungen im Alltag führen. Nägel reißen ein, spalten sich auf, splittern längsfasrig ein oder blättern vom Rand her ab. Vor der Pflege dieser empfindlichen Nägel empfiehlt sich, ein lauwarmes Fuß- und/oder Handbad zu machen, anschließend werden die Nägel vorsichtig gefeilt und abschließend rückfettende Cremen, mit Urea zum Beispiel, oder Nagelöl vorsichtig einmassiert. Ergänzend ist das Tragen von Baumwollhandschuhen beziehungsweise -Socken über Nacht empfehlenswert. Das Auftragen eines Nagelhärters nach der Reinigung stärkt die brüchigen Nägel. Das Auftragen von Kunstnägeln hingegen ist nicht empfehlenswert, da die Klebstoffe Hautreizungen auslösen können, bestehende Kunstnägel sollten Betroffene auswachsen lassen. Des Weiteren sollte kein einengendes Schuhwerk getragen werden. Bei brüchigen Nägeln auch eine podologische Maniküre beziehungsweise Pediküre in Erwägung ziehen.
Der Verlust des gesamten oder eines Teils eines Nagels stellt für Patientinnen und Patienten ein noch mehr belastendes kosmetisches Problem dar und führt zu Einschränkungen beziehungsweise Behinderungen im Alltag. Diese Reaktion tritt erst einige Monate nach Therapiebeginn auf und klingt einige Monate nach Therapiebeendigung ab. Im Rahmen der Patientenedukation werden mit den Patientinnen und Patienten Maßnahmen besprochen, wie jener der brüchigen Nägel und Nagelwall- Entzündungen.

Zusammenfassung

Patientenedukation ist für die gesamte Therapiedauer essenziell und die gesetzten Maßnahmen müssen immer wieder evaluiert werden. Onkologische Pflegepersonen mit vertieftem Fachwissen, sogenannte Cancer Nurses sind vermehrt einzusetzen, um Patientinnen und Patienten durch den gesamten Behandlungsablauf fachlich adäquat informieren, schulen und beraten zu können. Cancer Nurses arbeiten in einem multiprofessionellen Team und ziehen Ärztinnen und Ärzte in die Behandlung von Hautund Nagelveränderungen mit ein, wenn pflegerische Interventionen nicht ausreichend sind, zum Beispiel wenn infektiöse Nagelwallentzündungen vorliegen oder bei massivem Juckreiz oder ausgeprägtem Rash.

Schnell und verlässlich zu neuem Wissen

Durch den Dschungel evidenzbasierter Informationen

Der Bestand an (pflege-)wissenschaftlicher Literatur wächst von Tag zu Tag, gleichzeitig wird die zur Verfügung stehende Zeit in der klinischen Praxis zusehends knapper. Gesundheitsfachpersonen stehen vor der großen Herausforderung, sich laufend neues Wissen anzueignen, dieses kritisch zu hinterfragen und in ihren beruflichen Alltag zu integrieren. Trotz steigender Personal- und Ressourcenknappheit soll es möglich sein, eine evidenzbasierte Praxis in der Realität umzusetzen.
Um einen Weg dorthin zu finden, ist es sinnvoll, im Vorfeld ein gemeinsames Verständnis des Begriffs der «Evidenz» zu generieren. Evidenz wird häufig gleichgesetzt mit der reinen Anwendung von Forschungswissen. Dies ist allerdings eine viel zu enge Betrachtungsweise, die bereits 2004 in den Forschungsarbeiten rund um das PARIHS-Framework aufgegriffen wurde. Quellen der Evidenz sind demnach nicht nur Erkenntnisse aus der Forschung, sondern ebenso die klinische Expertise, Präferenzen der Patientinnen und Patienten sowie lokale Daten (Rycroft-Malone et al. 2004). Diese vier Wissensquellen werden als gleich wichtig erachtet und sollten bei klinischen Entscheidungsfinden systematisch erfasst und gegeneinander abgewogen werden. Die Erschließung der Wissensquelle Forschung stellt für viele Gesundheitsfachpersonen allerdings eine besondere Herausforderung dar. Gründe dafür sind neben mangelnden zeitlichen Ressourcen vor allem unzureichende Kenntnisse zum Thema Literaturrecherche (Alatawi et al. 2020). Unterstützung bietet hier das Buch «Literaturreviews für Gesundheitsberufe », das acht zentrale Schritte zur Durchführung eines Literaturreviews anhand von Beispielen erklärt (Mayer et al. 2021). Die Orientierung an diesen acht Schritten eignet sich vor allem im Zuge umfassenderer Arbeiten, z.B. im Rahmen einer Bachelorarbeit. Für Fragestellungen in der klinischen Praxis (siehe Beispiel), in der oft weniger Zeitressourcen vorhanden sind, eignet sich eine etwas pragmatischere Vorgehensweise in der Suche nach Literatur.

Fokussierte Studiensuche

Hirt et al. (2022) schlagen die sogenannte fokussierte Studiensuche anhand folgender sechs Schritte vor:
  • _ Fragestellung formulieren
  • _ Entwicklung der Suchstrategie
  • _ Orientierende Suche
  • _ Überprüfung der Suchstrategie
  • _ Systematische Recherche
  • _ Filter anwenden.
Zur Formulierung der Fragestellung eignet sich, das klinische Problem beispielsweise anhand des bekannten Population Intervention Kontrolle Outcome)= PIKO-Schemas aufzusplitten. In unserem Beispiel stellen Erwachsene mit einer onkologischen Erkrankung, die Taxane erhalten, die Population dar. Die Intervention ist die Kompression mittels chirurgischer Handschuhe. Eine Kontrollintervention findet sich im Beispiel nicht. Interessant in der klinischen Praxis wäre, die Kompression mit beispielsweise Kryotherapie zu vergleichen. Als Outcome interessiert uns die Prävalenz von Polyneuropathien.
Der zweite Schritt fokussiert die Entwicklung der Suchstrategie. Relevante Begrifflichkeiten in unserem Beispiel sind u.a. «compression therapy», «peripheral neuropathy», «taxane». Es empfiehlt sich, die Begriffe auf Englisch zu übersetzen, da dies der Funktion der gängigen Fachdatenbanken entspricht.
Im dritten Schritt kann eine erste orientierende Suche auf google scholar durchgeführt werden, die häufig in einer Erweiterung der Begrifflichkeiten resultiert.
Danach geht es an die Feinjustierung der Suchstrategie im vierten Schritt. Hier kann empfohlen werden, sich mit einer anderen Person, die eine methodische und/oder thematische Expertise aufweist, auszutauschen und den Suchstrang gemeinsam zu diskutieren.
„Gesundheitsfachpersonen stehen vor der großen Herausforderung, sich laufend neues Wissen anzueignen, dieses kritisch zu hinterfragen und in ihren beruflichen Alltag zu integrieren.“
Im fünften Schritt erfolgt die eigentliche Suche in Leitlinien- und Fachdatenbanken. Zu den am häufigsten verwendeten Leitliniendatenbanken zählen jene der AWMF, NICE oder SIGN. Häufig konsultiere Fachdatenbanken sind MEDLINE/PubMed, die Cochrane Library, CINAHL oder PsycINFO.
Führt die Suche zu einer sehr großen Anzahl an Treffern, könnten in einem sechsten Schritt noch Filter angewendet werden. Wenn vorhanden, sind Leitlinien und systematische Übersichtsarbeiten den Einzelstudien vorzuziehen, da diese Arbeiten bereits eine Zusammenfassung des bestehenden Wissenskorpus zu einem Thema darstellen, oftmals inklusive einer Bewertung der eingeschlossenen Literatur sowie Empfehlungen für die klinische Praxis (Hirt et al., 2022).
In unserer beispielhaften klinischen Problemstellung konnten mit Hilfe der fokussierten Studiensuche zwei Studien identifiziert werden: Kanbayashi, Y et al. (2020) und Tsuyuki, S et al. (2016). Die Erkenntnisse aus diesen beiden Studien müssen nun wieder den eingangs erwähnten weiteren Wissensquellen gegenübergestellt werden: der klinischen Expertise, den Präferenzen der Patientinnen und Patienten sowie den lokalen Daten, bevor eine klinische Entscheidung getroffen werden kann.

Zusammenfassung

Die fokussierte Studiensuche wie sie von Hirt et al. (2022) vorgeschlagen wird, kann eine sehr zielführende Methode sein, mit wenig Zeitressourcen erfolgreich nach aktuellen Studien zu suchen. Ob sich die klinische Routine-Praxis aufgrund der neu gewonnenen (Forschungs-)Erkenntnisse ändert, muss kritisch im interprofessionellen Betreuungsteam diskutiert werden.

Beispielhafte klinische Problemstellung:

Sie arbeiten als diplomierte Pflegeperson in einem gynäkologischem Tumorzentrum. Die Beratung von Patientinnen zum Nebenwirkungsmanagement der Tumortherapie ist dabei ein zentraler Bestandteil Ihrer Tätigkeit. Taxan-bedingte Polyneuropathien sind keine Seltenheit bei ihrer Patientengruppe. Eine Team-Kollegin berichtet, sie habe gehört, dass das Tragen von chirurgischen Handschuhen helfen könnte. Sie haben bislang davon noch nichts gehört und möchten dem Thema nachgehen.

Neue Wege in der Schmerztherapie

Voraussetzungen und Hindernisse für die Umsetzung

Vieles ist seit dem Inkrafttreten des Gesundheitsund Krankenpflegegesetzes (GuKG) 1997 und der GuKG-Novelle 2016 im Schmerzmanagement möglich. Seit damals sollten diese neuen Wege schon umgesetzt sein, aber das pflegerische Schmerzmanagement bleibt bis heute weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Es bedarf bestimmter Voraussetzungen für diese neuen Wege in der Schmerztherapie — und es gibt nach wie vor Hindernisse dafür.
Um neue Wege in der Schmerztherapie gehen zu können, ist das Wissen um die pflegerischen Kernkompetenzen der diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegerpersonen (DGKP) Voraussetzung. Die professionelle Pflege ist in Österreich trotz umfassender Gesetzesnovellen in der Praxis immer noch in erster Linie als Assistenz eingesetzt. Die Tätigkeiten umfassen Routineabläufe wie Übernahme ärztlicher Tätigkeiten und Durchführung der Körperpflege. Im Gespräch mit DGKP werden weitere Tätigkeiten zwar benannt, jedoch nicht bewusst umgesetzt. Der Fokus der Schmerztherapie liegt vielerorts immer noch in der Verordnung von Arzneimitteln, der multimodale Ansatz ist zwar vereinzelt zu finden, flächendeckend herrscht jedoch die Meinung, dass Schmerztherapie Sache der Ärzteschaft sei. Die professionelle Pflege, wie es die DGKP sind, wird im multimodalen Schmerzmanagement — wenn überhaupt — in erster Linie als Assistenz erwähnt. Dass Pflege Schmerzmanagement steuert, ist in der Praxis noch immer nicht bewusst. Nach wie vor wird unter den DGKP angenommen, die Pflege sei gegenüber der Ärzteschaft weisungsgebunden, was seit dem GuKG 1997 nicht mehr der Fall ist.

Gesetzliche Regelungen 1997 und 2016

Mit 1997 trat in Österreich das GuKG in Kraft. Nicht nur die Berufsbezeichnung hat sich damals geändert, sondern eine Reihe von Tätigkeiten sind neu definiert worden, die es so davor noch nicht gab. Die vielleicht wichtigste Aufgabe war hier der Pflegeprozess, der eine komplette Veränderung der Rolle einer DGKP herbeigeführt hat. Aus dem Abarbeiten von Routinetätigkeiten wurde die Fallarbeit eingeführt: Es ging nicht mehr darum, einzelne Tätigkeiten bei Patientinnen und Patienten auszuführen, sondern diese als „Fall“ in ihrer Gesamtheit zu sehen und sie individuell, an ihren Bedürfnissen orientiert, zu behandeln. Dies geschieht mit dem Erstellen von Pflegediagnosen und der entsprechend abgeleiteten Pflegetherapie. Diese neuen Kompetenzen erforderten schon damals eine hochschulische Ausbildung, die jedoch erst 2008 erstmalig durchgeführt wurde. Dadurch entstand eine fast elfjährige Lücke, wo die Pflegediagnostik nicht richtig gelehrt wurde und sich in der Praxis daraus ein Schreibprozess entwickelte (Schrems, 2020, S. 9). Der Pflegeprozess ist jedoch kein Dokumentationstool, sondern ein Diagnostiktool. Voraussetzung ist, mit den Patientinnen und Patienten über ihre Pflegediagnose zu sprechen und die Maßnahmen gemeinsam zu entscheiden. (Geyrhofer, 2020, S. 22ff).
Sprach man im GuKG 1997 noch von „Mitwirkung an der Rehabilitation“, wurde 2016 eine eigenständige Tätigkeit daraus, die DGKP trägt nunmehr auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse durch präventive, kurative, rehabilitative und palliative Kompetenzen zur Unterstützung des Heilungsprozesses und der Bewältigung von gesundheitlicher Beeinträchtigung sowie zur Aufrechterhaltung der höchstmöglichen Lebensqualität aus pflegerischer Sicht bei (Weiss/Lust, 2020). Neu hinzugekommen ist die Aufrechterhaltung der Behandlungskontinuität, die gerade im Nebenwirkungsmanagement der multimodalen Schmerztherapie eine große Rolle spielt. Werden Nebenwirkungen von Beginn an präventiv vermieden oder zeitgerecht gelindert, werden Therapieabbrüche durch die Patientinnen und Patienten verringert.
Zusätzlich spricht man im GuKG 2016 nunmehr von Pflegeinterventionen und nicht mehr nur von Maßnahmen. Somit kommt das dem Begriff Pflegetherapie gleich. Pflege ist eine therapeutische Berufsgruppe. Seit 2016 wird hier die Beratungskompetenz der Gesundheits- und Krankenpflege hervorgehoben, die 1997 noch als Information über Krankheitsvorbeugung definiert war. Die Beratungskompetenz kann mittlerweile im Rahmen eines Masterstudiums erworben werden. Beratung gleicht einem ergebnisoffenen Prozess, bei dem eine bedarfsgerechte Lösung gemeinsam mit den Betroffenen erarbeitet wird (Titzer, Hacker, Sobodenka, 2021, S. 76). Diese Kompetenz wird bis heute in der pflegerischen Praxis grob vernachlässigt. Gerade Schmerzpatientinnen und -patienten sind auf professionelle Beratung durch die DGKP angewiesen. Fehlt die Beratung, sind Menschen mit Schmerzen unterversorgt.

Akademisierung

Durch den Bologna Prozess 1999 wurden die Ausbildungen der Gesundheitsberufe in der EU vereinheitlicht. Ziel war, die Bildungsabschlüsse im europäischen Hochschulraum anzugleichen und die Vergleichbarkeit herzustellen, um eine europaweite Mobilität zu ermöglichen. Die Akademisierung trägt nachweislich zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung bei und fördert die internationale Forschungs- und Bildungstradition (Probst, 2022, S. 233).
Gerade die 2016 erweiterten pflegerischen Kernkompetenzen wie Beratung, Gesundheitsförderung, Komplementäre Pflege, Gesprächsführung und psychosoziale Betreuung, aber auch das Erstellen von Pflegegutachten erfordern eine Ausbildung auf akademischem Niveau. Obwohl die Akademisierung 1999 von den EU-Bildungsministerinnen und -ministern beschlossen wurde und somit von der EU vorgegeben ist, wird hierzulande immer noch darüber diskutiert, ob denn eine Akademisierung der professionellen Pflege wirklich notwendig ist. Allein, dass es immer noch diskutiert wird, zeigt schon, wie notwendig sie ist. Es sollte einleuchten, dass es bei einer Kompetenzerweiterung auch zu einer Veränderung der Grundausbildung kommen muss. Das Verständnis um die Profession bzw. Professionalität und um die Kernkompetenzen wird mit einer derartigen Diskussion in Frage gestellt. Das kann nur zum Schluss führen, dass die pflegerischen Kernkompetenzen in der Praxis weder gekannt noch umgesetzt werden. Sonst würde sich so eine Diskussion gar nicht erst ergeben.
Österreich beschreitet derzeit eher alte als neue Wege, weil 2023 immer noch die „alte“ Ausbildung angeboten wird. Das ist aus vielerlei Gründen entschieden abzulehnen und kann auch nicht mit gutem Gewissen jungen, motivierten Menschen empfohlen werden. Bei Absolvierung der alten Ausbildung ohne Hochschulabschluss gibt es mehrere Nachteile: Absolventinnen und Absolventen der „alten“ Ausbildung müssen danach fast zwei bis zweieinhalbl Jahre an einer FH „nachholen“, um die gleichen Chancen der Weiterentwicklung zu erhalten wie Bachelorabsolventinnen und -absolventen.
„Werden Nebenwirkungen von Beginn an vermieden oder zeitgerecht gelindert, werden Therapieabbrüche durch die Patientinnen und Patienten verringert.“
Strebt man die Tätigkeit als Sachverständiger oder Sachverständige in der Pflege an, setzt dies eine zehnjährige Berufserfahrung ohne Hochschulabschluss voraus, aber nur eine fünfjährige Berufserfahrung mit Hochschulabschluss. Das sind nur zwei von vielen Nachteilen.
Weitere Mythen führen dazu, dass die DGKP durch das fehlende Fachverständnis ihre Professionalität einbüßt. So wird z.B. immer wieder behauptet, dass die 2016 neu eingeführte Pflegefachassistenz (PFA) die DGKP „ersetzen“ kann. Das ist gleich mehrfach falsch. Zum einen dauert die PFA-Ausbildung zwei Jahre und kann nicht mit einem dreijährigen Studium verglichen werden, zum anderen sind die pflegerischen Kernkompetenzen völlig unterschiedlich. Eine PFA darf nicht selbstständig über pflegerische Tätigkeiten entscheiden, z.B. kann sie nicht komplementäre Pflege bei Schmerzen verordnen, sondern diese nur nach Anordnung durchführen. Allein, dass es offenbar DGKP gibt, die solche Meinungen in der Praxis vertreten, verhindert neue Wege in der Schmerztherapie. Kompetenzerweiterungen der PFA betreffen immer nur die Übernahme der ärztlichen Tätigkeiten, nicht jedoch die pflegerischen Kernkompetenzen der DGKP! PFA haben keine Diagnostikkompetenz, das wird gerade bei der Einzelfallmedikation (sogenannte „Bedarfsmedikation“) im Schmerzmanagement klar. PFA dürfen seit der GuKG-Novelle 2022 auch Opioide subkutan verabreichen. Als Einzelfallmedikation ist jedoch die klinische Diagnostik durch die DGKP erforderlich, somit ergibt es keinen Sinn, die Verabreichung an die PFA zu delegieren, weil die DGKP sich zuerst ein Bild von den Patientinnen und Patienten machen muss, ob die Einzelfallmedikation überhaupt indiziert ist.
„Österreich beschreitet derzeit eher alte als neue Wege, weil 2023 immer noch die „alte“ Ausbildung angeboten wird.“

Neue Wege gehen

Neue Wege in der Schmerztherapie können nur beschritten werden, wenn sich die DGKP ihrer pflegerischen Kernkompetenzen bewusst ist. Physiotherapeutinnen und -therapeuten dürfen z.B. keine Diagnosen stellen und ohne ärztliche Verordnung keine Patientinnen und Patienten behandeln. DGKP dürfen eigenständig Patientinnen und Patienten behandeln und stellen Pflegediagnosen! Es benötigt ein hohes Fachwissen, um die Schmerzintensität mittels der derzeit gültigen Schmerzerfassungsinstrumenten zu erheben. Nur zu fragen, wie stark der Schmerz verspürt wird, genügt nicht.
Ein professionelles Screening und Pflegeassessment entscheidet über die weitere Therapie. Nicht immer ist ein Medikament indiziert. Die ärztliche Therapie wirkt sich auf die Pflegetherapie aus. Schmerzgeplagte Patientinnen und Patienten haben viele Nebenwirkungen, sind weniger mobil, dadurch müssen mehr pflegerische prophylaktische Maßnahmen durchgeführt werden (Dekubitus, Pneumonie, Thrombose). Patientinnen und Patienten mit Nebenwirkungen sind pflegeaufwendiger, so muss bei Müdigkeit/Schwindel am Morgen der gesamte Pflegeablauf umgeplant werden. Bei Übelkeit und Erbrechen kann kein Frühstück eingenommen bzw. müssen orale Medikamente umgestellt werden. Deshalb darf sich die Pflege in die ärztliche Therapie einmischen, sie hat nach § 16 GuKG ein Vorschlagsrecht. Pflegetherapeutinnen und -therapeuten müssen sich einmischen, wenn es darum geht, rechtliche und ethische Aspekte im Schmerzmanagement umzusetzen. Sie dürfen nicht zuschauen, wenn Patientinnen und Patienten keine adäquate Schmertherapie erhalten (aufgrund von Strukturmängeln oder Wissensdefiziten).

Multimodale Schmerztherapie

Schmerztherapie ist immer multimodal. Multimodal bedeutet, viele verschiedene Therapien aller therapeutischen Gesundheitsberufe werden gleichzeitig durchgeführt. Die multimodale Schmerztherapie wird häufig graphisch dargestellt und fast immer fehlt die therapeutische Pflege. Die Gesellschaft für Schmerzmanagement der Gesundheits- und Krankenpflege (GeSGuK) hat 2022 ein Positionspapier „Pain Nurse“ erstellt, wo die Pflege im multimodalen Schmerzmanagement abgebildet ist (abrufbar unter www.gesguk.at).
Die Deutsche Schmerzgesellschaft hat ein Konsensuspapier der Ad-hoc-Kommission Multimodale Schmerztherapie zu den Behandlungsinhalten herausgegeben. Darin finden sich drei Tabellen, die die jeweiligen Aufgaben der therapeutischen Berufsgruppen auflisten: Ärztliche Therapie, Psychologische Interventionen und Physiotherapie (Arnold, Brinkschmidt, et. al., 2014, S. 463ff). Auf die pflegetherapeutischen Interventionen wurde hier völlig vergessen oder es war der Kommission nicht bewusst, dass die Pflege auch eine therapeutische Berufsgruppe ist. Die vierte Tabelle soll hiermit ergänzt werden (Tab. 4).
TABELLE 4*
PFLEGETHERAPEUTISCHE INTERVENTIONEN
Problembereich
Ziel
Methode
Fehlendes Wissen zur Schmerzerfassung und Schmerzwahrnehmung
Schmerz kann mittels geeigneter Schmerzer-fassungsinstrumente geäußert werden, Vereinbarung eines individuellen Referenzwertes
Schulung mittels Gespräch und Infofolder auf die verschiedenen Möglichkeiten der Schmerzerfassung und Konsequenzen daraus
Zusammenhänge von Schmerz und Emotion/Gefühl nicht klar
Schmerz als biopsychosoziales Phänomen erkennen und die eigene familiäre/ berufliche Situation benennen können
Edukation/Beratung/Biografiearbeit
Fokussierung auf monotherapeutischen Ansatz, komplementäre Maßnahmen sind nicht bekannt
Komplementäre pflegetherapeutische Maßnahmen werden individuell angewendet
Edukation und Schulung sowie Beratung der Möglichkeiten, multimodale Schmerztherapie anzuwenden Beratung über komplementäre Pflegetherapie
Medikamentenbedingte Nebenwirkungen treten auf
Prävention/Prophylaxe von Nebenwirkungen bzw. unterstützende Maßnahmen bei Auftreten von Nebenwirkungen
Beratung der Möglichkeiten, Nebenwirkungen vorzubeugen bzw. nicht medikamentös zu lindern
Co-Abhängigkeit der Angehörigen, Schmerzverstärkung durch vermehrte Fürsorge in der Familie
Angehörige dazu befähigen, die Betroffenen in ihrem Selbstmanagement zu unterstützen
Edukation der Angehörige, wie sie unterstützend und motivierend einwirken und selbst die Co-Abhängigkeit vermeiden können
Fokussierung auf Defizite (was geht nicht mehr), eigene Ressourcen sind nicht bekannt bzw. können nicht benannt werden
Befähigung, eigene Ressourcen zu erkennen und zu fördern
Ressourcen mittels Anamnese und klinischer Diagnostik erheben, Pflegediagnose stellen, Ressourcenfördernde Maßnahmen gemeinsam mit den Betroffenen planen
Medikamentöse Therapie wird nicht entsprechend der Verordnung genommen („bei Bedarf“) bzw. wegen Nebenwirkungen abgebrochen
Behandlungskontinuität gewährleisten, Abbruch der medikamentösen Therapie vermeiden
Schulung über die korrekte Einnahme der Medikamente (wann, wie, was bedeutet „bei Bedarf“) und Ängste hinsichtlich bestehender Mythen (Suchtgefahr) minimieren
* Tabelle 1–3 finden sich im Konsensuspapier der Deutschen Schmerzgesellschaft und beinhalten lediglich, ärztliche, psychologische und physiotherapeutische Tätigkeiten. Daher ergänzt hier Tabelle 4 die pflegerischen Interventionen.
Die komplementäre Pflegetherapie ersetzt nicht die ärztliche Therapie. Die ärztliche Therapie ersetzt nicht die komplementäre Pflegetherapie. Beide Therapien sind Voraussetzung für ein gelungenes MULTIMODALES Schmerzmanagement.
Wird die Anwendung der pflegerischen Kernkompetenzen verboten, hindert man die professionelle Pflege an der Ausübung ihrer Berufspflicht. Die bestmögliche Schmerztherapie wird dadurch verhindert. Patientinnen und Patienten haben jedoch nach Artikel 7 der Patientencharta das Recht auf bestmögliche Schmerztherapie. Die Beratung über die Anwendung komplementärer pflegetherapeutischer Maßnahmen muss hier in jedem Fall stattfinden. Es wird empfohlen, in der Pflegedokumentation die Behinderung der Berufspflicht zu dokumentieren.

Zusammenfassung

Voraussetzungen für neue Wege:
  • _ DGKP kennen ihre pflegerischen Kernkompetenzen und fordern die Umsetzung ein.
  • _ DGKP wissen, dass es erhebliche Kompetenzunterschiede zwischen ihnen und den Pflegeassistenzkräften gibt und hüten sich vor der Behauptung, die PFA würde sie ersetzen.
  • _ DGKP glauben nicht alles, was man ihnen sagt, sie recherchieren selbst und tragen so zum evidenzbasierten Faktenwissen bei.
  • _ DGKP kennen ihre Verantwortung und scheuen den Diskurs mit anderen Berufsgruppen nicht.
  • _ DGKP wissen um ihr fachliches, rechtliches und ethisches Verständnis und wenden dieses zielgerichtet an.
  • _ DGKP setzen sich für eine bessere Versorgung von Schmerzpatientinnen und -patienten ein und kennen die aktuellen gültigen Leitlinien und Expertenstandards.
  • _ DGKP wenden ihre komplementären Pflegetherapien an und zeigen auf, wenn es durch strukturelle, personelle und zeitliche Defizite zu Versorgungsmängeln kommt.
„Neue Wege in der Schmerztherapie können nur beschritten werden, wenn sich die DGKP ihrer pflegerischen Kernkompetenzen bewusst ist.“

Ausblick

  • _ DGKP müssen die Weiterverordnungs- Kompetenz für Schmerzmedikamente erhalten. Für rezeptfreie Medikamente muss die Erstverordnungskompetenz dringend eingeführt werden.
  • _ DGKP erhalten eine neue Berufsbezeichnung: „Pflegetherapeutin oder Pflegetherapeut“.
  • _ Erst wenn die Pflege als therapeutische Berufsgruppe gesehen und anerkannt wird, werden die pflegerischen Kernkompetenzen eine Priorität erhalten.

KOMPETENZEN UND ROLLE DER PAIN NURSE

Das Positionspapier „Pain Nurse“ der Gesellschaft für Schmerzmanagement der Gesundheits- und Krankenpflege (GeSGuK) beleuchtet die vielen verschiedenen Aspekte des Schmerzes und zeigt die Rolle der Pflege im Schmerzmanagement mit Fallbeispielen klar auf. Allerdings werden derzeit die tatsächlichen Bedürfnisse von Schmerzpatientinnen und -patienten in der breiten Bevölkerung und die Möglichkeiten der Pflege nicht zusammengeführt. Als Zukunftsvision wird daher der Aufbau eines mobilen Schmerzteams angedacht — geleitet von einer diplomierten Gesundheits- und Pflegeperson, zur Steigerung der professionellen Versorgung im extramuralen Setting, im Einklang mit dem GuKG und zu einer Kostenreduktion des Gesundheitswesens.
Das Pflegesymposium der GeSGuK im kommenden November beschäftigt sich mit aktuellen Fragestellungen rund um das Thema Schmerz und die Rolle der Pflegetherapie im Schmerzmanagement.

Pflegesymposium der GeSGuK

Pain Nurses — Perspektive 2023
Erkenntnisse der Schmerzversorgung umsetzen
11. November 2023
Bildungshaus Schloss Puchberg, Wels
www.gesguk.at

Unsere Produktempfehlungen

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Literatur
Zurück zum Zitat Empfehlungen Dermatologische Reaktionen und unerwünschte Wirkungen unter medikamentöser Antitumortherapie. Präventionen und Interventionen. Hg.: Onkologiepflege Schweiz; 3.Auflage 2022; Autorin: Cornelia Kern Fürer, MAS, BScN, HöFa 1 Onkologie, RN, Pflegeexpertin APN Onkologie. Empfehlungen Dermatologische Reaktionen und unerwünschte Wirkungen unter medikamentöser Antitumortherapie. Präventionen und Interventionen. Hg.: Onkologiepflege Schweiz; 3.Auflage 2022; Autorin: Cornelia Kern Fürer, MAS, BScN, HöFa 1 Onkologie, RN, Pflegeexpertin APN Onkologie.
Zurück zum Zitat S3- Leitlinie Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen. Langversion 1.3-Februar 2020. Hg.: Leitlinienprogramm Onkologie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen und Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF), Deutschen Krebsgesellschaft e.V. (DKG) und Deutschen Krebshilfe (DKH). S3- Leitlinie Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen. Langversion 1.3-Februar 2020. Hg.: Leitlinienprogramm Onkologie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen und Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF), Deutschen Krebsgesellschaft e.V. (DKG) und Deutschen Krebshilfe (DKH).
Zurück zum Zitat Patientenbroschüre: Veränderungen an Haut, Schleimhäuten, Haaren und Nägeln während der Tumortherapie mit Arzneimitteln. Hg.: Onkologiepflege Schweiz; 2.Auflage 2019; Autorin: Cornelia Kern Fürer, MAS, BScN, HöFa 1 Onkologie, RN, Pflegeexpertin APN Onkologie. Patientenbroschüre: Veränderungen an Haut, Schleimhäuten, Haaren und Nägeln während der Tumortherapie mit Arzneimitteln. Hg.: Onkologiepflege Schweiz; 2.Auflage 2019; Autorin: Cornelia Kern Fürer, MAS, BScN, HöFa 1 Onkologie, RN, Pflegeexpertin APN Onkologie.
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Zurück zum Zitat Weiss, S.; Lust. A. (2021): GuKG Gesundheits- und Krankenpflegegesetz. Manzˊsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung. Wien. Weiss, S.; Lust. A. (2021): GuKG Gesundheits- und Krankenpflegegesetz. Manzˊsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung. Wien.
Metadaten
Titel
Schwerpunkt AHOP-Frühjahrstagung
verfasst von
Claudia Kasamas, MSc
Prof. Dr.phil. Andrea Kobleder
Svetlana Geyrhofer, BA, DGKP, LfGuK
Publikationsdatum
01.06.2023
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
ProCare / Ausgabe 5/2023
Print ISSN: 0949-7323
Elektronische ISSN: 1613-7574
DOI
https://doi.org/10.1007/s00735-023-1706-0

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