Wie gesund oder gefährlich ist eine HRT nach 65 Jahren?
Originalpublikation
Baik SH, Baye F, McDonald CJ (0224) Use of menopausal hormone therapy beyond age 65 years and its effects on women’s health outcomes by types, routes, and doses. Menopause 31(5):336–371
Hintergrund.
Die North American Menopause Society (NAMS, jetzt The Menopause Society, TMS) weist in ihrem Positionspapier 2022 darauf hin, dass der Beginn einer Hormonersatztherapie (HRT) bei Frauen, die älter als 60 Jahre sind oder deren Menopause mehr als 10 Jahre zurückliegt, komplexe Risiken birgt und eine sorgfältige Abwägung erfordert. Für Frauen, die innerhalb von 10 Jahren nach der Menopause mit der HRT begonnen haben, gibt es keine allgemeine Regel, die HRT nach dem 65 abzusetzen. Vielmehr kann die Fortsetzung der HRT z. B. bei anhaltenden Hitzewallungen nach individueller Abwägung der Vor- und Nachteile erfolgen [1]. Trotzdem hält die Angst vor v. a. kardiovaskulären Ereignissen viele Ärzt:innen oftmals davon ab, eine HRT bei Frauen über 60 Jahren zu verschreiben.
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Zusammenfassung.
Ziel der vorliegenden Studie war es, die gesundheitlichen Auswirkungen einer HRT bei Frauen über 65 Jahren zu untersuchen. Endpunkte waren analog zur Women’s Health Initiative die Gesamtmortalität, Malignome (Brust, Ovar, Kolon, Lunge, Endometrium), kardiovaskuläre Erkrankungen (Myokardinfarkt (MI), venöse Thromboembolie (VTE), Herzinsuffizienz, Apoplex, Vorhofflattern, koronare Herzkrankheit (KHK)) und Demenz. Dazu wurden die Verordnungsdaten von über 19 Mio. US-Frauen über 65 Jahren, die im staatlichen Krankenversicherungsprogramm Medicare versichert sind, für den Zeitraum 2007–2020 ausgewertet. Medicare versichert in den USA drei Patientengruppen: Menschen über 65 Jahre, bestimmte jüngere Menschen mit Behinderungen und Menschen mit terminaler Niereninsuffizienz. Medicare besteht aus drei Komponenten, die unterschiedliche Leistungen abdecken: Medicare Part A (Krankenhausversicherung), Medicare Part B (Krankenversicherung für u. a. bestimmte ambulante Behandlungen) und Medicare Part D (Versicherung für verschreibungspflichtige Medikamente).
Es wurden verschiedene Östrogentypen (Estradiol (E2), Ethinylestradiol (EE), konjugierte equine Östrogene (CEE)), Gestagentypen (bioidentisch, synthetisch), Applikationsformen (oral, transdermal, vaginal, Injektion), Dosierungen (hoch, Standard, mittel, niedrig) und Kombinationsformen (E2 mono, E2 + Progesteron, E2 + synthetisches Gestagen, CEE mono, CEE + Progesteron, CEE + synthetisches Gestagen, EE + synthetisches Gestagen, Progesteron mono, synthetisches Gestagen mono) unterschieden. Die Indikation für eine HRT musste ein klimakterisches Syndrom sein; Indikationen wie Kontrazeption und Blutungsstörungen wurden ausgeschlossen. Eine Frau wurde als HRT-Anwenderin definiert, wenn sie mindestens ein Rezept erhalten hatte. Die Todesfallkohorte umfasste 10.944.328 Frauen mit einer Nachbeobachtungszeit von mindestens 6 Monaten, von denen 14 % jemals eine Form der HRT angewendet hatten. Die Prävalenz von Komorbiditäten war zu Baseline in beiden Gruppen hoch und in der HRT-Gruppe wie folgt (Auswahl): KHK 27,3 %, Diabetes 23,7 %, chronische Nierenerkrankung 24,2 %, Depression 39,9 %, Angststörung 36,2 %, Osteoporose 28,7 %, Hypertonie 67,6 %, Adipositas 27,5 %. Einige hatten auch sogenannte „Major Events“ in der Anamnese (Auswahl): tiefe Beinvenenthrombose 7,1 %, Myokardinfarkt 2,0 %, Apoplex 7,7 %, Demenz 6,2 %, Brustkrebs 6,6 %, Kolonkarzinom 1,5 %, Endometriumkarzinom 1,4 %, Ovarialkarzinom 1,0 %. Während der 14-jährigen Nachbeobachtungszeit (2007–2020) hat sich der Anteil der Frauen über 65 Jahren, die eine HRT anwendeten, halbiert. Erstaunlicherweise erhielten nur sehr wenige Frauen eine kombinierte HRT (2007: 1,4 % und 2020: 0,2 %), obwohl der Anteil der hysterektomierten Frauen nur 22,6 % betrug. Die Ergebnisse zeigen, dass eine Östrogen-Monotherapie nach 65 Jahren mit signifikanten Risikoreduktionen für Gesamtmortalität (19 %), Brustkrebs (16 %), Lungenkrebs (13 %), Kolonkarzinom (12 %), Herzinsuffizienz (5 %), venöse Thromboembolien (3 %), Vorhofflimmern (4 %), akuten Myokardinfarkt (11 %) und Demenz (2 %) assoziiert war. Für die Kombinationstherapie mit Östrogen und Gestagen zeigte sich, dass sowohl Östrogen + synthetisches Gestagen als auch Östrogen + Progesteron mit einem um 10–19 % erhöhten Brustkrebsrisiko assoziiert waren. Östrogen + synthetisches Gestagen zeigte zudem signifikante Risikoreduktionen für Endometriumkarzinom (45 %), Ovarialkarzinom (21 %), KHK (5 %), Herzinsuffizienz (5 %) und VTE (5 %), während Östrogen + Progesteron nur eine Risikoreduktion für Herzinsuffizienz (4 %) zeigte. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Auswirkungen der HRT bei Frauen nach 65 Jahren je nach Typ, Applikationsmodus und Dosis variieren. Im Allgemeinen scheinen die Risikoreduktionen bei niedrigen Dosen, vaginaler oder transdermaler Verabreichung und bei E2 im Vergleich zu CEE grösser zu sein. Die Studie zeigt, dass Frauen über 65 Jahre, die unter persistierenden menopausalen Beschwerden leiden, mit angemessener Beratung und regelmässiger Risiko-Nutzen-Bewertung eine Fortsetzung der HRT in Betracht ziehen sollten.
Kommentar
Die Studie besticht durch ihre hohe Fallzahl und ein „recht vorerkranktes“ Kollektiv, das dennoch mehrheitlich von einer HRT zu profitieren scheint. Sie offenbart aber auch einige Defizite in der medizinischen Versorgung (nur in den USA?!) wie z. B. (1) viele Frauen erhielten eine HRT trotz absoluter Kontraindikation, (2) viele Frauen erhielten Östrogen mono trotz vorhandenem Uterus, (3) offensichtlich erhielten einige Frauen trotz ihres fortgeschrittenen Alters noch kombinierte hormonale Kontrazeptiva. Aus der Studie geht nicht hervor, ob die Frauen schon vor ihrem Eintritt in Medicare eine HRT hatten und diese nur fortgesetzt wurde oder ob sie im Alter von über 65 Jahren Neu-Starterinnen waren. Die Dauer der HRT-Anwendung bleibt ebenfalls unklar. Die vaginale Östrogentherapie wird als besonders sicher deklariert, aber zumindest für uns Europäer:innen bleibt dabei unklar, ob damit die lokale Östrogentherapie zur Behandlung einer vaginalen Atrophie oder die in den USA erhältliche systemisch wirksame vaginale Östrogentherapie (Femring®) gemeint ist. Schlussendlich kann man aus der Studie evtl. ableiten, dass eine HRT nach 65 Jahren sicherer als vermutet zu sein scheint. Allerdings fällt das Ableiten von konkreten Empfehlungen insbesondere für die kombinierte HRT angesichts vieler offener Fragen schwer.
EMAS-Positionspapier: Schilddrüse und Menopause
Originalpublikation
Mintziori G, Veneti S, Poppe K et al (2024) EMAS position statement: Thyroid disease and menopause. Maturitas 185:107991
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Abkürzungen.
TSH: Thyroid-stimulating hormone, fT3: Freies Trijodthyronin, fT4: Freies Thyroxin
Hintergrund.
Schilddrüsenerkrankungen treten häufig bei Frauen auf, und einige Symptome ähneln denen der Wechseljahre, wie z. B. Zyklusstörungen, Affektstörungen, vermehrtes Schwitzen, Schlafstörungen, Haarprobleme und verminderte Lebensqualität. Aus diesem Grund hat die Europäische Gesellschaft für Menopause und Andropause (EMAS) kürzlich ein Positionspapier publiziert. Im Folgenden werden die für die Praxis wichtigsten Aspekte zusammengefasst.
Zusammenfassung.
1.
Prävention
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Eine chirurgische Menopause, frühe Menarche und späte natürliche Menopause sind mit einem erhöhten Risiko für Schilddrüsenkarzinome verbunden. Frauen mit entsprechender Anamnese wird eine Schilddrüsenuntersuchung auf Knoten empfohlen.
2.
Labordiagnostik
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Eine Biotineinnahme kann zu falschen TSH-, fT3-, fT4- und Gesamt-T4-Werten in Immunoassays führen. Biotinhaltige Präparate sollten daher 2–3 Tage vor der Blutentnahme abgesetzt werden.
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Schilddrüsenfunktionsstörungen beeinflussen den Lipidstatus. Bei menopausalen Frauen mit Schilddrüsenfunktionsstörung sollte der Lipidstatus überprüft und der Schilddrüsenstatus bei der Dyslipidämiebehandlung berücksichtigt werden.
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Orale Östrogene beeinflussen bei Frauen mit Hypothyreose die Schilddrüsenfunktion durch Erhöhung des thyroxinbindenden Globulins (TBG). Dies kann eine Anpassung der Levothyroxin (LT4)-Dosis erfordern. Transdermales Östrogen hat keinen Einfluss auf die Schilddrüsenfunktion.
3.
Therapieindikation für Thyroxin bei Hypothyreose
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Eine subklinische Hypothyreose kann die negativen Effekte niedriger Östrogenkonzentrationen verstärken und das kardiovaskuläre Risiko erhöhen.
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Trotz positiver Effekte von LT4 auf Stoffwechselparameter und die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) ist die Behandlung nicht mit einem geringeren kardiovaskulären Mortalitätsrisiko verbunden. Im Gegenteil: Eine Überbehandlung kann die Knochendichte und das kardiovaskuläre Risiko beeinträchtigen.
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Basierend auf den NICE-Leitlinien sollte eine LT4-Behandlung bei subklinischer Hypothyreose mit wiederholtem TSH ≥ 10 mU/l erwogen werden. Ältere Patienten benötigen einen individuellen Ansatz. Eine Anfangsdosis von 25–50 μg LT4/Tag wird für Frauen > 65 Jahre mit kardiovaskulärer Vorgeschichte empfohlen.
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Einige Ärzt:innen empfehlen eine LT4/Liothyronin (LT3)-Kombinationstherapie für Patienten, die unzureichend auf LT4 ansprechen. Es fehlen jedoch ausreichende Daten zur Anwendung bei Frauen in den Wechseljahren.
4.
Hormonersatztherapie (HRT) in den Wechseljahren
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Eine Meta-Analyse von neun Kohortenstudien zeigte keine Assoziation zwischen HRT und dem Schilddrüsenkarzinomrisiko bei postmenopausalen Frauen.
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Eine HRT beeinflusst nicht die Grösse der Schilddrüse und der von Schilddrüsenknoten.
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Es sind keine Wechselwirkungen zwischen einer HRT und Medikamenten zur Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen bekannt.
Eine HRT ist eine sichere Behandlungsoption für Frauen in den Wechseljahren mit Schilddrüsenerkrankungen.
Kommentar
Unbehandelte Schilddrüsenerkrankungen und Überbehandlungen können in den Wechseljahren negative Folgen wie kardiovaskuläre Risiken und verminderte Knochendichte haben. Das EMAS-Positionspapier bietet wertvolle Hinweise für die Beratung von Frauen in den Wechseljahren mit Schilddrüsenerkrankungen. Eine enge Zusammenarbeit mit der Internistischen Endokrinologie ist wünschenswert.
Interessenkonflikt
P. Stute gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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