01.06.2021 | Leitthema - Kapitel 6
Psychosoziale Aspekte in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Typ 1 Diabetes mellitus
Erschienen in: Pädiatrie & Pädologie | Sonderheft 1/2021
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Die ISPAD kommt in den Consensus Guidelines seit 2018 übereinstimmend mit den aktuellen Guidelines der American Diabetes Association (ADA) der australischen APEG – Clinical Practice Guidelines, www.nhmrc.govau/publications/pdf/cp102.pdf, Canada www.diabetes.ca/cpg2003 und UK www.nice.org.uk/pdf/type1diabetes zu folgenden zusammenfassenden Empfehlungen:-
Patientinnen und Patienten mit Typ 1 Diabetes mellitus (T1D) und ihre Familien sollten regelmäßig und kontinuierlich von einem interdisziplinären Team betreut werden. Der Einsatz von neuen Medien wie SMS, E‑Mail, Smartphone-Applikationen oder soziale Netzwerke kann in der Betreuung genutzt werden.
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Das Diabetesteam ist aufgefordert, mit der Familie vor allem in sensiblen Phasen, wie unmittelbar nach Manifestation oder vor der Pubertät, Strategien zu erarbeiten, wie sie mit dem Diabetes ihres Kindes am besten umgehen können.
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Realistische Erwartungen zur Stoffwechselkontrolle müssen vermittelt werden.
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Die altersgerechte und entwicklungsgemäße Anpassung an die Diabeteserkrankung und das grundlegende Verständnis des Diabetesmanagements in allen Bereichen (wie z. B. Insulinapplikation, Dosisanpassung, Problemlösungskompetenz, Zielsetzung usw.) sollte in regelmäßigen Abständen überprüft werden. Auf jeden Fall sollte eine Überprüfung in der Phase vor der Pubertät stattfinden, bevor Kinder und Jugendliche mit T1D zunehmend Eigenverantwortung für ihren Diabetes übernehmen.
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Für die Schule sollten spezifische Informationsunterlagen zur Verfügung gestellt werden und das Lehrpersonal sollte diabetesspezifisch geschult werden.
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Junge Menschen mit T1D leiden im Vergleich zu Kindern und Jugendlichen ohne chronische Erkrankung häufiger an Depressionen, Ängsten, Essstörungen und Anpassungsstörungen.
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Regelmäßig müssen auch psychosoziale Anpassungsschwierigkeiten, das Vorliegen von Depressionen, Essstörungen oder anderer psychiatrischer Komorbiditäten von speziell geschulten Experten aus psychosozialen Gesundheitsberufen erfasst werden. Das gilt vor allem beim Vorliegen eines chronisch schlechten Diabetesmanagements bzw. für Patientinnen und Patienten, die ihre Behandlungsziele nicht erreichen.
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Kinder und Jugendliche mit einer chronisch schlechten Stoffwechseleinstellung oder rezidivierenden Ketoazidosen leiden häufiger unter psychosozialen Problemen und/oder psychischen Auffälligkeiten als Kinder mit einer guten Stoffwechsellage.
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Im Fall einer psychischen Störung oder der Frage einer psychopharmakologischen Begleitmedikation sollte es einen unkomplizierten und niederschwelligen Zugang zu einer Kinder- und Jugendpsychiaterin bzw. einem Kinder- und Jugendpsychiater geben.
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Patientinnen und Patienten oder Familien mit massiven psychosozialen oder psychischen Problemen sollte eine entsprechende Behandlung ermöglicht werden.
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Motivational Interviewing (MI) ist in der Betreuung von Jugendlichen mit T1DM und deren Eltern hilfreich, vor allem wenn es um Stoffwechseloptimierung geht.
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Im Fall einer frühen Diabetesmanifestation, häufiger schwerer Hypoglykämien oder chronischer Hyperglykämien ist das Risiko von leichten Einschränkungen in der allgemeinen kognitiven Leistungsfähigkeit, in der Informationsverarbeitung, in den exekutiven Funktionen und im Schulerfolg größer.
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Die psychosoziale, körperliche, intellektuelle Entwicklung und der Schulerfolg sollten routinemäßig evaluiert werden, insbesondere bei Kindern, die vor dem 5. Lebensjahr an T1D erkrankt sind und häufig schwere Hypoglykämien oder chronische Hyperglykämien zeigen. Leidet der Schulerfolg bei Kindern, sollte eine psychologische Diagnostik erfolgen. Intensivierte Insulintherapien sollten auch Patienten mit limitierten Fähigkeiten in der Selbstkontrolle (z. B. Dyskalkulie, kognitive Beeinträchtigung) nicht vorenthalten werden.
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Familiäre Belastungsfaktoren und ein hohes Ausmaß an Konflikten in der Familie sind mit einer schlechteren Stoffwechseleinstellung assoziiert. Das interdisziplinäre Diabetesteam sollte daher familiäre Belastungsfaktoren, den Umgang mit der Erkrankung und die diabetesspezifische Rollenaufteilung erheben.
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Jugendliche brauchen altersentsprechende Begleitung ihrer Eltern, um nach und nach eigenständig Verantwortung für ihren Diabetes übernehmen zu können.
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Die Transition in die Erwachsenenbetreuung soll zeitgerecht, standardisiert und gut dokumentiert besprochen und eingeleitet werden.
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Dem interdisziplinären Diabetesteam sollen Experten aus psychosozialen Gesundheitsberufen, wie Psychologen, Kinder- und Jugendpsychiater und Sozialarbeiter, angehören.
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Experten aus psychosozialen Gesundheitsberufen müssen über diabetesbezogenes Wissen und Wissen über Diabetesmanagement verfügen.
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Psychologen, Kinder- und Jugendpsychiater und Sozialarbeiter sollen dabei nicht nur die Patienten und ihre Familien beraten, sondern auch das Diabetesteam im Erkennen und im Management von psychosozialen Problemen mit ihrem fachspezifischen Wissen unterstützen.
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