Ein neuer Test verspricht zuverlässige und quantifizierbare Aussagen über die Erkrankung und deren Verlauf – sowie Aussagen zu einer möglichen Grippe-Erkrankung und zu neuen COVID-19-Varianten.
Ein grosses Manko von Antigen-Schnelltests ist ihre fehlende Zuverlässigkeit. Jedes fünfte von 122 überprüften Testkits verschiedener Hersteller fiel durch und genügte nicht einmal der Minimalanforderung, 75 Prozent der mit hoher Viruslast betroffenen Probanden als Corona-positiv zu erkennen. Ein weiteres Manko: Die Tests sagen nur, ob der Proband infiziert ist oder nicht. Aber sie liefern keine Information über den Verlauf der Infektion beziehungsweise der Immunreaktion der Probanden.
Ein neuer, vom Paul Scherrer Institut PSI entwickelter Test, der anders als Antigen-Tests nicht direkt Bestandteile des Virus nachweist, sondern die Antikörper, die das Immunsystem als Reaktion auf die Infektion produziert, verspricht nun erheblich mehr Aussagekraft. Er ist genauso günstig, schnell und einfach zu handhaben, zudem lassen sich mit ihm verschiedene Erreger gleichzeitig identifizieren – etwa die der Grippe.
Der zentrale Baustein des Tests besteht aus einer kleinen rechteckigen Scheibe normalen Plexiglases, die dem Objektträger eines Mikroskops sehr ähnlich ist. Sie besteht aus zwei Schichten. In die untere haben die Forscher per Elektronenstrahl-Lithografie ein Relief geprägt. Nachdem sie diese Master-Vorlage erstellt hatten, nutzten die Forschenden diese für die sogenannte Nanoimprint-Lithografie, was den Prägevorgang erheblich beschleunigt und vergünstigt. Mit der dünnen Plexiglasschicht als Deckel weist die Scheibe nun drei parallel verlaufende Kanäle auf, durch die eine Flüssigkeit von einem Ende der Scheibe zum anderen strömen kann. Zwischendrin verjüngt sich der Kanal entlang einer gewissen Strecke auf nur wenige Mikrometer Breite, und an einer Stelle ist er nur 0,8 Mikrometer hoch – etwa 100 Mal dünner als ein menschliches Haar.
Erreger einfangen
„Diese spezielle Struktur der Kanäle dient gleich mehreren Zwecken“, sagt Studien-Erstautor Thomas Mortelmans, Universität Basel. Zum einen sorgt sie für einen starken Kapillareffekt, wie man ihn sonst etwa von den Leitungsbahnen der Bäume kennt, die so das Wasser aus ihren Wurzeln in ihre Kronen leiten. Dafür ist keinerlei Pumpe notwendig. Die Grenzflächenspannung zwischen Flüssigkeit und fester Oberfläche saugt das Wasser quasi durch die engen Bahnen. Genauso geschieht es bei den Kanälen im Plexiglas – nur, dass hier statt des Wassers ein Bluttröpfchen hindurchströmt. Entscheidend für den Test ist eine Passage, auf der die Höhe des Kanals von 3,4 auf 0,8 Mikrometer sinkt. In dieser von den Forschenden sogenannten „Einfangregion“ bleiben zuvor dem Blut zugesetzte Partikel an vordefinierten Stellen stecken – je nachdem, welche Erreger im Blut vorliegen. „Für den Test würde der Proband zum Arzt oder in ein Testzentrum gehen“, sagt Mortelmans.
Dort entnimmt man ihm wie bei einem Zuckertest mit einem Piks in den Finger ein Tröpfchen Blut. In das Blut mischt man eine Flüssigkeit, in der künstliche Nanopartikel schwimmen. Deren Oberfläche hat die gleiche Struktur wie die berüchtigten Spike-Proteine von SARS-CoV-2, an die die Antikörper des Menschen andocken, um die Krankheit zu bekämpfen. Zudem werden fluoreszierende Teilchen beigemischt, die sich an die SARS-CoV-2-Antikörper des Menschen anheften.
Befinden sich Antikörper gegen SARS-CoV-2 im zu testenden Blut, heften sich ihnen zunächst die fluoreszierenden Teilchen an, und gemeinsam binden sie an die Virus-artigen Strukturen der deutlich grösseren Nanopartikel und bleiben mit diesen an eben jener vordefinierten Stelle stecken, die dem Durchmesser dieser Nanopartikel entspricht.
Schnelltest mit vielen Möglichkeiten
Der Test eröffnet noch mehr Möglichkeiten als nur COVID-19 zu diagnostizieren. Zusätzlich könnte man Nanopartikel anderer Grösse und mit anderen Oberflächenstrukturen ins Blut mischen und damit parallel auf weitere Krankheiten testen. In der Studie hat Mortelmans dies etwa mit Partikeln getan, deren Oberfläche Influenza-A-Viren entsprechen. So leuchteten bei den Versuchen also zwei Stellen der Einfangregion auf: eine für COVID-19 und eine für die Grippe.