Einfluss einer HRT auf das Risiko für eine Depression
Zusammenfassung.
In einer dänischen, registerbasierten, prospektiven Kohortenstudie wurden alle Frauen, die im Zeitraum 1995–2017 45 Jahre alt wurden, eingeschlossen (n = 825.238). Das Follow-up endete 2018 und war somit für die eingeschlossenen Frauen unterschiedlich lang (ca. 1–23 Jahre). Während des Follow-up wurden 13.069 Frauen (1,6 %) aufgrund einer Depression hospitalisiert (Inzidenz 17,3 Fälle pro 10.000 Personenjahre). Während des Follow-up initiierten 189.821 Frauen (23 %) eine systemische (Östrogen mono (ET), Östrogen-Gestagen-Kombination (EPT) oder lokale Hormonersatztherapie (HRT)). Das mediane Alter bei HRT-Start war 55 Jahre. Im Median wurden 33 HRT-Verschreibungen eingelöst, wobei ca. 2/3 der Frauen mindestens fünf Verschreibungen einlösten, am häufigsten für eine lokale HRT (lokal 65,8 % vs. ET 7,8 % vs. EPT 26,4 %). Die Prävalenz einer früheren Depression war insgesamt gering (2,4 %), wobei HRT-Anwenderinnen jedoch seltener davon betroffen waren als Nicht-Anwenderinnen (1,2 % vs. 2,8 %). Die Prävalenz einer früheren Anwendung von Antidepressiva (19 %) und Schlafmedikamenten (14,4 %) war jedoch deutlich höher! Das Ziel der Studie war es, die Assoziation zwischen einer HRT und einer späteren Depressionsdiagnose zu untersuchen. Die Assoziationen wurden unter Verwendung von Cox-Proportional-Hazards- und Fixed-Effects-Poisson-Regressionsmodellen untersucht. Alle Hazard Ratios (HR) wurden für Bildungsniveau, Ehestatus, Geburten, frühere Anwendung von hormonalen Kontrazeptiva und Schlafmedikamenten (aber nicht Antidepressiva!) und Komorbiditäten (Diabetes, Bluthochdruck, Apoplex, Herzerkrankung, frühere Depression) adjustiert. Nur eine systemische, nicht aber eine lokale HRT war mit einem erhöhten Risiko für eine hospitalisierungspflichtige Depression verbunden; und dies v. a. bei 48- bis 50-jährigen HRT-Starterinnen (HR 1,50, 95 % KI 1,24–1,81) sowie v. a. im 1. Jahr nach Beginn einer Behandlung mit ET (HR 2,03, 95 % KI 1,21–3,41) bzw. EPT (HR 2,01, 95 % KI 1,26–3,21). Die Fallzahlen waren allerdings recht klein: Von den 649.279 45-jährigen Frauen ohne Depression in der Vorgeschichte wurden innerhalb des 1. Beobachtungsjahr 74 Frauen aufgrund einer Depression hospitalisiert (vs. 534 der Nicht-Anwenderinnen). Eine lokale HRT nach 54 Jahren war dagegen mit einem signifikant geringeren Depressionsrisiko verbunden. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine systemische HRT mit einem höheren Depressionsrisiko verbunden ist, insbesondere in den Jahren unmittelbar nach Behandlungsbeginn, während eine lokal verabreichte Hormonbehandlung mit einem geringeren Depressionsrisiko für Frauen ab 54 Jahren verbunden ist.
Kommentar
Die Skandinavischen Registerstudien bestechen regelmässig durch ihre hohen Fallzahlen. Dennoch lohnt sich ein kritischer Blick. Das Durchschnittsalter bei HRT-Start lag in der Postmenopause, was sich auch in der bevorzugt lokalen HRT-Verschreibung widerspiegelt. Die Indikation für die Verschreibung einer systemischen HRT ist unklar, was bei Registerstudien auch nicht anders zu erwarten ist. Allerdings heisst es im Ergebnisteil, dass dies die erste Beobachtungsstudie sei, die Frauen prospektiv beobachte, die eine HRT aufgrund einer klinisch diagnostizierten Depression begannen. Wenn das so stimmte, dann würde die Studie eher den Einfluss einer HRT auf das Hospitalisierungsrisiko (also den Schweregrad) einer Depression untersuchen. Wichtig an der Stelle ist, dass der Studienendpunkt die hospitalisierungspflichtige Depression war. Andere, auch schwächere, vielleicht auch positive Affektveränderungen wurden nicht erfasst. Die Prävalenz einer früheren Anwendung von Psychopharmaka ist deutlich höher als die der im Register dokumentierten früheren Depressionen; diese Diskrepanz wird nicht geklärt. Auch wird für die frühere Anwendung von Antidepressiva nicht adjustiert!? Auch zur systemischen HRT bleiben viele Fragen offen: unklar ist, welche Präparate eingesetzt wurden, welche Gestagene, welcher Applikationsmodus (oral, transdermal), welche Applikationsschemata (sequentiell, kontinuierlich-kombiniert), welche Dosis. Ausserdem wird die HRT-Therapiedauer nicht angegeben, da nur in „eingelösten Rezepten“ gerechnet wird. Wie aber ist in Dänemark die Verschreibungseinheit definiert? Wie z. B. in Deutschland mit maximal drei HRT-Packungen pro Rezept? Oder eher wie in der Schweiz, wo vorwiegend Jahresrezepte ausgestellt werden? Oder ganz variabel? Als Fazit bleibt, dass nach wie vor viele Fragen zum Einfluss einer HRT auf die Stimmung offenbleiben. Eine einzelne Studie sollte uns aber nicht davon abhalten, Frauen mit klimakterischem Syndrom die 1st-line Therapie HRT zu verschreiben.
Brain Fog in den Wechseljahren
Kommentar
Das Review bietet praktische Empfehlungen zum Management von Frauen mit kognitiven Beschwerden in den Wechseljahren. Am wichtigsten ist, dass diese kognitiven Beschwerden nicht ein Vorbote der Demenz darstellen, wie häufig befürchtet. Auch das Demenzrisiko unter HRT wird aufgegriffen und verdeutlicht, dass ein erhöhtes Risiko bisher nur für asymptomatische (!) > 65-jährige (!) Frauen beobachtet wurde, die erst zu diesem Zeitpunkt (!) mit einer oralen kombinierten HRT bestehend aus CEE und MPA (!) beginnen [
3].
Einhaltung ethischer Richtlinien
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.