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27.11.2023 | Innere Medizin

Meilensteine der Prävention 2023

verfasst von: PRIM. UNIV.-PROF. DIR. DR. FRIEDRICH HOPPICHLER, OA DR. LUKAS ANGELMAIER, DR. NADINE GUTMANN, MSC

Studienupdate: In den letzten zwölf Monaten sind zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erschienen. Wir haben für Sie die interessantesten Studien recherchiert und präsentieren Ihnen nachfolgend unsere Top Five.

Effekt von Vollkornkonsum auf die kardiovaskuläre Gesundheit

In einer Metaanalyse mit 22 Studien (n = 70.273) wurde die Auswirkung eines langfristigen Konsums verschiedener Lebensmittelgruppen auf die kardiovaskuläre Gesundheit untersucht. Die Autor:innen kamen zu dem Ergebnis, dass ein langfristig hoher Verzehr von Vollkornprodukten die Mortalität an Herzkreislauf-Erkrankungen signifikant um 13 %, von Obst und Gemüse um 28 % und von Nüssen um 27 % im Vergleich zu einem geringen Verzehr reduzierte.

Jede Zunahme des Vollkornkonsums um 10 g/Tag war mit einer Verringerung des kardiovaskulären Mortalitätsrisikos um 4 % verbunden, während jede Zunahme des Konsums von rotem/verarbeitetem Fleisch um 10 g/Tag mit einer Erhöhung des kardiovaskulären Mortalitätsrisikos um 1,8 % verbunden war. Ein hoher Verzehr von rotem/verarbeitetem Fleisch (ca. 200 g/Tag) war mit einem 23 % höherem Risiko für kardiovaskuläre Mortalität assoziiert. Ein hoher Konsum von Milchprodukten sowie Hülsenfrüchten war jedoch nicht signifikant mit der kardiovaskulären Mortalität verbunden.1

Auswirkungen der täglichen Schrittanzahl auf das Herz-Kreislauf-Risiko

Paluch et al. untersuchten in einer Metaanalyse mit acht Studien (n = 20.152, Durchschnittsalter 63,2 Jahre) die Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen der täglichen Schrittanzahl und Herz-Kreislauf-Erkrankungen über einen Beobachtungszeitraum von 6,2 Jahren. Bei den über 60-Jährigen sank das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 20 % bei ca. 4.000 Schritten/Tag, 38 % bei ca. 6.000 Schritten/Tag und 49 % bei ca. 10.000 Schritten/Tag im Vergleich zum niedrigsten Quartil (ca. 2.000 Schritte/Tag). In der Gruppe der unter 60-Jährigen reduzierte sich das Risiko für das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 21 % bei ca. 4.000 Schritten/Tag, 10 % bei ca. 6.000 Schritten/Tag und 5 % bei ca. 10.000 Schritten/Tag im Vergleich zum niedrigsten Quartil. Zusammenfassend reduzieren bereits 4.000 Schritte das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.2

Zusammenhang zwischen süßenGetränken und Herz-Kreislauf-Risiko

Im Rahmen einer Analyse der US Women’s Health Initiative (n = 109.034 postmenopausale Frauen) von Yang et al. wurden die Beiträge von mit Zucker gesüßten Getränken (SSB = sugar sweetened beverages) und mit Süßstoffen gesüßten Getränken (ASB = artificially sweetened beverages) zum Herz-Kreislauf-Risiko untersucht.

Basierend auf den Daten über einen Zeitraum von ca. 17 Jahren wurde eine positive Assoziation zwischen einem Zuckerzusatz in Höhe von ≥ 15,0 % der täglichen Energiezufuhr (% EAS) und Herz-Kreislauf-Erkrankungen insgesamt (HR = 1,08) sowie koronaren Herzerkrankungen (HR = 1,20) gefunden. Zusätzlich zeigte sich bei einem SSB-Konsum von ≥ 1 Portion/Tag ein um 29 % höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen insgesamt, ein um 35 % höheres Risiko für koronare Herzerkrankungen und ein um 30 % erhöhtes Risiko für Schlaganfälle.

In ähnlicher Weise war die ASB-Aufnahme von ≥ 1 Portion/Tag mit einem 14 % höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und 24 % höheren Risiko für Schlaganfälle verbunden.3

Nahrungsergänzungsmittel und Herzgesundheit

An et al. führten eine Metaanalyse von 884 randomisierten kontrollierten Interventionsstudien zu Nahrungsergänzungsmitteln mit Mikronährstoffen durch. Es wurden Daten von über 883.000 Teilnehmer:innen (4.895.544 Patientenjahre) einbezogen und systematisch analysiert. Dabei wurden 27 Mikronährstoffe im Hinblick auf ihre Auswirkung auf verschiedene Gesundheitsparameter (wie z. B. Blutdruck, Blutfettwerte, Blutzuckerspiegel, Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes) bewertet.

Dabei zeigte sich für Omega-6-Fettsäuren, L-Arginin, L-Citrullin, Vitamin D, Magnesium, Zink, Alpha-Liponsäure, Melatonin, Catechin, Curcumin, Flavanol, Genistein und Quercetin eine mäßige bis hohe Evidenz für eine Reduktion von kardiovaskulären Risikofaktoren. Darüber hinaus verringerte die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit um 7 %, das Herzinfarkt-Risiko um 15 % und das Risiko für koronare Herzerkrankungen um 14 %. Ebenso senkte eine Folsäure-Supplementierung das Schlaganfallrisiko um 16 % und Coenzym Q10 reduzierte die Gesamtsterblichkeit um 32 %.

Im Gegensatz dazu zeigten die Vitamine C, D und E sowie Selen keine Wirkung auf das Herz-Kreislauf- oder Typ-2-Diabetes-Risiko. Eine Supplementierung mit Beta-Carotin erhöhte sogar die Gesamtmortalität um 10 %, die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit um 12 % und das Schlaganfallrisiko um 9 %.4

Bempedoinsäure und kardio-vaskuläre Outcomes bei Statin-intoleranten Patient:innen

Im April 2023 wurde von Nissen et al. die bislang erste kardiovaskuläre Endpunktstudie für Bempedoinsäure im New England Journal of Medicine publiziert. In dieser doppelblinden, plazebokontrollierten, randomisierten CLEAR OUTCOMES-Studie wurden 13.970 Patient:innen mit berichteter Statinintoleranz eingeschlossen. Das Studienkollektiv umfasste kardiovaskulär vorerkrankte Patient:innen (KHK, PAVK, CAVK) oder im Setting der Primärprävention Patient:innen mit hohem kardiovaskulärem Risiko.

Zur Baseline betrug das Durchschnittsalter 65,5 Jahre, knapp 70 % hatten bereits ein kardiovaskuläres Ereignis gehabt, ca. 22 % nahmen eine low-dose Statintherapie, ca. 11 % Ezetimib als Prämedikation ein. Studiendesign: Als primärer Endpunkt im Vergleich Plazebo versus Bempedoinsäure wurde ein 4P-MACE (kardiovaskulärer Tod, nicht-tödlicher Myokardinfarkt, nicht-tödlicher Insult, koronare Revaskularisierung) gewählt. Das mediane Follow-Up betrug 40,6 Monate. Das durchschnittliche LDL-Cholesterin lag zu Studienbeginn bei 139 mg/dl – dieses konnte, im aus den Vorläuferstudien erwartbaren Ausmaß, um ca. 21 % (bzw. 29 mg/dl) gesenkt werden.

Der primäre Endpunkt wurde mit einer relativen Risikoreduktion von 13 % in der Bempedoinsäure-Gruppe signifikant seltener erreicht (HR 0,87; (95 % CI 0,79-0,96); p=0,004). Das Nebenwirkungsprofil (adverse events, severe adverse events und adverse events leading to discontinuation) war in Summe auf vergleichbarem Niveau, insbesondere zeigte sich keine Verschlechterung eines präexistenten Diabetes. In der Verumgruppe wurden erhöhte Inzidenzen für Gicht, Cholelithiasis und ein geringer Anstieg des Serumkreatinins, der Harnsäure und Leberfunktionsparameter nachgewiesen.

Fazit: In der CLEAR-OUTCOMES-Studie konnte ein signifikanter kardiovaskulärer Benefit für kardiovaskulär vorerkrankte Patient:innen oder Patient:innen mit hohem kardiovaskulärem Risiko und Statinintoleranz nachgewiesen werden. In absoluten Zahlen erscheint der kardioprotektive Effekt zwar überschaubar, dennoch erweitert diese Endpunktstudie das lipidologische Armamentarium der evidenzbasierten Therapieoptionen.

Dies bietet insbesondere für Patient:innen mit zumindest partieller Sta- tinintoleranz eine weitere Möglichkeit vor dem Beginn mit einer subcutanen lipidmodifizierenden Medikation. Bempedoinsäure sollte daher vor allem in dieser Konstellation unseren Patient:innen nicht vorenthalten werden.5


Kontakt: office@sipcan.at

Literatur

1. Bhandari B et al, Adv Nutr. 2023; 14(1):122-131

2. Paluch AE et al, Circulation. 2023; 147(2):122-13

3. Yang B et al, Nutrients. 2022; 14(20):4226

4. An P et al, J Am Coll Cardiol. 2023; 80(24):2269-2285

5. Nissen SE et al, N Engl J Med 2023;388:1353-64

Metadaten
Titel
Meilensteine der Prävention 2023
Publikationsdatum
27.11.2023

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