Hypertonie: Fast die Hälfte aller Patient:innen mit Bluthochdruck erreicht durch eine orale Medikation nicht die in den Leitlinien empfohlenen Zielwerte. Mit einem vielversprechenden neuen Wirkprinzip könnte dem nun Abhilfe geschaffen werden – Zilebesiran muss nur zwei Mal im Jahr als Spritze verabreicht werden.
Das neuartige Medikament wird subkutan verabreicht.microgen / Getty Images / iStock
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Weltweit leiden 1,3 Milliarden Menschen unter arterieller Hypertonie, in Österreich hat in etwa jeder vierte Mensch einen zu hohen Blutdruck. Bluthochdruck ist somit eine häufige Herz-Kreislauf-Erkrankung. Neben nicht beeinflussbaren Risikofaktoren wie dem Alter und einer erblichen Veranlagung können auch Lebensstilfaktoren wie Übergewicht, salzreiche Ernährung, übermäßiger Alkoholkonsum, wenig Bewegung und Stress das Risiko erhöhen, eine Hypertonie zu entwickeln.
Die Folgen von unbehandeltem Bluthochdruck sind weitreichend: Es kommt zu Durchblutungsstörungen und damit zu Beschädigungen wichtiger Organe. Herz, Gehirn, Augen und Nieren sind besonders gefährdet und Herzinfarkte, Schlaganfälle und Nierenversagen treten häufig als Folge von zu hohem Druck in den Blutgefäßen auf. Besonders problematisch dabei ist, dass Bluthochdruck oft lange unbemerkt bleibt. So weiß in Österreich nur jede:r Zweite über zu hohe Blutdruckwerte Bescheid.
Zilebesiran: künstliche RNA-Sequenz
Neben einer Lebensstilveränderung, die eine Gewichtsreduktion, salzreduzierte Ernährung, regelmäßige körperliche Bewegung und wenig Alkohol umfassen sollte, gibt es eine Reihe von Medikamentengruppen (wie zum Beispiel ACE-Hemmer, Angiotensin-Rezeptor-Blocker, Kalziumkanal-Blocker), die zur Behandlung eingesetzt werden.
Doch trotz prinzipiell gut wirksamer Medikamente erreicht knapp die Hälfte der Patient:innen nicht die in den Leitlinien empfohlenen Blutdruckzielwerte. Eine mögliche Ursache dafür kann eine mangelnde Compliance in Bezug auf die Medikamenteneinnahme sein. Diesbezüglich könnte ein neuartiges Medikament, das nur zweimal pro Jahr gespritzt werden muss und derzeit klinisch am Menschen getestet wird, Abhilfe schaffen. Bei Zilebesiran handelt es sich um eine künstliche RNA-Sequenz, die sich in der Leber ansammelt und dort verhindert, dass Angiotensinogen gebildet wird. Angiotensinogen ist eine Vorstufe für zwei Angiotensin-Peptide (ACE-I und ACE-II), die für die Blutdrucksteuerung bzw. -erhöhung verantwortlich sind.
Der Effekt des potenziellen neuen Medikaments wurde nun erstmals in einer Phase-1-Studie gezeigt, deren Ergebnisse kürzlich im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurden: 84 Bluthochdruck-Patient:innen erhielten nach dem Zufallsprinzip entweder eine Injektion mit unterschiedlicher Dosierung des Wirkstoffes (von 10 bis 800 Milligramm) oder ein Placebo. Die Beobachtungsdauer betrug 24 Wochen. Dabei zeigte sich bei einer Wirkstoffdosis von mindestens 100 mg eine Verringerung des Angiotensinogen-Spiegels im Blut von 90 % und mehr. Dieser Effekt blieb bis Woche 12 aufrecht, bei den Teilnehmer:innen mit 800 mg Dosis bis Woche 24.
Halbjährlich verabreichte Spritze
Darüber hinaus zeigte sich ein dosis- abhängiger Zusammenhang zwischen dem Serum-Angiotensinogenspiegel und der Blutdrucksenkung. So wurde bei jenen Patient:innen, die 800 mg des Wirkstoffes erhielten, in Woche 24 die größte Blutdrucksenkung gemessen (minus 22,5 mmHG systolisch und minus 10,8 mmHg diastolisch). Durch eine salzarme Ernährung (0,23 g pro Tag) konnte der Effekt zusätzlich erhöht werden.
Obwohl bis zu einer Zulassung des neuen Wirkprinzips noch klinische Studien der Phasen II und III zu Wirksamkeit und Verträglichkeit erfolgen müssen, sind die Ergebnisse der Studie vielversprechend. So könnte möglicherweise in Zukunft eine halbjährlich verabreichte Spritze den Blutdruck ausreichend senken und tägliche Medikamenteneinnahme dadurch obsolet werden
Prim. Univ. Prof. Dir. Dr. Friedrich Hoppichler, Krankenhaus Barmherzige Brüder, Salzburg
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