Rezente Übersichtsartikel legen einen Zusammenhang einer vorzeitigen oder frühen Menopause mit einem erhöhten Risiko für Osteoporose und Frakturen, Depressionen, kognitive Beeinträchtigung, Diabetes mellitus Typ 2, kardiovaskuläre Erkrankungen bis hin zu einer erhöhten Mortalität nahe [
12].
Lebenserwartung
Eine unbehandelte POI ist mit einer um ca. zwei Jahre reduzierten Lebenserwartung assoziiert, was hauptsächlich auf ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, aber auch für die mit einer Osteoporose einhergehenden Frakturen zurückzuführen ist [
16]. Daher sollten Frauen mit einer POI dahingehend beraten werden, (kardiovaskuläre) Risikofaktoren zu minimieren, indem sie beispielsweise nicht rauchen, regelmäßige körperliche Bewegung betreiben sowie ein normales Körpergewicht beibehalten. Auch eine frühzeitige Diagnostik und Therapie einer Osteoporose ist von großer Bedeutung (siehe unten).
Fertilität
Aufgrund des steigenden Alters, in dem Frauen ihren Kinderwunsch umsetzen wollen, steigt die kumulative Inzidenz einer POI bei Frauen mit Kinderwunsch vor allem in den Industrienationen immer weiter an. Bei bis zu 25 % aller Frauen mit einer POI treten spontane Ovulationen auf, und 5–10 % aller Frauen werden nach der Diagnose einer POI schwanger, von diesen Schwangerschaften führen 80 % zu Lebendgeburten [
1]. Daher sollten Frauen, die nicht schwanger werden möchten, entsprechend verhüten. Mögliche prädiktive Faktoren für eine Schwangerschaft sind Östradiol und Inhibin B (aber nicht AMH) sowie der sonografische Nachweis ovarieller Follikel [
17].
Osteoporose
Der positive Effekt von Östrogenen auf den Knochen ist seit langem bekannt, ebenso wie der negative Effekt einer natürlichen Menopause mit einer raschen Abnahme der Knochendichte und damit einhergehend einem erhöhten Frakturrisiko. So ist auch die POI mit einer reduzierten Knochenmineraldichte verbunden, das Frakturrisiko ist um das 1,5-Fache erhöht im Vergleich zu Frauen mit einer Menopause um das 50. Lebensjahr [
2]. Die geschätzte Prävalenz einer Osteoporose bei Frauen mit einer POI beträgt 8–14 % [
2,
18], wobei das Risiko für eine Osteoporose klar mit dem Ausmaß und der Dauer des Östrogendefizits assoziiert ist [
19]. Kurz nach der Menopause kommt es zu einer Abnahme der Knochendichte von 2–3 %/Jahr, dieser rasche Abbau verlangsamt sich nach ca. zehn Jahren und ist dann vergleichbar mit der durchschnittlichen jährlichen Knochendichteabnahme eines eugonaden Mannes im selben Alter [
2]. Weitere Risikofaktoren für die Entwicklung einer Osteoporose sind unter anderem eine positive Familienanamnese für eine Osteoporose oder Frakturen, Fragilitätsfrakturen in der Vorgeschichte, multiple Stürze, Immobilität, Untergewicht, Mangelernährung, niedrige Muskelmasse und -kraft, das Vorliegen einer Depression sowie die Einnahme von Medikamenten (z. B. Glukokortikoide, oder Aromataseinhibitoren). Komorbiditäten wie ein Kalzium- oder Vitamin D‑Mangel, eine abnormer Phosphat- oder Magnesiumstoffwechsel, eine eingeschränkte Leber- oder Nierenfunktion, ein Hyperparathyreoidismus, eine Zöliakie, chronisch entzündliche Darmerkrankungen oder Schilddrüsenerkrankungen sollten durch entsprechende Tests ausgeschlossen werden [
20]. Die Bestimmung von Knochenumbauparametern wird gemäß rezenten Richtlinien nicht empfohlen, wird jedoch in der Praxis vor allem zur Monitorisierung von Compliance und Therapieansprechen dennoch häufig durchgeführt. Tools zum Assessment des Frakturrisikos wie FRAX sind bei Frauen unter 40 Jahren nicht validiert [
19].
Frauen mit einer POI sollten daher dahingehend beraten werden, dass sie einen gesunden Lebensstil führen sollen mit Fokus auf regelmäßiges körperliches (Kraft‑)Training, Beibehalten eines normalen Körpergewichts und Meiden von Nikotin und von exzessivem Alkoholkonsum [
1,
2]. Wenn eine ausreichende Kalziumzufuhr von 1000 bis 1500 mg Kalzium/Tag durch eine ausgewogene Ernährung nicht möglich ist, sollten Frauen ein Kalziumpräparat einnehmen. Im Falle eines Vitamin D‑Mangels sollte eine entsprechende Zufuhr über ein Supplement erfolgen. Eine Hormonersatztherapie (HRT), die den Östrogenmangel ausgleicht, wird empfohlen, und es erscheint plausibel, dass diese Therapie auch das Frakturrisiko reduzieren kann, obwohl dies vor allem für postmenopausale Frauen nach einer natürlichen Menopause gezeigt werden konnte [
2]. Diese HRT sollte zumindest bis zum Alter einer natürlichen Menopause, also ca. bis zum 50. Lebensjahr fortgeführt werden. Der Einsatz einer klassischen „Pille“, die neben einem Gestagen Ethinylestradiol enthält, kann für manche Frauen geeignet sein (wenn auch die Verhütung eine Rolle spielt), die Wirkung auf die Knochendichte ist jedoch im Vergleich zu einer HRT weniger vorteilhaft [
19]. Andere osteoporosespezifische Therapien, wie beispielsweise Bisphosphonate, sollten nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommen. Vorsicht ist vor allem auch dann geboten, wenn die Familienplanung nicht abgeschlossen ist.
Die Knochendichte sollte bei Diagnosestellung einer POI gemessen werden [
1,
2]. Bei einem T‑Score von < −2,5 besteht definitionsgemäß eine Osteoporose. Ein Z‑Score von < −2,0, aber ≥ −2,5 sollte gemäß der International Society for Clinical Densitometry (ISCD) als erniedrigte Knochenmasse („low bone mass“) bezeichnet werden [
21]. Die International Osteoporosis Foundation (IOF) empfiehlt hingegen die Verwendung der Grenzwerte der World Health Organization (WHO) für den T‑Score von < −2,5 bzw. < −1,0 im Bereich von LWS bzw. Femur zur Definition einer Osteoporose bzw. Osteopenie, sofern die „peak bone mass“ erreicht ist [
22]. Wenn die Knochendichte unauffällig ist und eine adäquate HRT eingeleitet wird, dann muss die Knochendichtemessung prinzipiell nicht wiederholt werden. Im Falle einer Osteoporose oder Osteopenie und bei Einleiten einer HRT oder anderen Therapie sollte die Knochendichtemessung nach zwei bis fünf Jahren wiederholt werden [
2,
23]. Unter der HRT ist mit einer Zunahme der Knochendichte von bis zu 2 %/Jahr zu rechnen [
2,
23]. Sollte die Knochendichte weiter abnehmen (um ≥ 5 %), dann sollte die Compliance bzw. der Nutzen der HRT reevaluiert und nach zusätzlichen potenziellen Risikofaktoren gesucht werden.
Kardiovaskuläre Erkrankungen
Frauen mit einer POI haben unabhängig von der Ursache der POI ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und kardiovaskuläre Mortalität und sollten daher bzgl. Lebensstilmaßnahmen wie Nikotinkarenz, Beibehalten eines normalen Körpergewichts sowie regelmäßigem Ausdauer- und Krafttraining beraten werden. Eine POI ist mit einer endothelialen Dysfunktion, prämaturer Arteriosklerose, einer autonomen Dysfunktion, einem ungünstigeren Lipidstatus, einer gestörten Insulinwirkung sowie einem erhöhten Risiko für ein metabolisches Syndrom verbunden [
24]. Das Risiko, an einer ischämischen Herzerkrankung zu sterben, ist bei Frauen mit einer POI im Vergleich zu Frauen mit einer natürlichen Menopause im Alter zwischen 49–55 Jahren um 80 % erhöht [
24,
25] Es wurde auch postuliert, dass umgekehrt auch erhöhte kardiovaskuläre Risikofaktoren zu einem früheren Eintritt der Menopause führen könnten, was durch die veränderte ovarielle Durchblutung erklärt werden könnte [
26]. Prämenopausale Frauen mit prämaturer KHK haben signifikant niedrigere Östradiolspiegel im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne KHK [
27].
In den ESHRE-Leitlinien wird das möglichst frühe Einleiten einer HRT bei Frauen mit einer POI dringend empfohlen, um das Risiko für künftige kardiovaskuläre Erkrankungen zu reduzieren [
1]. Eine HRT bei POI hat günstige Effekte auf den Lipidstatus, den Blutdruck, die Insulinresistenz und die endotheliale Funktion. Studien haben gezeigt, dass eine kombinierte HRT (Östrogene + Gestagene) die endotheliale Dysfunktion verbessern, das Risiko für eine ischämische Herzerkrankung reduzieren sowie das mit einer bilateralen Ovarektomie assoziierte Risiko für erhöhte kardiovaskuläre Mortalität reduzieren kann [
12]. Diese HRT sollte zumindest bis zum Alter einer natürlichen Menopause (das heißt in Österreich um das 50. Lebensjahr) beibehalten werden, obwohl die Datenlage nicht zufriedenstellend ist und große randomisierte prospektive Studien bzgl. des optimalen HRT-Regimes fehlen. Bei Diagnosestellung einer POI sollte das kardiovaskuläre Risiko eingeschätzt und Blutdruck, Körpergewicht sowie Raucherstatus jährlich kontrolliert bzw. evaluiert werden. Die ergänzende Bestimmung bzw. Kontrolle von Lipidstatus, Nüchternblutzucker (NBZ) und HbA1c erscheint gemäß den ESHRE-Leitlinien jedenfalls sinnvoll und sollte erwogen werden [
1]. Daten einer rezenten Metaanalyse zeigen, dass Frauen mit POI im Vergleich zu Frauen mit einer Menopause um das 50. Lebensjahr ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines DM Typ 2 haben (OR 1,53: 95 % CI 1,03–2,27) [
28]. Als mögliche Ursache wird die kürzere Östradiol-Exposition des Pankreas genannt, da endogene Östrogene einen protektiven Effekt auf die β‑Zellen- und Insulinsensitivität haben. Ein erhöhtes Risiko für einen DM Typ 2 scheint vor allem dann vorhanden zu sein, wenn gleichzeitig zusätzliche Risikofaktoren wie eine positive DM-Familienanamnese oder eine Adipositas vorliegen. In diesem Fall sollte besonders auf Lebensstilmaßnahmen zur Prävention geachtet werden.
Lebensqualität/Sexualfunktion
Verständlicherweise hat die Diagnose einer POI sehr negative Auswirkungen auf das psychosoziale Wohlbefinden und die Lebensqualität der betroffenen Frauen, eine Assoziation mit einem erhöhten Lebenszeitrisiko für Depressionen wurde beschrieben [
29]. Der Einsatz von praktikablen Screening-Tools zur Erfassung des Einflusses einer POI auf die Lebensqualität wird empfohlen, eine adäquate psychologische Betreuung sollte angeboten werden [
1]. Darüber hinaus zeigt eine Studie unter Frauen mit POI, dass die Art und Weise, wie sie über eine POI informiert werden, das Ausmaß der psychischen Beeinträchtigung beeinflusst und dass im klinischen Alltag mehr Zeit für ein ausführliches Gespräch bzw. mehr Informationen über die Diagnose einer POI erforderlich wären [
30].
Darüber hinaus sollte das sexuelle Wohlbefinden bzw. die Sexualfunktion erfragt werden, wobei eine adäquate HRT als Voraussetzung für eine Normalisierung der Sexualfunktion betrachtet werden kann. Eine lokale Östrogentherapie kann zur Behandlung einer Dyspareunie erforderlich sein. Zudem sollten Frauen mit einer POI dahingehend beraten werden, dass eine Testosteronsubstitution ebenfalls möglich ist, wobei hier die Daten zur Langzeiteffektivität und auch zur Langzeitsicherheit fehlen (siehe unten) [
1]. Eine lokale Östrogentherapie ist auch in der Behandlung von Symptomen des Urogenitaltraktes (wie Trockenheit und Entzündung der Schleimhäute sowie Harnverlust) effektiv und kann auch bei Frauen unter scheinbar adäquater systemischer HRT erforderlich sein und zusätzlich zu dieser verabreicht werden. Auch der Einsatz von Lubrikanzien kann für Frauen mit vaginalen Beschwerden und Dyspareunie von Vorteil sein [
1].