Primäre Vaskulitiden sind heterogene, seltene und oft schwerwiegend verlaufende systemische Erkrankungen, deren Diagnose und Therapie entsprechende Erfahrung erfordert. Sie sind auf entzündliche Prozesse in der Gefäßwand zurückzuführen. Diese Inflammation kann primär idiopathisch oder auch im Rahmen einer systemischen Erkrankung entstehen, zum Beispiel dem systemischen Lupus erythematodes. Im Gegensatz zu der im Kindesalter häufigen Purpura Schönlein Hennoch oder auch zum Kawasaki-Syndrom sind chronische Vaskulitiden im Kindesalter selten, sie zählen zu den „orphan diseases“.
Klassifikation
Die wegweisende Klassifikation der systemischen Vaskulitiden aus dem Jahr 1994 wurde überarbeitet. Es haben sich die Namen einiger Erkrankungen geändert und es sind nunmehr wesentlich mehr Formen systemischer Vaskulitiden in die Klassifikation der Chapel Hill Consensus Conference inkludiert. Generell wurde versucht, Erkenntnissen über die Pathophysiologie dieser Erkrankungen in der Einteilung und Nomenklatur vermehrt Rechnung zu tragen. So sind die Kleingefäßvaskulitiden in zwei Gruppen eingeteilt: Immunkomplex-Kleingefäßvaskulitiden und ANCA-assoziierte Vaskulitiden kleiner und mittlerer Gefäße („ANCA-associated vasculitis“, AAV), die das Auftreten von Anti-Neutrophilen zytoplasmatischen Antikörpern (ANCA) im Serum gekennzeichnet sind. ANCA sind Bestandteile der neutrophilen Granula und monozytären Lysosomen. Es werden drei Erkrankungen zu den AAV gezählt:
1.
Granulomatose mit Polyangiitis (Wegener, GPA): Die GPA ist eine nekrotisierende, granulomatöse Entzündung der kleinen und mittelgroßen Gefäße mit Beteiligung des Respirationstrakts. Bei der GPA liegt eine Vaskulitis vor, die wahrscheinlich durch eine ANCA-vermittelte intravaskuläre Phagozyten- und Neutrophilenaktivierung hervorgerufen wird Die GPA kann in jedem Lebensalter auftreten. Epidemiologische Daten im Kindes- und Jugendalter liegen nicht vor.
2.
Mikroskopische Polyangiitis (MPA): Die MPA ist eine nekrotisierende Vaskulitis der kleinen Gefäße ohne granulomatöse Erkrankung des Respirationstrakts. Von den Patienten zeigen 90 % eine Glomerulonephritis.
3.
Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (Churg-Strauss, EGPA): Die eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA; Churg-Strauss-Syndrom, CSS) ist eine ANCA-assoziierte (pANCA) granulomatöse, nekrotisierende Vaskulitis der kleinen Gefäße mit eosinophilen Infiltraten. Die EGPA tritt im Kindesalter außerordentlich selten auf. Epidemiologische Daten bei Kindern existieren nicht.
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ANCA-Vaskulitiden werden je nach Organbeteiligung und Schwere der Erkrankung in Kategorien eingeteilt:
-
Lokalisierte Vaskulitis (Nasen‑/Nebenhöhlen, Luftwege, Lungen, kein weiterer Organbefall, keine systemischen Erkrankungszeichen)
-
Frühe systemische Vaskulitis (jede Manifestation, jedoch ohne organbedrohende oder lebensbedrohende Erkrankung)
-
Generalisierte Vaskulitis (Nierenerkrankung, organbedrohende Erkrankung, Serumkreatinin <500 μmol/l bzw. 5,6 mg/dl)
-
Schwere Vaskulitis (Nieren- oder andere Organversagen, Serumkreatinin >500 μmol/l bzw. 5,6 mg/dl),
-
Refraktäre Vaskulitis (progressive Erkrankung, kein Ansprechen auf Glukokortikoide und Cyclophosphamid).
Im Jahr 2008 modifizierte und ergänzte eine Expertengruppe die Kriterien der Vaskulitiden im Erwachsenenalter und validierte nachfolgend die sogenannten EULAR/PRINTO/PRES-Klassifikationskriterien der Vaskulitiden im Kindes- und Jugendalter (Tab. 1). Diese Kriterien orientieren sich an der Gefäßgröße. Sie umfassen zusätzlich die Kategorie der anderen Vaskulitiden.
Tab. 1
Einteilung von Vaskulitiden
I Vaskulitiden großer Gefäße | |
Takayasu-Arteriitis (TA) | |
II Vaskulitiden mittelgroßer Gefäße | |
Juvenile systemische Panarteriitis nodosa (sPAN) | |
Kutane Polyarteriitis nodosa (cPAN) | |
Kawasaki-Syndrom (KS) | |
III Vaskulitiden kleiner Gefäße | |
A Granulomatöse Vaskulitiden | Granulomatose mit Polyangiitis (GPA; Wegener-Granulomatose), ANCA-assoziierte Vaskulitis |
Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA; Churg-Strauss-Syndrom) | |
ANCA-assoziierte Vaskulitis | |
B Nichtgranulomatöse Vaskulitiden | Mikroskopische Polyangiitis (MPA) |
ANCA-assoziierte Vaskulitis | |
Purpura Schönlein-Henoch (PSH) | |
Kutane leukozytoklastische Angiitis | |
Hypokomplementäre urtikarielle Vaskulitis | |
IV Andere Vaskulitiden | |
Morbus Behçet | |
Sekundäre Vaskulitiden bei: | Infektionserkrankungen |
Malignomen | |
Medikamenteneinnahme | |
Vaskulitiden assoziiert mit „connective tissue disease“ | |
Isolierte ZNS-Vaskulitiden | |
Cogan-Syndrom | |
Unklassifizierte Vaskulitiden |
Leitsymptome
Klinische Leitsymptome von Vaskulitiden sind Zeichen einer systemischen Entzündung (Fieber, reduzierter Allgemeinzustand) und lokale Zeichen der Inflammation und konsekutiver Organschädigung (Hautknoten, Sinusitiden, Hämoptysis bei pulmonaler Beteiligung, Hämaturie und/oder Proteinurie als Zeichen einer Nierenbeteiligung, Krampfanfälle infolge entzündlicher ZNS-Läsionen sowie Anzeichen ischämischer Organmanifestationen mit entsprechenden Schmerzen, z. B. Claudicatio).
Diagnostik
Neben Anamnese und körperlicher Untersuchung ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Fachrichtungen (Neuropädiatrie, Nephrologie, Kardiologie, Ophthalmologie, HNO und Kinderradiologie) erforderlich. Die Labordiagnostik umfasst neben der Bestimmung von Inflammationsparametern und Organfunktionsmarkern insbesondere die Analyse von spezifischen Antikörpern (Anti-Neutrophile zytoplasmatische Antikörper). In der bildgebenden Diagnostik kommt neben der Sonographie der Kernspintomographie (MRT) eine tragende Rolle zu. Auch invasive Methoden (z. B. Gewebebiopsie, Endoskopie und Bronchoskopie) müssen angewendet werden.
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Therapie
Wesentliche Therapiestrategien bei Vaskulitiden sind eine rasche Kontrolle der Inflammation in der Gefäßwand durch eine adäquate immunsuppressive Therapie und eine Prävention von thrombotisch bedingten sekundären Gefäßstenosen durch Thrombozytenaggregationshemmung.
Die Therapie der GPA und MPA hat in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gebracht. Grundsätzlich unterscheidet man eine Remissionsinduktion und eine Remissionserhaltung. Die Dauer der Induktionstherapie liegt heute bei 3–6 Monaten, während die remissionserhaltende Therapie über 1–2 Jahre durchgeführt werden sollte. In der Induktionsphase ist eine begleitende Glukokortikoidtherapie (GC) obligatorisch.
Validierte Empfehlungen zur Therapie der GPA im Kindes- und Jugendalter liegen nicht vor. In der Pädiatrie muss im Verlauf eine Dosis unter der Cushing-Schwelle unbedingt angestrebt werden. Zur Induktion ist eine Behandlung mit Cyclophosphamid (500–1000 mg/m2 alle 4 Wochen) oder eine orale Therapie mit hochdosierten oralen Glucocorticoiden (2 mg/kg Körpergewicht (KG) pro Tag in 3 Einzeldosen) oder eine Pulstherapie mit Methylprednisolon (30 mg/kg KG pro Tag) indiziert. Bei Progredienz kann eine Plasmapherese indiziert sein. Eine therapeutische Alternative stellt Rituximab (375 mg/m2 pro Woche für 4 Wochen) dar. Die beste Evidenz für eine Remissionserhaltung gibt es derzeit für Azathioprin und Methotrexat.
Die Empfehlung bei schwerer EGPA sieht eine Induktionstherapie mit Cyclophosphamid oder Rituximab und hochdosierten Glukokortikoiden vor. Bei milder Manifestation wird eine Induktionstherapie mit Methotrexat (initial 15 mg, dann Dosisanstieg auf 20–25 mg/m2 pro Woche über 1–2 Monate) und hochdosierten Glukokortikoiden empfohlen.
Zur Erhaltungstherapie wird eine Kombination aus niedrigdosiertem Glukokortikoid und Azathioprin oder Methotrexat verabreicht. Mycophenolatmofetil kann ebenfalls eingesetzt werden.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
J. Brunner gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden vom Autor keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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