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Erschienen in: Pädiatrie & Pädologie 3/2023

Open Access 02.05.2023 | Originalien

Anhaltend spannend – das zu kurze Zungenband, Teil 3

Übersicht über Entwicklungen zu Diagnostik, Behandlung und Nachsorge

verfasst von: Márta Guóth-Gumberger, Univ.-Prof. Dr. Daniela Karall

Erschienen in: Pädiatrie & Pädologie | Ausgabe 3/2023

Zusammenfassung

Die Zunge hat eine zentrale Aufgabe bei vielerlei Aufgaben. Stillen, angemessene Ernährung und altersgemäßer Gewichtsverlauf sind einige davon – und wichtige Anliegen in der Pädiatrie. Auch bei Problemen mit Essen, Aussprache, Schlucken oder Zahnstellung kann eine eingeschränkte Zungenbeweglichkeit durch ein zu kurzes Zungenband eine Rolle spielen, da dadurch die erforderlichen Lernprozesse für die Bewegung der Zunge behindert werden. Das Wissen um die möglichen Folgen eines zu kurzen Zungenbandes hat in den letzten Jahrzehnten vermehrt an Kenntnis gewonnen. Die ausgeprägte Variante des zu kurzen Zungenbandes, das Frenulum linguae breve anterior (oder: „zu kurzes Zungenband mit Ansatz an der Zungenspitze“), ist sichtbar und wird meist behandelt; seltener die posteriore Variante, das „zu kurze Zungenband mit Ansatz hinter der Zungenspitze“, bei der die Zungenspitze frei ist und keine Einkerbung zeigt.
Die Auseinandersetzung mit der Anatomie der Strukturen in der Mundhöhle, mit den unterschiedlichen Möglichkeiten der Beurteilung der Funktion der Zunge und der unterschiedlichen Möglichkeiten der Frenotomie als Behandlung eines zu kurzen Zungenbandes sollen die Beurteilung unterstützen, wann und bei wem eine Behandlung sinnvoll ist und wann nicht, und welche begleitenden Maßnahmen empfohlen werden sollten.
Wenn ein zu kurzes Zungenband unerkannt bleibt, wirken die zur Lösung der Symptome ergriffenen Maßnahmen oft nicht wie erwünscht. Daher ist es essenziell zu erkennen, wann eine Behandlung des zu kurzen Zungenbandes sinnvoll ist, wann nicht, und wie sie mit anderen Maßnahmen verbunden werden kann, damit das Ergebnis – nämlich eine verbesserte Beweglichkeit der Zunge für die erforderlichen Funktionen – erreicht wird.
In dieser dreiteiligen Serie zum Thema zu kurzes Zungenband wird ein vertiefter Überblick über das Thema geschaffen, insbesondere über den Zusammenhang mit Stillen, Ernährung, Gewichtsverlauf, Sprache und Zahnstellung.
Hinweise
Der gesamte Artikel ist in der Ausgabe 01–2022 im März 2022 bei Laktation & Stillen erschienen, dem offiziellen Magazin der Europäischen Laktationsberaterinnen Allianz (ELACTA). In Laktation & Stillen erscheinen regelmäßig Artikel im Themenbereich Zungenband und Frenotomie. Über den Shop des Magazins kann ein Themenbündel aller bis April 2020 erschienenen Artikel für 25 € erworben werden: https://​www.​elacta-magazine.​eu/​shop/​PDF-Sammlung-Orale-Restriktionen-8-PDFs-p223295885. Die komplette Ausgabe 1–2022 mit dem Schwerpunkt „Zu kurzes Zungenband“ ist für 12 € ebenfalls über den Shop erhältlich: https://​www.​elacta-magazine.​eu/​shop/​Einzelhefte-c56725589

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Seit einigen Jahren wird das Thema „zu kurzes Zungenband“ intensiv diskutiert. Folgender Artikel beschreibt und kommentiert in drei Teilen die verschiedenen veröffentlichten Beurteilungsmethoden mit Evaluationsbögen zur Diagnostik sowie die unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten und Konzepte zur Nachsorge.
Wir, die Autorinnen, haben umfangreiche Erfahrung mit einem multifaktoriellen Beurteilungskonzept für das zu kurze Zungenband, Schnittfrenotomie von anterioren und posterioren zu kurzen Zungenbändern sowie mit einer an den Grenzen des Babys und den Möglichkeiten der Familie orientierten Nachsorge. Auch wenn dies unser vorrangiger Erfahrungshintergrund ist, geben wir einen Überblick über das gesamte Spektrum der derzeitigen Möglichkeiten und diskutieren die aktuell vorhandene Evidenz. Der Artikel bezieht sich auf das Alter von 0–6 Monaten, nicht auf das spätere Kleinkind- oder Kindesalter.
Infobox
Wir beschäftigen uns in drei Teilen mit dem Thema zu kurzes Zungenband. Die ersten beiden Teile sind in Pädiatrie & Pädologie, Heft 01/23 und Heft 02/23 erschienen. Sie lesen nun den dritten und letzten Teil.
  • Teil 1 – Beurteilung des zu kurzen Zungenbandes
  • Teil 2 – Behandlungsmethoden des zu kurzen Zungenbandes
  • Teil 3 – Problemfelder bzgl. Behandlungsmethoden bei zu kurzem Zungenband, Lippenband, Nachbehandlung des zu kurzen Zungenbandes

Teil 3: Problemfelder der Behandlungsmethoden bei zu kurzem Zungenband

Schmerzen des Babys

Die Schmerzintensität und -dauer sowie die Belastung der Familie haben als Kriterium für die Einschätzung und Wahl der Behandlungsmethoden unserer Meinung nach Vorrang vor anderen Aspekten. Eine Studie untersuchte subjektive Äußerungen von Eltern im Internet zum Thema Frenotomie und fand etwa 90 % positive Kommentare, während etwa 10 % mit dem Ergebnis nicht zufrieden waren und den Prozess als „it’s brutal“ kommentierten [1]. Dies unterstreicht die Bedeutung der Schmerzintensität und -dauer aus Sicht der Eltern.
Manche Laserbehandler:innen verwenden keine Lokalanästhesie, andere verwenden Lokalanästhesie (Xylocain s.c.) [2, S. 67, 3, S. 129]. Gel hat den Nachteil des schlechten Geschmacks und kann Probleme beim anschließenden Stillen verursachen. Da eine tiefe Schnittfrenotomie nur eine Sekunde dauert, wird bei den kleinen Babys keine Lokalanästhesie durchgeführt, weil statt des Schmerzes der Lokalanästhesie gleich die Frenotomie durchgeführt wird und im Mund des Babys nur dieser einzige Vorgang stattfindet. Bei allen Behandlungsmethoden unterstützt Stillen vorher und nachher das Schmerzmanagement.
Die Aussage, dass eine Laserfrenotomie im Vergleich zur Schnittfrenotomie weniger Schmerzen während der Behandlung und danach verursacht, ist sehr häufig zu lesen, sowohl in der Literatur [2, S. 72, 36, S. 176, 7, S. 124] als auch auf Webseiten von Laserbehandler:innen.
Wie begründet ist diese Aussage in der Literatur?
In verschiedenen Studien wurden Laserfrenotomie und Schnittfrenotomie mit anschließendem Wundverschluss durch Nähte bei Erwachsenen verglichen [79]. Im Abstract und in der Schlussfolgerung und in allen weiteren Artikeln oder Büchern [2, 3], die diese Studien zitieren, steht nur noch, dass Laserfrenotomie weniger Schmerzen verursacht als Schnittfrenotomie.
Diese Vergleiche sind jedoch auf eine tiefe Schnittfrenotomie ohne Naht beim Baby nicht übertragbar. Eine Schnittfrenotomie ohne Naht – mit einem einzigen Schnitt – ist grundsätzlich etwas anderes als ein Eingriff mit Nähten – der von vorneherein länger dauert und einen anderen Heilungsprozess hat. Außerdem untersuchten diese Studien Erwachsene; die Studienteilnehmer:innen selbst stuften die Schmerzintensität ein. Uns ist keine Studie bekannt, die die Schmerzen bei Babys bei Laserfrenotomie und Schnittfrenotomie ohne Naht vergleicht.
Wie kann mit dem derzeitigen Wissensstand die Schmerzintensität und -dauer eingeschätzt werden?
Unsere Erfahrung bei Schnittfrenotomie ohne Lokalanästhetikum ist, dass die meisten Babys weinen, weil sie gehalten werden, dass manche ab dem Schnitt stärker weinen, manche nicht. Manche weinen nach wenigen Sekunden nicht mehr, manche weinen einige Minuten im Arm der Eltern. Wenige sind in den ersten 24 h danach, aber nicht länger, unruhiger als gewohnt.
Je nach Methode kommt bei Laserbehandlung zur Durchtrennung eine Erhitzung des Gewebes dazu. Manchmal wird kein Lokalanästhetikum verwendet, die meisten Studien berichten vom Einsatz eines Lokalanästhetikums. Die Applikation eines Lokalanästhetikums verursacht Schmerz (Spritze). Wenn nur ein Gel aufgetragen wird, dürfte das Baby während der Laserfrenotomie trotzdem Schmerz verspüren.
Für die Dauer der Durchtrennung gibt Baxter in seinem Buch 5–10 s bei einem CO2-Laser an, bei anderen Lasern länger [2, S. 63]. Videos im Internet zeigen eine Trenndauer von 5 s bei einem nichtprominenten Zungenband, einschließlich der anschließenden Dehnung eine Dauer von 10 s [10], bei einem ausgeprägten Zungenband 20 s [11]. Das Baby (und die Eltern) erleben damit bei einer Laserfrenotomie einen länger andauernden Stress bzw. Schmerz als bei der tiefen Schnittfrenotomie, bei gleichzeitiger Durchtrennung von Zungen- und Lippenband entsprechend noch länger.
Beratende berichten subjektiv von größeren Schmerzen bei Laserbehandlung [12, S. 523], was im Widerspruch zu der Aussage steht, dass Schmerzreduktion ein Vorteil der Laserfrenotomie ist. Diese weisen auch auf häufigeres Auftreten von Brust-Aversion nach Laserbehandlung hin [13, S. 99]. Dies sind Erfahrungsberichte. Insgesamt sind genauere Studien dringend erforderlich.
Zu Schmerz in den Wochen nach der Behandlung und zur Belastung der Familie.
Bei den meisten Schnittfrenotomien werden keine oder einfache Zungenübungen empfohlen mit dem Hinweis, die Grenzen des Babys zu beachten; daher entstehen dabei keine Schmerzen. Bei den Laserfrenotomien wird aktives Wundmanagement für den Behandlungserfolg gefordert (siehe unten). Dies bedeutet bei vielen Babys das bewusste Zufügen von Schmerz alle 4–6 h 4–6 Wochen lang. Auch das steht im Widerspruch zur Aussage, die Schmerzbelastung bei Laserfrenotomie sei geringer als bei Schnittfrenotomie. Manche Familien kommen mit dem aktiven Wundmanagement zurecht, für andere ist es eine große emotionale Belastung.

Langfristige Ergebnisse

Entscheidend für jede Frenotomie sind die langfristigen Ergebnisse. Das erste Outcome ist, ob das Stillen in den nächsten Monaten erhalten werden kann. Weitere sind Zahnhygiene und -gesundheit, altersgemäßes Essverhalten, Aussprache, habituelle Mundatmung, Atemschwierigkeiten im Schlaf [14] und Zahnstellung im Lauf der nächsten Jahre. Langzeitauswirkungen zu verfolgen ist zeitintensiv und daher finanziell aufwändig. Es gibt nur begrenzt Studien dazu. Die meisten Studien erfassen die Änderungen nur kurzfristig, einige Tage bis 3–4 Wochen nach dem Eingriff [1517]. Eine Studie erfasste bei 526 Babys mit Telefoninterviews ohne Kontrollgruppe und retrospektiv, ob sie nach Schnittfrenotomie mit 2, 4, 6 und 12 Monaten ausschließlich oder teilgestillt waren [18], dabei wurden 33 % mit 6 Monaten ausschließlich gestillt. Eine weitere Studie verglich die Auswirkungen nach 4–6 Wochen und später [19].
Wir bemühen uns, die Langzeitauswirkungen so weit möglich zu erfassen und zu dokumentieren. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Langzeitverläufe nach Schnittfrenotomie mit Stillberatung ist unserer Erfahrung nach jedoch eine Stabilisierung des Stillens, des Gewichtsverlaufs und eine Reduzierung der Zufütterungsmenge zu beobachten. Bei Frenotomie mit Kurznarkose wurde in den nachfolgenden Beratungen fallweise das Beenden des Stillens beobachtet (Beratungen MGG).
Mit Sicherheit ist nicht nur im Methodenvergleich, sondern auch im Bereich des langfristigen Outcomes weitere Forschung erforderlich.

Blutung

Bei Schnittfrenotomie werden sowohl keine Blutung als auch einige Tropfen oder selten eine Blutung für einige Minuten beobachtet. Das Bereithalten von blutstillenden Maßnahmen für den extrem seltenen Fall einer länger anhaltenden Blutung ist in einem medizinischen Setting eine Selbstverständlichkeit. Bei Schnittfrenotomie stört eine eventuelle Blutung nicht die Behandlung und die Sicht, da sie noch nicht beim Aufspannen und kurz vor dem Schnitt stattfindet. Eine eventuelle Blutung trägt auch zum Heilungsprozess bei. Einige Fälle von stärkerer Blutung wurden in der Literatur berichtet, allerdings durch nicht entsprechend ausgebildetes ärztliches Personal und in nichtmedizinischen Settings [20].
Die Technik der Laserfrenotomie verhindert eine Blutung während des Eingriffs, was wegen der Sicht als Vorteil genannt wird [2, S. 74], [3, S. 124], [5, 6, S. 175]. Wegen des kontinuierlichen Abtragens des Gewebes ist die freie Sicht nur beim Laser erforderlich. Von Einblutungen während des aktiven Wundmanagements wird berichtet. In der Literatur wird von einem Fall einer 5 Tage nach Laserfrenotomie aufgetretenen Blutung berichtet, die zu einem hypovolämischen Schock und Hospitalisierung führte [21].

Nebenwirkungen

Wegen der Risiken warnt ABM (Academy of Breastfeeding Medicine) vor tiefen Schnitten und betont, dass ein tiefer Schnitt besondere Kompetenz erfordert [22, S. 279] und macht keine Aussage zu posterioren zu kurzen Zungenbändern.
Bezüglich Nebenwirkungen zitiert ABM verschiedene Artikel. Varadan gibt Empfehlungen für das Vorgehen, aber keine Literatur zu Fällen mit Komplikationen an [23]. Hale beschreibt bei 100.000 Frenotomien 20 Komplikationen mit 3 Fällen von Blutung ohne nähere Angaben [24]. Es erstaunt, dass in einem Fall die Blutung 24 h gedauert hat (S. 560). Hale zitiert Opara, der von 2 Fällen von Frenotomien von „untrained personnel“ mit einer Rasierklinge, starken Blutungen und stationärem Aufenthalt berichtet [20].
Solche Beispiele sind nicht übertragbar und nicht zu verallgemeinern. Sie bestätigen, dass für Frenotomien ein angemessener medizinischer Rahmen erforderlich ist.
Die Ablehnung der tiefen Schnittfrenotomie durch Empfehlungen von Organisationen könnte dazu führen, dass Familien sich vermehrt der Laserfrenotomie zuwenden.
Etliche Behandler:innen im deutschsprachigen Raum und wir als Autorinnen haben gute Erfahrungen mit tiefen Schnittfrenotomien, mit minimalen Nebenwirkungen und überwiegend guten langfristigen Outcomes [19].

Finanzielle Seite

Der Übergang von der Flasche zur Brust, Zufüttern an der Brust mit dem Brusternährungsset und das Steigern der Milchbildung sind sehr herausfordernde Aufgaben in der Begleitung von Familien und erfordern intensive Stillberatung. Stillberatung ist nur durch Hebammen Kassenleistung, Stillberatung durch eine IBCLC mit Erfahrung in diesen speziellen Situationen, ebenso andere Therapien müssen im deutschsprachigen Raum in der Regel privat gezahlt werden.
Die entscheidenden Kriterien für die Wahl der Behandlungsmethode sind die Qualität des Eingriffs, Schmerzen für das Kind, emotionale Belastung für Kind und Eltern sowie langfristiges Outcome. Das Finanzielle ist nicht das vorrangige Kriterium, und die Entscheidung liegt bei den Eltern, wir möchten trotzdem einige Informationen dazu geben.
Die Kosten der Behandlung für die Eltern liegen bei den verschiedenen Methoden in sehr unterschiedlicher Größenordnung. Schnittfrenotomien sind in der Pädiatrie und in der Kinderchirurgie in der Regel eine Kassenleistung. Falls sie privat bezahlt werden müssen, im Ausland oder in der Zahnmedizin, liegen die Kosten zwischen 100 und 150 €. Für Laserfrenotomien wird das Doppelte bis Mehrfache der Kosten einer Schnittfrenotomie verlangt, 300 bis 500 € für die Behandlung des Zungenbandes, 500 bis 1000 € für Zungen- und Lippenband. Auch die Teilnahmegebühren für Fortbildungen für Schnitt- bzw. Laserfrenotomien liegen in den Ausschreibungen im Internet in einer unterschiedlichen Größenordnung, von unter 100 € für die Schnittfrenotomie bis zu mehreren Tausend US-Dollar in den USA für die Laserfrenotomie. Die Investitionskosten für die Hilfsmittel für Schnittfrenotomie sind mit etwa 200 € minimal; Investitionen in Form von Fortbildung, Selbststudium, Hospitieren, sorgfältige Dokumentation und Erfahrungssammlung sind jedoch notwendig. Die Investitionskosten für die Laserfrenotomie in Euro liegen in den 10.000ern, daher entsteht ein Anwendungs- und Amortisationsdruck, was auch die Diagnosestellung eines „behandlungsbedürftigen Lippenbandes“ beeinflussen könnte.
Von Laserbehandler:innen werden in der Regel Logopädie, Physiotherapie, Osteopathie oder Kraniosakraltherapie und manchmal Stillberatung empfohlen. Logopädie und Physiotherapie sind als Kassenleistung möglich, allerdings ist es aufgrund der Budgetierung nicht einfach, ein Rezept zu bekommen.
Wenn eine Familie nun für die Kosten einer Laserfrenotomie und dieser Therapien aufkommen muss, sind das beträchtliche Beträge, die nicht jede Familie zahlen kann. Damit ist die Laserfrenotomie mit den zusätzlichen Therapien finanziell ressourcenstarken Familien vorbehalten.
Für Familien mit begrenzten Ressourcen wird eine Frenotomie, falls sie erforderlich ist, nur in einem niederschwelligen Setting eine Option sein.
Die Versorgungsangebote im deutschsprachigen Raum bewegen sich in einem großen Spannungsbogen. Er reicht von Versorgung des posterioren zu kurzen Zungenbandes mit Gesamtkosten um 1000 € oder mehr und der Forderung von aktivem Wundmanagement bis zu 900 km Fahrt hin und zurück für eine Schnittfrenotomie eines posterioren nichtsichtbaren zu kurzen Zungenbandes. Für viele ist weiterhin eine niederschwellige Behandlung eines posterioren zu kurzen Zungenbandes nicht zugänglich, daher ist es sinnvoll, die niederschwelligen Behandlungsmöglichkeiten zu erweitern.

Öffentlichkeitsarbeit

Werbung für Schnittfrenotomien oder Frenotomien mit Operation findet praktisch nicht statt. Pädiatrische Praxen haben häufig keine Internetseiten und führen vorrangig Schnittfrenotomien durch. Kinderchirurgische Webseiten erwähnen die Frenotomie als selbstverständliche medizinische Leistung, ohne dafür zu werben.
Zahnarztpraxen haben oft ausführliche Internetseiten, auf denen mit Vorteilen der Laserfrenotomie für diese Behandlungsmethode geworben wird, auch wenn keine Studie die Überlegenheit der Laserfrenotomie belegt [22, 25]. Dabei wird die ambulante Laserfrenotomie häufig mit der Frenotomie mit Naht unter Vollnarkose im OP verglichen, nicht mit der ambulanten Schnittfrenotomie ohne Naht.

Fachlicher Hintergrund der Behandler:innen

Schnittfrenotomien werden meist von Pädiater:innen, Kinderchirurg:innen, HNO-Ärzt:innen, Laserfrenotomien meist von Zahnmediziner:innen durchgeführt. Aus der Literatur ist bekannt, dass Ghaheri zuerst Schnittfrenotomien durchgeführt hat und anschließend zu Behandlung mit dem CO2-Laser übergegangen ist [26, S. 1223]. Uns sind 3 Zahnmediziner:innen im deutschsprachigen Raum bekannt, die von Schnitt- zu Laserfrenotomie gewechselt haben, jedoch kein Arzt, keine Ärztin einer anderen Fachrichtung.

Zusammenfassender Vergleich der verschiedenen Methoden

Khan vergleicht die Evidenz der drei am häufigsten angewandten Methoden für Frenotomie [25] und kommt zum Schluss, dass es keine Evidenz gibt, dass eine Technik besser als eine andere ist. Die Artikel zur Evidenz der Schnittfrenotomie seien von höherer wissenschaftlicher Qualität. In Tab. 1 sind einige wichtige Ergebnisse aus dieser Studie zusammengestellt und weitere aus anderen Quellen hinzugefügt.
Tab. 1
Vergleich von Schnittfrenotomie, Laserfrenotomie und Operation mit Vollnarkose, Schnitt und Naht (z. B. Z‑Plastik) nach Khan 2020 und bzgl. weiterer Merkmale. (©Márta Guóth-Gumberger)
 
Schnittfrenotomie
Laserfrenotomie
Operation mit Vollnarkose, Schnitt und Naht (z. B. Z‑Plastik)
Anzahl Artikela
27
4
3
Anzahl Patientena
588
78
18
Dauer Behandlung insgesamta
5 min
15–20 min
Keine Daten
Anästhesiea
Mit/ohne Lokalanästhesie
Mit Lokalanästhesie
Vollnarkose
Settinga
Am Bett möglich
Ambulanz, Praxis
OP
Dauer des Schnitts
1 bis 2 Sek
CO2: 5–10 s
Diode: 120 s
in Videos längerb
15–20 minc,
nicht relevant,
da Vollnarkose
Temperatur
Raumtemperatur
CO2: 100 °C
Diode: 900–1500 °Cd
Raumtemperatur
Sicherheitsmaßnahmen
keine speziellen erforderlich
Laser-Sicherheits-Maßnahmene
OP-Bedingungen für Anästhesie
Anwesenheit der Eltern beim Eingriff
Ja
Neinf
Nein
Schmerz danach
Babys max. 24 h
Erwachsene 2–3 Tage (Erfahrungswerte)
Babys länger, stärkerg
Erwachsene 3 Wochenh
Bis zu 12 Tagei
Risiko Beeinträchtigung der Nerven
Nicht beobachtet
Höher bei thermischer Methodej
Keine Daten
Heilungsverlauf
Schnittwunde
Laserwunde
Naht
Blutung
Extrem selten (längere Blutung geschätzt 1:1000)
1:100k
Nachbehandlung
Übungen zur Beweglichkeit der Zunge empfohlen
Aktives Wundmanagement essenziell für Ergebnisl
Myofunktionelle Therapie empfohlenm
Alter
In jedem Alter möglich
Wegen Kooperation schwierig, zwischen 1 und 5 Jahren
In jedem Alter möglich
Fachrichtungen vor allem
Pädiatrie, Allgemeinmedizin, Kinderchirurgie, Gynäkologie, (Zahnmedizin)
Zahnmedizin, HNO
Kinderchirurgie, Chirurgie
Investitionskosten
Spatel, Schere, Licht usw.
Spatel, Licht usw.
Lasergerät
$32.000–$100.000n
Spatel, OP-Instrumente + Einrichtung
Fortbildungskosten
< 100 €/je Fortbildung
> $2000/je Fortbildungo
Kosten für die Eltern
Gesetzliche Krankenkasse oder bis 100–150 €
300–1000 € im deutschsprachigen Raum
Gesetzliche Krankenkasse
Zugänglich
Möglich für viele
Für ressourcenstarke Familien
Methode bekannt seit
400 Jahren in der heutigen Form, beschrieben bereits vor 2000 Jahrenp
Etwa 20 Jahre
Keine Daten
a Khan 2020 [25]
b Baxter 2018, [2, S. 63, 10], Baxter 2016 [11]
c Merkel-Walsh 2018, [3, S. 118]
d Baxter 2018, [2, S. 62–63]
e Baxter 2018, [2, S. 62], Merkel-Walsh 2018, [3, S. 128]
f Baxter 2018, [2, S. 67]
g Unger 2020, [12, S. 523]
h Merkel-Walsh 2018, [3, S. 264]
i Wilson 2016, [39, S. 995]
j Mills 2019, [40, S. 833], Baxter 2018, [2, S. 72]
k Baxter 2018, [2, S. 67]
l Merkel-Walsh 2018, [3, S. 135], Baxter 2018, [2, S. 69 ff] , Smillie 2017, [13, S. 107 ff]
m Zaghi 2019 [41]
n Smillie 2017, [13, S. 109]
o Ausschreibungen im Internet
p Obladen 2010 [42]
Eine Studie verglich bei 187 Neugeborenen Frenotomien im Zimmer von Mutter und Baby mit Frenotomien im OP [26] bzgl. der Rate des ausschließlichen Stillens, Gewicht, Zufriedenheit und Dauer des Krankenhausaufenthalts und kam zu dem Schluss, dass der niederschwellige Eingriff bzgl. Gewichtsentwicklung und mütterlicher Zufriedenheit günstiger ist. Dieselbe grundsätzliche Frage stellt sich beim Vergleich der niederschwelligen Schnittfrenotomie mit der wesentlich höherschwelligen Laserfrenotomie: Kann die Frenotomie ein niederschwelliger, einfacher Eingriff bleiben, um das Stillen zu unterstützen, oder ist sie aus der Sicht der Eltern eine aufwändige Prozedur?
Die Academy of Breastfeeding Medicine (ABM) unterstützt in ihrem „Position Statement on Ankyloglossia in Breastfeeding Dyads“ die Behandlung des „klassischen Zungenbandes“ und stellt fest, dass es keine Studien zur Wahl des Instruments gibt und dass die Schnittfrenotomie wegen ihrer langen klinischen Geschichte der „Goldstandard“ bleibt.
Problematisch bei jeder Behandlungsmethode ist es, wenn Stillberatung nicht eingebunden und von dem/der Behandelnden nicht ausdrücklich empfohlen wird, oder bei nichtgestillten Kindern keine Begleitung erfolgt.
Weitere Aspekte für die Unterschiede zwischen den Methoden bzgl. gesundheitlicher Risiken, thermischer Belastung und Umweltbelastung können in diesem Artikel nicht besprochen werden.

Lippenband

Das Lippenband wird im Zusammenhang mit dem zu kurzen Zungenband immer wieder diskutiert. Die Literatur beschreibt, dass die Prävalenz des einfachen Lippenbandes von den Milchzähnen bis zu den bleibenden Zähnen zunahm, während die Prävalenz des langfristig in der Funktion einschränkenden Lippenbandes mit zunehmendem Alter abnahm [27]. Weitere Studien bestätigen dies [2831]. Ein Video einer Echtzeit-MRT beim Sprechen zeigt, dass die Lippenbewegungen minimal und in erster Linie Auf- und Zubewegungen sind [32].
Wichtig also ist die Funktion – kann die Lippe nach oben bewegt werden und passiv aufgestülpt werden? Daraus ergibt sich eine sehr zurückhaltende Indikation für die Durchtrennung des Lippenbandes, und sie beschränkt sich auf extreme Fälle, in denen das Lippenband die Oberlippe im Ruhezustand nach innen zieht oder das Lippenband um die Kieferleiste nach innen reicht. Manchmal wird genannt, dass die Oberlippe passiv die Nasenlöcher verschließen müsste. Dafür gibt es keine Evidenz.
Babys mit zu kurzem Zungenband stülpen manchmal kompensatorisch die Oberlippe beim Stillen ein, bzw. entwickeln einen hohen Oberlippentonus, weil sie die Lippe zum Stillen einsetzen – daher könnte der Eindruck entstehen, dass das Lippenband ebenfalls ein Problem ist. Die Erfahrung zeigt, dass das Lippenband nach Behandlung des zu kurzen Zungenbandes und Wegfallen der Kompensationsmechanismen kein Thema mehr ist.
In der Literatur gibt es keine Evidenz für die Notwendigkeit einer routinemäßigen Durchtrennung von Lippenbändern bei Babys mit Stillschwierigkeiten [33, 34]. Es wurde keine Korrelation zwischen dem Grad des Lippenbandes und dem angenehmen Gefühl beim Stillen, den Schmerzskalen und der Beurteilung des Andockens festgestellt [35]. Zur Durchtrennung von Lippenbändern gibt es keine randomisierte kontrollierte Studie.
Für die Stillbegleitung ist es bedeutsam, dass das Baby bei einer zusätzlichen Lippenbanddurchtrennung zwei Wunden hat; dies beeinträchtigt das Üben des Saugens an der Brust und ist für die Nachbehandlung eine größere Belastung.
Die Beobachtung, die auch in der Literatur bestätigt wird [26, 36], ist, dass Laserbehandler:innen viel öfter eine Durchtrennung des Lippenbandes empfehlen und durchführen als Schnittbehandler:innen. Das ABM ist gegen Behandlung von Lippenbändern oder Wangenbändern [22, S. 280]. Dies entspricht der Erfahrung von vielen Schnittbehandler:innen im deutschsprachigen Raum.

Nachbehandlung des zu kurzen Zungenbandes

Wir sind der Meinung, dass es keine ideale Zungenbeweglichkeit gibt, sondern durch Behandlung und Nachbehandlung eine Verbesserung der Zungenbeweglichkeit erreicht wird, die dann für die Funktion ausreichen sollte.

Beschreibung der Nachbehandlungskonzepte

Die Empfehlungen für die Nachbehandlung nach Frenotomie sind sehr unterschiedlich. Manchmal wird nur Stillen und sonst überhaupt keine Nachbehandlung empfohlen, vor allem nach Schnittfrenotomie eines anterioren zu kurzen Zungenbandes. Andere empfehlen Zungenübungen oder aktives Wundmanagement.

Zungenübungen entsprechend der Möglichkeiten des Kindes (und der Eltern)

Nach tiefer Schnittfrenotomie empfehlen wir Stillberatung und Zungenübungen entsprechend der Möglichkeiten des Kindes und der Eltern. Stillen ist die wichtigste Zungenübung, und durch Optimierung der Bedingungen beim Stillen hat das Baby die Chance, mit der vermehrten Beweglichkeit Zungenbewegungen neu einzuüben.
Die Nachsorge hat 3 Ziele:
  • Beweglichkeit erhalten – beispielsweise durch Anheben der Zunge
  • Muskelfasern durch häufige Wiederholung erstmalig möglicher Bewegungen kräftigen, die wegen des zu kurzen Zungenbandes bisher nicht verwendet werden konnten; Muskelfasern brauchen Zeit zum Stärkerwerden
  • Steuerung neu einüben („neuromuscular re-education“ [3]) braucht Zeit und Übung
Es ist offensichtlich, dass sehr viel Bewegung der Zunge vorrangig und sinnvoll ist, um diese Ziele zu erreichen.
Die komplexe Frage nach Zungenübungen versuchen wir differenziert zu betrachten. Bei viel Platz unter der Zunge, vielleicht bei einem häutigen, anterioren zu kurzen Zungenband, ist Stillen allein allermeist ausreichend. Die Empfehlung ist dann, vor allem die ersten Nächte mindestens alle 2–3 h zu stillen. Wenn ein posteriores zu kurzes Zungenband vorlag, womöglich bereits alle Register gezogen wurden, es sich um die zweite oder dritte Frenotomie handelt, ist es sinnvoll, danach die Zunge regelmäßig anzuheben, aber ohne Kontakt mit der offenen Wunde, und mit weiteren Zungenübungen zu unterstützen.
Falls das Baby nicht gestillt wird, aus der Flasche trinkt, und es zu langen Pausen zwischen den Mahlzeiten kommt, ist regelmäßiges Anheben der Zunge ebenfalls sinnvoll.
In jedem Fall ist es wichtig, die Grenzen des Kindes zu respektieren und Schmerzen zu vermeiden. Ankündigen, ein spielerisches Vorgehen, vorbereitende Übungen sind hilfreich. Wenn das Baby eine Übung ablehnt, hören die Eltern auf und können eine andere wählen. Die Eltern erhalten eine Sammlung von Ideen, nicht eine Liste zum Abarbeiten [36].
Für manche Eltern sind Zungenübungen aus familiären Gründen oder wegen ihrer persönlichen Möglichkeiten nicht machbar.

Aktives Wundmanagement

Aktives Wundmanagement oder Dehnübungen haben zum Ziel, die durch die Frenotomie getrennten Bereiche daran zu hindern, sich bei der Heilung erneut zu verbinden, was „reattachment“ oder „erneutes Wiederanwachsen“ genannt wird [2, S. 69]. Dies wird fast ausschließlich nach Laserfrenotomie empfohlen. Das spielerische und respektvolle Vorgehen wird erwähnt, gleichzeitig wird darauf bestanden, das aktive Wundmanagement 4‑ bis 6‑mal pro Tag für 2 bis 6 Wochen durchzuführen. Die Zunge wird angehoben, die Wunde auseinandergezogen, die Rautenform soll sichtbar sein und für 10 s gehalten werden [2, S. 70]. Manche empfehlen das Massieren der offenen Wunde [26, S. 1219], manche nicht [2, S. 70]. Falls sich eine Verbindung der Wundränder abzeichnet, wird der Behandler/die Behandlerin bei dem Kontrolltermin nach einer Woche dies mit einem tiefen Dehnen erneut öffnen [2, S. 71]. Es wird erwähnt, dass das aktive Wundmanagement weniger schmerzhaft ist, wenn die Wunde geschlossen ist [2, S. 70].

Diskussion der Nachbehandlungskonzepte

Ein Zungenband ist nicht dehnbar, aber der Gesamtkomplex Muskeln – Sehnen – Faszien – Schleimhaut – kann gelockert und dadurch mehr Beweglichkeit erreicht werden.

Wunde

Die Schnittfrenotomie ohne Naht führt zu einer Schnittwunde in Mundschleimhaut, Faszie und Bindegewebe, nicht im Genioglossus. Das Gewebe wird allein durch den Schnitt beeinflusst. Die langjährige Erfahrung zeigt eine rasche Heilung ohne Narbenbildung. Nach dem Verheilen ist das Gewebe weich und flexibel.
Die Laserfrenotomie erzeugt eine andere Art von Wunde mit sekundärer Wundheilung, das heißt zuerst Heilung von verletztem Gewebe (Hitze) [3, S. 133]. Ein Tierversuch zeigte eine schnellere Wundheilung nach Schnitt als nach Laser, allerdings bei allen Techniken mit Wundverschluss durch Naht [37]. Eine Studie zum Vergleich der Wundheilung in der Mundschleimhaut nach Schnitt ohne Naht im Vergleich zu Laser haben wir nicht gefunden.

Nachbehandlung

Die Aussage, dass nach einer Laserfrenotomie ein aktives Wundmanagement und Dehnen der Wunde zwingend erforderlich ist, ist sehr häufig zu lesen [3, S. 135, 140, 5, 26, 36] Vereinzelt wird diese Aussage auch für Schnittfrenotomien getroffen. Dieses Vorgehen dürfte um 2010 aufgekommen sein, weil O’Callahan in der Diskussion [38, S. 831] erwähnt, dass in den letzten 11 Monaten der 4,5-jährigen Studie die Empfehlung eingeführt wurde, die ersten 5 Tage nach Schnittfrenotomie von den meist posterioren zu kurzen Zungenbändern nach jedem Stillen die Zunge anzuheben und den Finger quer unter der Zunge hindurchzuführen. Dies habe die Notwendigkeit einer zweiten Frenotomie deutlich gesenkt, ohne Angabe von Zahlen. Mit dieser Studie begründet Ghaheri die mehrwöchige Notwendigkeit eines aktiven Wundmanagements nach Laserfrenotomie [3, S. 140], auch wenn O’Callahan Schnittfrenotomien untersuchte und nur wenige Tage Zungenübungen empfahl.
Als Grund für das aktive Wundmanagement wird bei Baxter [2, S. 69] genannt, zu verhindern, dass die getrennten Bereiche bei der Heilung wieder zusammenwachsen, was „reattachment“ genannt wird. Es gibt bisher keine Studie, die das Outcome mit und ohne aktives Wundmanagement untersucht [22, S. 280, 39].
Wie können mit dem derzeitigen Wissensstand die Konzepte für Nachbehandlung eingeschätzt werden?
Die derzeitige Situation im deutschsprachigen Raum ist, dass nach den meisten Schnittfrenotomien Stillen, Stillberatung und evtl. locker gehandhabte Zungenübungen vorgeschlagen werden und dass bei den meisten Laserfrenotomien aktives Wundmanagement von den Eltern als zwingend erforderlich gefordert wird. Es wird zwar von einem „typischerweise nicht schmerzvollen Prozess“ und spielerischem Vorgehen gesprochen, aber die Anleitung beinhaltet „mit einem Wattestäbchen oder dem Finger die Bereiche zu separieren und Verklebungen zu entfernen“ [3, S. 133] und die Wunde zu dehnen (S. 135).
Viele Eltern berichten, dass Babys beim aktiven Wundmanagement weinen, und es ist anzunehmen, dass sie zumindest zeitweise Schmerzen empfinden. Das Tagebuch einer Erwachsenen nach Laserfrenotomie beschreibt, dass sie nach 3 Wochen beim aktiven Wundmanagement das erste Mal schmerzfrei war und nach 6 Wochen keinerlei unangenehmes Gefühl mehr hatte [3, S. 259]. Dies ist nicht direkt auf Babys übertragbar.
Wenn das aktive Wundmanagement als unverzichtbar verordnet wird, wird die Verantwortung auf die Eltern übertragen, wenn das Ergebnis nicht gut ist, obwohl vielleicht die ursprüngliche Anatomie entscheidend für das Outcome war. Das kann leicht eventuelle Schuldgefühle bei den Eltern verstärken. Ein weiteres Risiko bei dem aktiven Wundmanagement ist längerer Stillstreik – eine orale Aversion [1, S. 69].
Aus unserer Sicht ist ein erneutes Wiederanwachsen („reattachment“) der geschnittenen Zungenbandmembran in der ursprünglichen Form unter Zug nicht möglich. Unsere bisher nicht belegte Vermutung ist, dass sich die Wunde nach Laser anders verhält und zu einer stärkeren Reduzierung der Beweglichkeit führt und daher die Laserbehandler:innen aufgrund dieser Erfahrung das aktive Wundmanagement so ausdrücklich fordern.
Eine der Autorinnen hatte Beratungsanfragen nach Laserfrenotomien und beobachtete Abstillen oder Fortsetzung von Flaschenfütterung mit Muttermilch, insbesondere schien dabei der Stress durch das langfristige aktive Wundmanagement eine Rolle zu spielen. Das sind einzelne Beobachtungen mit eingeschränkter Aussagekraft, und eine Fortsetzung von Flaschenfütterung mit Muttermilch kommt – zwar selten – auch nach Schnittfrenotomie vor.
Der Eindruck entsteht, dass das aktive Wundmanagement eine sehr große emotionale Anforderung für die Mutter ist, das Kind immer wieder an unangenehme Erfahrungen im Mund erinnert wird und bei der Mutter die Kraft ausgeht, die Rückkehr zum Stillen anzugehen, auch bei 100 % gepumpter Muttermilch. Eine belastende Wirkung auf die Mutter-Kind-Beziehung kann vorkommen, auch wenn manche mit dem aktiven Wundmanagement zurechtkommen.
Da sich Eltern im Internet informieren und nicht zwischen den Behandlungsmethoden unterscheiden, kam es auch bei Schnittfrenotomie vor, dass eine Mutter besorgt war, eine zweite Frenotomie würde notwendig werden, weil sie die Übungen nicht gut genug gemacht hat. Dies ist eine schwierige Entwicklung und schwächt die Mütter in ihrer Rolle.
Zusätzlich kommen die bei Lasertherapie dringend empfohlenen oder geforderten Therapien wie Osteopathie, Logopädie usw. dazu, die weitere Termine und Kosten bedeuten. Die Grenze der Machbarkeit kann bei Familien z. B. mit mehreren Kindern leicht erreicht werden.

Zusammenfassung und Empfehlungen

Es gibt beim zu kurzen Zungenband eine große Bandbreite von Konzepten für Diagnostik, Behandlung und Nachsorge. Aus unserer Sicht ist es wichtig, die Unterschiede bei der Beratung der Familien zu kennen und zu benennen, damit die Eltern eine informierte Entscheidung treffen können. Aus unserer Sicht sind die wichtigsten Kriterien eine möglichst geringe kurz- und langfristige Schmerzbelastung, die Qualität der Durchtrennung und ein möglichst niederschwelliges Vorgehen. Gleichzeitig ist uns gegenseitiger Respekt auch bei unterschiedlichen Standpunkten und interdisziplinäre Zusammenarbeit ein großes Anliegen, um im Dialog die unterschiedlichen Wege und ihre Auswirkungen immer genauer erforschen zu können.
Die Einbettung in kompetente und gründliche Stillberatung vorher und nachher ist in jedem Fall von herausragender Bedeutung. Insgesamt erscheint es uns, dass die niederschwelligen Vorgehensweisen für die Unterstützung des Stillens empfehlenswert sind und dass es sinnvoll ist, die Versorgungsmöglichkeit mit tiefer Schnittfrenotomie zu erhöhen.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

M. Guóth-Gumberger und D. Karall geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Hinweis des Verlags

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Metadaten
Titel
Anhaltend spannend – das zu kurze Zungenband, Teil 3
Übersicht über Entwicklungen zu Diagnostik, Behandlung und Nachsorge
verfasst von
Márta Guóth-Gumberger
Univ.-Prof. Dr. Daniela Karall
Publikationsdatum
02.05.2023
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Pädiatrie & Pädologie / Ausgabe 3/2023
Print ISSN: 0030-9338
Elektronische ISSN: 1613-7558
DOI
https://doi.org/10.1007/s00608-023-01093-1

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