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Ärzte Woche

21.02.2022

Alles kommt früher

verfasst von: Medizin-Kabarettist Dr. Ronny Tekal

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© BenGoode // iStock

Der Klimawandel verändert die Jahreszeiten.

Während der Pandemie ist es ruhiger geworden um die FridaysForFuture-Bewegung. Was allerdings nicht bedeutet, dass wir uns auf unseren ökologischen Lorbeeren ausruhen können. Ob nun menschengemacht (gängige Klimawandel-theorie), naturgemacht (gängige Klimawandel-leugner-theorie) oder gottgewollt (gängige Sündenfall-theorie): Selbst eingefleischte Ignoranten bemerken, dass es nun irgendwie wärmer ist als früher und man Mitte Jänner beim Hinausbringen des Mülls, lediglich mit Unterhose bekleidet, statt Erfrierungen Verbrennungen zweiten Grades erleiden kann.

In Bezug auf die bekannten vier Jahreszeiten der Wiener („Deppate Kälte“, „Deppate Pollen“, „Deppate Hitze“ und „Deppate Blattln“) könnte sich einiges verändern. Die Kohlmeise läutet mit ihrem Glöckchengesang mittlerweile bereits im November den Frühling ein, der Krampus erschlägt mit seiner Rute die Gelsen und die Zugvögel reisen im Winter ins Waldviertel, weil es ihnen in Afrika zu kalt ist. Dafür kann man statt den umwelttechnisch bedenklichen Avocados aus Südamerika die Zutaten für die Guacamole im eigenen Garten anpflanzen – die Temperaturen sollten passen und man muss dafür lediglich den Brunnen des Nachbarn trockenlegen.

Damit verschieben sich auch jahreszeitliche medizinische Phänomene. Denn die Pflanzen keimen früher, womit die Pollensaison bereits nach dem Jahreswechsel beginnt, die Grippewelle startet mit August und die Weihnachtsdepression kann man zu Ostern bekommen. Unsere Zeitrechnung will nicht mehr so recht passen. Nachdem Papst Gregor im 16. Jahrhundert einfach so ein paar Tage gestrichen und den gregorianischen Kalender eingeführt hat, wäre es nun an Papst Franziskus, dem Klimawandel mit einer franziskanischen Kalenderreform gerecht zu werden. Damit verkürzt sich die Skisaison auf zwei Weihnachtsfeiertage, sodass man genug Schnee aus den restlichen Monaten zusammentragen und mit einer Pistenraupe plattwalzen kann. Doch ein Umdenkprozess ist im Gang. So hat sich die internationale Staatengemeinschaft dazu bekannt, den Anstieg des CO 2 -Ausstoßes bis zum Jahr 2230 um einen halben Prozentpunkt zu senken. Wenn jeder Mensch einen Atemzug pro Stunde weniger macht, sollte das auch gelingen. Es sei denn, man stuft Braunkohlekraftwerke, Kreuzfahrtschiffe und russische Marschflugkörper als „grün“ ein, sodass es keine Notwendigkeit zu Veränderungen mehr gibt.

Zurzeit gibt es Bestrebungen, den Klimaschutz in die hausärztliche Beratung einfließen zu lassen. Wir müssen also künftig nicht nur die Blutfettwerte kontrollieren, sondern auch das Verkehrsmittel, mit dem der Patient zur Ordination angereist ist. So können wir entsprechend scheltend eingreifen, wenn wir dessen bedenkliche Benzinschleuder auf dem Parkplatz entdecken, gleich neben unserem SUV. Denn man muss vorausschauend denken: Ohne Schnee kein Après-Ski. Und ohne Après-Ski keine Pandemie, die den Klimawandel vergessen macht.

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Metadaten
Titel
Alles kommt früher
Publikationsdatum
21.02.2022
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 9/2022

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