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Ärzte Woche

02.01.2023 | Ärztekammer

Unterm Rad

verfasst von: Michael Krassnitzer

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Die Explosion bei Strom- und Gaspreisen trifft die niedergelassenen Ärzte. Die Ärztekammer schätzt, dass die Kosten für die Deckung des Energiebedarfs für Ordinationen bis zu 500 Prozent mehr im Vergleich zum Vorjahr ausmachen.

„Das ist ein harter Schlag für das Budget einer Ordination. Ärztinnen und Ärzte werden dadurch über Gebühr belastet.“ Das sagt ÖÄK-Präsident Dr. Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK). Hart getroffen werden die Praxen der technischen Fächer, deren Hightech-Geräte viel Strom fressen. Aber auch alltägliche Geräte wie Sterilisatoren oder Computeranlagen treiben den Stromverbrauch in die Höhe. Im Gegensatz zu Unternehmen aus der Wirtschaft könnten Ärzte den Preisdruck nicht weitergeben.

Von der Politik fordert die Ärztekammer eine völlige Abdeckung der zusätzlichen Energiekosten im Vergleich zum Vorjahr. Bislang freilich stieß die Standesvertretung damit auf taube Ohren. Dass Freiberufler keinen Anspruch auf den Energiekostenzuschuss des Wirtschaftsministeriums haben, stößt dem Präsidenten sauer auf: „Auch in den allerschwierigsten Zeiten waren wir Ärztinnen und Ärzte jederzeit für die Patientinnen und Patienten da – ungeachtet jedes persönlichen Risikos und oft weit über die Belastungsgrenzen hinaus“, sagt Steinhart. Es sei erschütternd, dass das offenbar bereits wieder vergessen werde.

Die Ärztekammer versucht auch, im Rahmen der Honorarverhandlungen eine Kompensation der steigenden Energiekosten herauszuschlagen. Die Chancen, dass die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) so etwas wie einen Energiekostenzuschuss ausbezahlt, gelten jedoch als gering. Aktuell laufen auch Gespräche mit dem Innenministerium über eine finanzielle Unterstützung. Dem Vernehmen nach stehen die Chancen hier gut – allerdings dürfte es sich nur um ein kleines finanzielles „Trostpflaster“ handeln.

Ärzte sollten nicht zu viel jammern

„Noch spüre ich den Anstieg der Energiekosten nicht direkt, weil ich aufgrund langfristiger Verträge bis Jahresende den alten Strompreis bezahle – eine Versorgung mit Gas gibt es am Land nicht überall. Der neue Strompreis beträgt ziemlich genau das Vierfache des bisherigen, auch die zusätzlichen Kosten wie Leitungs- und Grundgebühr sind deutlich gestiegen. Was ich aber bereits spüre, ist die allgemeine Teuerung – so wie jeder andere in Österreich auch. Diesel bzw. Benzin ist teurer geworden, was für einen Allgemeinmediziner am Land, der Hausbesuche mit dem Auto macht, durchaus ins Gewicht fällt.

Wenn es zu derartigen Einschnitten in die Praxisgebarung kommt, dann muss man sich schon überlegen, welche Sparmaßnahmen man setzen und wie man noch effizienter arbeiten kann. Ich könnte zwar das Personal reduzieren. Meine Kosten kann ich allerdings nicht weitergeben. Das ist die Krux der Kassenmedizin: Ich trage das volle Risiko eines Kleinunternehmers, aber bei steigenden Kosten kann ich meine Tarife nicht einfach erhöhen, weil ich ja an die Kassenhonorare gebunden bin. Aber existenzbedrohlich ist es für mich nicht. Es gibt allerdings Fächer, die einen wesentlich höheren Stromverbrauch haben, ich denke etwa an die Radiologie oder die Labormedizin. Die werden den Anstieg der Energiekosten sicher noch deutlicher spüren. Eng könnte es für junge niedergelassene Ärzte werden, die nun zusätzlich zur Rückzahlung ihrer Kredite mit hohen Energiekosten konfrontiert sind. Aber ich bin der Meinung, Ärzte sollten in dieser Angelegenheit nicht zu viel jammern. Es gibt viele Menschen in Österreich, denen es angesichts der steigenden Energiepreise deutlich schlechter geht.

Ich habe in meiner Ordination bereits einige Energiesparmaßnahmen vorgenommen. Ein Installateur hat meine Heizungsregelung optimiert. Ich habe die Türen und Fenster, die sich im Lauf der Zeit ein bisschen verzogen haben, neu einstellen lassen, sodass sie jetzt wieder dichter schließen. Viele wissen nicht, dass moderne Fenster diese Möglichkeit bieten. Meine Mitarbeiter und ich achten auch mehr darauf, dass das Licht nur dort eingeschaltet ist, wo es gerade gebraucht wird. Und ich nehme das Sterilisationsgerät – meinen größten Stromfresser – erst dann in Betrieb, wenn es voll ist.“

Dr. Wolfgang Ziegler, Allgemeinmediziner, hat eine Ordination in Kremsmünster (Oberösterreich)

Wir haben viel in Wärmedämmung investiert

„Je mehr Patienten eine Ordination hat, desto geringer sind im Verhältnis die Energiekosten. In einem Primärversorgungszentrum (PVZ) spielen die Personalkosten und die zusätzlichen Kosten für das erweiterte Team – Raumbeschaffung, Energie, EDV – eine wesentliche Rolle (Die Löhne des erweiterten Teams werden vom Bundesland und der Kasse übernommen). Die steigenden Energiekosten werfen uns also nicht aus der Bahn. Allerdings ist unser Primärversorgungszentrum aus einer großen, bereits bestehenden allgemeinmedizinischen Ordination hervorgegangen, sodass wir schuldenfrei sind. Andere Primärversorgungszentren, die neu auf der grünen Wiese errichtet wurden, Kredite abbezahlen müssen und mit der allgemeinen Teuerung zu kämpfen haben, sind sicherlich in einer unangenehmeren Situation. Noch dazu, wenn sie in einem wärmetechnisch nicht sanierten Gebäude oder einem ehemaligen Supermarkt untergebracht sind, wo es keine adäquate Wärmedämmung gibt. Da werden die Energiekosten zweifellos zum Problem.

Wir haben in den letzten Jahren sehr viel in Wärmedämmung investiert. Das Haus, in dem sich unser Primärversorgungszentrum befindet, ist vor 35 Jahren nach den damals besten wärmetechnischen Richtlinien erbaut worden und seither immer wieder auf den wärmetechnisch letzten Stand gebracht worden. Ganz wesentlich war die Installation der Fotovoltaikanlage. Diese reduziert nämlich nicht nur die Stromkosten, sondern auch die Heizkosten. Im Sommer hält sie Hitze ab, im Winter trägt Sie zur Dämmung der Kälte bei. Fast ein Drittel der Energieersparnisse durch die Fotovoltaikanlage sind wärmetechnischer Natur. Das wissen die meisten nicht.

In unserem Primärversorgungszentrum legen wir größten Wert auf die Luftqualität. Auf diese Weise wollen wir unter anderem die Infektionsgefahr – nicht zuletzt durch das Coronavirus – möglichst geringhalten. Dazu messen wir sogar den CO₂-Gehalt der Luft. Früher waren die Fenster immer offen oder gekippt, mittlerweile aber setzen wir auf Stoßlüften. Das heißt: Die Fenster werden regelmäßig, aber jeweils nur für ein paar Minuten komplett geöffnet, um die verbrauchte Luft durch frische zu ersetzen. Das schlägt sich sicherlich auf die Heizkosten nieder.“

Dr. Christian Koll, Allgemeinmediziner, Leiter des PVZ Gloggnitz (Niederösterreich)

Energiesparen ist kaum möglich

„Es gibt angesichts der steigenden Energiepreise noch keinen Grund zur Panik, aber ich bin besorgt. Die Heizkosten in dem Haus, in dem sich unsere Gruppenpraxis befindet, werden sich voraussichtlich verdoppeln. Die Ärztekammer geht davon aus, dass es in Wien zu einer Verfünffachung der Strompreise kommen wird. Die endgültigen Vorschreibungen werden wir aber wahrscheinlich erst im März bekommen. Bei jährlichen Stromkosten von 12.000 Euro wird eine Erhöhung auf 60.000 Euro nur schwer zu finanzieren sein. Dazu kommt die Teuerung bei alle jenen Dingen, die wir nicht über den Ordinationsbedarf der Krankenkasse bekommen, sondern die wir selbst zukaufen müssen. Auf diesem Gebiet ist es zu Preissteigerungen um bis zu 70 Prozent gekommen. Kürzlich hat mein Lieferant von Gasflaschen plötzlich zehn Euro ,Dieselzuschlag’ auf die Rechnung gesetzt. Medizinische Schlingen, von denen ich ungefähr 400 im Monat brauche, sind um einen Euro teurer geworden. Das läppert sich alles zusammen. Dazu kommen 15 Angestellte, deren Gehälter auch empfindlich höher werden.

Wir haben bereits sieben Tage pro Woche geöffnet, durch Mehrarbeit kann ich solche empfindlichen Einkommensverluste nicht mehr ausgleichen. Im Gegensatz zu allen anderen Freiberuflern kann ich meine Tarife nicht ändern und keine Zuschläge verlangen. Energiesparen ist kaum möglich. Der Einsatz von ein paar LED-Leuchten ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Endoskop-Waschmaschinen sind im Dauereinsatz, die Klimaanlage und der Server müssen auch immer laufen.

Noch ist niemand akut gefährdet, aber wenn es nicht zu einer entsprechenden Anpassung der Honorare kommt, wird es mittelfristig für einige ziemlich kritisch. Es gibt zwar einen Inflationsausgleich durch die Krankenkasse, aber die am Lohnabschluss der Metaller angelehnten acht Prozent, die derzeit im Raum stehen, sind viel zu wenig. Für kleine Ordinationen und für Wahlärzte sind die explodierenden Energiekosten wahrscheinlich existenzbedrohend. Ich bin allerdings überzeugt: Bevor Ordinationen zusperren müssen, wird die Kasse wohl einen Stromkostenzuschlag gewähren. Die Radiologen, deren Geräte extrem viel Strom brauchen, haben bereits über die Wirtschaftskammer einen Kostenausgleich ausgehandelt. Die Ärztekammer bemüht sich aktiv darum.“

Dr. Friedrich Anton Weiser, Chirurg mit Gruppenpraxis in Wien

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Metadaten
Titel
Unterm Rad
Schlagwort
Ärztekammer
Publikationsdatum
02.01.2023
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 49/2022

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