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Ein kleines Emirat zeigt der Welt, wozu es imstande ist. In jeglicher Hinsicht...

Jedes Jahr wird vom Meinungsforschungsinstitut Sora der „Demokratie-Index“ erhoben, und jedes Mal äußert eine beachtliche Zahl der Befragten (heuer 25 Prozent) ihren Wunsch nach einem „starken Führer“. Nun geht die Fußball-WM in ihre 2. Halbzeit, und das Emirat Katar zeigt der Welt, was eine kraftvolle Führung (mit dem nötigen Kleingeld) auf die Beine stellen kann: Die Stadien, die innerhalb kürzester Zeit errichtet wurden, bestechen durch Funktionalität und Innovationsgeist. Bei Planung und Bau der Spielstätten kamen zukunftsweisende Technologien zum Einsatz, die für einen massiven Entwicklungsschub in Architektur und Bautechnik gesorgt haben. Auch Ästheten kommen auf ihre Rechnung: Das al-Bayt-Stadion hat das Design eines Nomadenzeltes, das „Stadium 974“ wurde aus 974 Schiffscontainern errichtet und das „Juwel der Wüste“ beeindruckt durch das optische Farbenspiel seiner Fassade. Ebenso makellos funktioniert (bislang) die Logistik und Organisation. Während man in Europa bei Sport-Großereignissen mit Ausschreitungen der Fans rechnen muss, erleben wir in Katar ein buntes, friedliches Spektakel. Wenn einige wenige das Sagen haben, ist das möglich.

Hierzulande ist es oft genau umgekehrt: Querelen unter den politischen Parteien sowie zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verzögern und verteuern jede noch so sinnvolle Unternehmung, und kaum ein größeres Bauvorhaben kann durchgeführt werden, weil einige wenige etwas dagegen haben: So blockieren Bürgerinitiativen Verkehrsprojekte wie den Lobau-Tunnel oder Ortsumfahrungen. Haben diese Leute nicht ein ehrbares Motiv (den Umweltschutz)? Mag sein, aber auch Alternativenergie-Träger kommen dran: Windkraftanlagen, Wasserkraftwerke, Hochspannungsleitungen? „Prima, aber nicht bei uns!“ Diese Ärgernisse erspart man sich in Katar, dafür werden dort Gastarbeiter wie Sklaven behandelt, Frauen unterdrückt, „Ungläubige“ sind Bürger zweiter Klasse, und Homosexuelle müssen mit Gefängnisstrafen (und Schlimmerem) rechnen. Das ist die starke Kehrseite der Medaille ...

Wollen nun die eingangs erwähnten 25 Prozent eine Diktatur à la Katar – all inclusive? Das wird zwar in manchen Kreisen so dargestellt, ist aber pure Polemik. Der Wunsch nach einer „starken Führung“ ist einer nach entscheidungsfreudigen und durchsetzungsfähigen Politikern, keine Diktatur-Sehnsucht. Die Österreicher von heute sind (zum Glück) keine Faschisten, nur ziemliche Grantler ...

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Metadaten
Titel
Orientalisches Powerplay
Publikationsdatum
30.11.2022
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 49/2022

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