Skip to main content
Ärzte Woche

19.12.2022

Die letzten Geschöpfe

verfasst von: Martin Krenek-Burger

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Viele Farn- und Blütenpflanzen sind heute in der heimischen Natur selten geworden, zu viele Arten sind bereits ausgestorben oder verschollen.

Die Lücken in den Artenlisten sind zu auffällig, um sie noch ignorieren zu können. Pflanzen, die Botaniker früherer Generationen auf ihren Exkursionen noch regelmäßig notierten, sind heute kaum noch oder gar nicht zu finden. Selbst einstmals gewöhnliche „Allerweltsarten“ gehen in ihrem Bestand zurück. Höchste Zeit also für Luise Schratt-Ehrendorfer vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien ( früher Institut für Botanik am Rennweg ) nach mehr als 20 Jahren eine aktualisierte „Rote Liste“ der Farn- und Blütenpflanzen zu erstellen.

Die Zahl der gefährdeten Arten hat seit der letzten Veröffentlichung zugenommen: 66 Arten sind heute österreichweit ausgestorben bzw. verschollen, 235 Arten sind vom Aussterben bedroht, dazu kommen weitere 973 Arten, die in geringerem oder selten auch unbekanntem Ausmaß gefährdet sind. Obwohl Biodiversitätsschutz heute als politisches Ziel gilt, und obwohl es in den vergangenen 20 Jahren zahlreiche positive Beispiele für Arten- und Biotopschutz gibt, hält der Artenrückgang unvermindert an. Arten der Trocken- und Halbtrockenrasen, von verschiedenen Feuchtstandorten und von Sonderstandorten über salzigen oder schwermetallhaltigen Böden sind am stärksten betroffen.

Im Vergleich zur Version der Roten Liste aus dem Jahr 1999 hat die Anzahl gefährdeter Arten hierzulande um zwei Prozentpunkte zugenommen. Die wiederholte Bestandsaufnahme zeigt auch, über welche Schätze Österreich einst verfügte. Schon seit etwa 1820 zum Beispiel wird der Moor-Steinbrech ( Saxifraga hirculus ) nicht mehr gefunden. Erst seit jüngster Zeit gilt das Geradfrüchtige Hornköpfchen ( Ceratocephala orthoceros ), vor wenigen Jahren noch mit einem Vorkommen in Mödling, als verschollen. Zu den Arten, die vom Aussterben bedroht sind, zählt die Ufertamariske ( Myricaria germanica ), die neu gebildete Schotterflächen an unregulierten Flüssen besiedelt, oder der Zarte Gauchheil ( Lysimachia tenella ), eine Pflanze der Niedermoore oder nassen Abhänge.

„Die Zunahme an gefährdeten Farn- und Blütenpflanzen ist Ausdruck des zunehmend ungünstigeren Zustands unserer Umwelt und des allgemeinen Biodiversitätsverlusts. Denn auch viele Tiere und Pilze, die bestimmte Pflanzen für ihr Überleben benötigen, sind als Folgeerscheinung im Rückgang“, sagt Botanikerin Schratt-Ehrendorfer.

Wichtige Auslöser für den Artenverlust sind Lebensraumzerstörung, Fragmentierung der Landschaft durch intensive Landnutzung, Eintrag von Nährstoffen aus der Luft sowie Verbauung und Zersiedelung. Auch die Klimaerwärmung ist ein zunehmend wichtiger Gefährdungsfaktor, und das nicht nur in den Hochlagen.

Die Rote Liste enthält nicht nur die gefährdeten Pflanzen der heimischen Flora, sie ist darüber hinaus ein Katalog aller heimischen und eingebürgerten Arten und Unterarten. In Österreich sind etwa 3.460 Farn- und Blütenpflanzen fester Bestandteil der Flora, 368 davon sind eingebürgerte Neophyten. Zu diesen 3.460 Arten kommen noch weit über 1.000 nicht heimische, nur vorübergehend auftretende Arten.

print
DRUCKEN
Metadaten
Titel
Die letzten Geschöpfe
Publikationsdatum
19.12.2022
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 49/2022

Weitere Artikel der Ausgabe 49/2022

Redaktionstipp

Delir oder Insult?