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Erschienen in: Journal für Gynäkologische Endokrinologie/Österreich 2/2021

Open Access 04.06.2021 | Menopause heute und morgen

Vasomotorische Beschwerden in der Menopause

verfasst von: Dr. Monika Gorczyca

Erschienen in: Gynäkologie in der Praxis | Ausgabe 2/2021

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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
In den Wechseljahren stellt sich der Hormonhaushalt des weiblichen Körpers zunehmend um und die Produktion weiblicher Geschlechtshormone nimmt ab.
Mit fortschreitender ovarieller Erschöpfung treten bei den Patientinnen Östrogenmangelsymptome auf, die häufig initial vorübergehend, später dauerhaft bestehen [1]. Ein zentraler Aspekt bei der Interpretation und Behandlung der unterschiedlichen klimakterischen Symptome ist die Lebensqualität der Patientin, diese kann durch vasomotorische Symptome (VMS) zum Teil signifikant negativ beeinflusst werden [2]. Bis zu 80 % aller Frauen durchleben VMS während des Klimakteriums, die Mehrheit der Patientinnen empfindet diese als mittelgradig bis stark einschränkend [3].
Episoden von Hitzewallungen dauern meistens ca. 1–5 min, in Ausnahmefällen aber auch bis zu 15 min. Leichte Hitzewallungen werden als vorübergehendes Wärmegefühl empfunden. Schwerwiegendere Episoden äußern sich in plötzlicher Hitze, die sich über den Oberkörper und das Gesicht ausbreitet, oft vergesellschaftet mit einer Rötung der Haut sowie starkem Schwitzen. Häufig folgen der Hitzewallung Kälteempfinden und Schüttelfrost. Oftmals sind Hitzewallungen mit anderen unspezifischen vegetativen Symptomen wie Beklemmungsgefühlen im Kopf oder Brustkorb, Unruhe, Übelkeit, Tachykardie oder Tachypnoe verbunden [4]. Nächtliche VMS gehen mit zum Teil starkem Schwitzen während des Schlafs einher. Dadurch können die Schlafarchitektur und Schlafqualität gestört werden, was wiederum zu Stimmungsschwankungen und in weiterer Folge Verminderung der Leistungsunfähigkeit und depressiver Verstimmung führen kann [5, 6]. Im Durchschnitt berichten Frauen über 4–5 Hitzewallungen pro Tag, manche Patientinnen haben aber auch bis zu 20 Episoden täglich [7].

Pathomechanismus von VMS

Der genaue Pathomechanismus hinter der Entstehung von Hitzewallungen ist bisher nicht geklärt. Die physiologischen Veränderungen, die mit menopausalen Hitzewallungen einhergehen, unterscheiden sich von allen anderen Hitzewallungen durch eine erhöhte periphere Durchblutung, eine erhöhte Herzfrequenz und insbesondere einer Abnahme des galvanischen Hautwiderstands, was einzigartig für die menopausale Hitzewallung ist. Die Hitzewallung entsteht durch eine Störung des Temperaturregulationsmechanismus im Hypothalamus und wahrscheinlich durch eine Verringerung der thermoneutralen Zone, innerhalb derer Schwankungen der Basaltemperatur des Körpers keine kompensatorischen Gefäßreaktionen hervorrufen. Viele auslösende Faktoren wurden in Betracht gezogen, darunter Gonadotropine und neurohumorale Faktoren. Die Rolle des Östrogens dürfte jedoch entscheidend sein, der klinische Wert einer Östrogentherapie zur Linderung von Hitzewallungen ist gut belegt. Dennoch ist der genaue Mechanismus, durch den reduzierte zirkulierende Östrogenspiegel an der Entstehung vom VMS beteiligt sind, noch nicht endgültig geklärt. Das Priming mit Östrogen scheint eine wesentliche Voraussetzung für Hitzewallungen zu sein, da junge Frauen mit Turner-Syndrom (Gonadendysgenesie) und sehr niedrigen zirkulierenden Östrogenspiegeln keine Hitzewallungen haben, es sei denn, sie erhalten eine Östrogenersatztherapie, die später abgesetzt wird. Die östrogenantagonistische Wirkung von selektiven Östrogenrezeptormodulatoren wie Tamoxifen und Raloxifen kann ebenfalls Hitzewallungen verursachen. Ein Zusammenhang mit Gonadotropinen wird durch eine zeitliche Assoziation von Hitzewallungen mit der pulsatilen Ausschüttung von luteinisierendem Hormon (LH) nachgewiesen. Wenn jedoch die LH-Pulse durch GnRH-Analoga ausgeschaltet werden, ändert sich die Häufigkeit der Wallungen nicht, was bestätigt, dass LH lediglich mit den Hitzewallungen assoziiert ist und nicht ursächlich sein dürfte. Es ist wahrscheinlich, dass Hitzewallungen durch einen suprahypophysären Mechanismus ausgelöst werden, der von hypothalamischen Faktoren beeinflusst wird, die für die pulsatile LH-Freisetzung verantwortlich sind. Es wurde eine Reihe von chemischen Wegen vorgeschlagen, an denen Serotonin, Noradrenalin und Dopamin beteiligt sind [8]. Neuere Erkenntnisse betonen die Rolle von hypothalamischen Kisspeptin‑, Neurokinin-B- und Dynorphin(KNDy)-Neuronen an der Entstehung von Hitzewallungen [9].
Differenzialdiagnostisch können auch andere hormonelle Störungen Hitzewallungen auslösen; wie z. B. Diabetes mellitus, Schilddrüsenüberfunktion oder das selten auftretende Phäochromozytom, aber auch eine B‑Symptomatik im Rahmen von malignen Erkrankungen, Infektionen bzw. rheumatologischen Erkrankungen. Kausal können auch bestimmte Medikamente wie Kortikosteroide oder Kalziumkanalblocker sein. An diese möglichen Ursachen sollte v. a. bei Nichtansprechen oder plötzlichem Versagen einer Östrogentherapie gedacht werden.

Risikofaktoren

Viele Studien haben Faktoren untersucht, welche auf das Auftreten bzw. den Schweregrad von VMS Einfluss nehmen könnten.
Ein VMS erschwerender Risikofaktor ist Adipositas. Adipöse postmenopausale Frauen haben, aufgrund einer erhöhten peripheren Umwandlung von Androstendion im Fettgewebe [10], höhere Serumestronkonzentrationen als schlanke Frauen, paradoxerweise leiden diese Frauen trotzdem eher unter Hitzewallungen [11]. Eine Gewichtsabnahme könnte helfen, die Hitzewallungen zu lindern [12]. Ein weiterer modifizierbarer Risikofaktor ist der Nikotinabusus. Raucherinnen haben eine über 60 % höhere Wahrscheinlichkeit, über VMS zu berichten [13].
Körperliche Aktivität, Ernährung und Alkoholkonsum sind andere Gesundheitsverhaltensweisen, die in vielen Studien untersucht wurden. Die diesbezüglichen Ergebnisse sind jedoch inkonsistent. Ein Teil der Beobachtungsstudien berichtete keinen Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und VMS, während andere einen schützenden Zusammenhang berichten [14]. In einer randomisierten Interventionsstudie mit aerobem Training, der MsFLASH-Studie (Menopause Strategies: Finding Lasting Answers for Symptoms and Health), konnte leider keine Besserung von VMS durch Training gezeigt werden [15]. Letztlich besteht diesbezüglich aber mehr Forschungsbedarf.
Alkohol wird als Trigger für Hitzewallungen gesehen, in Studien hatte die Menge des konsumierten Alkohols jedoch kaum Einfluss auf das Auftreten von VMS [14, 16].
Der Konsum von Phytoöstrogenen zeigte in einer rezenten Cochrane-Analyse einen leichten, aber signifikanten Einfluss auf die Reduktion der Frequenz von VMS [17].
Im Gegensatz zu der inkonsistenten Rolle von Lebensstilfaktoren haben Studien gezeigt, dass psychosoziale Faktoren wie Angst und Depressionen eindeutig mit VMS assoziiert sind [13, 18]. Obwohl es in Querschnittsstudien nicht möglich ist, zu bestimmen, ob VMS oder psychosozialer Stress zuerst auftritt, deuten Längsschnittstudien darauf hin, dass psychologische Faktoren einen Einfluss auf das Auftreten von VMS haben könnten [18]. Stress und eine allgemeine Empfindlichkeit gegenüber Symptomen dürften mit einer längeren Dauer von VMS verbunden sein [19]. Letztlich sind die Assoziationen zwischen negativen affektiven Faktoren und VMS wahrscheinlich komplex und bidirektional.
In Übereinstimmung mit dem Einfluss von mangelnden Coping-Mechanismen zeigte sich auch ein Zusammenhang zwischen einem niedrigeren sozioökonomischen Status, einem niedrigeren Bildungsniveau und vermehrten vasomotorischen Beschwerden [20].
Die Intensität von VMS variiert je nach ethnischer Zugehörigkeit. Am häufigsten klagen Frauen in Europa und den Vereinigten Staaten über VMS, hingegen berichten Frauen asiatischer Herkunft seltener über Hitzewallungen [13, 14].

Dauer von VMS

Trotz ihrer Verbreitung, ihres negativen Einflusses auf die Lebensqualität und ihrer Assoziation mit ungünstigen Gesundheitsindikatoren wie einem erhöhten kardiovaskulären Risiko und Osteoporose fehlte es bisher an robusten Schätzungen darüber, wie lange VMS andauern [14]. Dies liegt zum Teil daran, dass bis vor Kurzem nur wenige Studien eine ausreichende Nachbeobachtungszeit der einzelnen Teilnehmerinnen hatten und somit die Dauer innerhalb einer Frau indirekt abgeleitet wurde, indem verschiedene Frauen in unterschiedlichen Stadien des Klimakteriums verglichen wurden. Frühere klinische Daten legten eine typische Dauer der VMS zwischen 6 Monaten und 2 Jahren nahe [4]. Neuere Erkenntnisse deuten jedoch darauf hin, dass VMS viel länger anhalten. Es wurde festgestellt, dass alle VMS – d. h. unabhängig von ihrer Häufigkeit oder ihrem Schweregrad – im Durchschnitt 10,2 Jahre andauern und die Symptome bei denjenigen, die nach der Menopause weiterhin Beschwerden haben, durchschnittlich 4,9 Jahre nach dem letzten Zyklus anhalten [3]. Die durchschnittliche oder mittlere Dauer für häufige oder mittelschwere/schwere VMS ist mit insgesamt 7,4–8,8 Jahren und 4,5–4,6 Jahren nach dem letzten Zyklus etwas kürzer [3, 19]. VMS dauern länger bei Frauen, deren Symptome früher im Übergang zur Menopause beginnen. Häufige oder mittelschwere/schwere VMS haben eine mediane Dauer von ca. 3,5 Jahren bei Frauen, deren Symptome erst nach der Menopause beginnen, im Vergleich zu mehr als 11,5 Jahren bei Frauen mit einem Beginn der VMS nahe dem Beginn des Klimakteriums [3, 19].
Zusammenfassend stellen vasomotorische Symptome (VMS) die primären Wechseljahresbeschwerden dar, die bei bis zu 80 % der Frauen auftreten und ihren Höhepunkt um den Zeitpunkt der letzten Menstruation erreichen. Wichtig ist es, daran zu denken, dass die durchschnittliche Dauer der Symptome ca. 10 Jahre beträgt, bei Frauen mit einem früheren Beginn sogar länger. Zu den Risikofaktoren für das Auftreten von VMS gehören neben Lifestylefaktoren wie Adipositas und Rauchen auch eine geringere Resilienz und ein niedriger sozioökonomischer Status.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

M. Gorczyca gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von der Autorin keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Literatur
10.
Zurück zum Zitat MacDonald PC, Edman CD, Hemsell DL, Porter JC, Siiteri PK (1978) Effect of obesity on conversion of plasma androstenedione to estrone in postmenopausal women with and without endometrial cancer. Am J Obstet Gynecol 130(4):90287–90289. https://doi.org/10.1016/0002-9378CrossRef MacDonald PC, Edman CD, Hemsell DL, Porter JC, Siiteri PK (1978) Effect of obesity on conversion of plasma androstenedione to estrone in postmenopausal women with and without endometrial cancer. Am J Obstet Gynecol 130(4):90287–90289. https://​doi.​org/​10.​1016/​0002-9378CrossRef
16.
Zurück zum Zitat Gold EB, Block G, Crawford S, Lachance L, FitzGerald G, Miracle H, Sherman S (2004) Lifestyle and demographic factors in relation to vasomotor symptoms: baseline results from the study of women’s health across the nation. Epidemiol Rev 159(12):1189–1199. https://doi.org/10.1093/aje/kwh168CrossRef Gold EB, Block G, Crawford S, Lachance L, FitzGerald G, Miracle H, Sherman S (2004) Lifestyle and demographic factors in relation to vasomotor symptoms: baseline results from the study of women’s health across the nation. Epidemiol Rev 159(12):1189–1199. https://​doi.​org/​10.​1093/​aje/​kwh168CrossRef
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Zurück zum Zitat Gold EB, Sternfeld B, Kelsey JL, Brown C, Mouton C, Reame N, Salamone L, Stellato R (2000) Relation of demographic and lifestyle factors to symptoms in a multi-racial/ethnic population of women 40–55 years of age. Epidemiol Rev 152(5):463–473. https://doi.org/10.1093/aje/152.5.463CrossRef Gold EB, Sternfeld B, Kelsey JL, Brown C, Mouton C, Reame N, Salamone L, Stellato R (2000) Relation of demographic and lifestyle factors to symptoms in a multi-racial/ethnic population of women 40–55 years of age. Epidemiol Rev 152(5):463–473. https://​doi.​org/​10.​1093/​aje/​152.​5.​463CrossRef
Metadaten
Titel
Vasomotorische Beschwerden in der Menopause
verfasst von
Dr. Monika Gorczyca
Publikationsdatum
04.06.2021
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Gynäkologie in der Praxis / Ausgabe 2/2021
Print ISSN: 3005-0758
Elektronische ISSN: 3005-0766
DOI
https://doi.org/10.1007/s41974-021-00183-x

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