Winter, ade?
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Jetzt ist er also da, der Winter, und das Volk raunt, es gäbe keinen Grund mehr, den Klimawandel herbeizureden. Tatsächlich ist es auch ein ungünstiger Zeitpunkt, in den Nachrichten auf die Erderwärmung hinzuweisen, wenn man gerade den Schnee vor der beheizten Garagenauffahrt zur Seite schaufeln muss. Dass es im langjährigen Schnitt zu warm ist, interessiert nur mäßig. So wie auch der Langzeitzucker viele Diabetiker kalt lässt, denn was war, ist vergessen und was die Zukunft bringt, wird sich zeigen.
Es geht nun um ganz andere Themen: für die breite Masse um die Energiepreise, für die schmale Klasse um die Liftpreise. Die haben sich nämlich tatsächlich im langjährigen Schnitt vervielfacht. Hat ein Tagesskipass im 16. Jahrhundert noch ein halbes Huhn gekostet, muss man mittlerweile den Jahresumsatz einer Kentucky-Fried-Chicken-Filiale löhnen, um auf den Berg zu kommen. Dafür sind die Sitze auf den Liften beheizt. Nicht nachhaltig, aber man klebt dafür nicht so am Sessel wie ein Nationalratspräsident.
Vor Kurzem haben Klimaaktivisten beim Weltcup-Slalom in Gurgl für Aufruhr gesorgt. Da Superkleber am Schnee nicht so gut haftet, wurde der Zielraum mit oranger Farbe besprüht, und das Rennen damit um zehn Minuten unterbrochen. So etwas geht gar nicht, denn neben dem Auto ist der Ski österreichisches Nationalheiligtum und derlei Störaktionen naturgemäß Blasphemie. Die Vertreter des Skiverbandes forderten harte Strafen für die Aktivisten, nach dem Terrorparagrafen, in Form von Scheitelknien auf der Piste (Schranz-Knien). Schließlich ist man gerade im alpinen Ski- sport quasi eins mit der Natur und die so wichtigen Gletscher wären ohne Schneekanonen schon längst schneefrei.
Dennoch scheinen die Tage gezählt, denn die Schneefallgrenze verlagert sich sukzessive nach oben, sodass selbst die Talstation nur mehr mit Sauerstoffgerät zu erreichen ist. Vor einigen Jahren konnten meine Kinder noch auf der Hohe-Wand-Wiese in Wien Skifahren lernen. Mittlerweile ist der Winterbetrieb auf ein paar weiße Matten am meist grünbraunen Hang reduziert, auf denen die Kleinsten ihre ersten Schwünge machen und daraus Schneemänner falten.
Aus ärztlicher Sicht ist der Winter bekanntlich die Hauptsaison, in der die Wartezimmer so voll sind wie die Liftgondeln. Eine sportliche Herausforderung, die jener der Skiprofis kaum nachsteht. Während man sich in der Nebensaison (Ferien und Fenstertage) auch Zeit für die Patienten nehmen kann, zählt im Vollbetrieb jede am Steilhang eines Arztgesprächs liegen gelassene hundertstel Sekunde. So wie der alpine Skizirkus gehört auch der urbane Kassenzirkus zu den saisonalen Fixpunkten. Zwar besprühen keine Standesaktivisten den Zielraum des Gesundheitsministeriums mit oranger Farbe, aber auch dieser Zirkus ist für die kommenden Generationen nicht sonderlich nachhaltig und vor allem Allgemein- und Kinderpraxen schmelzen dahin wie die Gletscher. So sehnen sich alle nach einem Winter wie damals.