Dr. Tekal
Privat
Die lebenswertesten Städte sind nach Corona weniger attraktiv.
Treue Leser diese Kolumne wissen es längst: Ich liebe Rankings! Das beste Restaurant, das beste Krankenhaus, das beste Restaurant in einem Krankenhaus. Ich möchte sogar behaupten, dass auf Platz eins meiner ganz persönlichen Vorlieben das Ranking auf den Plätzen 3 und 7 zu liegen kommt.
Zugegeben sind Ranglisten, die sich kaum verändern, auch nur mäßig interessant: Die Brisanz der zehn höchsten Berge des Jahrzehnts oder die zehn besten Päpste des Jahres ist enden wollend. Dazu zählte bislang auch die Liste jener Städte, die sich durch besonders hohe Lebensqualität auszeichnen. Vorne Wien, hinten Damaskus und dazwischen eine Auflistung von 140 Metropolen, in denen man mehr oder weniger gerne lebt, eine gute Infrastruktur hat und nur bei jedem zweiten Spaziergang ausgeraubt wird.
Doch mit der Pandemie musste Wien das Gelbe Trikot abgeben, um nicht einmal unter den Top 10 auf dem undankbaren 12. Platz zu landen. Stattdessen wurde die neuseeländische Hafenstadt Auckland zum Sieger gekürt. Kunststück, wenn man auf einer Insel lebt, die Fremde nur mit Gästepantoffeln betreten dürfen und man die Corona-Viren einfach ins Meer schubsen kann. Dabei, liebe Auckländer, würde mich interessieren, wie viele Heurige ihr habt, kulturelle Schätze aus der Kaiserzeit oder wie viele weltberühmte klassische Komponisten haben in eurer Stadt gelebt, die die kleine Nachtmusik geschrieben haben? Ja, es gibt sogar Weltkarten, auf denen Neuseeland geflissentlich weggelassen wird, um Platz zu sparen. Also ruht euch nicht zu lange auf euren Eukalyptusblättern aus, nur weil ihr in der Pandemie ein wenig Glück hattet. Bei allem Katzenjammer über den verlorenen Podestplatz ist es eine kleine Genugtuung, dass unsere Nachbarn noch schlechter abgeschnitten haben und Hamburg um ganze 34 Ränge auf Platz 47 fiel. Denn traditionell sind wir nicht absolut, sondern immer nur im Vergleich zufrieden. Und auch wenn man verliert, ist es wichtig, weniger hoch zu verlieren als die Deutschen.
Dass die europäischen Städte so massiv an Lebensqualität eingebüßt haben und es gleichzeitig bei den negativen Top 10 keine großen Veränderungen gab, zeigt, wie fragil die ganze Sache ist. Denn vielleicht sind wir bloß Schönwetter-Sieger. In guten Zeiten, und die hatten wir zweifelsfrei inmitten von Europa die vergangenen Jahre, lassen sich mit Walzerklängen, hübschen Parkanlagen und Gemütlichkeit viele Preise gewinnen. Wenn man plötzlich in den Parkanlagen keine Walzerklänge aus lauten Boxen spielen darf, da es dann Schluss mit der Gemütlichkeit ist, ist bald auch Schluss mit der Zufriedenheit. So schnell kann es gehen, da braucht es keine großen Bürgerkriege, sondern nur ein kleines Virus.
Ein wenig Demut ist hier also angezeigt, denn in dunkleren Zeiten war auch Wien kein Ort, an dem man sich sonderlich gerne aufhielt. Und wenn Damaskus in einigen Jahren das Ranking gewinnt, sollten wir uns ausnahmsweise mitfreuen und neidlos den Platz freimachen.