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06.03.2024 | Tekal

Im Märzen der Doktor

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist

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Ronny Tekal widmet sich in seiner Kolumne Landwirten und Gesundheitsdienstleistern. 

„Im Märzen der Bauer“ mag ein bekanntes, wenngleich nicht allzu zeitgemäßes Volkslied sein. Erstens haben wir, gottlob, auch jede Menge Landwirtinnen und Landwirte, die zweitens nicht mehr im März, sondern bereits im Dezember die Rösslein einspannen, und drittens setzen die Agrar-Multis keine zwei Ackergäule, sondern mittlerweile 800 Pferdestärken ein, die das Feld pflügen und zur Belohnung statt Hafer Diesel bekommen. „Im Dezember der Agrarkonzern den Diesel anwirft“ klingt zugegeben korrekter, doch ungefähr so holprig wie das frisch gepflügte Feld.

Tatsache ist, dass wir uns als „Land der Äcker“ den neuen Gegebenheiten anpassen müssen. Das zeigt sich auch im Spruch eines moderneren Bauernkalenders: „Wenn die Magd mit Datteln handelt, hat das Klima sich gewandelt“. Und während man einst noch versuchte, mit Sinnsprüchen Wetterkapriolen vorherzusagen („Vor Nachtfrost du nie sicher bist, bis Sophie vorüber ist“), so wird das Wetter mittlerweile links liegengelassen und man schafft sich seine Regeln selbst: „Kränkelst du vom Blattspinat, war’s Monsantos Glyphosat!“.

Ob damals wirklich alles besser war, mag man unterschiedlich bewerten. Die Zeiten sind einfach anders. Gerade mal drei Prozent der Österreicher arbeiten heute in der Landwirtschaft, vor 100 Jahren waren es noch 60. Da war es für Bauer auch ohne Fernsehen möglich, Frau zu finden. Dafür sind heute gefühlte 120 Prozent aller Österreicher im Gesundheitswesen beschäftigt. Seit man die Altenbetreuung aus den Familien ausgelagert, aus den bäuerlichen Austragstuben Ferienwohnungen gebaut und die traditionellen Heilkünste des Kuhfladenauflegens an die Kliniken abgegeben hat, bewirtschaftet man nicht mehr den Hof, sondern den OP-Tisch („Narkose-Knecht“).

Doch die Klimaänderungen machen auch vor der Medizin nicht halt. Selbst die immergültige Weisheit „Im Winter der Unfallchirurg die Beine eingipst“ ist, angesichts des Schneemangels, nicht mehr aufrechtzuerhalten. Saisonal sicher sind lediglich Allergien, wobei sich die Zeiten massiv nach vorne schieben. Klimabedingt trägt etwa die Esche bereits im Jänner Blüten. Genau genommen ist es die 2025er-Esche, die mittlerweile bereits im Jänner 2024 zu blühen beginnt.

Für all jene fleißigen Arbeitsbienen, die vor dem Morgengrauen die Felder in der Klinik bewirtschaften und nach Sonnenuntergang wieder ins Freie dürfen, stellen sich derlei Fragen gar nicht. Man bemerkt lediglich indirekt in den Augen der Patienten, ob die Pollen gerade blühen oder auch in den Röntgenaufnahmen, ob ausreichend Glatteis vorhanden ist, damit man ausrutschen kann. Dann ist im Prinzip einerlei, ob da draußen gerade gepflügt, der Weizen gesät oder die Goji-Beere geerntet wird, ob das Klima nun menschen- oder trumpgemacht ist. Insofern sind wir bereits bestens gewappnet für jedweden Klimawandel, weil wir ihn ohnehin nicht mitbekommen – quasi die idealen Landwirte 2.0.

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Metadaten
Titel
Im Märzen der Doktor
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
06.03.2024

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