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29.04.2024 | Tekal

Die Wirkung des Geldes

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist

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Arm macht krank, aber macht reich gesund?

Was war das für eine Aufregung, als in der Corona-Pandemie die Impfstoffe verteilt wurden. Man kämpfte um die vordersten Plätze, die für die Risikogruppen reserviert waren (wir erinnern uns: Alte, chronisch Kranke und chronisch alte Bürgermeister). Zudem war man auch bestrebt, den „guten, teuren“ Impfstoff zu erhalten und nicht das englische „Klumpert“. Impfgegner waren hier entspannter, da es ihnen egal war, mit welchem Vakzin sie nicht geimpft wurden.

Es ist nachvollziehbar, die bestmöglichste Behandlung erhalten zu wollen. Man möchte auch sonst das Originalpräparat, eine solide, verlässlich geltende Marke, bekommen und nicht mit einem Statin-Dacia abgefertigt werden. Auch wenn man dann den Mercedes unter den Cholesterinsenkern in der Apotheke abholt (man hat ja nichts zu verschenken), danach jedoch garagengepflegt in der obersten Lade des Nachtkästchens parkt. Schließlich soll man so ein Mittel nur dann einnehmen, wenn man das Cholesterin spürt.

Auch bei profanen Nackenschmerzen will man sich nicht mit dem fachkundigen Griff eines Physiotherapeuten zufriedengeben, sondern fordert vom wenig standhaften Hausarzt eine MRT ein. Der Blinddarm soll daher auch bitte nicht vom medizinischen Lehrling im ersten Jahr, sondern vom DaVinci-Roboter entfernt werden. Und man fordert zu Recht statt einem 08-15-Laborbefund für sein individuelles Leiden eine umfassende Abklärung ein, inklusive einer Mikrobiomanalyse, dem Titer für eine als Kind möglicherweise übergangene Tollwuterkrankung und einen DNA-Test zur Herkunftsanalyse für die Ahnenforschung. Vielen ist da auch gar nicht bewusst, wie kostspielig so ein Wunschzettel ist. Erst dort, wo die Kasse aussteigt und man ein Privathonorar löhnen muss, macht man einen Rückzieher. So genau mag man es dann auch nicht wissen.

Die Idee, sich mit Geld gesund kaufen zu können, ist verlockend. Doch warum hat man jahrelang in die teure Zusatzversicherung eingezahlt, nur um festzustellen, dass man zwar ein wenig früher drankommt, jedoch dieselbe Hüfte eingebaut bekommt wie der Kassen-Nachbar? Tatsächlich setzen manche die Prioritäten anders, sparen sich das Geld für die aufwändige Gebisssanierung in Sopron und legen stattdessen abends zahnlos, aber glücklich auf den Malediven ihre Dritten ins Glas.

Wenn mir ein Patient im Zuge eines Hausbesuches beim Funkdienst zuzwinkert und vertraulich mitteilt, dass er auch privat versichert ist, so bin ich etwas ratlos, ob ich das bereits ausgestellte Rezept zerreißen soll, um ein wirklich wirksames Medikament zu verordnen, oder mir rasch ein frisches Poloshirt anziehen soll, das dem Anlass gerecht wird. Ich führe weder ein Einzelzimmer noch eine Flasche Mineralwasser mit mir mit.

Es ist ein großes Privileg, in einem Land leben zu dürfen, wo man im Fall einer schweren Erkrankung nicht sein Haus verpfänden muss. Und Geld kann Türen zu Wahlärzten und überbuchten Operationssälen öffnen. Aber unterm Strich benötigt jede rinnende Nase ein Taschentuch.

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Metadaten
Titel
Die Wirkung des Geldes
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
29.04.2024

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