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Ärzte Woche

12.06.2023 | Tekal

Auf der Goldwaage

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist , Dr. Ronny Tekal, Medizin-Kabarettist, Markus Hechenberger

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Vorsicht mit Ratschlägen: Sie könnten befolgt werden!

„Aber Sie haben doch gesagt, Herr Doktor, ich soll alles hinschmeißen und eine Schafzucht in Neuseeland aufmachen!“. Naja, vielleicht habe ich eine Andeutung gemacht, dass man die Dauerbelastung im beruflichen Alltag reduzieren könnte. Vielleicht habe ich im Gespräch auch ein Schaf erwähnt, im Sinne von „nicht zu schaf essen“. Aber muss es denn gleich Neuseeland sein, wo man auch im Burgenland neu durchstarten kann, etwa als Landeshauptmann?

Wenngleich es ja schmeichelhaft ist, dass es Menschen gibt, die einem derart an den Lippen hängen, so hat man doch eine große Verantwortung. Zumal nicht immer alles so verstanden wird, wie vom Absender beabsichtigt. Daher sollte man auch kolportierte Aussagen eines Kollegen mit Vorsicht genießen, der dem geneigten Patienten empfohlen haben soll, gegen die Verkalkungen in der Halsschlagader täglich drei Viertel Liter Rotwein zu trinken. Wo wir doch aus den aktuellen Guidelines wissen: Ein halber Liter genügt!

Und wenn man so nebenbei die Bemerkung fallen lässt, es wäre ratsam, beizeiten mal 20 Kilogramm abzuspecken, dann kann es passieren, dass der Patient glaubt, das angesprochene Ziel bis zum nächsten Arztbesuch, eine Woche später, erfüllen zu müssen. Immerhin ein erster Schritt in Richtung Gesundheit – oder in eine veritable Essstörung. Es ist die Kehrseite der weitverbreiteten und viel beklagten mangelnden Compliance. Auch wenn wir denken, dass unsere edlen verbalen Goldstücke von den Patienten weniger auf die Goldwaage, sondern höchstens auf die, für tonnenschwere LKW gedachte Brückenwaage gelegt werden, so haben wir doch eine große Wirkmacht.

Und so wie so manche Experten in der Pandemie manchmal etwas lauter gedacht und damit einen Religionskrieg ausgelöst haben, sollten wir unsere Worte weise wählen, um keinen Nocebo-Effekt auszulösen und Patienten krank zu reden. „Der Befund ist negativ!“ bedeutet für uns etwas anderes als für den unbedarften Körperbesitzer. Zudem sollte man mit flapsigen Aussagen vorsichtig sein: „Das Narkosemittel ist ganz harmlos – das hat schon Michael Jackson geliebt“. Auch der Anästhesisten-Klassiker: „Wenn Sie ein weißes Licht sehen, gehen Sie nicht hinein!“ ist zu vermeiden. Es ist eine Gratwanderung zwischen juristisch notwendiger Aufklärung und der Schilderung, dass es theoretisch passieren kann, bei der Nagelkeilexzision an der großen Zehe abzurutschen und mit dem Skalpell die Halsschlagader zu durchtrennen.

Insofern bin ich vorsichtig mit guten Ratschlägen und Plattitüden, die plötzlich Goldstatus bekommen können. Denn aus einem wohlmeinenden „Sie sollten sich schonen“ kann ein „Ich darf mich ein Jahr lang nicht bewegen“ werden, aus der Empfehlung zur mediterranen Kost eine Mittelmeer-Diät aus Moussaka, Döner und Pizza frutti di mare („Hat der Arzt verordnet!“). Und Schafskäse empfehle ich aus Prinzip nicht. Denn wie soll man als Kassenpatient von Neuseeland aus regelmäßig die E-Card stecken?

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Metadaten
Titel
Auf der Goldwaage
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
12.06.2023
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 25/2023

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