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Erschienen in: Journal für Gynäkologische Endokrinologie/Schweiz 3/2023

Open Access 11.09.2023 | Schon gewusst ...?

Schon gewusst …?

verfasst von: Prof. Dr. Petra Stute

Erschienen in: Journal für Gynäkologische Endokrinologie/Schweiz | Ausgabe 3/2023

Hinweise
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung aus dem Newsletter der Deutschen Menopause Gesellschaft e. V. und der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Menopause
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

Kombinierte orale Kontrazeption in der Perimenopause

Originalpublikation
von Stockum S, et al (2023) NOMAC-E2 compares to LNG combined oral contraceptives in women over forty: real-world PRO-E2 study. Gynecol Endocrinol. 2023 Dec;39(1):2166032. https://​doi.​org/​10.​1080/​09513590.​2023.​2166032.
Hintergrund.
Alter per se ist keine Kontraindikation für eine kombinierte orale Kontrazeption (COC). Wenn keine kardiovaskulären Risikofaktoren vorliegen, können COC bis zum 50. Lebensjahr verwendet werden. Die Hauptsorge beim Verschreiben von COC ist auf das Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) gerichtet [1, 2]. Die Frage ist daher, inwiefern sich COC mit bio-identischem Estradiol (E2) diesbezüglich von solchen mit Ethinylestradiol (EE) unterscheiden.
Zusammenfassung.
Die sog. PRO-E2 Studie [3] ist eine multizentrische, prospektive Kohortenstudie, in der > 90.000 COC-Neuanwenderinnen von entweder Nomegestrolacetat (NOMAC)-E2 oder Levonorgestrel (LNG)-EE über zwei Jahre im Hinblick auf Sicherheit und Wirksamkeit beobachtet wurden. Die vorliegende Studie untersuchte die Subgruppe der Frauen 40+ (NOMAC-E2 n = 7762, LNG-EE n = 6059). Die Baseline-Charakteristika waren vergleichbar: der mittlere Body Mass Index betrug 24,6 kg/m2, 16,5 % waren Raucherinnen, sehr wenige Frauen hatten eine tiefe Beinvenenthrombose (0,2 %), einen Schlaganfall (0,04 %) oder einen Herzinfarkt (0,06 %) in der eigenen Vorgeschichte. Die meisten Frauen wurden in Russland und Italien rekrutiert. NOMAC-E2 zeigte kein erhöhtes VTE-Risiko im Vergleich zu LNG-EE. Die VTE-Inzidenzraten betrugen für beide COC 5,9/10.000 Frauenjahre. Die Anzahl ungewollter Schwangerschaften war in beiden Gruppen niedrig und ohne Unterschied (NOMAC-E2 n = 4, LNG-EE n = 5). Das Körpergewicht stieg in beiden Gruppen altersentsprechend minimal, aber ohne Gruppenunterschied an (mittlere Gewichtszunahme nach zwei Jahren: NOMAC-E2 1,7 % und LNG-EE 1,9 %). Es wurden keine unterschiedlichen Auswirkungen auf die Stimmung zwischen den Kohorten beobachtet. Die Autoren schlussfolgern, dass NOMAC-E2 bei Frauen in den Wechseljahren als Alternative zu COC mit LNG-EE angesehen werden kann.

Kommentar

Bereits die Auswertung der gesamten PRO-E2-Kohorte hatte ergeben, dass das VTE-Risiko zwischen NOMAC-E2- und LNG-EE-Neuanwenderinnen nicht signifikant unterschiedlich war. Die Inzidenzrate bestätigter VTE betrug für NOMAC-E2 2,5/10.000 Frauenjahre und für LNG-EE 3,7/10.000 Frauenjahre. Der Vergleich der VTE-Inzidenzraten zwischen der Gesamtkohorte und der 40+ Kohorte zeigt also, dass (erwartungsgemäss) das VTE-Risiko mit zunehmendem Alter steigt. Da bei perimenopausalen Frauen die Themen Körpergewicht und Stimmung ebenfalls einen hohen Stellenwert besitzen, sind die vorliegenden Studienergebnisse auch diesbezüglich günstig. Der grosse Stichprobenumfang und die sehr gut charakterisierten Teilnehmerinnen zählen zu den Stärken der Studie; das Erfassen von VTE-Risikofaktoren, Stimmung und Körpergewicht per Fragebogen zu den Schwächen.

Einfluss einer HRT auf die Kognition bei APOE4-Mutationsträgerinnen

Originalpublikation
Saleh RNM, Hornberger M, Ritchie CW, Minihane AM (2023) Hormone replacement therapy is associated with improved cognition and larger brain volumes in at-risk APOE4 women: results from the European Prevention of Alzheimer’s Disease (EPAD) cohort. Alzheimers Res Ther. 2023 Jan 9; 15(1):10. https://​doi.​org/​10.​1186/​s13195-022-01121-5.
Hintergrund.
Frauen erkranken häufiger an einer Alzheimer-Demenz. Eine 65-jährige Frau hat ein Risiko von 1:6, im weiteren Leben eine Alzheimer-Demenz zu entwickeln (Mann 1:11). Das Risiko, an einer Alzheimer-Demenz zu erkranken, ist bei Frauen in den 60ern doppelt so hoch wie das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Die kognitive Beeinträchtigung bei M. Alzheimer ist bei Frauen signifikant stärker ausgeprägt als bei Männern. Es gibt verschiedene Erklärungen für den Geschlechtsunterschiede, darunter Unterschiede in der kognitiven Reserve, der Resilienz sowie der Genetik (Apolipoprotein (Apo)-E4) [4]. Das ApoE-Gen ist in Abhängigkeit von der Allel-Konstellation (E2, E3 und E4) ein Risikofaktor für die Alzheimer-Demenz. E3 ist die häufigste Variante. E4 ist mit einem erhöhten Risiko für eine Alzheimer-Demenz assoziiert. Heterozygote Träger mit der Allel-Kombination E3/4 (ca. 20–25 % der Bevölkerung) haben ein ca. 3-fach erhöhtes Lebenszeitrisiko für eine Demenz im Vergleich zu E3/3-Trägern (ca. 60 % der Bevölkerung). Homozygote E4/4-Träger (ca. 2 % der Bevölkerung) haben ein bis zu 10-fach erhöhtes Risiko, an einer Alzheimer-Demenz zu erkranken. Hetero- oder homozygote E2-Träger mit den Kombinationen E2/3 und E2/2 (zusammen ca. 5 % der Bevölkerung) haben ein geringeres Erkrankungsrisiko. Bisherige Studien zum Einsatz einer Hormonersatztherapie (HRT) zur Prävention einer Alzheimer-Demenz sind widersprüchlich. Das Ziel der vorliegenden Studie war es, die modulierende Rolle des APOE-Genotyps und des Alters bei Beginn der HRT auf die Heterogenität der kognitiven Reaktion auf die HRT zu untersuchen [5].
Zusammenfassung.
Die prospektive EPAD (European Prevention of Alzheimer’s Dementia) Kohortenstudie begann im Jahr 2015. Ihr Hauptziel ist die Entwicklung von Längsschnittmodellen über den gesamten Verlauf der Alzheimer-Krankheit. Es wurden nur Personen über 50 Jahren und ohne Demenzdiagnose bei Studienbeginn eingeschlossen. Für die vorliegende Analyse wurden die Baseline-Daten der Teilnehmerinnen der EPAD-Kohorte verwendet (insgesamt n = 1906, Frauen = 1074, 56,3 %). Mit Hilfe von ANCOVA-Modellen wurde der unabhängige und interaktive Einfluss des APOE-Genotyps und der HRT auf ausgewählte kognitive Tests wie MMSE (Mini-Mental State Examination), RBANS (Repeatable Battery for the Assessment of Neuropsychological Status), Four-Mountain-Test (FMT) und Supermarktwagen-Test (SMT) sowie auf das Volumen des medialen Temporallappens (MTL) mittels MRT untersucht. Mit Hilfe multipler linearer Regressionsmodelle wurde der Einfluss des Alters bei Beginn der HRT entsprechend dem APOE4-Trägerstatus auf die genannten kognitiven und MRT-Ergebnisse untersucht. Die Teilnehmerinnen waren im Mittel 65 Jahre alt, 399 (37,2 %) waren ApoE4-Mutationsträgerinnen. Diese unterschieden sich nicht im Hinblick auf Bildungsgrad, Ehestatus und Prävalenz kardiovaskulärer Medikation von den Nicht-ApoE4-Mutationsträgerinnen. Die Mehrheit der Gesamtkohorte (ca. 92 %) hatte nie eine HRT angewandt. Die verbliebenen HRT-Anwenderinnen (n = 83) hatten die HRT im Mittel mit 56 Jahren gestartet und diese für durchschnittlich 7,5 Jahre angewendet. APOE4-Mutationsträgerinnen mit HRT (n = 31) hatten den höchsten (=besten) RBANS-Index für verzögertes Gedächtnis (P-APOE*HRT-Interaktion = 0,009) im Vergleich zu APOE4-Mutationsträgerinnen ohne HRT bzw. Nicht-APOE4-Mutationsträgerinnen sowie um 6–10 % grössere entorhinale (links) und Amygdala-Volumina (rechts und links) (P-Interaktion = 0,002, 0,003 bzw. 0,005). Ein früher HRT-Start war nur bei APOE4-Mutationsträgerinnen mit signifikant grösseren rechten und linken Hippocampus-Volumina verbunden. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine HRT möglicherweise eine wirksame gezielte Strategie sein könnte, um das höhere Lebenszeitrisiko einer Alzheimer-Demenz in der Risikogruppe der APOE4-Mutationsträgerinnen zu reduzieren. Sie schränken jedoch ein, dass eine Bestätigung der Ergebnisse in einer randomisiert-kontrollierten Studie mit prospektiver Rekrutierung auf der Grundlage des APOE-Genotyps erforderlich sei, um die Kausalität festzustellen.

Kommentar

Nur Frauen mit einem erhöhten genetischen Risiko haben also offenbar von der HRT bezüglich ihrer Hirnleistung profitiert. Das ist durchaus plausibel, da APOE4-Mutationsträger früher von einem kognitiven Verfall betroffen sind. Positive Effekte einer HRT machen sich hier vermutlich eher bemerkbar als bei Personen mit besserer genetischer Ausstattung, bei denen ein kognitiver Verfall per se unwahrscheinlicher ist. Die schützenden Effekte der Hormone auf das Gehirn wirken sich offenbar v. a. in einem günstigen Zeitfenster aus. Diese Hypothese besagt, dass das Hirn „unempfindlicher“ gegenüber exogenen Hormonen wird, wenn die körpereigene Hormonproduktion länger zurückliegt. Wird eine HRT dagegen zeitnah nach der Menopause gestartet, kann sie positive Effekte auf das Gehirn haben. Die Frage ist naheliegend, ob alle Frauen nun auf eine APOE4-Mutationsträgerschaft getestet werden sollten. Da der Gentest nur eine Sensitivität bzw. Spezifität von 65 % bzw. 68 % besitzt, lautet die Antwort „nein“. Abgesehen davon hat die Studie einige Schwächen: 1) Die Daten wurden retrospektiv analysiert. Somit bleibt unklar, ob die APOE4-Mutationsträgerinnen aufgrund der HRT besser abschnitten oder aufgrund anderer, nicht erfasster Faktoren. 2) Die Fallzahl der HRT-Anwenderinnen in der Gruppe der APOE4-Mutationsträgerinnen ist sehr klein (n = 31). 3) Es werden keine genauen Angaben zu den HRT-Präparaten gemacht. Was kann frau also in der Zwischenzeit unternehmen, um ihr Alzheimer-Demenz-Risiko klein zu halten? Empfohlen werden folgende Massnahmen: auf gute Bildung achten, kognitive und körperliche Aktivität, Nikotinstopp, Vermeiden bzw. Therapie von Adipositas, Depression, Stress, Diabetes mellitus, Kopftrauma, Bluthochdruck, Alkoholkonsum reduzieren, Hörprobleme beseitigen und soziale Kontakte suchen [6].

Interessenkonflikt

P. Stute gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Literatur
2.
Zurück zum Zitat WHO (2015) Medical eligibility criteria for contraceptive use. World Health Organization WHO (2015) Medical eligibility criteria for contraceptive use. World Health Organization
3.
Zurück zum Zitat Reed S, Koro C, DiBello J, Becker K, Bauerfeind A, Franke C, Heinemann K (2021) Prospective controlled cohort study on the safety of a monophasic oral contraceptive containing nomegestrol acetate (2.5 mg) and 17β-oestradiol (1.5 mg) (PRO-E2 study): risk of venous and arterial thromboembolism. Eur J Contracept Reprod Health Care 26(6):439–446. https://doi.org/10.1080/13625187.2021.1987410CrossRefPubMed Reed S, Koro C, DiBello J, Becker K, Bauerfeind A, Franke C, Heinemann K (2021) Prospective controlled cohort study on the safety of a monophasic oral contraceptive containing nomegestrol acetate (2.5 mg) and 17β-oestradiol (1.5 mg) (PRO-E2 study): risk of venous and arterial thromboembolism. Eur J Contracept Reprod Health Care 26(6):439–446. https://​doi.​org/​10.​1080/​13625187.​2021.​1987410CrossRefPubMed
Metadaten
Titel
Schon gewusst …?
verfasst von
Prof. Dr. Petra Stute
Publikationsdatum
11.09.2023
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Journal für Gynäkologische Endokrinologie/Schweiz / Ausgabe 3/2023
Print ISSN: 1995-6924
Elektronische ISSN: 2520-8500
DOI
https://doi.org/10.1007/s41975-023-00307-w

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