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Erschienen in: Schweizer Gastroenterologie 1/2023

Open Access 10.03.2023 | Journal Club

Roboterassistierte Chirurgie zur Behandlung des Rektumkarzinoms

Vorteile der Robotik gegenüber dem laparoskopischen Vorgehen

verfasst von: Dr. Johannes Maria Alberto Toti, Massimiliano Valletti, Matthias Turina

Erschienen in: Schweizer Gastroenterologie | Ausgabe 1/2023

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Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Originalpublikation
Feng Q, Yuan W, Li T et al (2022) Robotic versus laparoscopic surgery for middle and low rectal cancer (REAL): short-term outcomes of a multicentre randomised controlled trial. Lancet Gastroenterol Hepatol 7(11):991–1004. https://​doi.​org/​10.​1016/​S2468-1253(22)00248-5.
Hintergrund.
Die kolorektalen Tumoren sind die dritthäufigste Tumorerkrankung weltweit und ca. 30 % davon sind Rektumkarzinome [1]. Die chirurgische Behandlung des Rektumkarzinoms ist die onkologische Tumorresektion mit totaler mesorektaler Exzision (TME). Die laparoskopische TME im Vergleich zum offenen Vorgehen zeigt bessere kurzfristige Ergebnisse mit vergleichbaren onkologischen Resultaten [25].
Diese Technik hat jedoch zwei hauptsächliche Einschränkungen: die zweidimensionale Sicht und die begrenzte Feinmotorik. Die roboterassistierte Plattform hat in den letzten Jahrzehnten aufgrund ihrer technischen Vorteile wie dreidimensionaler Sicht, stabiler Kamera und flexibler Arme an Popularität gewonnen, jedoch bleibt der klare Vorteil der roboterassistierten Chirurgie im Vergleich zur laparoskopischen Methode umstritten.
Frühere Metaanalysen haben gezeigt, dass die roboterassistierte Chirurgie im Vergleich zur laparoskopischen Chirurgie die chirurgische Qualität in Bezug auf verschiedene Faktoren verbessert, u. a. den zirkumferenziellen Resektionsrand (CME), die Konversionsrate auf offenes Vorgehen, die postoperativen Komplikationen und die postoperative Genesung. Trotzdem ist diese Schlussfolgerung aufgrund von Studien mit niedriger Qualität nicht überzeugend [6, 7].
Da die roboterassistierte Chirurgie kostenintensiver als die laparoskopische Chirurgie ist, sind klarere Evidenzen erforderlich, um ihre klinische Anwendung zu unterstützen. Diese randomisierte Kontrollstudie ist die erste, die sich auf die langfristigen onkologischen Ergebnisse der roboterassistierten Chirurgie konzentriert.
Ziel der Studie.
Der randomisierte kontrollierte REAL-Trial will die chirurgische Qualität und die langfristigen onkologischen Ergebnisse zwischen roboterassistierter und laparoskopischer Chirurgie bei Patienten mit mittlerem oder unterem Rektumkarzinom vergleichen. Das aktuelle Paper beschreibt die ersten Analysen der kurzfristigen Ergebnisse.
Methodik.
Der REAL-Trial ist eine multizentrische, randomisierte, kontrollierte Studie aus China, die die roboterassistierte Chirurgie mit dem konventionellen laparoskopischen Vorgehen bei der radikalen Resektion von mittlerem und unterem Rektumkarzinom unverblindet vergleicht. Die Einschlusskriterien sind Patienten im Alter von 18–80 Jahren mit einem isolierten mittleren oder unteren Rektumkarzinom (≤ 10 cm vom Analrand, gemessen mit rigider Rektoskopie), ASA (American Society of Anesthesiologists physical status classification system) I–III, cT1–3, N0–N1, ohne Fernmetastasen und ohne andere Malignome in der Vorgeschichte. Die 1:1-Randomisierung erfolgte stratifiziert nach Geschlecht, BMI (Body-Mass-Index), Tumorlokalisation, präoperativer Strahlentherapie oder Chemoradiotherapie. Die Pathologen jedes beteiligten Zentrums waren bei der Beurteilung der pathologischen Ergebnisse nicht in Kenntnis der verwendeten Technik. Der primäre Endpunkt ist das 3‑Jahres-lokoregionale Rezidiv, definiert als jedes Karzinomrezidiv im Becken- oder Perinealbereich. Die beiden wichtigsten sekundären Endpunkte sind die CRM-Positivität (definiert als Tumornachweis 1 mm oder weniger vom Präparatrand entfernt) und die 30-tägigen postoperativen Komplikationen nach der Clavien-Dindo-Klassifikation. Andere kurzfristige sekundäre Endpunkte waren der intraoperative Verlauf, die pathologischen Ergebnisse, die postoperative Erholung und die Kosten der Chirurgie und der Hospitalisierung.
Ergebnisse.
Im Zeitraum zwischen 2016 und 2020 konnten aus 11 Zentren in China insgesamt 1240 Patienten randomisiert werden (620 laparoskopisch, 620 robotisch). Beide Patientengruppen waren vergleichbar hinsichtlich Alter, BMI, Komorbiditäten, neoadjuvanten Therapien und klinischem Tumorstaging; 45 % der Patienten hatten eine neoadjuvante Radiochemotherapie erhalten und 48,2 % der Tumoren waren im Bereich des unteren Rektumdrittels.
Operative Ergebnisse.
Die robotische Gruppe zeigte im Vergleich zur Kontrollgruppe bessere Ergebnisse bezüglich der Konversionsrate auf offenes Vorgehen (1,7 % vs. 3,9 %) und eine Reduktion der intraoperativen Komplikationen (5,5 % vs. 8,7 %). Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied bezüglich Anlage einer Ileostomie, Operationszeit, Bluttransfusionen und Multiorganresektionen zwischen beiden Gruppen.
Postoperative Morbidität, Mortalität und Genesung.
Postoperative Komplikationen innerhalb von 30 Tagen nach der Operation (Clavien–Dindo-Grad II oder höher) waren in der robotischen Gruppe seltener als in der laparoskopischen Gruppe (16,2 % vs. 23,1 %). Bezüglich der Anastomosenleckagen konnte kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen festgestellt werden (5,1 % vs. 8,2 %). Hinsichtlich postoperativer Genesung zeigte die robotische Gruppe eine kürzere Zeit bis zur ersten Defäkation (72,0 h vs. 83,9 h) sowie einen kürzeren Krankenhausaufenthalt (7,0 Tage vs. 8,0 Tage).
Pathologische Ergebnisse.
Das TNM-Stadium war zwischen den Gruppen ähnlich. Die Rate makroskopisch kompletter Resektionen war in der robotischen Gruppe höher (95,4 % vs. 91,8 %); dies wurde durch eine niedrigere CRM-Positivität in der robotischen Gruppe bestätigt (4,0 % vs. 7,2 %).
Kosten.
Die Gesamtkosten des Krankenhausaufenthalts waren in der Robotergruppe höher (Median 12.395,5 $ vs. 8170,9 $).

Kommentar

Der REAL-Trial ist die erste Studie, die mit randomisierten kontrollierten Daten relevante Vorteile der roboterassistierten Chirurgie bezüglich der onkologischen Qualität der Resektion bei mittlerem und tiefem Rektumkarzinom im Vergleich zur konventionellen laparoskopischen Chirurgie zeigt. Die laparoskopische Chirurgie wird bei Rektumkarzinomen weltweit durchgeführt, aber der Effekt auf die onkologische Qualität der Resektion bleibt umstritten. Der Vergleich zwischen laparoskopischer und offener Chirurgie bei Rektumkarzinom erfolgte im Rahmen der ACOSOG-Z6051-Studie. Hier zeigte sich eine höhere CRM-Positivitätsrate in der laparoskopischen Gruppe (12,1 %) als in der Gruppe mit offener Chirurgie (7,7 %). Ähnliche Ergebnisse wurden auch in der ALaCaRT-Studie (6,7 % vs. 3,0 %) festgestellt [2, 3].
Die aktuelle Literatur zeigt, dass die laparoskopische Chirurgie in Bezug auf die onkologische Qualität des anatomischen Präparats nicht besser als die offene Chirurgie ist. Wir denken, dass dieses Ergebnis auf die technischen Grenzen der Laparoskopie zurückzuführen ist. Der Einsatz des Roboters hat das Ziel, die onkologischen Ergebnisse der offenen Chirurgie zu erreichen oder zu verbessern und mit den Vorteilen eines minimal-invasiven Vorgehens zu kombinieren. Diese Studie zeigt mit starken Daten, dass weniger Patienten in der robotischen Gruppe einen positiven CRM aufweisen (4,0 % vs. 7,2 %). Die patientenbezogenen Kriterien, bei denen der Roboter ein protektiver Faktor ist, sind: Männer, Tumoren des tiefen Rektums und ein T‑Stadium von 3–4.
Qingyang et al. zeigten auch, dass die roboterassistierte Chirurgie Vorteile im Vergleich mit dem laparoskopischen Vorgehen bezüglich operativer Ergebnisse, postoperativer Morbidität und Genesung der Patienten hat. Diese Ergebnisse, insbesondere bezüglich der Zeit bis zur ersten Flatulenz und zur ersten Defäkation, zeigen kleine Unterschiede, deren klinische Bedeutung zweifelhaft sein kann. Bemerkenswert ist hingegen die Verkürzung des stationären Aufenthalts (7 Tage gegenüber 8 Tagen). Tatsächlich entspricht auch ein einziger Tag Unterschied einer Reduktion von 12,5 % des durchschnittlichen Aufenthalts in den beiden Gruppen.
Auffällig ist, dass die Studienpopulation einen medianen BMI aufweist, der deutlich niedriger ist als der Median, der von anderen Studien wie ROLARR (23,5 gegenüber 26,0 kg/m2) präsentiert wird [7]. Diese Resultate lassen vermuten, dass sich die Daten nicht 1:1 auf die westliche Patientenpopulation übertragen lassen. Unserer Meinung nach beeinflusst der BMI die technische Komplexität des Eingriffs.
Zusammenfassend liefert diese Studie robuste Evidenz, die einen Zusammenhang zwischen der technischen Überlegenheit der Robotik und verbessertem Outcome nach onkologischer Rektumchirurgie aufzeigt. Auch wenn das langfristige onkologische Outcome dieser Studie abzuwarten bleibt, so bietet sie doch gewichtige Argumente für die Verwendung der Robotik in der Behandlung insbesondere tiefsitzender Rektumkarzinome bei männlichen Patienten.

Interessenkonflikt

J.M.A. Toti und M. Valletti geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. M. Turina ist nebenamtlich als Proktor (Ausbildner) der robotischen Chirurgie für die Firma Intuitive Surgical tätig.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Literatur
5.
Zurück zum Zitat Jeong SY, Park JW, Nam BH et al (2014) Open versus laparoscopic surgery for mid-rectal or low-rectal cancer after neoadjuvant chemoradiotherapy (COREAN trial): survival outcomes of an open-label, non-inferiority, randomised controlled trial [published correction appears in Lancet Oncol. 2016 Jul;17 (7):e270]. Lancet 15(7):767–774. https://doi.org/10.1016/S1470-2045(14)70205-0CrossRef Jeong SY, Park JW, Nam BH et al (2014) Open versus laparoscopic surgery for mid-rectal or low-rectal cancer after neoadjuvant chemoradiotherapy (COREAN trial): survival outcomes of an open-label, non-inferiority, randomised controlled trial [published correction appears in Lancet Oncol. 2016 Jul;17 (7):e270]. Lancet 15(7):767–774. https://​doi.​org/​10.​1016/​S1470-2045(14)70205-0CrossRef
6.
Zurück zum Zitat Hoshino N, Sakamoto T, Hida K, Sakai Y (2019) Robotic versus laparoscopic surgery for rectal cancer: an overview of systematic reviews with quality assessment of current evidence. Surg Today 49:556–570CrossRefPubMed Hoshino N, Sakamoto T, Hida K, Sakai Y (2019) Robotic versus laparoscopic surgery for rectal cancer: an overview of systematic reviews with quality assessment of current evidence. Surg Today 49:556–570CrossRefPubMed
Metadaten
Titel
Roboterassistierte Chirurgie zur Behandlung des Rektumkarzinoms
Vorteile der Robotik gegenüber dem laparoskopischen Vorgehen
verfasst von
Dr. Johannes Maria Alberto Toti
Massimiliano Valletti
Matthias Turina
Publikationsdatum
10.03.2023
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Schweizer Gastroenterologie / Ausgabe 1/2023
Print ISSN: 2662-7140
Elektronische ISSN: 2662-7159
DOI
https://doi.org/10.1007/s43472-023-00093-7

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