Wirkstoffname | Notwendigkeit einer Induktion | Therapiedosis, -intervall | Möglichkeit einer Wirkungsoptimierung | Applikation |
---|---|---|---|---|
Anti-TNF | ||||
Infliximab | In jedem Fall mind. 2 Dosen i.v. Empfehlung: 5 mg/kg i.v. jeweils in Woche 0, 2, 6 | i.v.: 5 mg/kg alle 8 Wochen s.c.: 120 mg alle 2 Wochen | Dosisadaptation gemäss Talspiegel und Vorliegen von AK Ggf. Kombination mit Azathioprin | i.v./s.c. |
Adalimumab | 160 mg in Woche 0, 80 mg in Woche 2, 40 mg in Woche 4 | 40 mg alle 2 Wochen | Dosisadaptation gemäss Talspiegel und Vorliegen von AK | s.c. |
Golimumab | 200 mg in Woche 0, 100 mg in Woche 2 | 50–100 mg bei < 80 kg und 100 mg bei ≥ 80 kg alle 4 Wochen | Dosisadaptation gemäss Talspiegel und Vorliegen von AK | s.c. |
Anti-Integrine | ||||
Vedolizumab | In jedem Fall mind. 2 Dosen i.v. Empfehlung: 300 mg i.v. in Woche 0, 2, 6 | 300 mg i.v. alle 8 Wochen oder 108 mg alle 2 Wochen s.c. | Bei i.v.-Therapie Dosisintervallverkürzung auf alle 4 Wochen | i.v./s.c. |
Etrolizumab | Nicht zugelassen | |||
Anti-IL12/23 | ||||
Ustekinumab | 1. Gabe i.v.: 260 mg bei ≤ 55 kg 390 mg bei 55–85 kg 520 mg bei > 85 kg | 90 mg alle 8–12 Wochen | Dosisintervallverkürzung auf alle 4 Wochen | s.c. |
2. Gabe s.c. 90 mg Woche 8 | ||||
Selektive Anti-IL23-AK | ||||
Guselkumab | Nicht zugelassen | |||
Risankizumab | Nicht zugelassen | |||
Mirikizumab | Nicht zugelassen | |||
Brazikumab | Nicht zugelassen | |||
JAK-Inhibitoren | ||||
Tofacitinib | 2 × 10 mg/Tag für 8 Wochen | 2 × 5 mg/Tag | Erhöhung auf 2 × 10 mg/Tag nach sekundärem Wirkungsverlust | p.o. |
Filgotinib | Nicht zugelassen | |||
Upadacitinib | Nicht zugelassen | |||
S1P-Modulatoren | ||||
Ozanimod | Tag 1–4: 0,23 mg pro Tag; Tag 5–7:0,46 mg pro Tag; ab Tag 8: 0,92 mg pro Tag | 0,92 mg täglich | – | p.o. |
Etrasimod | Nicht zugelassen |
Open Access 29.03.2023 | Originalien
Update zur medikamentösen Therapie der Colitis ulcerosa
Erschienen in: Schweizer Gastroenterologie | Ausgabe 1/2023
Zusammenfassung
Das Armamentarium an Therapeutika zur Behandlung der Colitis ulcerosa (CU) wird laufend erweitert. Die Biologika-Klasse dürfte in Kürze um die selektiven Anti-IL23 anwachsen. Selektive JAK-1-Inhibitoren stehen ebenfalls kurz vor der Zulassung. Zudem ist mit dem S1P-Agonisten Ozanimod seit Herbst 2022 das zweite orale „small molecule“ auf dem Markt. Für die etablierten Biologika sind zahlreiche günstigere Biosimilars verfügbar, und die subkutanen Formen von Infliximab und Vedolizumab werden die intravenöse Therapie über kurz oder lang wohl ganz verdrängen. Der/die klinisch tätige Gastroenterologe/-in, zusammen mit dem/der Patienten/-in, steht vor der schwierigen Herausforderung, wo und wie die neuen Präparate, die einander bislang in der Indikationsstellung nicht überlegen sind, im Therapiealgorithmus zu positionieren sind. Publizierte und laufende Head-to-head-Vergleiche werden in diesem Entscheidungsprozess helfen. Nutzen und Nebenwirkungen einer Therapie sowie patientenspezifische Präferenzen (Applikationsform) sind gegeneinander abzuwägen, dies insbesondere, solange noch keine spezifischen Tests vorliegen, welche das Therapieansprechen voraussagen. Schliesslich könnten Kombinationsformen verschiedener Biologika in Zukunft zu höheren Ansprechraten führen (wie die Kombinationstherapie des Anti-TNF Golimumab und des selektiven Anti-IL23 Guselkumab in der Phase-2a-VEGA-Studie), wobei dies in laufenden und geplanten Studien zu zeigen ist.
Die Colitis ulcerosa (CU) gehört zusammen mit dem Morbus Crohn zu den sogenannten chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED). Gekennzeichnet ist sie durch eine Entzündung der Dickdarmschleimhaut, die von distal beginnend das gesamte Kolon betreffen kann (per continuitatem; [1]). Patienten leiden gewöhnlicherweise an einem schubförmig-remittierenden Verlauf mit blutig-schleimigen Durchfällen als Leitsymptom. Sowohl Inzidenz als auch Prävalenz der Erkrankung sind in den westlichen Ländern am Steigen [2]. Bis heute gilt die Pathogenese der CED als unzureichend geklärt. Es ist von einem komplexen Zusammenspiel von internen und externen Faktoren in genetisch prädisponierten Individuen auszugehen [3]. Zentral scheint hierbei eine Dysregulation des Immunsystems, insbesondere der T‑Zellen, als Antwort auf eine veränderte Darmflora (das sogenannte Mikrobiom).
Grundsätzlich soll sich die Therapiestrategie der CU nach Erkrankungsausbreitung, -verlauf (Häufigkeit und Schweregrad der Krankheitsschübe) und Therapieansprechen richten. Man unterscheidet zwischen milder, moderater und schwerer Krankheitsaktivität, wobei je nach angewendetem Scoring-System die Definitionen variieren. Für den Kliniker kann hinsichtlich der Aktivität grob gesagt werden, dass ein milder Verlauf ≤ 4 Stuhlgängen/Tag mit/ohne wenig Blutbeimengung, eine fehlende systemische Reaktion auf die Entzündung mit normalem C‑reaktiven Protein (CRP) umfasst. Moderat entspricht 4–6 blutigen Stuhlgängen mit milder, nichttransfusionsbedürftiger Anämie, nur minimen Zeichen der Systemreaktion und Schmerzkompensation unter Basisanalgesie. Bei Auftreten von ≥ 6 Stuhlgängen, Fieber und Anämie < 10 g/l muss von einer schweren Krankheitsaktivität ausgegangen werden. Die Einteilung der Krankheitsausbreitung erfolgt mittels Koloskopie in ulzerative Proktitis bzw. Proktosigmoiditis, linksseitige CU (über das Sigmoid bis zur Milzflexur) und CU mit ausgedehntem Befall (über die Milzflexur hinaus; [4]).
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Das Behandlungsziel liegt im schnellen Erreichen und Erhalt einer steroidfreien klinischen und endoskopischen Remission. Die Therapie besteht dabei aus Medikamenten zur Induktion einer Remission sowie zur Remissionserhaltung. Kortikosteroide sind sehr effizient in der Remissionsinduktion, sollten aber aufgrund der Nebenwirkungen in der Langzeittherapie vermieden werden. Ebenfalls findet man die Calcineurin-Inhibitoren in der Remissionsinduktion. Aufgrund fehlender Daten kann nichts hinsichtlich ihrer Rolle in der Remissionserhaltung ausgesagt werden. Aminosalicylate haben ihren Stellenwert vor allem in der Therapie einer leichten bis mittelschweren CU. Bei der mittelschweren/moderaten bis schweren CU oder Versagen der Remissionserhaltung mittels Aminosalicylaten sollte eine Therapieeskalation erfolgen. Antimetabolite wie Azathioprin/Mercaptopurin finden hier weiterhin und unverändert ihre Bedeutung. Die Markteinführung der Biologika, insbesondere der Anti-TNF-Substanzen, haben die Therapie der CU jedoch schlagartig verändert. Das Therapie-Outcome konnte in Bezug auf klinische Remission, Einsparung von Steroiden, Schleimhautheilung („mucosal healing“) und Verhinderung von krankheitsassoziierten Komplikationen (Kolektomie) verbessert werden, insbesondere auch bei früher schwierig zu behandelnden Formen. In den letzten Jahren ist das Armamentarium der Biologika mit der Einführung weiterer Anti-TNF-Substanzen, der Anti-Integrine und der Anti-IL12/23 nochmals deutlich gewachsen (Tab. 1). Seit einigen Jahren sind mittlerweile auch sogenannte „small molecules“ als orale Alternativen verfügbar. Viele neue Substanzen, sowohl Biologika als auch weitere „small molecules“, werden in den nächsten Jahren zur Therapie der CU zugelassen werden. Trotz dieser Fortschritte persistieren zwei Probleme: 1) das Nichtansprechen auf die Therapie in einem doch erheblichen Teil der Patienten (30–50 %) und 2) der sekundäre Wirkungsverlust nach initial gutem Ansprechen. Zudem kann die Verfügbarkeit von vielen verschiedenen Substanzen verwirren, da der genaue Ablauf (Therapiealgorithmus) nicht oder noch nicht klar ist, respektive der sequenzielle Einsatz der Medikamente individualisiert werden muss. Prädiktive Tests, um das Therapieansprechen vorauszusagen, sind leider immer noch Wunschdenken.
Tab. 1
Übersichtstabelle der neueren Therapeutika zur Behandlung der Colitis ulcerosa (CU)
Auf den folgenden Seiten sollen vor allem die jüngsten Fortschritte in der Behandlung der CU beleuchtet werden.
Mesalazin (5-ASA) zur Behandlung der unkomplizierten CU gibt es in verschiedenen Anwendungsformen zur Therapie per os sowie rektal. Die Applikationsform sollte sich nach dem Befallsmuster richten. Zur lokalen (rektalen) Applikation stehen Suppositorien, Schaum sowie Einläufe zur Verfügung. Ein Suppositorium zeigt seine Wirksamkeit vor allem bei der aufs Rektum beschränkten CU. Der Schaum erreicht meist das mittlere Sigmoid [5]. Einläufe reichen bis ans proximale Sigmoid sowie bis zur linken Flexur [6]. Die Tagesdosis (rektal) ist mit mindestens ≥ 1 g/Tag beschrieben, wobei eine generelle Dosiserhöhung > 1 g/Tag nicht zu einem schnelleren Therapieansprechen oder höheren Remissionsraten geführt hat [7]. Ist die alleinige Gabe von topischem (rektalem) Mesalazin nicht ausreichend, sollte die Therapie um die perorale Mesalazin-Gabe erweitert werden (≥ 3 g/Tag). 5‑ASA ist gegenüber Sulfasalazin mit weniger Nebenwirkungen assoziiert [8, 9]. In jedem Fall ist die kombiniert peroral-rektale Anwendung von 5‑ASA der alleinigen oralen Therapie überlegen [10, 11].
Zu den bei der CU-Therapie verwendeten Thiopurinen gehören Mercaptopurin und sein Prodrug Azathioprin. Die Wirksamkeit in der Remissionserhaltung konnte in mehreren Studien belegt werden [12‐15]. Die Dosierung für Azathioprin bei der Behandlung der CU ist üblicherweise gleich der in der Therapie des Morbus Crohn mit 1,5–2,0 mg/kg Körpergewicht pro Tag (Dosishalbierung für Mercaptopurin; [16]). Zur Induktionstherapie sind Thiopurine nicht geeignet. Als wichtige Nebenwirkungen sind die Knochenmarkssuppression, Hepatopathien sowie Pankreatitisepisoden zu erwähnen [17].
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Die in der Schweiz zur Therapie der CU zugelassenen Anti-TNF sind Infliximab, Adalimumab und Golimumab. Biosimilars sind seit 2016 auf dem Markt und stellen bei gleicher Wirksamkeit eine günstigere Alternative dar. Die verschiedenen Anti-TNF-Substanzen zeigen alle eine ähnliche Wirkung und die Möglichkeit der Entwicklung von Antikörpern, was zu einem sekundären Wirkungsverlust führen kann. Die Kombinationstherapie mit einem Immunosuppressivum (i. d. R. Azathioprin) kann die Immunogenität verhindern (SONIC trial; [18]). Bei Eintritt eines sekundären Wirkungsverlust hat sich die Dosisadaptation gemäss Talspiegel und Vorliegen von Antikörpern etabliert. Akzeptierte Talspiegel sind: > 5 ug/ml (Infliximab), > 8 ug/ml (Adalimumab) und > 3 ug/ml (Golimumab). Falls keine Antikörper vorliegen, der Talspiegel jedoch unter dem Zielbereich ist, dann kann die Dosis intensiviert werden (Erhöhung der Dosis bei gleichem Intervall versus gleiche Dosis bei verkürztem Intervall; [19]). Bei Vorliegen von Antikörpern und subtherapeutischen Spiegeln kann a) ein „switch-in class“ durchgeführt (mit zusätzlich Azathioprin) oder b) ein „switch-out-of class“. Falls der Talspiegel bereits im Zielbereich ist, wird meistens ein „switch-out-of class“ durchgeführt, weil das Ansprechen auf einen zweiten Anti-TNF unter 30 % liegt [19]. Im Gegensatz zu diesem reaktiven Einsatz von Spiegel- und Antikörpermessungen gibt es heutzutage mehrere Studien, die einen proaktiven Ansatz (Dosisanpassung, ohne dass ein sekundärer Wirkungsverlust vorliegt) untersuchen (z. B. Nor-DRUM B Study; [20]), wobei bisher noch kein durchschlagender Erfolg erzielt werden konnte. Die wichtigste Neuerung in Sachen Anti-TNF ist die Einführung eines subkutanen Infliximab-Präparates: Nach erfolgter intravenöser Einleitung (Induktionsschema, mind. 2 Gaben) kann auf das Subkutanpräparat (120 mg alle 2 Wochen) gewechselt werden (zum Zeitpunkt der geplanten nächsten intravenösen Gabe). Zudem können Patienten, welche bis anhin unter intravenöser Applikation standen, auf die subkutane Form umgestellt werden, ohne hierdurch eine klinische oder biologische Verschlechterung zu provozieren [21].
Für Vedolizumab [22, 23] gibt es seit Kurzem ebenfalls eine subkutane Alternative [24]. Die Induktion sollte weiterhin intravenös erfolgen (mind. 2 Dosen). Der Wechsel auf eine subkutane Applikation eröffnet jedoch neue Optionen, v. a. bei jungen, unabhängigen Patienten. Die Dosis beträgt 108 mg alle 2 Wochen (zum Zeitpunkt der geplanten nächsten intravenösen Gabe). Im Gegensatz zu den Anti-TNF scheint bei Vedolizumab die Spiegelbestimmung keinen relevanten Vorteil zu bringen. Trotzdem kann bei sekundärem Wirkungsverlust eine Dosisoptimierung erfolgen. Im Falle der intravenösen Therapie profitieren mehr als die Hälfte der Patienten von einer Dosisintervallverkürzung auf alle 4 Wochen (anstelle von alle 8 Wochen; [25]). Ein Meilenstein betreffend Vedolizumab war 2019 die VARSITY-Studie, bei der es sich um den ersten Head-to-head-Vergleich zwischen zwei Biologika handelte (Vedolizumab vs. Adalimumab). Eine Remission wurde unter Vedolizumab signifikant häufiger erreicht als unter Adalimumab (31,3 % vs. 22,5 %; p = 0,0061; [26]). Weiter liegen mittlerweile vielversprechende Daten vor, dass Vedolizumab zu einem relativ schnellen klinischen Effekt führt (innerhalb von 2 Wochen) und auch bei Arthralgien einen gewissen Nutzen haben kann, was aufgrund der darmselektiven Aktivität initial für nicht plausibel gehalten worden war [27, 28].
Etrolizumab ist ein zweiter darmselektiver monoklonaler Antikörper und richtet sich selektiv auf die β7-Untereinheit der α4β7- und α4E7-Integrine [29]. Die Daten für Etrolizumab in der Behandlung der CU sind aktuell nicht konsistent. Die gegenüber Placebo höheren Remissionsraten bei Anti-TNF vorbehandelten Patienten nach 14 Wochen Therapie konnten in der Langzeittherapie (62 Wochen) nicht mehr gezeigt werden. Im Gegensatz dazu konnte in der GARDENIA-Studie kein Unterschied zwischen Etrolizumab und Infliximab festgestellt werden. Hieraus kann jedoch keine „non-inferiority“ abgeleitet werden, da die Studie hierfür nicht gepowert war [30‐32].
Die Zytokine IL-12 und IL-23 mit ihrer gemeinsamen Untereinheit p40 sind ein attraktives Ziel von neutralisierenden Antikörpern bei der Behandlung der CED geworden. Die Hauptwirkung der Entzündungshemmung scheint jedoch durch die Blockade von IL-23 erzielt zu werden. Mehrere Pharmaunternehmen haben daher selektivere Antikörper entwickelt, welche direkt gegen IL-23 (respektive dessen p19 Untereinheit) gerichtet sind. Hierzu gehören Guselkumab, Risankizumab, Mirikizumab und Brazikumab, die derzeit in Phase-2- oder Phase-3-Studien evaluiert werden. In der Dermatologie deuten die Ergebnisse auf eine Überlegenheit von Anti-IL23 gegenüber Anti-IL12/23; dies jedoch bei einer anderen Dosierung und vor allem einem anderen Pathomechanismus. Bei bislang fehlenden Head-to-head-Studien bleibt ihre Rolle und Wirksamkeit bei den CED vorerst unbestimmt [33]. In der Europäischen Union (EU) wurde Risankizumab durch die European Commission (EC) für den moderaten bis schweren Morbus Crohn Ende November 2022 zugelassen. Die Zulassung der selektiven Anti-IL23-Antikörper für die Behandlung der CU ist für die nächsten Jahre zu erwarten. Interessant werden auch die Ergebnisse der VEGA-Studie, in welcher eine Kombinationstherapie von Guselkumab und Golimumab mit einer Monotherapie Golimumab und Monotherapie Guselkumab verglichen wird. Erste Daten sind vielversprechend. Bis zum heutigen Zeitpunkt ist Ustekinumab in der Schweiz weiterhin die einzig zugelassene Substanz aus der Anti-IL12/23-Klasse [34]. Die Spiegelbestimmung hat heutzutage keinen wirklichen Nutzen. Die Daten, ob eine Dosisintensivierung bei einem sekundären Wirkverlust auf ein 4‑Wochen-Intervall wirklich sinnvoll ist oder nicht, sind inkonklusiv. Es sollte jedoch unbedingt eine Kostengutsprache bei der Krankenkasse eingeholt werden, bevor das Dosisintervall auf 4 Wochen verkürzt wird.
Der JAK-Inhibitor Tofacitinib war bis vor Kurzem das einzige orale „small molecule“ zur Therapie einer CU. Tofacitinib blockiert relativ unspezifisch die Januskinasen JAK 1/2/3. Dessen Effektivität wurde in den drei randomisierten OCTAVE-Studien gezeigt [35]. Gemäss Zulassungsstudien ist die orale Gabe von 2 × 10 mg/Tag für 8 Wochen vorgesehen. Nachdem eine Remission eingesetzt hat, soll die Therapie anschliessend auf 2 × 5 mg/Tag reduziert werden. Ein anfänglicher Optimismus gegenüber Tofacitinib wurde durch seine möglichen Nebenwirkungen (Thrombosen, kardiale Ereignisse und erhöhtes Krebsrisiko) gedämpft, obwohl festzuhalten ist, dass die erwähnten Nebenwirkungen bei CED-Patienten nicht gezeigt werden konnten. Eine weitere, nicht zu vernachlässigende Nebenwirkung ist das vermehrte Auftreten eines Herpes Zoster. Eine Impfung vor Therapiebeginn ist daher empfohlen. Bei alten Patienten und Patienten mit signifikanten kardialen Komorbiditäten ist Tofacitinib nur mit grosser Vorsicht einzusetzen. Bei einem schweren Schub einer CU sind JAK-Inhibitoren wegen ihres schnellen Wirkmechanismus jedoch eine interessante Alternative zu Infliximab oder Ciclosporin. In einer kürzlich publizierten kleinen Fallstudie wurde eine hochdosierte Gabe mit Tofacitinib (3 × 10 mg täglich) gewählt, was zu einem Ansprechen in den meisten Patienten führte [36].
Selektivere JAK-Inhibitoren könnten den Optimismus um die JAK-Inhibition wiederbeleben, da durch die selektive Hemmung das Thromboserisiko verringert sein könnte – obwohl dies in Langzeitstudien noch zu zeigen ist. Ein Beispiel hierfür ist Upadacitinib, welches JAK 1 selektiv hemmt und in den USA bereits für die Behandlung der CU zugelassen ist. Seine Wirksamkeit wurde in den U‑ACHIEVE- und U‑ACCOMPLISH-Studien nachgewiesen [37]. Die Zulassung von Upadacitinib darf in Bälde erwartet werden. Ein weiterer selektiver JAK-Inhibitor mit JAK1-Affinität ist Filgotinib, dessen Wirksamkeit bei CU in der SELECTION-Studie gezeigt werden konnte [38]. Filgotinib ist in der EU schon zugelassen und wird in mehreren Ländern schon angewendet. Interessanterweise scheint das Herpes-Zoster-Risiko vor allem bei Filgotinib weniger hoch zu sein als bei den anderen JAK-Inhibitoren.
Der Sphingosin-1-phosphat(S1P)-Agonist Ozanimod ist das jüngste Mitglied der CU-Therapie und das zweite orale „small molecule“. S1P ist ein Sphingolipid-Ligand von G‑Protein-gekoppelten Rezeptoren (S1P1 bis S1P5), welche die Freisetzung der Lymphozyten aus den Lymphknoten in die Blutbahn bewirken. S1P-Agonisten binden an Subtypen dieser Rezeptoren, was zu einer Rezeptorinternalisierung und somit zu einem Pooling der Lymphozyten in den Lymphknoten führt. Eine Migration ins Entzündungsgewebe wird somit verhindert [39]. Der erste S1P-Agonist Fingolimod ist seit 2010 zur Therapie der multiplen Sklerose im Einsatz. Ozanimod ist ein selektiver S1P-Agonist mit erhöhter Affinität für die Rezeptoren 1 und 5. Bei der CU wurde seine Wirksamkeit und Sicherheit in den True-North-Studien nachgewiesen [40], was 2022 zur Zulassung durch die Swissmedic geführt hat. Es ist abzuwarten, wo im Therapiealgorithmus der CU sich dieses Medikament platzieren wird. Vor allem ist das Risiko für kardiale Nebenwirkungen zu erwähnen, weshalb eine Dosistitrierung erfolgen muss (Tag 1–4: 0,23 mg pro Tag; Tag 5–7: 0,46 mg pro Tag; ab Tag 8: 0,92 mg pro Tag) und vor Therapie immer ein EKG durchgeführt werden muss. Ein Monitoring während der ersten Gabe ist jedoch bei herzgesunden Patienten nicht notwendig.
Ebenfalls der Gruppe der S1P-Agonisten zugehörend ist Etrasimod, welches eine Selektivität für die Rezeptoren 1, 4 und 5 aufweist (aktuell untersucht in Phase 3‑Studien). Ergebnisse der Phase-2-Studien scheinen vielversprechend mit signifikant höheren Raten an klinischer (33 % gegenüber 8,1 % von Placebo; p < 0,001) sowie endoskopischer Remission (41,8 % gegenüber 17,8 % von Placebo; p < 0,003; [41]).
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P. Schreiner macht folgende Angaben: Consulting Verträge mit Pfizer, Takeda, Janssen, Abbvie, Galapagos, Sanofi-Regeneron und Falk Pharma. T. Greuter macht folgende Angaben: Consulting Verträge mit Sanofi-Regeneron, Pfizer, Janssen, Bryistol Myers Squibb, Takeda, Abbvie und Falk Pharma, Reisespesen von Falk Pharma, Abbvie und Vifor, Vortragshonorar von Norgine und Amgen sowie Forschungsgrant von Novartis. J. El Hadad gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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