Bei rezidivierenden Anaphylaxien unklarer Genese sollte man unbedingt an eine Erkrankung aus dem Spektrum der Mastozytosen denken. Diese sind zwar selten, erfordern aber vor allem bei Erwachsenen eine genaue Abklärung, um die eher benignen kutanen Formen von aggressiven systemischen Varianten abzugrenzen und einer adäquaten Therapie zuzuführen.
Unter Mastozytosen fällt eine Reihe von seltenen Erkrankungen, die durch die klonale Vermehrung von Mastzellen in Geweben gekennzeichnet sind. Während meist Haut und/oder Knochenmark befallen sind, finden sich auch Gastrointestinaltrakt, Leber, Milz und Lymphknoten unter den betroffenen Organen. Die WHO-Klassifikation teilt die Erkrankung in kutane und systemische Mastozytosen und Mastzellsarkome ein. Die Haut ist das am häufigsten betroffene Organ. Auf die Haut limitierte Erkrankungen bezeichnet man als kutane Mastozytose, während es sich bei der Beteiligung eines extrakutanen Organs um eine systemische Mastozytose handelt [1].
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Die Haut ist das am häufigsten betroffene Organ
Das Hautbild bietet beim Auftreten der Erkrankung in der Kindheit häufig ein polymorphes Bild aus gelblich-braunen flachen bis knotigen Läsionen unterschiedlicher Größe und Anzahl. Bei einzelnen oder nur wenigen knotigen Läsionen bezeichnet man sie als Mastozytom/e. Bei Erwachsen hingegen sind die Hauterscheinungen monomorph aus stammbetonten, disseminierten kleinen bräunlichen Flecken oder flachen Knoten bestehend. Bei Kindern bildet sich die Erkrankung in ca. 80 % der Fälle bis zur Pubertät zur Gänze oder zumindest teilweise spontan zurück, und eine systemische Beteiligung ist selten [2].
Im Gegensatz dazu findet sich bei Erwachsenen in über 95 % der Fälle eine Systembeteiligung [3] die auch, wenngleich selten, in aggressive Formen der Mastozytose übergehen können [4]. Die Ausprägung der Symptomatik reicht von nahezu symptomlosen Patienten bis zu schweren Symptomen wie Juckreiz, Flush, Kopfschmerzen, Hypotonie, Palpitationen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall durch die getriggerte Freisetzung von Mastzellmediatoren wie Histamin, Proteasen, Prostaglandin D2, Heparin, Interleukine, u. v. a. [5]. Mitunter sind auch lebensbedrohliche Anaphylaxien, z. B. insbesondere durch Hymenopterenstiche [6], aber auch durch Nahrungsmittel [7], möglich. Der folgende Artikel bietet einen Überblick über die klinischen Manifestationen dieser Erkrankungen und ihrer Therapien.
Epidemiologie
Die Mastozytose ist eine seltene Erkrankung. Die Prävalenz wird auf ca. 1:10.000 geschätzt [8] bei einer jährlichen Inzidenz von ca. 1:100.000 Personen [9]. Sie kann bereits bei Geburt vorhanden sein oder in jedem anderen Lebensalter auftreten.
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Es wird aufgrund der unterschiedlichen Klinik und Prognose zwischen kindlicher und adulter Mastozytose unterschieden. Unter kindlicher Mastozytose versteht man Erkrankungen die vor der Pubertät auftreten. Sie machen ca. 65 % der Fälle aus. Beide Geschlechter sind etwa gleich häufig betroffen [10, 11]. Zumeist handelt es sich um eine sporadische Erkrankung, familiäre Fälle sind jedoch beschrieben [12, 13].
Ätiologie und Pathogenese
Mastzellen befinden sich in fast allen Geweben des Köpers, wobei sie vor allem in der Nähe von epithelialen Oberflächen, Blut- und Lymphgefäßen und peripheren Nerven vorkommen. Sie stammen von pluripotenten CD34-positiven hämatopoetischen Stammzellen aus dem Knochenmark ab, gelangen über die Blutbahn in die verschiedenen Gewebe und reifen dort zu gewebetypischen Phänotypen aus (z. B. kutane Mastzellen oder mukosale Mastzellen). Für diese Schritte benötigen sie die Interaktion des Wachstumsfaktors „stem cell factor“ (SCF, Kit-Ligand) mit der Rezeptor-Tyrosin-Kinase KIT (CD 117) die von dem Gen KIT kodiert wird. SCF reguliert Wachstum, Migration, Überleben und Effektorfunktionen von Mastzellen [5, 14].
Eine somatische aktivierende KIT-Mutation in Exon 17, Kodon 816, wo Valin durch Aspartat ersetzt wird (KIT D816V), findet sich in 60–90 % der Patienten mit Mastozytose [15] und spielt eine ursächliche Rolle bei der Krankheitsentstehung. Es kommen aber auch Mutationen in anderen Exons von KIT und sekundäre Mutationen in anderen Genen (z. B. TET2, ASXL1, JAK2, SRSF2, RUNX1, CBL) vor, deren prognostische Rolle Gegenstand laufender Untersuchungen ist [16].
Als wichtige Effektorzellen des Immunsystems spielt die Mastzelle eine Hauptrolle bei anaphylaktischen Reaktionen. An ihrer Oberfläche befinden sich hochaffine IgE-Rezeptoren, die durch Kreuzvernetzung des an sie gebundenen IgE durch Allergene aktiviert werden. Mastzellen sind aber auch bei der Abwehr von Pathogenen wie Pilzen, bestimmter Viren und Bakterien beteiligt, erfüllen auch immunmodulatorische Aufgaben und spielen eine Rolle bei der der Wundheilung.
Ihre molekulare Ausstattung besteht aus einer ganzen Reihe aus Mediatoren die einerseits in präformierten Granula vorliegen und andererseits de novo synthetisiert werden. Die in den Granula vorliegenden Mediatoren können zu unmittelbaren Reaktionen führen. Zu ihren Vertretern gehören: Histamin, Proteasen (v. a. Typtase, Chymase), Heparin, Zytokine, Tumornekrosefaktor.
Unter den de novo produzierten Substanzen befinden sich v. a. Produkte des Arachidonsäure-Stoffwechsels wie Leukotrien C4 und Prostagandin E2, ebenso wie verschiedene Zytokine und Chemokine sowie Wachstumsfaktoren [5]. Die Aktivierung und Degranulation abseits des durch IgE vermittelten Weges erfolgt über eine Vielzahl unterschiedlicher Rezeptoren durch eine Reihe unterschiedlicher Trigger wie physikalische Reize (Kälte, Hitze, Druck, Reibung, Vibration, UV-Licht), endogene Mediatoren (Hormone, Neuropeptid P, Endothelin‑1, Komplement), Toxine (Insekten‑, Schlangengifte, und Bakterientoxine) und Alkohol. Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch Medikamente, die als Mastzellliberatoren fungieren. Hierzu zählen Opiate wie Codein und Morphin, Acetylsalicylsäure, nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), Kontrastmittel, Anästhetika [17].
Klassifikation
Nach der WHO-Klassifikation von 2016 wird die Mastozytose in 3 Kategorien unterteilt: die kutane Mastozytose (CM), die systemische Mastozytose (SM) und das Mastzellsarkom (MCS) ([1], Tab. 1).
Tab. 1
WHO-Klassifikation der Mastozytosen 2016. (Nach [1])
WHO-Klassifikation der Mastozytosen 2016 |
---|
Kutane Mastozytose (CM) Makulopapulöse CM (MPCM)/Urticaria pigmentosa (UP) Diffuse CM (DCM) Mastozytome der Haut |
Systemische Mastozytose (SM) Indolente SM (ISM) Smoldering SM (SSM) SM mit assoziierter hämatologischer Neoplasie (SM-AHN) Aggressive SM (ASM) Mastzellleukämie (MCL) |
Mastzellsarkom (MCS) |
Klinik
Kutane Mastozytose bei Erwachsenen
Die Haut ist bei mehr als 80 % der Patienten mit Mastozytose betroffen bzw. mitbetroffen. Die Diagnose einer kutanen Mastozytose im Erwachsenenalter kann nur gestellt werden, wenn keine Zeichen einer systemischen Mastozytose vorliegen. Zum Ausschluss einer systemischen Beteiligung ist eine Basisuntersuchung inklusive Knochenmarkbiopsie erforderlich. Sofern diese Untersuchungen nicht vorliegen, kann die vorläufige Diagnose einer Mastozytose in der Haut (Mastocytosis in Skin, MIS) gestellt werden [18].
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Nur ca. 40 % der Patienten mit fortgeschrittener Mastozytose zeigen eine Hautbeteiligung
Die meisten Patienten, bei denen im Erwachsenenalter kutane Hauterscheinungen im Rahmen einer Mastozytose auftreten, sind zwischen 20 und 35 Jahre alt und zeigen symmetrisch verteilte, charakteristische rötliche oder bräunliche, runde monomorphe Makulae und Papeln (Abb. 1a). Die Läsionen werden als makulopapulöse kutane Mastozytose bezeichnet, sofern kein Hinweis auf Systembeteiligung besteht. Sie beginnen oft an den Oberschekeln, axillär oder am unteren Stamm und breiten sich in weiterer Folge über Jahre auf Oberkörper, Hals und distale Extremitäten aus. Gesicht, Kopfhaut, Handflächen und Fußsohlen bleiben ausgespart. Die Anzahl der Läsionen kann sehr unterschiedlich sein und von einigen wenigen Läsionen bis zu nahezu konfluenten Arealen reichen. Die Hautveränderungen zeigen üblicherweise keine Tendenz zur Spontanremission. Nahezu alle erwachsenen Patienten weisen eine Knochenmarkbeteiligung im Rahmen einer SM auf, wobei die ISM die häufigste Variante ist [19, 20]. Patienten mit fortgeschrittener Mastozytose (advSM) zeigen nur in ca. 40 % der Fälle eine Hautbeteiligung, die in diesem Fall einen positiven prognostischen Marker darstellt [18].
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Darier-Zeichen
Ein pathognomonisches Zeichen der Hautläsionen im Rahmen der Mastozytose ist das Darier-Zeichen. Um es auszulösen, streicht man mit einem Holzspatel mehrmalig (ca. 5-mal) mit moderatem Druck über eine Papel und wartet einige Minuten. Wenn es zu einer Quaddelbildung und Rötung der Läsion kommt, häufig auch mit Juckreiz, gilt das Darier-Zeichen als positiv (Abb. 1b). Bei Kindern ist es fast immer vorhanden, bei Erwachsenen kann es mitunter schwerer auszulösen sein [19].
Kutane Mastozytose bei Kindern
Die Hauterscheinungen sind bei Kindern im Gegensatz zu Erwachsenen vielgestaltig und reichen von einzelnen knotigen Läsionen (Mastozytom/e; Abb. 1d), zu diffus verteilten gelblich-bräunlichen Flecken und Knoten (Abb. 1c) mit oder ohne Blasenbildung (makulopapulöse Mastozytose), bis zu generalisiert verdickter gelblich-bräunlicher Haut (diffuse kutane Mastozytose). 60–80 % der Patienten entwickeln Läsionen innerhalb des ersten Lebensjahres [21].
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Mastozytome
Es handelt sich um einzelne oder wenige bräunliche oder gelbliche erhabene Läsionen mit einem Durchmesser von > 1 cm, die vor allem an den Extremitäten auftreten, aber auch am Kopf oder Stamm lokalisiert sein können (Abb. 1d). Sie können bereits bei Geburt vorhanden sein, meist erscheinen sie aber innerhalb der ersten 3 Lebensmonate. Die Läsionen weisen sich durch eine hohe Mastzelldichte aus. Aufgrund der noch schwachen Verankerung der Epidermis mit der Dermis, und der starken Ödembildung bei Mastzelldegranulation, kann es bei Babys und Kleinkindern zu Blasenbildung innerhalb der Läsionen, spontan oder nach mechanischer Irritation, kommen. Bei manchen Kindern kann Reiben der Läsionen starke Flush-Reaktionen mit Hypotension auslösen, weswegen der Versuch des Auslösens eines Darier-Zeichens bei diesen Läsionen vermieden werden sollte [20]. Üblicherweise besteht keine systemische Beteiligung und die Läsionen regredieren bis zur Pubertät [17].
Makulopapulöse kutane Mastozytose (MPCM)
Diese Subform findet man bei Kindern in 70–90 % der Fälle [21], wobei man eine häufigere polymorphe (MPCM-p) von einer monomorphen (MPCM-m) Variante unterscheidet. Die polymorphe Variante zeichnet sich durch scharf oder unscharf begrenzte, rotbraune Makulae und Papeln oder Knoten unterschiedlicher Größe in asymmetrischer, generalisierter Verteilung aus (Abb. 1c). Betroffene Körperstellen sind v. a. Kopf, Hals und Extremitäten. Die Läsionen zeigen ein ausgeprägtes Darier-Zeichen und können bis zum Alter von 2–3 Jahren nach mechanischer Irritation auch Blasen ausbilden. Im Laufe der Zeit werden die Hautveränderungen oft flacher, bis sie sich zumeist bis zur Pubertät vollständig zurückbilden. Die monomorphe Variante betrifft nur wenige Kinder und ähnelt mit ihren kleinen, gleichförmigen, runden rotbraunen Makulae und flachen Papeln den bei Erwachsenen beobachteten Hauterscheinungen. Bei diesen Kindern findet sich häufiger eine erhöhte persistierende Serum-Tryptase. Auch zeigt sich im Verlauf normalerweise eine Persistenz der Hautläsionen ins Erwachsenenalter hinein, und eine SM kann bei einem Teil der Fälle diagnostiziert werden, weshalb die Unterscheidung der Varianten von klinischer Bedeutung ist [20].
Diffuse kutane Mastozytose (DCM)
Diese Subform ist selten und stellt die Maximalvariante des Hautbefalls im Rahmen der CM dar. Sie kann bei der Geburt schon vorhanden sein oder im frühen Säuglingsalter auftreten. Die gesamte Haut zeigt sich rötlich oder gelblich verfärbt, verdickt und von teigiger Konsistenz. Typisch ist ein ausgeprägter Dermographismus, der bereits nach minimaler mechanischer Irritation auftritt. Auch ausgedehnte Blasenbildung mit zum Teil hämorrhagischem Inhalt, ausgelöst durch Reiben, Kratzen, Virusinfektionen oder Zahnen kommt häufig vor. Die Tendenz zur Blasenbildung sistiert auch hier im Alter von 2–3 Jahren. Aufgrund der extensiven Mediatorausschüttung treten häufig mediatorassoziierte Symptome wie Flush, Juckreiz, Blasenbildung, Diarrhoe, intestinale Blutungen, Hypotension und manchmal auch schwere Anaphylaxien auf [17]. Bei der Mehrzahl dieser Kinder finden sich deutlich erhöhte Tryptasewerte, obwohl bei den meisten keine systemische Beteiligung vorliegt. Die Hautveränderungen bilden sich meist bis zur Pubertät zurück. Es sind aber auch familiäre Varianten beschrieben mit autosomal-dominantem Erbgang, bei denen Mastzellinfiltrate in extrakutanen Organen vorkommen und die einen chronischen Verlauf zeigen [20].
Systemische Mastozytose
Eine systemische Mastozytose (SM) lt. der WHO Klassifikation von 2016 wird dann diagnostiziert, wenn das Hauptkriterium (multifokale, dichte Mastzellinfiltrate mit > 15 Zellen in der Histologie des Knochenmarks (KM) und/oder eines anderen extrakutanen Organs) und ein Nebenkriterium oder mindestens 3 Nebenkriterien erfüllt sind. Die 4 Nebenkriterien lauten:
1.
> 25 % atypische Mastzellen in KM-Ausstrichen oder spindelförmige Mastzellen in Mastzellinfiltraten in histologischen Schnitten viszeraler Organe,
2.
Nachweis einer KIT-Punktmutation auf Kodon 816 im KM oder extrakutanen Organen,
3.
Mastzellen im KM, Blut oder extrakutanen Organen zeigen CD25 und/oder CD2-Expression,
4.
Persistente Baseline-Serum-Tryptase > 20 ng/ml (gilt nicht bei Vorliegen einer assoziierten myeloischen Neoplasie, AHN; [1]).
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In einer kürzlich erschienenen Konsensuspublikation europäischer und US-amerikanischer Experten, die einen Update-Vorschlag der diagnostischen Kriterien und der Klassifizierung von Mastzellerkrankungen enthält, wurde bei den Minorkriteren der Nachweis des Markers CD30 auf Mastzellen hinzugefügt und eine Korrektur des basalen Tryptasewertes bei bekannter hereditärer α‑Tryptasämie empfohlen [22].
Die SM wird in die indolente systemische Mastozytose (ISM), die „smoldering systemic mastocytosis“ (SSM), die systemische Mastozytose mit assoziierter hämatologischer Neoplasie (SM-AHN), die aggressive systemische Mastozytose (ASM) und die Mastzellleukämie (MCL) eingeteilt (Tab. 1). SM-AHN, ASM und MCL werden unter der Subkategorie „advanced systemic mastocytosis“ (advSM) zusammengefasst [23].
Für die Unterscheidung ist die durch die Mastzellinfiltration verursachte klinisch feststellbare Organbeteiligung ausschlaggebend. Diese wird durch sog. B- und C‑Findings (Tab. 2), die einerseits das Ausmaß der Organvergrößerung (z. B. Leber, Milz, Lymphknoten) und andererseits der Organdysfunktion (z. B. Zytopenien, Hypalbuminämie, Malabsorption, portale Hypertonie) betreffen, beschrieben [23]. Eine Knochenbeteiligung, einhergehend mit Knochenschmerzen, Osteopenie oder Osteoporose, kommt häufig vor und kann pathologische Frakturen begünstigen [24].
Tab. 2
Zusammenfassung der Kriterien zur Unterscheidung zwischen ISM und advSM
Definition und Kriterien für B‑Findings und C‑Findings [1] |
---|
B‑Findings weisen auf hohe Mastzellast und Expansion des neoplastischen Prozesses auf multiple hämatopoetische Zellreihen hin (ohne sichtbare Beeinträchtigung der Organfunktion) |
1) Hohe Mastzelllast in der KM-Biopsie: > 30 % Mastzellen im Infiltrat (fokale, dichte Infiltrate) und Serum-Tryptase > 200 ng/ml |
2) Zeichen der Myeloproliferation und/oder Dysplasie: hyperzelluläres KM mit Verlust der Fettzellen und diskreten Zeichen für Dysmyelopoese ohne wesentliche Zytopenien oder ohne dass WHO Kriterien für MDS oder MPN erfüllt sind |
3) Organomegalie: palpable Hepatomegalie, Splenomegalie oder Lymphadenopathie ohne Beeinträchtigung der Organfunktion |
C‑Findings weisen auf eine Organschädigung durch Mastzellinfiltration hin (sollten falls möglich bioptisch verifiziert werden) |
1) Zytopenie(n): Neutrophile < 1000/µl oder Hb < 10 g/dl oder THRO <100.000/µl |
2) Hepatomegalie mit Aszites und Leberfunktionsstörungen |
3) Palpable Splenomegalie mit Hypersplenismus |
4) Malabsorption mit Hypoalbuminämie und Gewichtsverlust |
5) Knochenläsionen: große Osteolysen mit pathologischen Frakturen |
6) Lebensbedrohlicher Organschaden in anderen Organsystemen verursacht durch lokale Mastzellinfiltration im Gewebe |
Indolente systemische Mastozytose (ISM)
Die ISM ist die häufigste Variante, macht ca. 65–90 % der Fälle mit SM aus und geht fast immer mit einer kutanen Manifestation einher. Es ist in fast allen Fällen eine Mastzellinfiltration im Knochenmark nachweisbar, ohne dass es jedoch dadurch zu einer Organdysfunktion kommt, und es darf maximal 1 B‑Finding zu finden sein. Die Prognose ist gut und das Risiko für eine Progression in eine ASM, SM-AHN und MCS beträgt 1,2 %, 1,8 % bzw. 0,1 % in der European-Competence-Network-of-Mastocytosis(ECNM)-Kohorte [4].
Eine provisorische Subgruppe mit sehr guter Prognose stellt die isolierte Knochenmarkmastozytose (BM-SM) dar. Sie definiert sich durch fehlende kutane Beteiligung, keine Organdysfunktion, eine geringe Mastzelllast und eine Serum-Tryptase < 125 ng/ml. Allerdings zeigt sich bei dieser Gruppe dafür eine ein besonders häufiges Auftreten von Anaphylaxien, v. a. nach Bienen- und Wespenstichen [25].
Smoldering systemic mastocytosis (SM-MC)
Die „smoldering systemic mastocytosis“ (SM-MC) ist durch eine höhere Mastzelllast gekennzeichnet, was sich in der Präsenz von 2 oder mehr B‑Findings (aber ohne C‑Findings) niederschlägt. Die Prognose ist auch bei dieser Form meist günstig.
Systemische Mastozytose mit assoziierter hämatologischer Erkrankung (SM-AHN)
Wenn die SM gemeinsam mit einer anderen klonalen, nichtmastozytären Erkrankung der Hämatopoese auftritt, spricht man von einer SM mit assoziierter hämatologischer Neoplasie (SM-AHN). In diesem Fall bestimmt die gemeinsam bestehende hämatologische Begleiterkrankung die Prognose. Am häufigsten kommen myeloische Begleiterkrankungen vor wie ein myelodysplastisches Syndrom oder ein myeloproliferatives Syndrom [16]. Diese Patienten zeigen häufig konstitutionelle Symptome, Hepatosplenomegalie und Lymphknotenschwellungen, dafür aber seltener Hauterscheinungen oder mediatorassoziierte Symptome als Patienten mit ISM [26].
Aggressive systemische Mastozytose (ASM)
Nimmt die Mastzellvermehrung in den Organen ein so großes Ausmaß an, dass die normale Organfunktion gestört wird, treten zusätzlich zu konstitutionellen Symptomen und Organomegalien auch Zeichen einer Organdysfunktion wie Aszites, Malabsorption, Osteolysen, schwere Anämie, Thrombozytopenie, Leukozytose und deutlich erhöhte Serum-Tryptasewerte (> 200 ng/ml) auf. Die Prognose ist deutlich eingeschränkt, das mediane Überleben liegt ca. zwischen 3,4 und 5,7 Jahren [16].
Mastzellleukämie (MCL)
Bei der Mastzellleukämie zeigt sich im Knochenmark eine diffuse dichte Infiltration von atypischen, unreifen Mastzellen. Im Knochenmarksausstrich finden sich ≥ 20 % Mastzellen. Es wird eine klassische Form mit ≥ 10 % Mastzellen der peripheren weißen Blutzellen und eine a‑leukämische MCL-Variante (mit < 10 % zirkulierenden Mastzellen) unterschieden. Die Prognose ist sehr schlecht mit einem medianen Überleben zwischen 2 Monaten bis 1,9 Jahren in verschiedenen Studien [16].
Mastzellsarkom (MCS)
Diese sehr selten, altersunabhängig auftretenden, soliden Tumoren bestehen aus malignen Mastzellen und besitzen die Fähigkeit, infiltrativ zu wachsen und zu metastasieren. Meist handelt es sich um de novo auftretende Läsionen, sie können aber auch im Rahmen einer vorbestehenden Mastozytose entstehen. Obwohl die Tryptasewerte meist erhöht sind, finden sich mastzellmediatorassoziierte Symptome nur bei ca. einem Drittel der Fälle. Häufig handelt es sich um eine Knochenläsion und die histologische Diagnose kann durch die ausgeprägten Zellatypien erschwert sein. Die Prognose ist sehr schlecht mit einer medianen Überlebenszeit weniger als 18 Monaten. Übergänge in eine MCL sind nicht selten [27].
Mastzellmediatorassoziierte Symptome
Die von den Mastzellen ausgeschütteten Mediatoren, darunter von besonderer Bedeutung das Histamin, rufen eine Vielfalt von klinischen Symptomen hervor. In der Haut kommt es durch die dort befindlichen Mastzellinfiltrate bei Aktivierung derselben durch emotionalen Stress, Infektionen oder auch durch lokale Reize wie Reiben, Wärme oder Kälte sehr häufig zu Juckreiz, Urtikaria und bei Babys und Kleinkindern auch zur Blasenbildung. Die Mediatoren wirken nicht nur lokal, sondern gelangen auch in die Blutbahn und entfalten ihre Wirkung durch die jeweilige Rezeptorausstattung in unterschiedlichen Organsystemen. Typische systemische Effekte sind, je nach Ausmaß der Mediatorfreisetzung, Flush, Kopfschmerzen, Schwindel, Palpitationen, Tachykardien, Dyspnoe, Hypotension bis hin zur Anaphylaxie mit Kreislaufschock [23].
Vor allem Erwachsene zeigen ein Risiko von 20–50 % für Anaphylaxien [28], was schließlich bei dieser Patientengruppe oft zur Diagnose einer Mastozytose führt. Gastrointestinale Symptome finden sich häufig in Form von Sodbrennen, Tenesmen, Diarrhoen und Erbrechen. Auch Gastritis mit Ulzera und gelegentlich gastrointestinale Blutungen treten auf [29].
Diagnostik
Neben einer ausführlichen Anamnese, in der vor allem auch anaphylaktische Ereignisse nach Hymenopterenstichen, Medikamenten, Kontrastmittel und Nahrungsmittel gezielt erfragt werden sollen, ist ein kompletter Status inklusive Begutachtung des gesamten Integuments, Tastbefund von Lymphknoten und inneren Organen wie Leber und Milz wichtig. Bei Vorliegen von Anhaltspunkten hinsichtlich Allergien ist eine weitere Abklärung anzustreben. Initial sollte bei Verdacht auf Mastozytose bei allen Patienten ein Differenzialblutbild, Leber- und Nierenfunktionsparameter, Kalzium, alkalische Phosphatase und die Serum-Tryptase bestimmt werden. Bei Erwachsenen und Verdacht auf systemische Mastozytose (stark erhöhte Tryptasewerte) sollte zusätzlich eine Knochenmarkstanze bzw. -ausstrich, eine KIT-Mutationsanalyse aus dem Knochenmark, eine Abdomen- und Lymphknotensonographie und eine Knochendensitometrie durchgeführt werden [30].
Tryptase
Serum-Tryptase wird hauptsächlich von Mastzellen ausgeschüttet und korreliert mit der Mastzelllast. Der Referenzwert liegt für die meisten Laboratorien zwischen 1–11,4 ng/ml. Wichtig für die Bestimmung des Basiswertes der Serum-Tryptase ist, dass nach einer Anaphylaxie mit der Blutabnahme mindestens 48 h gewartet wird. Ein Wert über 20 ng/ml gilt als pathologisch. Bei erhöhtem Wert sollte immer eine Wiederholung der Untersuchung durchgeführt werden. Bei anhaltendem Werten über 20 ng/ml sollte eine Knochenmarkbiopsie auch bei fehlenden Hautläsionen durchgeführt werden. Bei Kindern sollte bei Serum-Tryptase-Werten > 100 ng/ml, ausgeprägter Zytopenie, Lymphopenie und/Splenomegalie eine Knochenmarkbiopsie durchgeführt werden [30].
Serum-Tryptase wird hauptsächlich von Mastzellen ausgeschüttet und korreliert mit der Mastzelllast
Erhöhte Tryptasewerte können jedoch auch bei anderen myeloischen Neoplasien, bei schwerer chronischer Niereninsuffizienz, chronischer Helminthose oder bei hereditärer Hyper-α-Tryptasämie vorkommen [23].
Hautbiopsie
Das Hauptkriterium für eine kutane Beteiligung im Rahmen einer Mastozytose lt. WHO-Kriterien bildet das Vorliegen von typischen Hautläsionen mit auslösbarem Darier-Zeichen [1, 20]. Liegt es vor, ist eine Hautbiopsie bei Kindern nicht erforderlich (Cave: Größere Mastozytome sollten wegen der Gefahr von systemischen Reaktionen nicht gerieben werden). Bei nicht auslösbarem Darier-Zeichen oder nicht genau zuordenbaren Läsionen und bei Erwachsenen soll eine Hautbiopsie (üblicherweise eine 3‑mm-Stanzbiopsie) durchgeführt werden und auf das Vorliegen von Nebenkriterien (erhöhte Anzahl von Mastzellen in den histologischen Schnitten der Biopsie, aktivierende KIT-Mutation in läsionaler Haut) untersucht werden.
Zur Detektion von Mastzellen stehen einerseits Spezialfärbungen wie Giemsa oder Toluidinblau zur Verfügung, andererseits werden immunhistochemische Färbungen mit Antikörper gegen KIT/CD117 und Tryptase genützt, um sie zu identifizieren [16]. In läsionaler Dermis ist die Anzahl der Mastzellen gegenüber gesunden Menschen um das 4‑ bis 8‑Fache erhöht (ca. 40 Mastzellen/mm2) und um das 2‑ bis 3‑Fache gegenüber Patienten mit chronisch-entzündlicher Hautkrankheiten [20].
Untersuchung des Knochenmarks
Zur Diagnose einer SM wird das KM mittels Histologie, Ausstrich und ggf. Durchflusszytometrie des KM-Aspirats untersucht. Bei einer systemischen Mastozytose finden sich üblicherweise dichte multifokale Mastzellinfiltrate im Knochenmark. Zur Charakterisierung der Infiltrate werden die Mastzellen mit Antikörper gegen Tryptase, KIT/CD117, CD25 und CD2 gefärbt und ihre Morphologie beurteilt. Während KIT/CD117 und Tryptase auf normalen und atypischen Mastzellen zu finden ist, wird CD25 und CD2 von normalen Mastzellen nicht exprimiert [31].
Molekulargenetik
Das Vorhandensein einer KIT-Mutation stellt ein Nebenkriterium für die Diagnose einer systemischen Mastozytose dar und ist bei mindestens 80–90 % der Patienten nachweisbar. KIT-D816V macht über 95 % der detektierten Mutationen aus. Die Bestimmung ist im KM-Aspirat und im peripheren Blut möglich. Die quantitative Bestimmung der Mutationslast ist für die Diagnose, Prognose und als Parameter für das Therapieansprechen auf zytoreduktive Therapien hilfreich. Empfohlen wird die Bestimmung in Knochenmark und peripherem Blut. Bei fortgeschrittener Mastozytose finden sich in über 80 % der Patienten zusätzliche rekurrente myeloische Mutationen, die zum Teil (v. a. die Mutationen in SRF2, ASXL1, RUNX1) einen signifikanten Einfluss auf Phänotyp, Therapieansprechen und Prognose haben, weswegen bei diesen Patienten eine weiterführende molekulare Diagnostik empfohlen wird [23].
Wichtige Differenzialdiagnosen
Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS)
Immer häufiger werden Patienten mit unspezifischen Symptomen wie Pruritus, Kopfschmerzen, Flush, Tachykardie oder Bauchschmerzen zur Abklärung bezüglich eines Mastzellaktivierungssyndroms (MCAS) an spezialisierte Kliniken zugewiesen. Da diese Symptome sowohl im Rahmen einer Mastzellaktivierung (MCA), als auch bei vielen anderen Erkrankungen auftreten können, ist eine Abgrenzung mittels definierter diagnostischer Kriterien wichtig. Das MCAS ist ein durch schwere systemische Reaktionen auf Mastzellmediatoren gekennzeichnetes, seltenes Krankheitsbild und kann sowohl im Rahmen von primären Mastzellerkrankungen wie der Mastozytose (primäres MCAS) als auch sekundär im Rahmen von atopischen/allergischen bzw. anderen reaktiven Erkrankungen (sekundäres MCAS) oder als idiopathisches MCAS auftreten. Laut den von einer europäisch/amerikanischen Konsensusgruppe vorgeschlagenen Kriterien müssen zur Diagnose eines MCAS (1) episodische (wiederkehrende), typische systemische mastzellmediatorvermittelte Symptome in mindestens 2 Organsystemen vorkommen; (2) außerdem muss es in einem 3‑ bis 4‑stündigen Zeitfenster nach der Reaktion zu einem Anstieg der Serum-Tryptase um mindestens 20 % + 2 ng/ml über dem individuellen Baseline-Serum-Tryptasewert kommen; (3) die Symptome müssen auf eine Therapie gegen Mastzellmediatoren bzw. deren Effekte (z. B. Antihistaminika) oder Therapien zur Unterdrückung der Mastzellaktivierung ansprechen. Ein MCAS soll man bei Patienten mit rezidivierenden, schweren, hypotonen Episoden im Sinne einer Anaphylaxie in Betracht ziehen und im Rahmen der Akutbehandlung den Serum-Tryptase-Wert bestimmen, um im beschwerdefreien Intervall feststellen zu können, ob das Kriterium des signifikanten Tryptaseanstiegs erfüllt ist [32].
Hereditäre α-Tryptasämie (HαT)
Ein Grund für erhöhte Tryptasewerte und eine Neigung zu schweren anaphylaktischen Symptomen stellt die hereditäre α‑Tryptasämie (HαT) dar. Man findet diese autosomal dominant vererbte Disposition bei 4–6 % der Bevölkerung. Sie zeichnet sich durch überzählige Kopien des α‑Tryptase-kodierenden TPSAB1-Gens aus, was zur vermehrten Produktion einer Vorstufe der α‑Tryptase führt. Man findet sie überproportional häufig gemeinsam mit einer systemischen Mastozytose, wo sie die Schwere der Symptomatik negativ beeinflussen kann. Für die Diagnostik steht in Schwerpunktzentren eine genetische Untersuchung mittels PCR zur Verfügung [33].
Therapie
Die Therapie der Mastozytose verlangt eine personalisierte therapeutische Herangehensweise – je nach klinischem Subtyp reicht das therapeutische Management primär von der Vermeidung anaphylaktischer Reaktionen – Vermeidung von Bienen‑/Wespenstichen, diätologische Maßnahmen etc. – über symptomorientierte, individualisierte und rein supportive Therapie bis hin zu zytoreduktiven Behandlungsoptionen sowie Stammzelltransplantation bei rasch progredienten Krankheitsverläufen [16].
Präventiv sollte eine Vermeidung von möglichen Triggerfaktoren eingehalten werden, welche von Patient zu Patient stark unterschiedlich sein können – angefangen bei mechanischen Reizen (Reiben) und physikalischen (Hitze, Kälte) Stimuli, Stress (emotionale Trigger), über Medikamente und verschiedenste Kontaktallergene bis hin zu lokalen und systemischen Infektionen [17, 34].
Der medikamentöse Therapieansatz mit den gegenwärtigen Behandlungsmöglichkeiten ist derzeit nicht kurativ, eine komplette Heilung ist nur durch allogene Stammzelltransplantation möglich [35].
Das primäre Therapieziel sowie wichtigste Maßnahme im therapeutischen Management aller Subtypen der Mastozytose ist die klinische Symptomkontrolle, welche durch medikamentöse Hemmung der Mastzellaktivierung, Mastzellmigration und Mediatorenfreisetzung sowie Rezeptorinhibition erlangt werden kann.
Primäres Therapieziel ist die klinische Symptomkontrolle
Die Therapiemodalitäten variieren in Hinblick auf die Häufigkeit und Intensität der Symptome, welche zumeist den Einsatz von H1- und H2-Antihistaminika erfordern. Bei Kindern ist oft keine intensive medikamentöse Therapie notwendig [17, 23]. Meidung von Triggerfaktoren und bei trockener Haut eine Hautpflege mit Salben und Cremen bieten eine gute Grundlage der Behandlungsstrategie. Darauf aufbauend können folgende H1-Antihistaminika in beschriebener Dosierung verabreicht werden (die Dosierung für Kinder ist entsprechend in Bezug auf das Körpergewicht und Alter zu adaptieren). Folgende H1-Antihistaminika stehen derzeit in Österreich zur Verfügung:
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Cetirizin 10 mg
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Fexofenadin 120 mg
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Loratadin 10 mg
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Levocetirizin 5 mg
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Desloratadin 5 mg
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Hydroxyzin 25 mg alle 6 h – Cave: stark sedierender Effekt!
Off-label kann man jedoch wie bei chronisch spontaner Urtikaria die Dosis auf das Vierfache erhöhen [36].
Bei manchen Patienten kann durch eine Kombination zweier H1-Antihistaminika eine bessere Symptomkontrolle erzielt werden als durch die Monotherapie mit einem H1-Antihistaminikum. Obwohl derzeit noch randomisierte, kontrollierte Studien mit Kindern fehlen, ist eine Vervierfachung der empfohlenen, gewichtsadaptierten Tagesdosis von nicht sedierenden H1-Antihistaminika im Einklang mit den aktuellen Urtikaria-Leitlinien unbedenklich [36, 37]. In Einzelfällen kann der Mastzellstabilisator Ketotifen in einer Dosierung von 1–4 mg/Tag, je nach Symptomatik, versucht werden.
Während H1-Antihistaminika zur Prophylaxe von Juckreiz, Rötung und Schwellung eingesetzt werden, sind H2-Antihistaminika zur Reduktion von Abdominalbeschwerden wie Reflux, Bauchkrämpfen und Durchfall hilfreich. Darüber hinaus könnten Letztere den Effekt von H1-Antihistaminika verstärken. Folgende H2-Antihistaminika werden empfohlen:
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Famotidin 2‑mal täglich 20 mg
-
Cimetidin 2‑mal täglich 400 mg
Als Zweitlinientherapie werden bei gastrointestinalen Beschwerden Protonenpumpeninhibitoren mit der gleichzeitigen Gabe von H2-Antihistaminika empfohlen, sowie der Einsatz von Steroiden (z. B. Budesonid p.o.) bei Bedarf [16, 23].
Auch Natriumcromoglicat (Cromoglicinsäure) kann bei Durchfall, Erbrechen, Diarrhoe und Bauchschmerzen helfen und ist in Form von Kapseln zu 100 mg oder als Granulat in Sachets zu 200 mg erhältlich. Dosierung/Anwendung: 30 min vor der Mahlzeit 4‑mal täglich; Kinder bis 14 Jahren 1 Kapsel/0,5 Sachet, Erwachsene ab 15 Jahren 2 Kapseln/1 ganzes Sachet [23].
Um die Flush-Symptomatik zu unterdrücken, welche mit erhöhten Prostaglandin-Werten bei Aktivierung von Mastzellmediatoren assoziiert ist, können NSAR, z. B. Aspirin, zum Einsatz kommen. Einerseits werden sie als Trigger-Medikamente eingestuft, andererseits wurde ihre gute Wirksamkeit, sofern von den Patienten toleriert, in der Literatur beschrieben [38].
Bei Persistenz der Symptome können schließlich verschiedene Leukotrien-Antagonisten (z. B. Montelukast) eingesetzt werden [39].
Ein kurzfristiger Einsatz von topischen Kortikosteroiden bietet eine vorübergehende Reduktion der kutanen Mastzellen und damit verbunden eine Symptomerleichterung. Für Kinder mit isoliertem Mastozytom ist in der Regel keine Therapie erforderlich, die spontane Regression kann abgewartet werden. Nur bei schweren Symptomen werden topische Kortikosteroide unter Okklusion empfohlen [40]. Aufgrund der potenziell induzierten Hautatrophie sollten ältere topische Kortikoide jedoch nicht als Langzeittherapie eingesetzt werden [16, 41]. Auch topische Calcineurininhibitoren wie 1 % Pimecrolimus-Creme in 2‑mal täglicher Anwendung wurden als wirksam beschrieben hinsichtlich der Reduktion von Juckreiz und Quaddelbildung [42].
Bei schweren, persistierenden kutanen Symptomen kann eine systemische Kortisongabe notwendig werden. Bei bullöser Mastozytose, vor allem bei Kindern, brachten 0,1 mg/kg Körpergewicht/Tag Betamethason per os eine komplette Remission nach 4 Wochen [43]. Generell ist jedoch die evidenzbasierte Datenlage zur Anwendung systemischer Glukokortikoide schwach [44].
Gegen Pruritus, welcher durch Antihistaminika allein nicht kontrollierbar ist, können Psoralen-Ultraviolett-A-Therapie (PUVA) oder Schmalband-UVB eingesetzt werden, um kurzfristige Symptomerleichterung zu schaffen. Allerdings wird ein Wiederauftreten der Hautläsionen einige Monate nach Bestrahlungsende beschrieben und die Phototherapie eignet sich des Weiteren aufgrund des erhöhten Hautkrebsrisikos nicht für einen langfristigen Einsatz. Vor allem aber im Rahmen einer diffusen kutanen Mastozytose kann Bestrahlungstherapie vorübergehende Symptomlinderung bei medikamentösem Therapieversagen bringen [45‐47].
Im Sinne einer Osteopenie‑/Osteoporose-Prophylaxe bzw. -Therapie sollte nach entsprechender Abklärung an eine Medikation mit Bisphosphonaten und an stabile Vitamin-D- und Kalziumspiegel gedacht werden [23].
Im Rahmen anaphylaktischer Reaktionen kann es bei Patienten mit Mastozytose häufiger zur Hypotension kommen, daher ist im Notfall besonders auf kreislaufstabilisierende Maßnahmen zu achten (Beine hochlagern, großzügige intravenöse Flüssigkeitszufuhr).
Für Erwachsene und auch für Kinder mit ausgeprägtem Hautbefund, einer Anamnese mit schweren systemischen Symptomen bzw. Anaphylaxie und stark erhöhten Tryptasewerten wird aufgrund des hohen Risikos einer schweren Anaphylaxie eine Ausstattung mit einem Adrenalin-Autoinjektor empfohlen. Die Eltern der Kinder sowie weitere Betreuungspersonen sollten im Umgang mit dem Autoinjektor vertraut gemacht werden und ggf. eine Notfallschulung erhalten. Die Dosierung für Kinder mit einem Körpergewicht zwischen 7,5 und 25 kg beträgt 150 µg, die Dosierung für Kinder ab einem Körpergewicht von über 25–30 kg und Erwachsene beträgt 300 µg. In manchen Ländern wird die Verordnung eines zweiten Autoinjektors empfohlen, der bei Bedarf 5 min nach der ersten Injektion verabreicht wird. Im Rahmen dessen ist eine Ausstattung mit einem Notfallset inklusive einem H1-Antihistaminikum und systemischen Glukokortikoid (z. B. 1–2 Tbl Levocetirizin 5 mg +1–2 Tbl Methylprednisolon 40 mg) ratsam [17, 23, 34].
Der Off-label-Einsatz des monoklonalen Anti-IgE-Antikörpers Omalizumab kann in rezidivierenden Fällen von Anaphylaxien bzw. auf H1-Antihistiaminika unzureichendes Ansprechen überlegt werden [23]. Eine Dosis von 150–300 mg s.c. alle 2 Wochen brachte gute Erfolge [48].
Im Fall einer Hymenopterenallergie wird nach vorangegangener Testung eine Allergen-Immunotherapie (AIT) empfohlen [23].
Ein spezielles, interdisziplinäres Vorgehen verlangt das prä- und perioperative Management bei Patienten mit Mastozytose. Einem genauen Präanästhesiegespräch sowie der Narkoseleitung durch einen erfahrenen Anästhesisten sollte bei diesen Patienten ein hoher Stellenwert beigemessen werden [49, 50].
Vor geplanter perioperativer Trigger-Exposition (Medikamente, Hitze, Kälte, mechanische Provokation) wird oft eine Prämedikation bestehend aus H1- und H2-Antihistaminika und Kortikosteroiden empfohlen – allerdings fehlen hierfür Daten aus placebokontrollierten Studien. Daher gilt die höchste Priorität auch im perioperativen Setting der Vermeidung von Triggerfaktoren, um eine Mastzelldegranulation zu vermeiden [51].
Impfungen werden oft als Trigger für eine Mastzelldegranulation gesehen – bei erwachsenen Mastozytosepatienten bleibt solche Reaktion jedoch aus, bzw. wird sie nicht häufiger beobachtet als in der Normalbevölkerung. Bei Kindern kann es vereinzelt zur symptomatischen Mastzellaktivierung kommen [52].
Daten zur Prämedikation, die vor Anaphylaxie in Bezug auf Impfungen schützen soll, sind unzureichend. Für pädiatrische Mastozytosepatienten mit hohem Risiko für Anaphylaxie wird die Gabe von H1-Antihistaminika 30–60 min vor Impfverabreichung empfohlen. Zusätzlich kann die Gabe von H2-Antihistaminika und Montelukast erwogen werden. Von systemischen Kortikosteroiden als Impf-Prämedikation wird wegen eventueller Wirkungsabschwächung Abstand genommen [53]. Die Therapiemöglichkeiten der CM und ISM werden in Tab. 3 überblicksmäßig zusammengefasst.
Tab. 3
Übersicht über die therapeutischen Möglichkeiten der Mastozytose
Wirkstoffklasse | Wirkstoff und Dosierung | NW/Cave/Anmerkung | |
---|---|---|---|
Basismaßnahmen | Vermeiden von Triggerfaktoren | Medikamente, mechanische und physikalische Reize, Stress, Infektionen, Nahrungsmittel | – |
Hautsymptome | H1-Antihistaminika | Cetirizin 10 mg Fexofenadin 120 mg Loratadin 10 mg Levocetirizin 5 m Desloratadin 5 mg Ketotifen 1–4 mg/d | Bis zu 4‑fach-Dosierung möglich |
Lichttherapie | PUVA, nb-UVB | – | |
Topische Glukokortikoide Topische Kalzineurin-Inhibitoren | Glukokortikoide der Klasse I–IV 1 % Pimecrolimus | Kurzfristig, ggf. okklusiv Offen 2‑mal/Tag | |
NSAR | ASS, Ibuprofen | Cave: Ulkus! NSAR-Unverträglichkeit | |
Anaphylaxie | H1-Anthistaminika | Siehe oben | – |
H2-Antihistaminika | Famotidin 2‑mal 20 mg/Tag Cimetidin 2‑mal 400 mg/Tag | – | |
Glukokortikoide | Z. B. Prednisolon i.v. gewichtsadaptiert (siehe Anaphylaxie-Leitlinien: Akuttherapie und Management) | – | |
AIT | Bei Hymenopterenallergie | – | |
Omalizumab | 150–300 mg s.c. alle 2 Wochen | Off-label use | |
Notfallset | Z. B. 1–2 Adrenalin-Pen(s) + 1–2 Tbl. Levocetirizin 5 mg + 1–2 Tbl. Methylprednisolon 40 mg | Notfallschulung | |
GI-Symptome | H1-Antihistaminika | Siehe oben | – |
H2-Antihistaminika | Siehe oben | – | |
PPI | Pantoprazol 40 mg/Tag, Omeprazol 20 mg/Tag | – | |
Cromoglicinsäure | Natriumcromoglicat 100 mg 4‑mal/Tag 1–2 Kps., Natriumchromoglicat 200 mg 4‑mal/Tag 1 Sachet | – | |
Osteoporose/Osteopenie | Vitamin D3, Kalzium | Colecalciferol (Vitamin D3)-Tropfen/Tabletten, Kalzium/Vitamin D3-Kombinationspräparate | – |
Bisphosphonate | Alendronat, Risendronat, Zoledronat | Cave: Kiefernekrose |
Therapie der fortgeschrittenen systemischen Mastozytose
Die Betreuung von Patienten mit einer fortgeschrittenen systemischen Mastozytose wird vorzugsweise an einem Schwerpunktzentrum empfohlen. Ziel des therapeutischen Regimes sind neben der Symptomkontrolle und Verhinderung von Endorganschäden, eine Lebensverlängerung sowie Verbesserung der Lebensqualität. Sollte zusätzlich eine assoziierte hämatologische Neoplasie vorliegen, muss diese primär therapiert werden.
Die Tyrosinkinase-Inhibitoren Midostaurin und Avapritinib sind die derzeit einzig zugelassenen Wirkstoffe in der Therapie der fortgeschrittenen systemischen Mastozytose. Diese beiden Substanzen hemmen multiple Tyrosinkinase-Rezeptoren inklusive der KIT D816V-mutierten Rezeptoren, die bei 90 % der Patienten zu finden sind, und induzieren dadurch Wachstumsstillstand und Apoptose in mutierten hämatogenen Zellen [54].
Bei einem Teil der Patienten mit anderen KIT-Mutationen kann der Tyrosinkinase-Hemmer Imatinib einen signifikanten Therapienutzen bringen [55].
Bei spezieller Indikationsstellung können auch andere Proteinkinase-Inhibitoren und Interferone (vor allem bei Patienten mit Osteoporose) in Kombination mit und ohne Glukokortikoiden zum Einsatz kommen [23].
Eine Polychemotherapie mit anschließender allogener Stammzelltransplantation ist den rasch progredienten Verlaufsformen vorbehalten. Hydroxyurea, ggf. in Kombination mit Glukokortikoiden, steht als palliative Behandlungsoption zur Verfügung [23].
Ausblick
Um die Betroffenen künftig noch gezielter, personalisierter und effektiver behandeln zu können, stehen derzeit mehrere unterschiedliche Substanzklassen in experimenteller, präklinischer und klinischer Erprobung – u. a. der antiproliferativ und antitumoral wirkende Multikinase-Inhibitor Ripretinib [56, 57] sowie der monoklonale Anti-CD30-Antikörper Brentuximab [58‐61]. Beide Wirkstoffe werden bereits in Phase-II-Studien untersucht.
Schließlich könnten künftig noch gezielte Antikörpertherapien in der Behandlung bei fortgeschrittener systemischer Mastozytose eine bedeutende Rolle spielen, wie beispielsweise Antikörper gegen CD123, welches auf neoplastischen Mastzellen exprimiert wird und an das Diphterie-Toxin SL-401gebunden ist (NCT 02268253).
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
K. Jäger und T. Kinaciyan geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patienten zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern eine schriftliche Einwilligung vor.
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